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Siebenundzwanzigstes Kapitel.
Durch ihr bescheidenes und anspruchsloses Betragen hatte sich Friederike gar bald die Achtung des ganzen Harems erworben und klüglich umgangen, daß Neid und Eifersucht zu Streitscenen und somit leicht zur Entdeckung des wahren Sachverhaltes geführt hätten, was unter allen Umständen vermieden werden mußte.
Glücklich pries Friederike sich daher, als sie in ihrer Handtasche den Katechismus vorfand, den die Tante Schwudicke ihr geschenkt hatte, wie sie als Leutnant Fritz Dr. geliebten Kranken Abends Erbauliches vorlas. Nun konnte er sich zurückziehen und mit Augenlieb und Herzensdieb fleißig Katechismus lesen, wodurch auch noch die günstige Meinung verbreitet wurde, daß die Sklavin »süßer Fritz« über alle Begriffe fromm und tugendhaft sei.
Und Fritz war dies wirklich, denn wenn es ihm auf sein eigenes Leben auch nicht ankam, so durfte er das der schönen Emma doch nicht aufs Spiel setzen.
Für Emma zu leiden war ihm keine Pein und schließlich gewöhnte er sich auch an die Tugend, weil eben der Mensch sich an Alles gewöhnt.
Er ging meistens verschleiert, indem er vorgab, ein Gelübde gebiete ihm, sein Antlitz so lange verborgen zu halten, bis die Stunde der Enthüllung geschlagen.
»Wann ist dies?« fragte Herzensdieb.
»Wenn die Wandervögel ziehen!« antwortete Fritz zweideutig. »Aber seid nicht neugierig, sondern wiederholt mir, was Ihr aus dem Katechismus gelernt habt.«
»O,« sagte Augenlieb, »immer brav und artig sein und lieb und gut und . . . und . . .«
Ein schrecklicher Klageton aus der Ferne unterbrach Augenlieb's kindliches Geplauder. Er klang wie Wuth und Jammer in Eins. – Die beiden Odalisken erbleichten.
»Was ist das?« fragte Leutnant Fritz.
»Der Sultan . . . . der Sultan!« flüsterten Augenlieb und Herzensdieb voller Angst.
»Warum schreit er so?«
Wieder ertönte der schauerliche Ton, doch diesmal mehr wie ein Gebrüll.
»Nicht er schreit,« sagte Herzensdieb, »es ist das Begehren, das aus ihm ruft.«
»Welches Begehren?«
»Nach einem Weibe, das seine Gluth nicht erwidert!« sagte Augenlieb.
»Emma!« durchschoß es Fritz. Keine andere konnte den Sultan so zum Rasen bringen, keine ihm widerstehen wie sie.
»O die Schändliche!« rief Herzensdieb. »Warum giebt sie sich ihm nicht hin? Nun wird er morden, morden, morden – uns Alle. Seine Gluth löscht er in Strömen von Blut, sein Sehnsuchtsschrei erstickt erst in unserm Todeswinseln. Sollte die neue Weiße uns solche Gefahr bereiten? O Fritz, Du mußt zu ihr eilen und ihr den Haschischtrank reichen. Wenn sie davon trinkt, gewährt sie dem Sultan Alles, wonach er verlangt.«
Ein langgezogener anschwellender Ton machte ihnen das Herz erlahmen.
»Gebt mir den Trank,« flüsterte Fritz. Im Geheimen nahm er sich vor, Emma zu warnen, nichts anderes zu essen als Eier in der Schale und Milch, frisch von der Ziege, sowie selbst vom Baum gebrochene Früchte. Laut sagte er dann: »Kinder, Kinder, seid Ihr durchtriebene Kreaturen; ich fürchte, bei Euch ist der Katechismus vergebens.«
In diesem Augenblicke wankte Menub-bel, die Priorin des Harems, herbei, eine ältere Türkin, die schon drei Dynastien hatte über sich ergehen lassen.
»Sklavin Fritz,« rief sie, »unser Gebieter ist brauchis, das heißt voller Zorn; er bedarf neuer Anregung. Wir wissen keine Novitäten im Harem mehr: es ist immer dasselbe. Womit ergötzt Ihr die Fürsten des Abendlandes?«
»Mit Paraden!« antwortete Fritz.
»Können wir das auch?«
»Mit Wonne!« rief Fritz. »Blaues Tuch her! Silberlitzen, feine Lack-Schaftstiefel, blanke Czacko's! Wir verwandeln den ganzen Harem in tadellose Husaren zu Fuß. Dalli! Dalli!«
Wieder erscholl die Jammerklage des von wilden Lüsten geplagten Sultans.
»Wir haben keine Zeit zu verlieren!« sagte die würdige Dame. »Willst Du die Sache leiten, liebe Fritz?«
»Und ob!« rief Fritz. »Und Frisierwolle her für die Bärte! Mächens, werdet ihr propper aussehen.«
In seinem Übereifer küßt er Augenlieb und Herzensdieb und sogar Menub-bel, die Alte.
Fritz hatte einen Rettungsgedanken erfaßt.
Rasch wurde alles Nothwendige herbeigeschafft und die Anfertigung der Uniformen begann noch an demselben Tage.
Sogar die Schlafzeit wurde zu Hilfe genommen. Sie alle zitterten für ihr Leben.
Immer grauenvoller ertönte des Sultans Geheul durch die stille Nacht. Die Gefahr wuchs sichtlich.
Wohl hatten die Aerzte ihm Beruhigungspulver eingegeben, aber ihre Arzneien waren zu schwach, um seine furchtbare Sinnlichkeit zum Schweigen zu bringen.
Die Molla's lagen in den Moscheen auf den Knieen und flehten zu Allah und Muhammed, daß sie die Qualen des Gebieters linderten.
Aber Allah und sein Prophet vermochten es nicht.
Emma war zu schön.