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Viertes Kapitel.
Gottfried Nordhäuser, der brave Jüngling vom Koppenplatze, war Portier bei der Baronin von Allwil, die in einer Villa am Plötzensee wohnte.
Hier in der Einsamkeit sollte ihr Sohn genesen, der vom Vater her unheilbaren Blödsinn geerbt hatte.
»O,« stöhnte die Baronin, »wäre die Vererbungstheorie doch niemals Mode geworden, wie gesund und fröhlich könnte mein lieber Oswald dann sein.«
Oswald war ein Maler, theils aus Muße, theils aus Talentlosigkeit. Sein großes Gemälde »Kühe auf der Weide« war von der Jury einstimmig als die beste Leistung für gemalte Schafe mit der großen goldenen Medaille belohnt worden.
Das war ein Zeichen möglicher Besserung, wenn auch nur ein schwaches.
Denn wen die Jury sich geirrt hätte, war die Sache noch dieselbe.
»Gottfried, wie denkst Du darüber?« fragte die Baronin in ihrem entsetzlichen Schmerze.
»Es kann so sein,« antwortete Gottfried, oder auch so.«
Der brave Junge vermochte der Mutter die Wahrheit nicht so klar einzuschenken, wie ehemals sein Vater, der rechtliche, den reinen unverfälschten Korn.
Die biederen Eltern fälschten nie. Lieber verdienten sie weniger. Das war noch die gute alte Zeit!
Gottfried konnte nicht sagen, was er empfand. Er hielt die von Oswald gemalten Kühe nicht wie die Jury für Schafe, sondern für Meerschweine. Es konnten aber auch Schellfische sein.
Mit Oswald wurde es täglich trauriger. Alles wollte er haben, was ihm verboten war. Er that immer nur das Verrückteste. Er verlangte stets, daß etwas Wunderbares kommen sollte.
Die Mutter briet ihm einen Storch. Das war ihm noch nicht wunderbar genug.
Er verlangte die Gräfin Szmoltopska; seine Mutter sollte sie als Hausmädchen miethen.
»Neunhundert Millionen für die Szmoltopska!« rief die Baronin, denn sie war unermeßlich reich. Sie besaß zwei Zuckerbergwerke auf der Insel Kuba und eine Petroleumfabrik am Hardanger-Fjord. Außerdem hatte sie ihr Vermögen in Bonds der Northern-Pacificbahn angelegt.
Erschüttert wandte Gottfried Nordhäuser sich ab.
Das Glück der Geliebten hätte gemacht werden können – neunhundert Millionen waren ein anständiges Trinkgeld – und vielleicht auch das Glück Oswalds.
Niemand aber kannte den Aufenthalt der Gräfin.
Selbst die Polizei stand vor einem Räthsel.Wurde von Menzel gezeichnet!!
Oswald nahm sichtlich ab. Mit irrsinnigem Lächeln bat er: »Mutter, gieb mir die Sonne.«
Die Baronin wollte vor Kummer vergehen. »Gottfried,« jammerte sie, »was soll ich beginnen? Was fange ich an? Oswald will die Sonne haben.«
»Geben Sie sie ihm doch,« sagte Gottfried treuherzig.
Die Baronin stieß einen Freudenschrei aus. Sie gab Oswald die Sonne, der sich von Stund an besserte. Er gab das Malen auf, wurde ein erfolgreich inkompetenter Kritiker und Herausgeber des »Blasewitzer Kunstbartels«, wobei ihm das väterliche Erbtheil ebensosehr zu statten kam, wie das unerschöpfliche Vermögen der Mutter.
In ihrer übermäßigen Freude ließ die Baronin Gottfrieds alte Livree wenden und gab ihm einen Bond der Northern-Pacific-Bahn vierter Emission mit dem Bemerken, damit könne er noch einmal sein Glück machen, wenn er Glück hätte.
Wir werden sehen, wie sich ihr inniger Wunsch erfüllt und Gottfried als treuer Diener schließlich doch noch zu Wohlstand gelangt.
Denn nichts belohnt sich besser als Tugend.