Ludwig Tieck
Victoria Accorombona
Ludwig Tieck

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Achtes Kapitel

Marcello, der entsprungen war, hatte keine Häscher oder Wächter in der öden finstern Nacht antreffen können, auch hatte er bemerkt, daß das ganze große Haus von jenen Mördern und Raubgesellen angefüllt war, so daß eine Hülfe von wenigen Menschen nutzlos und für diese nur gefährlich geworden wäre. – Gegen Morgen erst kehrte er zurück: in allen Zimmern waren die Dienstleute, der alte Guido, die alte Ursula, der Haushofmeister, die Kammerdiener, alle gebunden und geknebelt, einige fast tot vor Furcht und Schrecken.

Nun verbreitete sich das Gerücht von dem schrecklichen Ereignis durch die Stadt. Man kam und sah mit Entsetzen die Greuelszene des Mordes. Einige Damen erbarmten sich der Leiche und bekleideten sie, indem sie die hohe Schönheit des entseelten Körpers mit Bewunderung betrachteten.

Mit scheinbarer Betrübnis kam nun auch Graf Orsini wehklagend herbei. Er ließ die Leichname in die nahe Kirche bringen und dort ausstellen. Flaminio war so entstellt und zerhauen, daß man ihn nur mit Mühe wiedererkennen konnte.

Die Tat war so abscheulich, so frech unternommen und ausgeführt, daß weder Padua noch der Staat von Venedig sich ruhig dabei verhalten konnten. Auf dringendes Ansuchen ward der Türhüter eingezogen und erst gütlich, dann auf der Folter befragt; der zerknirschte Camillo meldete sich von selbst und bekannte so viel, als er vom Komplott wußte.

Indessen ließ Orsini, der sich als naher Verwandter aller Anstalten bemächtigte, die beiden Leichname ohne alles Gepränge und so still wie möglich beerdigen. Der Adel wie das Volk murrten darüber, daß so wenig für das Gedächtnis einer der vornehmsten Damen geschah, daß auf das Andenken und den Namen eines mächtigen Herzogs nicht mehr Rücksicht genommen wurde. So sehr man auch gesucht hatte, die Feierlichkeit des Begräbnisses zu vermindern und das Ganze gleichsam zu verschweigen, so strömten doch viele Menschenmassen hinzu und klagten laut über den Frevel und beweinten die Ermordete.

Der Magistrat der Stadt berichtete den ungeheuren Vorgang sogleich nach Venedig. Nach der Angabe des Camillo Mattei sowie nach einigen Anzeichen fiel der nächste Verdacht des Verbrechens auf Luigi Orsini: der Statthalter, der für Venedig in Padua residierte, ließ den Grafen also zu sich in das Stadthaus laden. Der Übermütige erschien mit seinem ganzen Gefolge, allen jenen Verbündeten, die am Morde teilgehabt hatten. Da sie alle bewaffnet waren, ließ die Magistratsperson nur den Grafen herein, alle übrigen mußten auf der Straße und im Hofe warten.

Der Unverschämte trat wie ein König vor den Gouverneur hin, und statt auf dessen Fragen zu antworten, fuhr er selber als Fragender auf den alten Mann los: »Wie kommt Ihr dazu, Signor, mich wie einen Eurer Klienten oder einen Bürger der Stadt auf diese Weise vor Euch zitieren zu lassen? Was niemals, als ich in Rom lebte, der Papst Gregor wagte, was ich meinem Verwandten, dem Großherzog von Florenz, ja, was ich keinem Könige der Erde einräumen würde, das wagt Ihr an meiner Person? Kennt Ihr mich? Wißt Ihr von meinem Herkommen und meinen Vorfahren? Ganz andre Männer, als ich jetzt einen vor mir sehe, haben vor mir gezittert. Wenn Ihr mich sprechen wolltet, so war es geziemlich, daß Ihr Euch bei mir melden ließet, und ich würde Euch gern Gehör erteilt und vernommen haben, was Ihr begehrt oder wünscht.«

Der alte Mann, ein fester Charakter, ließ sich durch diese Großsprechereien nicht verwirren, sondern antwortete: »Mein Herr Graf, von alledem ist hier die Rede nicht. Ihr seid für jetzt ein Einwohner dieser Stadt, Ihr steht in Diensten der erlauchten Republik Venedig: eine ungeheure Tat ist vorgefallen, die Sicherheit der Stadt ist verletzt, eine hohe Person schändlich ermordet, Euer Name ist genannt, und ich frage Euch, als Vorstand der hiesigen Bürgerschaft, ob Ihr und was Ihr von dieser Begebenheit wißt.«

