Ludwig Tieck
Victoria Accorombona
Ludwig Tieck

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Sechstes Kapitel

Am Gardasee, in der Nähe der kleinen Bergstadt Salo, lebte der Herzog mit seiner Gemahlin glückliche Tage. Sie lasen, sangen, dichteten, er ritt auf die Jagd, und sie begleitete ihn auf kleinen Reisen in der schönen und mannigfaltigen Umgegend. Die Nähe von Deutschland und der Schweiz, diese Bergnatur mit ihrem stets neuen Wechsel geben diesen Landschaften einen eigentümlichen Reiz. Von einem so einfachen, idyllischen Leben ist nur wenig zu berichten, das ruhige, ungestörte Glück kann niemals die Imagination des Dichters vielfach bewegen: nur von Wechsel, Unglück, Schlacht und Tod, Gram und Verzweiflung oder Wunder berichtet Legende und Romanze, das epische Gedicht wie das Drama.

In dieser holdseligen Einsamkeit störte sie fast niemals ein Besuch. In Venedig waren sie gewesen, und die Republik hatte dem tapfern Herzoge eine hohe und rühmliche Befehlshaberstelle angetragen; er war gerührt von der ihm zugedachten Ehre, schlug aber diese Würde aus, was den Dogen und den Rat einigermaßen kränkte. Man hatte ihm und seiner Gemahlin mit einem feierlichen Aufzuge entgegenkommen wollen, welches aber nun, soviel Ehre sie ihm auch erwiesen, unterblieb.

Es erfreute ihn aber, hier in dieser weltberühmten Stadt seine Vittoria im Glanz einer Fürstin auftreten zu sehen; es schmeichelte ihm, wie der Doge und hohe Adel ihrer Schönheit huldigte und jedermann sich ihr nur mit Erstaunen und Bewunderung näherte. Auch die Gelehrten und Dichter brachten ihr Opfer des Lobes und der Schmeichelei, da man in Italien, wenn sie auch ohne Namen gedruckt waren, ihre feurigen Lieder kannte.

Nachdem sie das großartige Verona besucht hatten, begaben sie sich wieder in die Einsamkeit ihrer Berge und nach dem schönen, romantischen See, den sie auf einer Barke, mit Musik begleitet, überschifften, und sich an den alten Romanzen ergötzten, die man in diesem Lande vernahm.

Zuweilen erfüllte die hohe Schönheit den Wunsch des Geliebten, sich ihm in der Gestalt und Tracht der Diana zu zeigen, und er rief einmal in seinem Entzücken: »Ja, du mein Herz und meine Seele, in dieser herben Jungfräulichkeit, du wildes Kind, wurdest du mein; denn ein Mägdlein, nicht eine Frau gönnte mir an jenem Abende, wo Hymen uns vereinte, den kostbarsten Schatz ihrer Liebe. O du Wunderwerk der unerschöpfliche Natur! Wie wandelst du dich in alle Gestalten, und in jeder neuen bist du schön und herrlich. Wenn ich dich als Pallas anbeten muß, so hüpft mein Herz im Rausche der Wonne, wenn ich dich auch im Taumel der Liebe als Bacchantin sah, und immer weiblich edel, immer von Grazie und Holdseligkeit umgossen. Wenn andere Frauen sättigen, entzündest du die Liebe und ihr Verlangen nur mehr und mehr. Wie ich nach dir brannte, wie mein Herz nur dein und deiner immer und ewig begehrte, und der Moment, daß du mein werden konntest, mir von feindseligen Dämonen festgeschmiedet schien, um mich ohne Labsal verschmachten zu lassen: – so – o, mißverstehe mich nicht, mein Abgott, – so sehne ich mich jetzt, daß ich mir nur ein einzig armes Mal sagen könnte: jetzt ist mein Herz und Sinn gesättigt, ich bin, auf diesen Augenblick doch, der Sehnsucht und dieses Rausches frei.«

Da zog jene wundersame Glut der Schamröte über ihr Lilienantlitz, und sie schmiegte, ihr Auge verbergend, das Lockenhaupt an seine Brust. »O, mein Paul!« flüsterte sie ihm zu, – »du mein Gott und alles, – was bin ich durch dich geworden? Eine Selige, der Olympischen eine. – Aber warum, du Wilder, bist du so wild und ungestüm? Ist es denn nicht oft, als wolltest du Seele und Leben, die ganze Ewigkeit in diesen Momenten des Rausches opfern? O mein Gatte, mein Held, mein liebliches Kind, mein sanftes Lamm und auch Bacchus und Apoll und Jupiter, – willst du, kannst du nicht sanfter, demütiger, – ach, Himmel! – was soll ich sagen? – du verstehst mich gewiß.«

Er lächelte selig und sah auf sie nieder, etwa wie Herkules mag auf die Göttin der Jugend sanft und stolz hinabgesehen haben.

