Julius Stettenheim
Wippchen's sämmtliche Berichte, Band 5
Julius Stettenheim

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89 V.

Herrn Wippchen in Bernau.

Ihre werthe Antwort auf unsere ergebene Anfrage, wann Sie uns einen Bericht über das Ende des englischen Feldzuges senden werden, hat uns nicht sonderlich erbaut. Sie seien, so schreiben Sie uns, mit der Erfindung eines neuen und überraschenden Krieges beschäftigt und könnten sich darum auch augenblicklich nicht mit einem beendeten befassen. Das begreifen wir absolut nicht. Wir dürfen doch unsere Leser nicht mit einer einfachen Depesche von der Einnahme Kairos abspeisen, besonders da dieselben wissen, daß wir uns eines eigenen Berichterstatters auf dem Kriegsschauplatz erfreuen, eines Mannes, der bisher so gewissenhaft zu Werke gegangen ist. Gerade über die letzte Waffenthat der Engländer und die letzten Zuckungen des egyptischen Aufstandes wünscht das 90 Publikum etwas Ausführliches zu hören, und wir bitten Sie daher, die Wünsche der Leser wie die unserigen schleunigst zu erfüllen, anstatt sich schon jetzt den Kopf mit einem neuen Krieg (mit welchem eigentlich?) zu zerbrechen.

Ergebenst

Die Redaktion.

* * *

Bernau, den 21. September 1882.

Als ich Ihnen mittheilte, daß ich damit beschäftigt sei, eine neue Kriegsfurie zu entfesseln, that ich dies nicht etwa, um meine Pflicht der Berichterstattung an den Procul negotiis zu hängen und mein Dintenfaß in den Schooß zu legen. Sie wissen am Besten, daß ich gern arbeite, daß ich geradezu ein Fleißpelz und daß ich weder ein Tage-, noch ein Nachtdieb bin. Das süße Nichtsthun ist mir stets sauer geworden. Und dennoch scheinen Sie zu glauben, daß ich den egyptischen Krieg halb vollendet ließ, weil ich Lust hatte, mich der Bärenhaut in die Arme zu werfen und mir Helios' goldenen Wagen in den Hals scheinen zu lassen. Sie irren sich. Ich bin kein Spieß, der sich immer am Heerd dreht, und der, wenn er aufsteht, Feiermorgen macht. Das würde ich selbst dann nicht thun, wenn ich so reich wäre, daß ich 91 mir alle Häuser der Milchstraße kaufen könnte. Sie sehen also wohl ein, daß Sie etwas voreilig waren und die Katze mit dem heißen Brei verschütteten, als Sie mich – verzeihen Sie das harte Wort! – wie ein enfant chérible der Journalistik behandelten.

Ich habe einfach die letzte Schlacht der Engländer links schlagen lassen, weil mit dieser Schlacht Alles vorbei war. Der Herunterkömmling Arabi Bey hatte sich aus dem Staube der Wüste gemacht, nachdem sein Unstern aufgegangen war. Arabi fuitsch! konnte man mit dem Lateiner sagen. Wie eine Armee aus heiteren Wolken waren die Engländer auf die Egypter niedergefahren, deren Mumien alsbald das Schlachtfeld bedeckten. Wolseley ist in Kairo eingezogen, wo auch Arabi eingezogen worden ist und dem Urtheilsspruch des Kriegsgerichts entgegensitzt. Die englische Reiterei jagt den fliehenden Feind in die Wüste und rennt ihn hier über den Sandhaufen. Auf jeden egyptischen Nacken ist ein englischer Fuß gesetzt, das ganze Land ist in die Hände des Britischen Löwen gefallen, in erster Linie der Vorhang: das Stück ist aus.

Was sollte ich also noch berichten? Sollte ich ungelegte Eier dreschen? Die telegraphische Fama ist bereits in Aller Hände gelangt, und ich glaubte daher, dem Publikum nunmehr die Drachenzähne zeigen zu sollen, welche aus der von England ausgestreuten Siegessaat hervorgehen müßten, wie der Phoebus aus der Nubila. Daher sann ich über den 92 nächstfolgenden Krieg nach, anstatt in den Fehler zu verfallen, Eulen wiederzukäuen.

Um Ihnen indeß zu beweisen, daß ich weder Bär, noch beißig bin, sende ich Ihnen einliegend die Gefangennahme Arabi's. Ich habe mich genau an Sedan gehalten, welches ja auch in den September fiel, und meine, so einen Bericht geschaffen zu haben, den ich als ein Kleinod bezeichnen darf. Ja, ich glaube, bisher kein kleineres Od geschrieben zu haben.