Indem hörte man schreien, laut fluchen und Getöse von Waffen. Jene Begleiter hatten die Wache des Stadthauses überwältigt und traten nun mit Lärmen und trotzigem Anstand alle in den Saal. Der Statthalter war über diese Frechheit verwundert, aber nicht erschrocken. »Was soll ich nun«, rief Orsini laut, »in Gegenwart dieser meiner Freunde sagen und erklären? Würden sie es dulden, wenn ich mich einem alten, unbedeutenden Manne gegenüber feige oder furchtsam zeigte? Ich erkläre Euch also hiermit, daß ich, als Verwandter, über den Tod meiner Muhme, der Herzogin Bracciano, geborne Accorombona, am meisten zu trauern Ursach habe: im Prozeß war ich auf Ansuchen des nächsten Erben, des jungen Herzogs Virginio, mit ihr begriffen, und das ist dem Magistrat hier und den Richtern bekannt. Nur einmal habe ich sie hier in der Stadt besucht, um mich mit ihr wegen unsers Rechtsstreites zu besprechen, sonst weiß ich nichts von ihr und ihren Verhältnissen, am wenigsten aber, was ihr dieses traurige Ende zugezogen haben mag. Ich hörte am Morgen, wie alle Einwohner, das Gerücht von diesem nächtlichen Überfall, ich erschrak, und die Bürgerschaft ist Zeuge meiner Trauer gewesen, und wie ich selbst die Bestattung der Ärmsten besorgt habe. Dies alles, und sowie ich von der Ermordung hörte, habe ich ebenfalls, wie es als Verwandter meine Pflicht war, dem Magistrat melden und anzeigen lassen.«

»Ihr werdet vergönnen,« sagte der Statthalter, »daß wir diese Eure Aussage zu Protokoll nehmen und daß Ihr sie, als eine wirklich gesprochene, mit Eurem Namen unterzeichnet.«

»Das werde ich keineswegs,« antwortete Orsini; »ich kann mich nicht vernehmen lassen, erkenne Eure Autorität nicht an und weiß, daß Ihr mich dazu nicht zwingen könnt. Aber ich ersuche um die Gefälligkeit, daß ich diesen Brief nach Florenz durch meinen Boten senden darf: er ist an den jungen Bracciano, in dessen Namen ich den Prozeß gegen diese seine Stiefmutter eingeleitet habe; ich gehe morgen oder übermorgen nach Korfu ab, und ich melde mit diesem Blatte ihm nur, welche Aussicht ihm seine Sachwalter wegen seiner Ansprüche geben.«

Der Gouverneur las den Brief, der in der Tat auch nichts andres enthielt, und gestattete deswegen gern, daß der Bote ihn nach Florenz bringen dürfe.

So entfernte sich Orsini und lachte mit seinen Vertrauten über die Art, wie er den Alten verhöhnt und betört habe. Dieser Statthalter aber war klüger, als die Übermütigen dachten, und Luigi war einfältig genug, sich fangen zu lassen. Sowie dieser sich entfernt hatte, gab der Statthalter Befehl, den Boten zu beobachten, und als dieser ungehindert durch das Tor gegangen war, ward er plötzlich in der Einsamkeit des Feldes angehalten und genau durchsucht. Außer jenem Briefe fand man in den Schuhen versteckt einen andern, folgenden Inhalts:

»Alles ist abgemacht. Wir haben sie fortgeschafft. Die Affen hier habe ich zum besten, wie es sich gehört. Sie halten mich für ein unschuldiges Kind. Sendet nun die nötigen Leute, wie wir es verabredet.«

Beide Briefe wurden zurückbehalten und der Bote heimlich in Verwahrung gebracht. Orsini und die Seinigen jubelten indes, hielten die Sache für abgemacht, rüsteten sich zur Reise und lachten über den schwachen und einfältigen Magistrat, den man eingeschüchtert und zum Schweigen gebracht habe.

Sie verwunderten sich aber, als sie vernahmen, daß man alle Tore verschlossen hielt und sie bewache, kein Mensch durfte die Stadt verlassen. Ein Ausrufer ging durch alle Gassen und verkündete mit lautem Ruf, daß diejenigen, die vom Morde wüßten, bei härtester Strafe aufgefordert würden, die Umstände und Teilnahme anzuzeigen: wer Folge leistete, sollte belohnt werden, selbst wenn er am Verbrechen teilgehabt.