Wenn sie einmal allein war, was sich nur selten zutrug, so war ihr Sehnen nach ihm so milde und genügend, die Erinnerung so still behaglich, daß das Herz sich immerdar in sanfter Freude wiegte. »Daß den Sterblichen«, sagte sie dann, »ein solches Glück zugewiesen werden könne, ist mir ehedem nicht glaublich gewesen; ja, ich habe keine Ahnung von einem solchen Leben gehabt.«

Ein andermal neckten sie sich wieder wie die Kinder und übten tausend kleine Schalkheiten aneinander aus. Im Garten stellten sie einst einen Wettlauf an, und er blieb weit zurück. »Du bist zu stark,« sagte sie lachend und ihn verspottend; »wie willst du die Last deines großen Körpers. deine hohe Gestalt so schnell bewegen und so behende? Ich darf dir viele Schritte vorausgeben, und du wirst mich doch nicht einholen.«

»Mit der Atalante«, erwiderte er, »kann keiner rennen, ich müßte dir denn, wie jener Freier, die goldnen Äpfel zum Abirren weit wegwerfen.«

»Und so kann ich dir also doch weglaufen, sobald ich nur will.«

»Dann schleudere ich, dein Zeus, Donner und Blitz dir nach, die sind doch rascher als deine schönen Beine: meine Liebesgedanken ereilen dich dann, wie sie dich ja auch so eingeholt und überlaufen haben, daß du mein Weibchen geworden bist.«

»Bin ich es denn?« sagte sie, ihn küssend, »deine Geliebte bin ich, dein wildes Kind, wie du mich so oft nennst. Wie du mich neulich schlugst, mit meinen eigenen schweren Locken, als ich deine Heldentaten gegen die Türken nicht glauben wollte, du Prahler!«

»Prahler!« fuhr er auf und umschloß sie mit seinen kräftigen Armen, »und eben ermahnte sie mich noch, in meiner Liebe mäßiger zu sein, die nüchterne, ungläubige Heidin! Ja, morden könnte ich dich, du Gottlose, liebste Liebe, in diesen höchsten Momenten der Liebe.«

»Und warum nicht gern sterben?« antwortete sie, »und mit Freudentränen im Auge? – Ach, Paul, mein Giordano! Wenn wir uns nach dem Tode wiederfinden, wenn ich dir entgegenstürze, in jenem uns unbekannten Lande: wird dann die Wonne nicht vielleicht noch größer sein? Oder anders? Oder ist es, wie mir im Leben vorher war, daß wir es uns jetzt nicht denken können?«

»Tod und Leben in deiner Nähe ist mir eins,« antwortete Bracciano, »für dich nur hat mich das Schicksal auf einer langen und oft rauhen Bahn erzogen. So ist mein Lieben jetzt die Schule, deiner in Zukunft noch würdiger zu werden.«

»Ja,« fuhr sie fort, »und so schweben wir in jenen uns jetzt unsichtbaren und undenkbaren Gebieten, wir beide eins, und zugleich mit Andacht, Anschauen der vorigen Kräfte eins, wie wir schon jetzt in begeisterten Momenten aufgehen mit der schönen Natur umher, mit Luft, Himmel, Licht, den Gestirnen der Nacht, und wir in Entzücken die ewigen Kräfte fühlen, die magisch im Gestein und Wasser, in Mond und Sonne weben: wir hören dann, wir fühlen den Pulsschlag der allgewaltigen Natur, Gottheit weht durch unser ganzes Wesen, und auch die kleinste Faser unsers Daseins ist geweiht und klingt wie die windbewegte Saite der Harfe in den Akkord der Unendlichkeit hinein.«

»Und auch dies Gespräch«, fuhr er fort, »ist bacchantischer Natur. Wir Menschen können nicht anders. Wohl dem Eingeweihten in Eleusis' Mysterien, wenn er in jeder Chiffre, die ihm die Wirklichkeit vorhält, ein Geheimnis findet, ihm verständlich.«

»Oder ein Rätsel,« sagte sie, »das, als unerraten, lieblicher und tiefer unser Wesen durchschauert, als wenn sich uns die sogenannte Wahrheit enthüllte.«

