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Herrn Wippchen in Bernau.
Ihr Bericht über den Fall Khartums war seit zehn Wochen in unseren Händen, ohne daß wir uns entschließen konnten, denselben zu veröffentlichen. Denn Sie hatten in der Mitte des Januar die Engländer siegreich in die Festung einziehen und dieselbe dem Erdboden gleichmachen lassen, während doch an jedem Tag die Nachricht eintreffen konnte, daß General Wolseley zu spät gekommen sei. Das ist nunmehr geschehen: Khartum ist in den Händen des Mahdi, die Engländer sind wieder abgezogen. Jetzt werden Sie es hoffentlich billigen, daß wir Ihren Bericht 142 nicht zum Abdruck brachten. Was hätten wir erklären oder zu unserer Entschuldigung anführen können, wenn wir mit einer Nachricht von dem glücklichen Erfolg der Wolseley'schen Expedition hervorgetreten wären, während die Thatsachen dem geradezu widersprachen?
Nun bitten wir um baldigste wahrscheinlicher klingende Berichte, da die Nachrichten aus dem Sudan sich überstürzen und wir nicht nachhinken möchten. Andernfalls würde das Publikum denn doch schließlich dahinterkommen, daß wir keinen Specialkorrespondenten nach dem Sudan geschickt haben.
Ergebenst
Die Redaktion.
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Bernau, den 19. Februar 1885.
Indem Sie mich mit den bittersten Leviten überschütten, glauben Sie ohne Zweifel, daß Ihr Auge keinen Balken hat wie etwa das Meer. Das ist aber ein Irrthum. Ich will damit nicht den Satz aufstellen, daß mein eigenes Auge splitternackt sei. Das wäre eine Arroganz, deren Schnattern 143 mein Ohr ebenso beleidigen würde, wie das jedes anderen Hörers. Ich wollte nur sagen, daß Sie die Gerechtigkeit auf die lange Anklagebank schieben, wenn Sie mich anstatt sich selbst beschuldigen.
Seit einem Jahre beugte sich mein Mund unter der Last der an ihm hängenden Ohren. Jeder fragte nach Khartum. Wie wird das Coronat opus enden? Wird Wolseley rechtzeitig kommen, oder werden die Rebellen das Prävenire ergreifen, um es zu spielen? Europa lauschte mit gespanntester Folter auf Nachrichten aus der Sackgasse, in welche die Engländer gerathen waren.
In dieser peinlichen Situation faßte ich einen Entschluß, so rasch derselbe auch war. Ich sagte mir: Die Leser wünschen in jedem Falle, in welcher die Engländer sitzen, eine glückliche Lösung, und so ließ ich Wolseley mit seiner Armee am den und denten Januar Khartum erreichen. Damit fiel Allen ein Alp vom Herzen, und Jeder athmete auf, denn nur so waren den Feindseligkeiten des Mahdi und Gegenmahdi – wahrlich, ein Paar nobile fratrum! – ein Ende gemacht. Aber Ihnen wollte das – verzeihen Sie das harte Wort! – nicht einleuchten. Sie machten meine Ankunft Wolseleys rückgängig und ließen die Engländer immer tiefer in die Suppe gerathen, die sie eingebrockt hatten. Das mag klug gewesen sein, human war es nicht.
Nun freilich ist es zu spät, nun stehen wir vor einer Katastrophe, deren einzelne Verse die Leidensgeschichte der 144 Britischen Macht bilden. Niemals haben die Briten mit mehr Recht Engländer geheißen als jetzt, wo sie so in die Enge getrieben sind. Aber jedenfalls werden sie jetzt ihre Nase hüten, daß ihnen Khartum nicht nochmals aus derselben geht, sie werden die Festung nehmen, wo sie sie finden. Dann werden Sie einsehen, daß es falsch war, meinen Fall Khartums unnützerweise von oben herab bei Seite gelegt zu haben.
Heute sende ich Ihnen einliegend die Italiener in Aegypten. Sie werden mir hoffentlich die Erfolge, die ich denselben bereite, nicht krumm nehmen. Denn ich habe die Italiener wie eben so viele Augäpfel in mein Herz geschlossen, und ich möchte um jeden Preis verhindern, daß Sie in dem abenteuerlichen Unternehmen anstatt der Siegespalme ein Haar finden.