Nun aber reiche ich Ihnen wieder die Hand, und damit dies nicht nutzlos geschieht, ist sie bereit, einen Vorschuß zu nehmen. Ich bitte Sie um 3 Sovereigns zum Course von 20,39. Ist Ihnen dies zu viel, so sagen wir: 20,37.

* * *

Kairo, den 18. September 1882.

W. Das war ein Schlag! Der Britische Löwe des Tages breitete seine Flügel aus, und in einem bewunderungswürdigen Siegesfluge schritt er vom Lessepskanal nach Tel-el-Kebir, trieb hier den Feind zu Tausenden von Paaren, und eilte dann hierher, um die letzte Oelung in das Feuer des Aufstandes zu gießen. Das letzte Bollwerk Arabi's ist nun ein Johnbullwerk, Arabi's Heer ist hin, er selbst in das Wasser und Brod der Engländer gefallen. Der Telegraph hat Ihnen bereits das Wichtigste in Kürze gemeldet. Erst 93 jetzt finde ich Zeit, Ihnen die Details der Ereignisse mit der nöthigen Haarkleinheit zu berichten.

Es war am 15. Mit dem ersten Schimmer des Hauspropheten hatte sich der Höchstkommandirende erhoben und der Armee den Befehl gegeben, dem Arabi einen Good Bey zuzurufen. Die englischen Soldaten brannten vor Kampfbegierde fast durch. Es war tiefes Schweigen anbefohlen, und lautlos marschirten die Colonnen davon: Wolseley setzte gewissermaßen dem Feinde die Fußspitze des Degens auf die Brust. Die egyptische Armee schlief noch, sie sollte den Garaus nicht merken, der ihr gemacht wurde. Car Tel el notre Kebir! sagte Wolseley leise. Man hätte eine Nadel der Kleopatra fallen hören können. So waren die Engländer bis auf 500 Meter an die feindlichen Schanzen herangekommen. Nun schossen sie. Die Egypter, sonst nicht sehr gescheidt, waren plötzlich geweckt und antworteten mit einem barschen Gewehrfeuer. Der Sturm begann. Ich möchte ihn als militärische Windhose bezeichnen, so unwiderstehlich war er. Dazwischen ertönte die schrille Melodie der Dudelbeutelpfeifer der Hochländer. Von der anderen Seite stürmten die Iren. Der Feind suchte das Weite und fand es auch, – Tel-el-Kebir war englisch.

Nun wälzte sich die Armee nach Kairo. Der Weg dahin ist 50 egyptische Meilen lang, wir ritten ihn in 50 Stunden ab und hätten ihn, wenn unsere Pferde die Eisenbahn hätten benutzen können, in noch kürzerer Zeit zurückgelegt. Bald 94 gähnten die englischen Kanoniere auf die eingeschlossene Stadt und spieen Tod und Verderben auf ihre Mauern. Auch an Breschen ließen sie es nicht fehlen. Da sahen wir plötzlich ein weißes Hasenpanier von der Citadelle wehen. Unser Feuer verlosch, und alsbald erschien ein Pascha zu Pferde mit drei Roßschweifen, näherte sich dem General Wolseley und übergab demselben einen Papyrus, auf welchen Arabi mit zitternder Dinte etliche Hieroglyphen gezeichnet hatte, die in der Uebersetzung lauteten: »Da es Ihnen nicht möglich war, mich in der Mitte meiner Soldaten zu tödten, so bleibt Ihnen nichts übrig, als mein Fersengeld anzunehmen.« Wolseley antwortete ihm, daß er bereit sei, ihn mit offenen Gefängnißthüren in Wolseleyshöhe zu empfangen, und ließ Queen Victoria schießen.

Während sich dies im englischen Lager zutrug, spielten sich in der belagerten Stadt die aufregendsten Scenen ab. Als die Anhänger Arabi's hörten, daß ihr Führer von zwei Dolchen, die er im Gürtel trug, den Kürzeren gezogen hatte und kühn seine Gänsehaut zu Markte trug, schwuren sie, ihm bis zum letzten Blutstropfen untreu zu sein. Freunde, welche gestern ihren Mund noch voll genommen hatten, nahmen ihn heute völlig leer. Die Soldaten wollten einen letzten Versuch machen, die englische Armee zur Verfolgung zu zwingen, und verlangten stürmisch, mit dem Rücken vor den Feind geführt zu werden. Keiner wollte den unglücklichen Arabi auf der Flucht verlassen.

95 Die englische Armee hielt, an den reinen Thoren von weißgekleideten Favoritinnen empfangen, ihren Einzug in Kairo.

Damit hat der englisch-egyptische Mars sein Ende erreicht.

Morgen schnüre ich mein Kameel und kehre in die Heimath zurück.


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