In der Nacht vom zweiundzwanzigsten Dezember war Vittoria ermordet worden, und morgens früh um sieben Uhr am ersten Weihnachtstage kam schon von Venedig Bragadino mit unumschränkter Vollmacht vom Senat, auf alle Gefahr, es möge Blut und Leben kosten, sich des Luigi Orsini lebendig oder tot zu bemächtigen. Der Senat zu Venedig hatte diese unerhörte Freveltat, die Frechheit des Grafen nach den Berichten des Statthalters und den Aussagen Camillos sowie des gefolterten Türhüters sehr ernst genommen, da außerdem des Grafen eigenhändiger Brief für ein vollständiges Bekenntnis gelten konnte.

Sogleich begaben sich Bragadino, der Kapitän und der Podestà in das Kastell. Es wurde Sturm geläutet, alle Glocken der Kirchen stürmten ebenfalls. Wohl noch niemals war das Fest der Weihnachten auf diese Weise in Padua begangen worden. Die ganze Stadt, groß und klein, vornehm und gering, war in Aufruhr und Bewegung. Bei Lebensstrafe war geboten, daß alle Milizen, die Reiterei und alle waffenfähige Mannschaft sich vor das Kastell, das dem Palast Barbarigo nahe war, versammeln sollten, um, wenn es nötig wäre, diesen Aufenthalt des Orsini zu stürmen und mit Gewalt einzunehmen. Sowie der Tag ganz hell war, ward ein Aufruf erlassen, daß alle Einwohner bewaffnet herbeikommen sollten, wer nicht mit Gewehr oder Degen versehn wäre, was er begehre, im Kastell erhalten würde, um tot oder lebend den Luigi Orsini der Gerechtigkeit zu überliefern; zweitausend Dukaten solle erhalten, wer den Grafen, fünfhundert Skudi, wer einen von seinen Leuten einbringe.

Auch vom Lande wurden Männer herbeigerufen, um die Anzahl der Freiwilligen zu verstärken. Von allen Seiten wurden Wachen gestellt, damit keiner entrinnen könne.

Auf die alte Mauer, dem Palast gegenüber, wurden Kanonen aufgepflanzt, Bollwerke wurden eilig an der Seite des Flusses errichtet, ebenso auf der Straße, damit die Leute sicher wären, wenn die Belagerten etwa einen Ausfall wagen sollten. Barken lagen mit Bewaffneten auf dem kleinen Flusse, damit auch hier keiner entkommen könne.

Als von den Fenstern aus Orsini alle diese Anstalten gewahr wurde, schrieb er kalten Blutes einen langen Brief an den Senat von Venedig und den edlen Bragadino, in welchem er sich über diese Behandlung beschwerte, daß man ganz vergesse, welche Dienste seine Vorfahren der Republik geleistet hätten, daß man ihm selber die Statthalterschaft von Korfu anvertraut habe und ihn jetzt auf einen oberflächlichen Verdacht hin ohne Ursach wie einen ausgemachten Verbrecher und Rebellen behandle.

In der Nacht begaben sich auf Befehl einige Edelleute aus Padua zum Orsini. Sie fanden, daß Türen, Fenster und alle Zugänge mit Gerät, Brettern, Steinen, und was man hatte habhaft werden können, verschanzt waren. Die Männer rieten ihm, sich der Übermacht freiwillig zu ergeben, weil jeder Widerstand doch nur unnütz sein könne; füge er sich, so möchte er vielleicht bei seinen Richtern noch einige Milde finden, sonst gewiß nicht, da der Senat auf keine Weise von seinem Entschlusse abgehen würde, ihn in seine Gewalt zu bekommen.

Er antwortete in seiner sichern Art, er wolle sich ergeben, doch nur, wenn man alle Truppen und Wachen von seinem Hause entferne, dann sollte man ihm, von seinen Vertrautesten begleitet, eine Unterredung mit Bragadino und den Vornehmsten gestatten und ihm versichern, daß er nachher ungefährdet in den Palast zurückkehren könne. Bragadino war über diese Anmutung empört, daß er mit ihm, wie mit dem Gouverneur einer Festung, unterhandeln solle, und verwarf unbedingt dies Ansuchen. Noch einmal gingen die Edlen zu ihm, er gab keine andere Antwort und erklärte fest, er würde sich bis auf den letzten Blutstropfen verteidigen.

Nun machten die Belagerer ernstliche Anstalten. Einer der eifrigsten unter den Freiwilligen war Marcello, der Bruder der Ermordeten; er hatte eine Kompagnie der bewaffneten Bürger aufgestellt und verfuhr als ihr Hauptmann. Alles rührte sich, die Gewehre und Kanonen wurden geladen und auf das Haus gerichtet. Das Volk schrie, die Glocken stürmten, Bewaffnete zogen durch die Straßen, Neugierige versammelten sich auf den Plätzen, und alles war in der bangsten Erwartung.