»Darum ist jede Wirklichkeit, jede Erscheinung Symbol,« sagte Bracciano, »und wieder, oft in anderer, irdischer Begeisterung angesehen, bedeutet es doch nur sich selbst, genügt sich selbst und ist sich selbst das Höchste. Es ist Abend geworden, laß uns ruhen und jene sich genügenden höchsten Mysterien feiern.«

Sie sah ihn mit leuchtenden, aber keuschen Blicken an und schüttelte lächelnd das Haupt. Er küßte sie aber, und sie folgte ihm nicht unwillig. –

So zählten sie in immer neuem Glück nicht Zeit und Stunde. – Flaminio war in Padua und hatte dort den Palast für sie eingerichtet, wenn sie mit dem Beginn des Winters diesen beziehen würden. Der Herzog hatte den ältern Bruder Marcello auch dorthin beschieden, der jetzt, durch den erlauchten Schwager in Wohlhabenheit versetzt, sich vornahm, fortan ein anständiges Leben zu führen. Der Sommer war vergangen, aber die beiden Glücklichen dachten noch nicht daran, ihre schöne Einsamkeit zu verlassen.

Es war schon im Herbst, und einer von jenen wunderbaren Tagen, wie man sie nur in den südlichen Berggegenden erleben kann. Er wollte das wundersam schöne Wetter einmal ganz für sich allein im Walde genießen. Vittoria blieb einsam zurück und saß sinnend und schreibend bei offenen Türen im Saal, welcher die Aussicht auf die schöne Landschaft erlaubte.

»Wie selig müde,« so schrieb sie, »wie erregt in schlummernder Mattigkeit, wie wach und bewußt in diesem seligen Traum! Die Liebe ist es, durch die ich alles verstehe, durch welche auch das scheinbar Tote lebt. Der See schimmert und rauscht und flüstert unter seinen wechselnden und spielenden Lichtstrahlen. Oft klingt wie aus dem Grunde ein Glockenton herauf und tönt fort, wie mahnend unter die kosenden, vielfach schwatzenden Laute hinein. Ist es des Wassers ernster Geist, der die plaudernden Kinder ermahnt? Denn wie die kunstbegabte Hand durch die vielfach tönenden Saiten der Harfe sich klug auf und ab bewegt, wie auf dem Spinett die angeschlagenen Tasten klingen, so hält die Fee der Wasser die glänzenden Finger hinein und spielt mit den vor Freude zitternden Wellen und läßt sie rieseln und klingen. Der ernste Felsen drüben zieht schon, wie zum Schlaf, die ernste Nebelkappe über sein rauhes Haupt, um andächtig zuzuhören, und die Wälder fragen sich: wird die Nacht kommen und die Traumgestalt, die dann durch das dunkle Grün poetisch wandelt? Das kleine Gesträuch schwatzt am Ufer von jener Zeit, in welcher es zu Bäumen wird und statt der Amsel und der Nachtigall der Adler sie besucht und der Reiher in ihnen sein Nest baut. Wie spiegelt sich die schlüpfende Eidechse noch in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne! Nun wandelt und wimmelt das kleine Wurmgeschlecht, die Völkerschaft der kleinen Käfer auf mannigfachen Wegen durch das dunkler leuchtende Gras. Der Adler fliegt zu seinem Horst und trinkt die Strahlen der Abendröte: die Schafe kommen blökend von der Weide, die Glocken der Kühe tönen den einförmigen Schall – ein Schweigen ruht auf Wasser, Feld und Berg – es horcht brütend und aufmerksam in die Tiefe der Erde hinein, was die Geister dort ausschwatzen, die niemals an die Oberwelt kommen. Nun stehen die Kuppen der Berge hellblühend im Rosenlichte, die Nebel ziehen sacht, vom Strahle geküßt, in den Wald hinab, die großen Wolken malen kühn Schlacht und Tumult und Ovidische Metamorphose in das dunkelnde Himmelsgewölbe. Nun geht sie fort, die Abendröte, die Königin; bläulichgrau, wie Leichname, stehn die Felsenkuppen, wie Gespenster fast, und mich ergreift ein Schauer und zittert an mein Herz hinan. – –«

