Julius Stettenheim
Muckenich's Reden und Thaten
Julius Stettenheim

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Im neuen Panorama.

»Die Vertheidigung von Paris« und »Die besiegte Commune«.

Muckenich (tappt sich zum Diorama »Die besiegte Commune« durch.) Es is doch schändlich, det die Panoräme nich ohne Finsterniß existiren können! Dunkelheit is, bei Lichte besehen, halsbrechend un man kann leider sein Jenick nich in der Jarderobe abjeben. (Er rennt gegen die Wand.) Det schadet nich, die Sanitätswache is ja janz in der Nähe, aber ick finde es doch nich in Ordnung, det hier nich'n Nachtwächter steht, der den Wanderer im Dunkeln zurechtzeigt. Ick habe jehört, det Diorama stellt det brennende Paris vor, un da habe ick mir allerdings die Umjejend etwas heller vorjestellt. (Er tappt weiter und steht plötzlich vor dem Diorama.) Ah, det is jroßartig! Da brennt Paris, un im Vorderjrunde is der Kirchhof. Sehr ähnlich!

Zuschauer. Sie haben es wohl mit angesehen?

Muckenich. Na natürlich. Man kann mir 14 allerdings auf dem Bild nich sehen, ick lag vor Paris un ließ mir die brennenden Tillerien in den Hals scheinen.

Zuschauer. Es war doch ein Vandalismus sonder Gleichen. Wenn Paris von den Feinden angesteckt worden wäre, das hätte man sich doch durch den Krieg erklären können, aber daß die Franzosen selbst so gegen ihre Hauptstadt wütheten, das –

Muckenich. Nanu? Sie wissen wol nich, det Bismarck jesagt hat, die jroßen Städte müßten zerstört werden? Ick muß Sie sehr bitten, nich zu denken, det Bismarck was sagt, was nich janz in Ordnung is.

Zuschauer. Bismarcks Wort war jedenfalls anders gemeint. Ich bleibe dabei, die Einäscherung von Paris war ein Vandalismus. Bei uns wäre dergleichen unmöglich.

Muckenich. Kennen Sie Bachem nich?

Zuschauer. Nein.

Muckenich. Schade, ick ooch nich. Aber Sie haben doch jelesen, wie der uf Berlin schimpfte un die Andern alle instimmten. Denn so was steckt an. Da lobe ick mir die Pariser. Wasserkopp hat noch keen Franzose zu Paris jesagt, un noch hat Keener darüber gejammert, det Paris zu ville schöne Jebäude un Museen hat.

15 Zuschauer. Da haben sie allerdings Recht. Anstatt nach deutscher Sitte ihre Hauptstadt zu schmähen und verkleinert zu wünschen, lieben, verehren und vertheidigen die Franzosen sie.

Muckenich. Vertheidigt wird 'ne Treppe höher. (Er steigt hinauf und tritt vor das Rundgemälde.)

Herr Brummkopf (zu seiner Gattin, indem er aus der »Beschreibung« abliest). Der Zuschauer befindet sich auf dem Belvedere eines Hauses zu Montretout.

Frau Brummkopf (zu ihrer Tochter). Louise, Du mußt Dir nun denken, daß wir auf dem Belvedere eines Hauses zu Montretout stehen.

Fräulein Brummkopf. Das ist ja sehr interessant. Was ist denn ein Belvedere?

Frau Brummkopf. Belvedere? Zu Hause habe ich's gewußt. Ich will Papa fragen, der weiß Alles. (Zu Herrn Brummkopf.) Was bedeutet das, ein Belvedere?

Herr Brummkopf. Später werde ick es Dir sagen. Jetzt fällt es mir nich ein, denn et is'n französisches Wort, un hier habe ick 'ne Schlacht vor mir, die 24 Stunden nach der Errichtung des Deutschen Kaiserreichs stattgefunden hat. Man wird bloß nich recht klug draus. Wo sind denn hier die Deutschen?

16 Muckenich. Die sind hinter un in die Häuser, wo sie 'rausfeuern.

Herr Brummkopf. Waren Sie mit dabei?

Muckenich. Na natürlich, ick ließ niemals im Leben was anbrennen, besonders Paris nich, un da jing ick denn mit. Sehen Sie da links den Flintenschuß? Et is man 'n Bisken blauer Dampf, det is meiner.

Ein Zuschauer. Sie lagen mit vor Paris, wie ich höre. Da könnten Sie mich über Mancherlei aufklären. Wo ist denn zum Beispiel der Mont Valérien?

Muckenich. Der ist zum Beispiel da. (Zeigt auf irgend eine Stelle.)

Zuschauer. Da ist ja gar keine Erhöhung.

Muckenich. Wenn Sie't besser wissen – Ick war aber dabei.

Zuschauer. Wo standen Sie denn?

Muckenich. Ick stand jar nich, ick lag. Sehen Sie da det Fenster, wo ein Schuß rausfällt? Da lag ick uf'n Tisch un feuerte uf Paris zu.

Zuschauer. Und wo steht das Schloß von St. Cloud?

Muckenich. Da! (Er zeigt wieder auf eine beliebige Stelle.)

Zuschauer (mit dem Fernrohr hinschauend). Das ist der Arc de Triomphe.

17 Muckenich. Also bejnügen Sie sich damit, der is doch ooch'n Bauwerk, wie man't nich alle Dage zu sehen kriegt.

Zuschauer. Ich hätte aber gerne die Riesenkanone auf dem Mont Valérien gesehen.

Muckenich. Det können Sie sehr leicht jenießen. Da jehen Sie die Linden lang, links, Kastanienwald, da steht sie bei's Zeughaus.

Ein Herr. Das ist ein schlechter Witz. Der Mont Valérien ist dort (er zeigt auf eine andere Stelle des Bildes), man sieht deutlich die oben stehenden Kasernen.

Muckenich. Waren Sie denn dabei?

Der Herr. Ich hatte die Ehre.

Muckenich. Na, det is was anders. Mit Jemand, der dabei war, kann ick mir nich unterhalten.

Der Herr. Weil Sie zu der Zeit in Berlin waren.

Muckenich. Stimmt. Aber hier in's Panorama jenirt man sich zu sehr, nich dabei jewesen zu sind, un da lügt man lieber vor Paris. Jesegnete Mahlzeit, meine Herren, un wenn Sie künftig wieder hier sind, denn fragen Sie bloß Eenen, der's eiserne Kreuz hat, oder fragen Sie 'ne Dame. Det is noch besser, da jehen sie janz sicher, daß Sie nich reinfallen. (Er entfernt sich.)


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