Orsini lief durch die Säle des Palastes, ordnete an und sprach seinen Freunden und den Gesellen Mut ein. Alle schrien verwirrt durcheinander und schwangen die Degen. Da nahm der Graf Montemellino seinen Freund Orsini beiseit und sagte zu ihm: »Luigi, Ihr seht es doch wohl, daß wir verloren sind: meine Warnung wolltet Ihr nicht hören, und es ist gekommen, wie ich vorhersagte. Da keine Rettung ist, laßt uns wenigstens wie Soldaten sterben und diesen Paduanern auf ewige Zeiten ein blutiges Andenken zurücklassen. Wir, die Obersten, scheuen den Tod nicht und haben ihm oft genug ins Angesicht geschaut, aber auch der Geringste unserer Bande ist frech und tollkühn. So laßt uns denn alle zugleich unter diese Bürger und Milizen hinausbrechen, niedermachen, schießen, was wir erreichen: Ihr seht, wie vorsichtig, wie furchtsam sie sind, welche Haufen sie gegen unsere kleine Schar zusammengetrommelt haben. So fechten wir einen tapfern offenen Kampf in den Straßen, verfolgend und verfolgt, siegend und besiegt, und da gewiß keiner von uns entrinnen kann und jeder dies sieht, so morden alle wie Verzweifelnde, und die feindliche, gelehrte Stadt wird zum Schlachtfeld, das unsern Namen tragen wird, solange diese Mauern stehn. Aber – wollt Ihr dem Henker verfallen und dem Volke zum schadenfrohen Schauspiele dienen, dann habe ich mich sehr in Euch geirrt.«

Gewiß war dieser Rat der klügste und eines tapfern Kriegers würdig, so blutig und grausam er auch, wenn man ihn befolgte, für die Stadt ausfallen mußte. Aber Orsini war in diesem höchsten und wichtigsten Moment seines Lebens wie betäubt, er zog es vor, zu zaudern und sich, was doch unmöglich war, hinter den Mauern zu verteidigen.

Plötzlich rollte der Kanonendonner durch die Stadt und schlug als Echo, wie ein nahes Gewitter, zurück. Die ruhigen Einwohner entsetzten sich. Die Kugeln hatten die Säulen und einen Teil der untern Mauer niedergeworfen. Aus den Fenstern schossen mit Gewehren die Belagerten, mit geschwungenem Degen sah man an ihnen vorbei den wütenden Orsini laufen, der immerdar laut schrie: »Krieg! Krieg! Blut! Vertilgung!« Nun wurden die Kanonen etwas höher gerichtet, aber nur wenig, weil man nicht die Absicht hatte, wie man es wohl gekonnt, das ganze Haus in Grund und Boden zu schießen. Indessen, da es den Belagerten an Kugeln fehlte, schmolzen sie eilig das Zinngeschirr der Küche, sie hoben die Fenster aus, zerschlugen sie, um das Blei zu gewinnen, und gossen schnell im Hinterhause Kugeln. Es schien sogar, als wollten die Verzweifelten einen Ausfall wagen. Die Angreifer führten zwei größere Kanonen auf, um schneller zu endigen, ob sie gleich, hinter ihren Verschanzungen ziemlich gesichert, noch keinen Mann verloren hatten. Der zweite Schuß nahm von der Mauer und dem Hause ein viel größeres Stück hinweg, mit dem Schuß stürzte einer der gefährlichsten Banditen, Levonetti, tot mit den Steinen herunter. Er hatte auf Befehl des Orsini viele abscheuliche Mordtaten begangen. Wieder donnerten die Kanonen, und diesmal fiel mit der Mauer zugleich zerschmettert der Graf Montemellino. So ward auf gewisse Weise der Wunsch dieses tapfern Mannes erfüllt. Nun erschrak Luigi. Wütend war der Oberst, ein herzhafter Mann, Lorenzo dei Nobili; da dieser sah, wie unglücklich dieser tolle Krieg sich wendete, stürzte er mit seinem geladenen Gewehr aus dem Hause heraus; er wollte in die Masse des Volkes hineinschießen, um sich im Tode zu rächen, aber das Pulver fing nicht Feuer, und so ward er im Augenblicke von einem jämmerlichen, furchtsamen Menschen niedergeschossen, einem Aufwärter in einem Schulhause. Andere gemeine Männer stürzten hervor und nahmen ihm schnell Ring, Schärpe, seine Flinte und das Geld, das er bei sich trug. Einer schnitt ihm den Kopf ab.

