Julius Stettenheim
Muckenich's Reden und Thaten
Julius Stettenheim

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Entlarvt!

Frau Muckenich (im Bett. Die Thüre wird leise geöffnet. Ihr Gatte schleicht herein. Frau Muckenich aufwachend): Wer schleicht da auf vor der Thür ausgezogenen Stiefeln in mein Zimmer? Soll ich um Hülfe schreien? Ha, es wankt! Das ist mein Mann! So schleicht entweder ein Betrunkener oder ein Verbrecher. Oder Beides! Weh mir, der Unglücklichen!

Es ist noch früh? Drei Uhr zeigt der Wecker, und der Wecker ist in diesem Gemach das einzige lebende Wesen, das mich nicht hintergeht. Verstehst Du das, Elender? Hinweg mit Deiner kalten Hand!

Was mir Deine Hand gethan hat? Mir nichts, aber Anderen. Ich wage nicht auszusprechen, was. Aber ich weiß Alles!

Gratulire? Aber doch nicht mir, denn ich weiß, daß Du ein Verbrecher bist.

37 Ich sehe schwarz? Angenommen, ich sähe schwarz, kann ich in einem dunklen, fensterlosen Zimmer Nachts um vier –

Um drei? Schön, um drei Uhr anders als schwarz sehen? Aber ich sehe nicht schwarz.

Wat denn sonst vor'ne Kulör? wie Du Dich in Deinem reichshauptstädtischen Jargon ausdrückst. Nun, ich sehe nicht schwarz, sondern roth!

Dann wirst Du morgen einen Augenarzt holen lassen? Meine Augen sind vortrefflich, aber um so schärfer sehe ich an Deiner mir entgegengestreckten Hand roth. Hinweg mit ihr!

Ob ich eins über den Durst getrunken habe? Du meinst also, daß ich mich dem stillen Patzenhofer ergeben, daß ich –

'nen kleenen Affen habe? Abscheulicher Ausdruck, noch abscheulicherer Verdacht! Nein, ich bin vollkommen nüchtern, aber ich wälze mich seit 10 Uhr, also seit sechs Stunden –

Es sind fünf Stunden? Sei es, also seit fünf Stunden wälze ich mich schlaflos in den Kissen umher. O ich beklagenswerthestes der Weiber dieser Erde!

Ich sollte zum Abendbrod keinen Käse essen, dann würde ich schlafen? Ich verbitte mir diesen Rath, denn es ist nicht der Käse, der mir 38 den Schlaf raubt, sondern der Gatte. Weißt Du, was Du bist?

Hundsmüde bist Du? Nein, im Gegentheil, ich bin es müde, länger zu schweigen. Du bist ein Mörder!

Man hört doch immer was Neues? Nun ja, mir war es was Neues, und ich wünschte, ich hätte niemals davon erfahren. Aber das ist der Fluch der Belesenheit. Als Du heute Abend fortgingst, was sagtest Du? »Ick jehe in die Loge. Heute Abend is jroße Sitzung, wir Freimaurer haben heute höllisch zu arbeeten.« Nun ja, höllisch, das ist der richtige Ausdruck.

Ihr habt bis vor einer halben Stunde gemauert? Schweig'! Wer weiß, was Ihr eingemauert habt! Denn kaum warst Du fort, da las ich die Encyclica des Papstes, dessen mit dem Alter sich mehrende Redseligkeit mir die mit Blindheit geschlagenen Augen öffnete. Du bist ein Mörder!

Ooch nich übel? Also so hartgesotten bist Du schon, daß Du auf solche Anklage kein anderes Wort findest als dieses vulgäre, banale, triviale! Der Papst sagt es Euch Freimaurern auf den Kopf zu, daß Ihr Mörder seid, die sich mit unerhörter Schlauheit den Scharfrichtern aller Länder zu entziehen wissen und ungestraft fortfahren, Brüder wegen 39 einer harmlosen Indiskretion bei Seite zu schaffen, wenn es Euch der Stuhlmeister befiehlt. Mann, ich frage Dich hiermit, bei den Gebeinen Deiner tiefgebeugten Gattin: Wieviel Brüder hast Du auf dem Gewissen?

Nun wird es Dir zu bunt, ich soll schlafen? Ich und schlafen, unter einem Dach mit einem Mörder, der vielleicht auch mich nächstens aus Gewohnheit – ich mag das Bild nicht weiter ausmalen. Also zu Deiner Vertheidigung kannst Du nichts weiter vorbringen, als den Befehl, daß ich schlafen soll? Was ziehst Du da aus der Tasche! Du wirst doch nicht –

Es ist Deine ungeladene Uhr, und ich soll mit dem Blech nun aufhören? Du entgehst mir nicht in diesen Schlangenwindungen, ich glaube dem Papst mehr als Dir. Ich glaube dem Papst Alles, was er behauptet. Der Papst ist kein Journalist, der in den Tag hineinschreibt. Also gestehe, Verworfener!

Du willst Alles gestehen? Und dabei kriechst Du ins Bett! Himmel, was werde ich hören? Wenn es nicht vier Uhr wäre, so würde ich fliehen.

Drei Uhr? Schön, also rede, aber leise, denn das Ohr des Gesetzes wacht.

Was? Du bist garnicht Freimaurer? Und 40 von diesem Ableugnen hoffst Du, Dich den Händen des furchtbaren Krautz zu entreißen, wenn die Nemesis Dich eines Tages erreicht? Gestehe, aber die volle Wahrheit!

Es ist die Wahrheit? Du wolltest blos dann und wann einen Abend frei haben? Darum hast Du mir am Hochzeitstage erzählt, Du seist Freimaurer, ich solle nicht darüber sprechen, und nun hast Du mich volle zwanzig Jahre in diesem Wahn erhalten, um dann und wann unter dem Vorgeben, an dem Tempel der Humanität wieder eine Reparatur vornehmen zu müssen, einen Abend und die halbe Nacht bummeln zu können. Und wer weiß, wo Du gesteckt hast! O ich arme betrogene Frau! Zwanzig Jahre lang hinter das Licht geführte Frau! Mensch! . . Er schläft . . er schnarcht! . . Wollte ich doch, . . Du wärst . . Freimörder . . ein Kain, der . . seine Logen-Abel . . ermordet . . ich . . arme . . Betrog . . (Sie schläft gleichfalls ein.)


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