Wirklich ergriff sie ein fröstelndes Zittern, und sie stand auf, die Fenster und Türen gegen die eindringende Abendluft zu schließen. – Indem sie sich umsah, nahm sie in der Ecke des Saales ein zusammengekauertes kleines graues Wesen wahr, das sich in der Nähe einer Tür gelagert hatte. Ihr erster Gedanke war, einen jener blödsinnigen Bettler oder die Gestalt eines Kretins vor sich zu sehn, wie sie wohl in jenen Gegenden zu finden sind. Sie wollte die Diener rufen, um das kleine Wesen mit einem Geschenke abzufinden, als dieses sich erhob und den nebelgrauen Finger warnend ausstreckte. Es war nicht Wirklichkeit, so sagte sie zu sich selbst, sondern eine Schöpfung ihrer aufgeregten Phantasie. Sie trat dem Fremden dreist näher und heftete die Augen fest auf ihn, aber er verschwand nicht, wie sie erwartet hatte. Sein hängendes Gewand war grau, mit einem schwärzlichen Gurt in der Mitte zusammengehalten; die weiten Ärmel schlotterten, und Arme, Finger und Hände waren unendlich mager; sein Angesicht war wie das eines halb verweseten Leichnams, die Lippen blaßbläulich und die Augen dunkel mit stechendem Blick. So mutig sie war, so genau sie den Unheimlichen zu betrachten wagte, so konnte sie sich doch einer angsthaften Furcht nicht erwehren. – »Wer bist du?« redete sie ihn an; »was willst du von mir?« – »Dein Warner,« krächzte kaum vernehmlich der Kleine; »sollst dich hüten! – Er – jetzt eben –«

Da ging sie ganz nahe, aber ihre Hand erfaßte nur die Mauer, es war nichts da, was gesprochen haben konnte; aber viel finsterer war die Stelle des Saales als vorher, als der Kleine noch dort in seinem grauen Schimmer gestanden hatte. – Aber sie faßte sich und rannte schnell aus dem Hause, da sie glaubte, so viel begriffen zu haben, er sei in Gefahr. – Sie eilte in den nahen Wald. Hier war die Dämmerung schon in Dunkel und Finsternis verdichtet. Es war, als wenn ein unsichtbarer Führer sie auf den Fußsteigen geleitete, die sich nach allen Seiten ausstreckten, denn sie zweifelte nicht, daß sie ihrem Gemahl begegnen müsse. Er kam ihr auch nach geraumer Zeit entgegen, schwankend, ungewissen Schrittes, auf einen fremden Mann gestützt. Sie eilte in seine Arme, er lehnte sich auf sie und rief: »Nun bin ich getrost, da ich dich wieder habe.«

Sie wußte nicht, was sie antworten sollte. »Dank Euch, mein guter Mann,« sagte Bracciano, »daß Ihr mir bis hierher geholfen habt, jetzt ist mir besser.« – Sie sah sich um, der Wald war an dieser Stelle um ein weniges lichter, und schnell hatte sie mit einem kräftigen Stoß den unbekannten Begleiter zu Boden geworfen. »Du Elender!« rief sie, »willst uns auch bis hierher verfolgen?« Bracciano stand verwundert still. »Es ist ja der verächtliche Mancini, ein Spießgesell von Mördern, der uns damals von meinem unglücklichen Bruder den Zettel brachte in der verhängnisvollen Nacht. Seitdem hat mich eben Marcello wiederholt und dringend vor diesem Menschen warnen lassen, der im Solde unserer Verfolger steht.« – »Mancini!« rief Bracciano, »ich kenne ihn als meinen Feind, ob ich ihn gleich früher niemals sah.« Der Niedergestürzte raffte sich auf und floh mit größter Eil in das Dickicht des dunkeln Waldes. Sie wollte ihm nach, aber das Zittern und Schwanken des Gemahls hielt sie bei diesem zurück, und der Verdächtige entkam.

Vittoria führte ihn, ihn sicher stützend, in das Haus; er legte sich zu Bett, und mit größter Eil wurden Ärzte aus der nächsten Stadt herbeigerufen. Sie wachte indessen bei seinem Lager, und er, so matt er sich fühlte, konnte nicht einschlafen. –

»Was ist dir geschehn?« sagte Vittoria in der Nacht, »du siehst bleich, deine Hand zittert, dein Auge ist matt und sieht starr.«

»Ich fürchte,« antwortete der Herzog, »ich bin durch mein Verschulden meinen listigen Feinden in die Hände geraten: daß du diesen Mancini, vor welchem mich seit lange schon freundliche Briefe warnen, wiedererkannt hast, gibt mir fast die Gewißheit davon. Ich glaube, daß ich ihnen und ihren Künsten unterliege und daß du zu spät zu meiner Rettung herbeigeeilt bist.

O Vittoria! wir sind alle schwache, gebrechliche Menschen. Indem uns die eine Torheit verläßt, meldet sich schon die andre bei uns an, und wir gestatten ihr gern den Eingang. O freilich war es eine Lüge, daß deine Liebe mir eins und alles sei, denn wäre dies, so hätte ich mich nicht von dieser Schwachheit so gröblich hintergehen lassen.

