Julius Stettenheim
Muckenich's Reden und Thaten
Julius Stettenheim

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Die Ausstellungen in Berlin.

Eine Plauderei am Stammtisch.

Kellner! Ick habe Ihnen nu schon viermal aufjefordert, Sie sollen mir'n Seidel bringen. Soll ick nu anfangen zu ersuchen? Wir sind hier nich in'n Reichstag, haben Sie mir verstanden? (Der Kellner bringt das Verlangte.) Nischt is unhygjenischer als wie det Lauern uf'n Seidel. Der Dursttyphus is wohl die schlimmste Krankheit, die es jiebt. Merken Sie sich das.

Also, meine Herren, ick habe alle Ausstellungen durchjemacht: die Kunst, die Hunde, det Blech, die Hygjene, det Mastvieh un die Blumen, un ick muß sagen, et jereut mir nich, wenn es ooch 'ne Jewaltsache is, so was der hochselige Herkules 'ne Arbeet nannte. Manchmal wurde't mir zu ville, un wenn ick Abends nach Hause kam, denn wußte ick manchmal jar nich, wo ick gewesen war, un wenn meine Frau mir fragte, wo ick den janzen Tag jestochen 55 hätte, denn schwankte ick zwischen Mastvieh un Hygjene, un zwar so, daß meine Frau mit ihrer jewöhnlichen Bonnhomie sagte: »Nun, Alter, ich merke schon, Du bist süßen Weines voll.« Obschon ick'n Biertrinker bin.

Versäumen Sie es nich, meine Herren, die Ausstellungen bis uf die Nagelprobe zu leeren. Sie werden sich nich blos bilden, sondern Sie finden ooch in jede Ausstellung Jetränk, so ville wie Sie verdragen können.

Kellner, bringen Sie mir noch'n Seidel, det siebente, un erinnern Sie mir denn, daß ick noch'n vorletzten trinken will, aber verjessen Sie't nich.

Wenn et Ihnen nich zu sehr in die Länge zieht, denn will ick Ihnen einen Ueberblick über meine Jenüsse verschaffen, woran Sie sehen werden, was man Allens profitirt, wenn man keene Ausstellung anbrennen läßt.

Vor allen Dingen dürfen Sie keene längere Pferdebahn scheuen, um nach die Kunstausstellung zu machen. Das Wandern is zwar des Müllers Lust, wie derselbe singt, aber't fährt sich besser. In der Kunstausstellung anjekommen, finden Sie da det Bild: »Im Spiel der Wellen« von Doctor Lassar. Nee, Doctor Lassar is ja der mit die Badeanstalt in der Hygjene, wo man für zehn Pfennige einen warmen 56 Rejen mit Seefe un Handtuch jenießt. Det is jroßartig. Det Bild aber is von Böcklin, der die kostspieligen Wasserlandschaften malt mit Mädchen, die in Karpfen ausloofen, un Männer, die halb beritten sind. Ick brauche Ihnen nich zu sagen, det die beschuppten Mädchen janz entkleidet sind, un wie nu die uf sojenannte Centauern reitenden Männer zwischen sie schwimmen, da is det 'n Brüllen un Jrunzen un Blöken, det man wünscht, man hätte seine Ohren in der Jarderobe abjejeben. Aber Allens, was Recht is: ick habe nie schöneres Rindvieh kennen jelernt. Ick sehe et diesen Oogenblick noch vor mir. Die reene Carne pura! Kälber über Lebensjröße un Kühe – Kühe, meine Herren, ick sage Ihnen, wahre Staatskühe, oder wie der Franzose sagt: Coup d'état. Un denn dieser Duft! Wenn nich so ville Menschen dajewesen wären, denn hätte ick immer die Nase zwischen die Rosen un Nelken jestochen un würde mir für meine Frau 'ne Masse Blechjeschirr mitjenommen haben. Un nu rechts und links det Jebelle un Jeblasse von die Doggen, Leonberger un Pudel, die leibhaftige Bellalliance, sage ick Ihnen. Det schönste Thier aber hat Albert Wolff ausjestellt, det is nämlich 'n wundervoll jejossener Löwe, der seine Jungen jejen eine Riesenschlange vertheidigt, indem er die Tatze erhebt un nich zuhaut. Diese Jipsjruppe paßt 57 allerdings nich in die Hygjeneausstellung, denn sehr jesund für die Schlange kann doch der Löwe nich sind, aber als Jegenstück zu die unjejipsten Weine von Nier finde ick sie sehr passend.

Kellner, also bringen Sie mir den vorletzten Seidel, aber jeschwind, damit det Bier nich kalt wird.

Wo war ick doch stehen jeblieben, meine Herren? Richtig, in die Blumenausstellung. Un da hat mir besonders die gothische Halle für Leichenverbrennung von Siemens in Dresden sehr interessirt. Da kann man sich jut und billig verbrennen lassen, wenn man det Jeld an sich spendiren will. Die Wittwe kann darauf warten, bis man Asche is, un nimmt dann den jeliebten Jatten in'ner Urne wieder mit nach Hause retour. Det is'n trostloser Jedanke, meine Herren. – Kellner, eenen Jilka! – aber et wird 'ne Zeit kommen, wo wir Alle sagen werden: »Ueb' immer Treu und Redlichkeit bis an den kühlen Ofen!« un daher is et jut, wenn wir uns allmählich daran jewöhnen. Wir leben eben in eine neue Zeit, un det is jut, denn wenn noch die olle jraue Vorzeit wäre, denn jingen wir Alle wie der junge Mann, den ick in eine von die Ausstellungen jesehen habe. Wo, det weeß ick nich, in die Mastblumenausstellung war et nich, ooch nich in die Blechhundeausstellung. Aber jesehen habe ick ihn, et is'n ausjezogener 58 Athener, der ausruft: »Wir haben jesiegt!« – Nun bitte ick Sie, meine Herren, wenn wir Alle im Jahre sieb- un einunsiebzig so in Berlin mang die Linden 'rumjeloofen wären un hätten jerufen: »Wir haben jesiegt!« un so ruf uf den ollen Fritzen, wir wären ja zu Dutzenden arretirt jeworden, oder hätten uns doch sämmtlich jejen alle Hygjene erkältet.

Kellner, bringen Sie mir nu den letzten Seidel, denn sonst drinke ick noch eenen, un et is doch Zeit, det man noch wo anders hinjeht, wo et noch was Warmes zu essen jiebt. Denn ick habe heute in der Hundeblumenausstellung, – oder war et in die Mastblechausstellung? – in eine künstliche Volksküche schon um 6 Uhr Abends 5 Portionen à 15 un 3 Portionen à 25 Pfennig zu Mittag jejessen, un da spüre ick jetzt etwas Appetit. Det kommt von der körperlichen Bewegung, von der sojenannten Ausstellungsjymnastik. Meine Herren, machen Sie mir det nach, jehen Sie täglich in jede Ausstellung un loofen Sie in jede zwee Stunden 'rum, det is jesund.

Un nu noch einije Worte. Meine Herren, ick bemerke erst jetzt, det Sie fortwährend den Kopp jeschüttelt un jeschmunzelt haben. Sollte ick die Ausstellungen durcheinander jeworfen un manchmal det Mastvieh mit die Blumen un die Kunst mit det Blech un so weiter verwechselt haben? Det kann 59 ja vorkommen. Ick weeß doch, det ick in die Ausstellungen meinen Jeist gebildet habe. Juten Morjen, schlafen Sie wohl! (Er geht fort.)


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