Mir ist es in diesen Tagen leider nicht gut gegangen. Zu einem Carneball aufgefordert, wählte ich die Maske des Königs King Bell. Zu diesem Zweck hatte ich mir, um als Afrikaner so westlich als irgend möglich zu erscheinen, die Hände schwarz gefärbt. Ich sah geradezu eingeboren aus, obschon ich vollständig bekleidet war. Kaum aber hatte ich einen Walzer getanzt, als meine Dame einen Schrei ausstieß, daß der eben noch so fröhliche Saal ein Trübsal war. Was war geschehen? Die Farbe meiner rechten Hand saß an der Taille der Dame! Rasch rieb ich mit der anderen Hand die Flecken fort und machte dadurch neue. Um nicht aus der 145 Königsrolle zu fallen, sagte ich: »Sklavin, Wir sind außer Uns, Wir versichern Dich unserer Huld, bitte Dir ein Gnade aus!« Das wurde für Spott gehalten, und man wies mich aus dem Saal, nachdem ich mich verpflichtet hatte, das Kleid zu bezahlen. Draußen merkte ich, daß mir ein höflicher Dieb den Hut abgenommen hatte, und ich mußte barhaupt nach Hause gehen, wo ich nun erkältet den Schlafrock hüte. Mein Husten wird immer keucher. So sehen Sie sich denn in die unangenehme Lage versetzt, mir einen größeren Vorschuß von 80 Mark zu senden, wogegen ich Ihnen verspreche, niemals wieder als Afrikönig einen öffentlichen Maskenball zu besuchen.
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Massaua, den 17. Februar 1885.
W. Wie die Gouvernante das Kind, so zog mich die Nachricht an, daß die Italiener nach Aegypten gedampft seien, um daselbst das Schwert in die englische Wage zu werfen. Es war ein wunderbarer Tag, als ich dahinfuhr. Helios war glühend aufgegangen und machte das rothe Meer noch röther, und so glitt ich nachdenklich über die Fläche, auf welcher einst Moses den Aegyptern die entscheidende Ebbe lieferte, aus der Keiner entkommen sollte. Gestern Morgen – die Bewohner Massauas lagen noch in Morpheus' 146 Posen – stieg ich hier an's Land. Im »Khedivehof« fand ich ein elendes Zimmer, ein wahres Ungemach, oder besser ein Mäuseleum, so unheimlich rascheln die Mäuse über die Steinfliesen dieses Zimmers. Ich frühstückte einige Fleischtöpfe, welche mir ein brünettes Muhamedchen für Alles servirte, und ging aus.
Auf der Straße ein buntes Treiben: Italiener, Engländer und Aegypter wogten Arm in Arm durcheinander. Hier hörte man das Dante'sche Höllen-Italienisch, dort die Sprache des süßen Schwans von Avon sprechen, dazwischen wälschten die Aegypter ihr schreckliches Kauder. Die Italiener waren sehr heiter, besonders traten die Bersaglieri (sprich Bersaglieri) so siegesgewiß auf, daß die Engländer ihren Rang in Acht nehmen müssen, sonst wird er ihnen abgelaufen. Gestern schon haben die Italiener einen Sieg errungen. Mit dem ersten Ton, den die Memnonssäule hören ließ, griffen sie die Rebellen an, welche das Weichbild der Stadt Massaua verunzieren. Mit dem Liede Trema, Bisanzio! stürzten sich die Italiener auf den Feind, welcher bald die Lanze streckte und dann unter großen Verlüsten das Weite wie eine Stecknadel suchte. Den Italienern fielen an 200 Kameele – dieser Nilpferde bedient sich die ägyptische Cavallerie ausschließlich – und viele Zelte in die Hände. Jubelnd zogen sie gegen Mittag in die Stadt zurück.
Oberst Saletta, der Höchstkommandirende, ist voll Siegeszuversicht. Als ich ihm von der Tapferkeit einzelner 147 seiner Soldaten sprach, antwortete er: Cosi fan tutte! Ohne Zweifel, Khartum wird nicht lange unrasirt bleiben.
Heute Abend wird »der Mahdi« von Meyerbeer gegeben. Ich bin auf das Ballet in dieser Oper neugierig, da schon die Straßengarderobe der Damen derart ist, daß der tugendhafte Mensch schwarz sieht.