Schon vor Jahren laborierte ich mit meinem Schwager, dem Großherzog. In seinem Kabinett bewahrt er Wundersachen, die ich mir nicht zu erklären weiß. Und mag man disputieren und klug sein, wie man will, mich hat noch kein Argument so getroffen, daß es meine Überzeugung sei, nur ein Tor könne auf die Verwandlung der Metalle und auf das Erringen des Goldes hoffen.

Wie dieser Wonnerausch der Liebe alle unsre Kräfte erhöht, wie wir im Glauben oder Aberglauben so selig sind, so kamen auch die alten, vergessenen Träume wieder zu mir. Wer kann die Scheidewand ziehn zwischen Glauben und Aberglauben? Ich erinnerte mich nun, daß ich schon einmal mit dem berufenen Deutschen, dem Thurneiser, gearbeitet hatte, daß ich zu verschiedenen Zeiten die Hoffnung genährt, dem Geheimnis ganz nahe auf der Spur zu sein.

Vor einiger Zeit traf ich in diesem Walde einen alten Mann, welcher Kräuter suchte. Wir kamen ins Gespräch, er sagte mir einiges von Blumen, von der Kraft mancher Gewächse, was mir ganz neu war. Seine Wohnung wollte er mir nicht anzeigen, er war überhaupt in allen seinen Reden kurz angebunden, und er schien viel mehr mich vermeiden als aufsuchen zu wollen.

Ich traf ihn ein andermal wieder, und nun erzählte er mir von einem viel ältern Manne, dessen Schüler er sei und welcher das große Mysterium besitze. Es lag ihm aber, so tat er, nichts daran, daß ich den Greis kennen lernte.

Nur wie zufällig fand ich ihn noch einmal, und nun führte er mich auf mein Ersuchen zu einer Waldhütte, wo ich den Magier traf. Auch dieser, rückhaltend, kannte mich nicht, wollte mich auch nicht näher kennen lernen. Aber auf meine dringenden Fragen gab er Antwort. Kurz, er war nicht abgeneigt, mir einen sichtlichen Beweis seiner Kunst zu geben, wenn ich nämlich Mut genug dazu besitze. Es war von nichts Geringerem die Rede, als mir die Geister meiner Eltern zu zeigen, was mir um so merkwürdiger war, da der Zauberer, so wie ich glaubte, mich gar nicht kannte.

Zu keinem Sterblichen, so hatte ich mein feierliches Versprechen gegeben, durfte ich eine Silbe von diesem Abenteuer erwähnen, darum verschwieg ich auch dir alles, was ich nicht hätte tun sollen. Heute, so war die Verabredung, ging ich zu ihm. Nun die gewöhnlichen Vorbereitungen: er gab mir einen Trank der Weihe, wie er ihn nannte, der mich stärken sollte, um das Ungewöhnliche oder Erschreckende leichter zu ertragen. Auch er trank davon, um mich ganz sicher zu machen. Kein Mensch war im Zimmer als wir; die Fenster wurden gegen das Sonnenlicht geschlossen, geweihte Kerzen angezündet, magische Kreise zog der Beschwörer, und ein sinnebetäubender Rauch stieg aus seiner Pfanne und erfüllte das ganze Zimmer. Schon fing meine Nachgiebigkeit an mich zu gereuen, als wirklich im Dunst meine Eltern erschienen und mit drohender Gebärde die Zeigefinger gegen mich erhuben. Vielleicht hatte man auf Schrecken oder Entsetzen von meiner Seite gerechnet, da ich aber kaltblütig blieb, so mußte man weiter schreiten. Ich war jetzt schon überzeugt, daß der Gaukler mich kenne und daß alles, vom ersten Augenblick an, auf eine gröbliche Täuschung berechnet gewesen sei. Ich schämte mich vor mir selber. Da erschien im Dampf das Bild jener Isabella von Florenz, dann der ermordete Peretti blutend. Ich wollte mich entfernen, als der Dampf so vermehrt wurde, daß ich zu ersticken fürchtete, und plötzlich standest du, in Qualen, halb nackt, aus vielen Wunden blutend, verzerrten Angesichts da. Dem unerwarteten Anblick war ich nicht gewachsen, ich stürzte nieder, bewußtlos. Nach einiger Zeit traf ich mich im Walde wieder, von jenem Menschen geführt, den du wiedererkanntest. – Meine Feinde haben mich überwältigt und diese meine Schwachheit benutzt; ich fühl es, von diesen Dämpfen bin ich vergiftet, und jede Hülfe wird vergeblich sein.« –

Noch in der Nacht erschienen einige Ärzte.


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