Auf Befehl des Orsini winkte jetzt sein Sekretär, Filelfo, mit einem weißen Tuche aus dem Fenster als ein Zeichen einer friedlichen Unterhandlung. Man hielt mit Schießen inne, und Orsini befahl seinen zurückbleibenden Leuten, sich nur zu ergeben, wenn sie einen schriftlichen Befehl dazu von seiner Hand erhielten. Der Leutnant Anselmo Snardo wurde abgeordnet: auf die Forderung des Luigi, in einem Wagen nach dem Kastell gebracht zu werden, um dem Volke nicht zum Schauspiel zu dienen, machte ihn Anselmo darauf aufmerksam, wie unmöglich es sei, dies Begehren zu erfüllen, wegen der Volksmassen, der aufgefahrnen Kanonen und der aufgerichteten Parapetten, welche die Straße sperrten. Anselmo, um ihn sicherzustellen, nahm ihn unter den Arm, und allenthalben machte man ihm Platz. Marcello, der Wütende, drängte sich jetzt hinzu, weil er ihn mit seinen Leuten bis in das Kastell führen wollte. Orsini achtete nicht die dräuenden Blicke, die dieser ihm zuwarf, und zuckte nur mit den Achseln über seine zornigen Gebärden. Als er vor seine Richter trat, affektierte er eine große Nachlässigkeit, er war gleichgültig in seinen Reden und kurz in seinen Antworten. Er übergab seinen Degen und sagte nachher: »O, hätte ich nur fechten wollen, wie mein Freund Montemellino riet, so hätten wir wohl ganz andere Dinge erlebt, aber jetzt reut mich die ganze Geschichte, besonders weil dieser liebste Freund dabei hat umkommen müssen. Die Albernheit hat Blut gekostet; obgleich ihr, meine Herren, wohl nicht bedeutend eingebüßt habt.« – Er schrieb hierauf an seine Leute den Befehl, sich zu ergeben, weil man indessen von beiden Seiten noch mit Schießen fortgefahren hatte. Dann, indem er jeden seiner Richter freundlich und höflich begrüßte, näherte er sich dem Kamin, nahm eine Schere, die er dort fand, und beschnitt sich langsam und mit vollkommener Ruhe die Nägel.

Die Bande wurde nun eingefangen, und alle führte man nach den Gefängnissen der Stadt. Aus seinem Kerker schrieb Orsini seiner Gattin, die in Venedig war, einen sehr gefaßten Brief, den man edel nennen möchte, wenn der Schreiber nicht in einer so verruchten, sondern bessern Sache gefallen wäre. Der Stadt Venedig vermachte er seine schöne Waffensammlung, die im Arsenal zu seinem Angedenken aufbewahrt wurde. Dann erlitt er den Tod und wurde im Gefängnis erdrosselt. Im Dome wurde sein Leichnam am Morgen dem Volke zur Schau ausgestellt.

Der Graf Paganelli oder Pignatello, jener Verruchte, der die Dame Vittoria so kaltblütig gemordet hatte, wurde auf grausame Art öffentlich hingerichtet, mit Zangen gezwickt und ihm ebenso, wie er getan, ein Dolch lange und oft im Busen umgekehrt, so daß er wohl eine halbe Stunde diese Martern litt, ehe der starke, kräftige Mann seinen Geist aufgab. Vielen wurden die Köpfe abgeschlagen, die andern gehängt. Niemals noch hatte Padua so viele Hinrichtungen gesehen. So ward das Weihnachtfest dort im Jahre 1585 gefeiert.

Camillo, der weniger schuldig war und den Mord zuerst freiwillig angegeben hatte, wurde nur auf zwei Jahre auf die Galeeren verdammt. –

Als der Papst diesen ernsten Hergang und das strenge Gericht erfuhr, forderte er vom Staate von Venedig diesen Marcello, welcher am Morde des Peretti teilgenommen hatte. Der Senat meinte, die ernste Forderung nicht zurückweisen zu dürfen. Sixtus ließ ihn in Rom hinrichten.

So war das ganze Geschlecht der Accoromboni, einst so bekannt, erloschen, untergegangen und bald vergessen. Die Verleumdung verdunkelte den Namen der einst so hochgepriesenen Vittoria, und nur mangelhafte, zweideutige Zeugnisse werden von den Zeitgenossen und den Nachkommen ihrem Namen beigefügt. Nur zu oft wird das Edle und Große von den kleinen Geistern so verkannt und geschmäht.


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