Julius Stettenheim
Wippchen's sämmtliche Berichte, Band 5
Julius Stettenheim

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32 II.

Herrn Wippchen in Bernau.

Ihr jüngster Brief verwirklichte eine Ihrer originellsten Ideen, und wie diese selbst, so war die Ausführung eine vortreffliche. Schon die Ueberschrift Ihres absolut interessanten Artikels:

»Wippchen, vom Fürsten Hohenlohe interviewt«

war ganz dazu angethan, Sensation hervorzurufen. Aber wir fürchteten, dieselbe würde sehr rasch einer dem Ernst Ihrer Arbeiten zuwiderlaufenden Heiterkeit Platz machen, sobald die erste Ueberraschung vorüber gewesen wäre, und so unterließen wir denn die Veröffentlichung. Es thut uns herzlich leid, aber es ging doch nicht anders. Ohne Zweifel gab Ihnen die Unterredung, welche der Berichterstatter der »Neuen Freien Presse«, Herr Goldbaum, mit dem Fürsten Hohenlohe 33 hatte, den Stoff zu Ihrer tüchtigen Arbeit, indem Sie es nun vermieden, den Fürsten ebenfalls zu interviewen und nicht mehr als der genannte Berichterstatter zu erfahren, sondern es vorzogen, den Fürsten in wichtigen Fragen zu unterrichten. Sie werden wohl jetzt selbst einsehen, daß wir nicht anders beschließen konnten.

Einem anderen Bericht entgegensehend, grüßen wir Sie

ergebenst

Die Redaktion.

* * *

Bernau, den 24. Juni 1880.

Ich rede mir nicht ein, die Erbminerva der Engländer zu besitzen, habe auch nicht, wie gewisse Collegen, hochtrabende Rosinen im Sack, und es fällt mir daher auch nicht ein, weil Sie des Fürsten Hohenlohe Unterredung mit mir bei Seite gelegt haben, Sie über die Achsel anzurümpfen. Ich glaube jetzt selbst, daß Sie das Richtige thaten, besonders, nachdem Sie daraus hingewiesen haben, daß das Publikum sich vielleicht vor Lachen die Seiten meines Manuscripts gehalten hätte. Das fürchte ich am meisten! Der Leser mag sich ausschütten, wovor es ihm 34 beliebt, nur nicht vor Lachen. Als Berichterstatter Heiterkeit zu wecken, ist ebenso gefährlich wie den Leu. Ich unterschätze wahrlich den Werth des Gelächters nicht und liebe es, wenn in fröhlicher Gesellschaft der Bauch gehalten wird. Reißt Jemand einen guten Einfall, so fahre ich am allerwenigsten aus dem Zwerchfell. Heißt es ja doch, daß sogar der alte Homer zuweilen gelacht habe. Wenn ich aber ahnte, daß einer meiner Berichte heiter wirkte, so würde ich ihn wie Ritter Bayard sans peur et sans façon vernichten. Nie ließe ich eine Zeile das Licht der Druckerschwärze erblicken, wenn ich wüßte, daß bei der Lectüre sich einer meiner Amici eines Risum teneatis nicht erwehren könnte. Ich bin ein ernster Mensch, und Alles, was ich schreibe, soll, wenn auch gerade kein sardonisches Weinen, so doch eine ernste Stimmung – verzeihen Sie das harte Wort! – aus dem Ofen locken.

Immerhin möchte ich aber doch nicht hinter der »Neuen Freien Presse« zurückbleiben, und daher sende ich Ihnen einliegend meine Unterredung mit sämmtlichen Mitgliedern der Conferenz: ich will sie alle, von Alpha bis Omega, interviewt haben! Das Publikum hat diese Unterredungen mit einzelnen hervorragenden Löwen und Tigern des Tages satt, da mußte ich einmal mit einer neuen Aera dreinschlagen. Setzen Sie nur meinen Principiis keinen Obsta entgegen, dann ist Ihr Blatt das erste auf diesem Gebiete.

Um wieder auf das obige Gelächter zurückzukommen, so 35 höre ich, daß baar Geld lacht. Da bin ich doch neugierig. Bitte, senden Sie mir einen Vorschuß von 50 Mark, damit ich wenigstens ein halbes Hundert Lacher auf meiner Seite habe.

* * *

Berlin, den 23. Juni 1880.

W. Ich komme von einer Unterredung mit der Conferenz, und nachdem ich, um einen wahren Brühhunger zu stillen, mir sechs Eier in die Pfanne habe hauen lassen, sende ich Ihnen meinen Bericht.

Die kostbare Uhr des Fürsten Hohenlohe schlug 11 Uhr, als ich die Conferenz betrat. Der Saal ist höchst elegant, kein Trübsal, wie so mancher Raum, in welchem über das Wohl und Unwohl der Völker berathen wird. Er ist nach allen vier Dimensionen hin von gleicher Ausdehnung, so daß er fast ein Quadrat bildet. Ueberall bemerkte ich so viele Karten, daß man damit dem Janus einen Tempel hätte legen können. Als ich eingetreten war, erhoben sich die Botschafter von ihren Stehplätzen und setzten sich.

Der Zungen der Botschafter kundig, war es mir ein Leichtes, von jedem Einzelnen das Wichtigste zu erfahren. Allerdings schweigen die Botschafter noch immer derart, daß man ihr eigenes Wort nicht hört, indeß kommt es auf die Art der Frage an. Man muß sie eben nicht das fragen, was sie wissen. Forscht man aber nach Dörfern, die ihnen 36 selbst böhmische sind, so erfährt man mehr, als ihnen lieb ist.

Ich fragte die Conferenz nach den Ländertheilen, welche Griechenland haben wolle. Sie antwortete: Ich gebe ihm alle, welche es wünscht. Die Türkei ist groß genug, sie fängt westlich bei Oesterreich an und geht östlich bis in die Puppen. Da kann es auf einige Meilen Landes mehr oder weniger nicht ankommen.

Ich gab dies zu, aber, fragte ich, wie wird Griechenland in den Besitz der in diesem glorreichen Frieden eroberten Provinzen kommen?

Das ist Griechenlands Sache, antwortete die Conferenz. Genug, ich sage: Nimm! Wenn es nun nicht nehmen kann, dann – Bei diesen Worten machte die Conferenz eine Bewegung, als wolle sie sagen: Ultra posse kämpfen Götter selbst vergebens!

Wird aber Rußland nicht wieder vom Juchten ziehen? warf ich ein.

Die Conferenz schwieg. Sie war also unterrichtet.

Jedenfalls muß etwas für Griechenland geschehen, hub ich wieder an. Ich habe in meiner Schulzeit häufig die Oberquarta besucht und weiß, wie unregelmäßig es im Griechischen zugeht. Briganten durchziehen das Land, fangen die Reisenden ein und schneiden ihnen gegen schweres Lösegeld die Nase ab. Jeder Kranich weiß, daß selbst Sänger – ich erinnere nur an Ibykus – erschlagen und beraubt 37 werden. »La bourse oder die Börse!« ist die Parole. Mit Sicherheit können Aus- und Einheimische auf die schlimmste Unsicherheit rechnen. Da muß etwas geschehen, vor Allem müssen die Grenzen festgestellt werden.

Sobald Sie fort sind, versicherte die Conferenz, soll an's Werk gegangen werden.

Ich verneigte mich und ging. Der Vertreter der jüngsten Großmacht, der italienische Botschafter, dessen Nase wie ein Paroli gebogen ist, begleitete mich mit seinen dunkelschwarzen Augen bis zur Thür.


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