Ludwig Tieck
Victoria Accorombona
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Ludwig Tieck

Victoria Accorombona

Ludwig Tieck: Victoria Accorombona

Vorwort

Schon vor vielen Jahren fiel mir der Name dieser Dichterin sowie ihr sonderbares Schicksal als merkwürdig auf. Es war im Jahre 1792, als ich in Dodsleys Collection of old Plays zuerst die Tragödie Websters las: The white Devil, or Vittoria Corombona. Dieses Schauspiel wurde 1612 in London gedruckt und auch damals oft gespielt. Ich vermute, daß es nach irgendeiner Novelle, die vielleicht um 1600 mag geschrieben sein und die sich jetzt verloren hat, gedichtet wurde, denn es enthält nur eine Anklage und gibt alle Umstände, die uns bekannt sind, in Entstellung wieder. Quadrio erwähnt die Unglückliche im zweiten Bande seiner Geschichte der Poesie und lobt und rechtfertigt sie; nach ihm zitiert sie Tiraboschi in seinem großen Werke nur kurz. Riccoboni in seiner Geschichte der Universität Padua erzählt ihren Untergang, ebenso Morosini in seiner venezianischen Geschichte. Auch Lebret erzählt in seiner Geschichte von Venedig die Ermordung Vittorias; die meisten Nachrichten finden sich aber im Magazin dieses Geschichtschreibers. – Die neuere Darstellung des Herrn E. Münch habe ich erst gesehen, als meine Arbeit schon vollendet war. Dieser wunderbare und tragische Vorfall mußte die Zeitgenossen und ihr Mitgefühl in Anspruch nehmen. Ist die Geschichte ihrer Ermordung sowie der Bestrafung des Luigi Orsini in vielen Büchern klar und deutlich erzählt, so ist die Ermordung Perettis, ihres ersten Gemahls, um so dunkler und in allen Umständen und Motiven verwirrt. Wahrscheinlich verschwiegen alle Zeitgenossen geflissentlich den Zusammenhang, denn selbst der geschwätzige und erfindungslustige Leti geht nur kurz und eilig über diese Begebenheit hinweg und scheint es selbst gar nicht gewußt zu haben, daß der Neffe des Kardinals mit der Virginia Accoromboni (wie Quadrio sie nennt) vermählt gewesen ist. So war es denn dem Dichter erlaubt, mit seinen Mitteln die Lücken dieser sonderbaren Geschichte auszufüllen und das Dunkel derselben mit poetischen Lichtern aufzuhellen.

Vieles in diesem Roman ist aber nicht erfunden, sondern der Wahrheit gemäß dargestellt. So ermordete im Jahre 1576 in der Nacht des 11. Julius Pietro der Mediceer auf seinem Landhause seine Gemahlin Eleonore von Toledo, und den 16. Julius desselben Jahres starb auf dem einsamen Schlosse des Paul Giordano, Herzogs von Bracciano, dessen Gemahlin Isabella auf rätselhafte Weise.

Ein Gemälde der Zeit, des Verfalls der italienischen Staaten, sollte das Seelengemälde als Schattenseite erhellen und in das wahre Licht erheben. Diese Vittoria oder Virginia Corombona oder Accorombona wird, so hofft der Dichter, die Herzen der reinen und starken Gemüter für sich gewinnen und so die Verleumdung des alten englischen Tragikers verdunkeln, dessen poetischer Wert (im Gegensatz früherer Tage) von manchen neueren Kritikern viel zu hoch angeschlagen ist.

Dresden, im Julius 1840.

L. Tieck.


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