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Mamsell Helmer hatte vom Verwalter Anders Jensen-Homo einen Stuhl geschenkt bekommen, einen Liegestuhl aus Mahagoni mit grasgrünem Plüsch überzogen und mit einer gestickten Rosenguirlande in der Mitte. Aber jedesmal, wenn der Verwalter sich später von der Dame benachteiligt fühlte, bemächtigte er sich des Geschenkes und versteckte es an den unglaublichsten Stellen, bis es einen schönen Tages, wenn das Paar sich wieder vertragen hatte, von neuem in ihrem Zimmer auftauchte.
Dieses Manöver wiederholte sich einmal über das andere zum ungeteilten Vergnügen des Hofes. Und auch jetzt, als die Mamsell von ihrem Kopenhagener Ausflug zurückkehrte, sah sie, als sie ihr Zimmer betrat, daß der Stuhl fehlte. Sie hatte sich ja wohl diese Möglichkeit gedacht, hatte aber doch bis zum letzten Augenblick gehofft, daß der Verwalter endlich zur Vernunft gekommen wäre.
»Hum!« sagte sie, »ist der Mensch nun doch hier drin gewesen!«
Ihre Vertraute, die Leuteköchin Sörine, die mit dem Koffer vom Wagen draußen kam, konnte ein boshaftes Grienen nicht unterdrücken.
»Hä, ja! er holte den Schmied und ließ die Tür aufbrechen!«
»Der Schafskopf,« sagte die Mamsell. »Ob der nie zu Verstand kommen wird! ... Ist sonst was passiert?«
»Nee.«
»Die Frau ist nicht hier unten gewesen und hat geschnüffelt?«
»Nee.«
»Und die Mädels?«
»Nee ...«
Sörine hatte begonnen rings um ihre Herrschaft herumzugehen und sie von oben bis unten bewundernd zu mustern, und jetzt entfuhr es ihr:
»Wie sieht die Mamsell doch schön aus in den Sachen!«
»Ja ... Und jetzt soll das Schuften wieder losgehen.«
Sörine schnüffelte in der Luft umher.
»Und wie die Mamsell bloß riecht!«
»Ja, .. Aber geh' nun an deine Arbeit; ich komme, wenn ich die Kleider gewechselt habe.«
Sörine ging. Es war sechs Uhr. Bald Abendbrotzeit.
Mamsell Helmer begann sich des Reisestaates zu entledigen. Sie nahm langsam, gleichsam widerstrebend, Stück für Stück von ihrem Körper ab, bis sie vollständig nackt dastand – groß, prachtvoll und blendend weiß. Sie schnüffelte in der Luft umher, wie vorher Sörine.
All das Parfüm, mit dem er sie immer begoß ... Und nun sollte man hier umhergehen und nach Molken und Torfqualm riechen!
Sie ordnete die Sachen sorgfältig und legte sie fort. Dann nahm sie ein Hemd aus grobem Flachsleinen und die andern Alltagskleider hervor ... Da klopfte es plötzlich hart an die Tür. »Hier wird niemand hereingelassen!« sagte sie, aber erschrocken war sie nicht.
Die Tür wurde geöffnet und der Verwalter zeigte sich, groß, breitschultrig und schwarzbärtig.
»Was willst du? Warte draußen, bis ich ein paar Kleider auf dem Leibe habe!«
Aber er trat ganz ein, und den Schlüssel drehte er hinter sich im Schloß um.
»Hach,« lachte sie höhnisch und begann ruhig ihr Hemd anzuziehen.
Es entstand eine Pause. Sie blickten einander an wie zwei Katzen; selbst ihre Zähne konnte man sehen – und die großen roten Fäuste des Verwalters krümmten sich.
Dann ging er dicht auf sie zu. Sie stand jetzt in Strümpfen und Unterrock.
»Willst du schlagen?« fragte sie und hieb nach seinem Arm, der sich erhoben hatte.
Er ließ den Arm sinken.
»Nee ..«
»Was willst du dann? ich glaubte, wir waren über alles im reinen? Was sollen die Narreteien mit dem Stuhl? Du machst uns beide zum Gelächter für die ganze Gegend. Ich bin doch nicht mehr deine Braut, darüber wurden wir ja gleich einig, als ich mit dem andern anfing: dir kann es also gleich sein, was ich tue, nicht? So hatten wir es doch ausgemacht, nicht?«
»Aber daß du so mir vor der Nase mit ihm wegreistest, ohne mir etwas zu sagen!«
»Was geht es dich an, was ich tue? Darf ich nicht machen was ich will? Hätte ich etwas gesagt, dann hättest du dich bloß verrückt angestellt.«
Er stand mürbe und gedrückt vor ihr:
»Und daß er mich so aus dem Ort schickte an dem Tage, sagte er. »Der ganze Hof hat gegrient, als ich nach Hause kam.«
Sie lachte laut auf bei dem Gedanken.
»Du hättest ja mitlachen können! Wenn wir keine Brautleute mehr sind!«
»Daran glaubt doch keiner ...«
»Das ist doch zum Donnerwetter dein Fehler! Nimm dir so lange eine Beischläferin und stopfe ihnen den Mund!«
»Das ist nicht dem Ernst, Mathilde ...«
Sie lachte und warf sich ihm plötzlich schwer an den Hals.
»Nein, natürlich ist es nicht mein Ernst,« sagte sie und strich mit einer Hand an seinem Körper entlang. »Aber weshalb kannst du dich nun nicht vernünftig betragen. Herrgott, das Gerecke von Gutsbesitzer!« lachte sie roh. »Der kann wahrhaftig keinen Schaden anrichten! Und an dich denke ich doch immer! ... Und jetzt, wo er fort ist, kannst du ja kommen, so oft du willst, weißt du.«
Er preßte sie an sich, daß er sie fast vom Boden aufhob.
Aber sie machte sich los.
»Geh' jetzt,« sagte sie, »und komm heute Abend wieder.«
Er ging gehorsam zur Tür. Aber da packte sie ihn beim Arm.
»Sieh her, Anders ...!« Sie nahm zwei Hundertkronenscheine aus ihrem Portemonaie. »Sieh her, was ich diesmal gekapert habe! Bringe sie auf die Sparkasse zu den anderen.«
Sie zog eine Komodenschublade auf und holte ein Bankbuch hervor.
Der Verwalter hatte schleunigst die Geldscheine ergriffen. Sein Gesicht bekam einen merkwürdig gierigen Ausdruck.
»Jetzt sind es gerade viertausend und fünfhundert!« sagte er.
»Ja, und wenn er nun zu Weihnachten nach Hause kommt, dann kündige ich zum Mai: das pflegt zu helfen.«
Er wurde wieder unruhig.
»Wollen wir uns nicht mit dem begnügen, was wir haben, Mathilde...?«
»Unsinn! Wir müssen es doch wenigstens bis auf fünftausend bringen!«
Er antwortete nicht, sondern stand und arbeitete nervös an der Türklinke herum, da er die Tür nicht aufbekommen konnte.
»Du hast wohl vergessen, daß du den Schlüssel umgedreht hast,« neckte sie. »Wolltest du mich ermorden?«
Er murmelte etwas Unverständliches und ging.
»Den Stuhl!« rief sie ihm nach. »Vergiß nicht den Stuhl mitzubringen!«
»Ja ...« ertönte es von draußen.
»Wo hast du ihn denn? ... Na?«
»Auf dem Heuboden.« ...
Sie lachte, daß die Fensterscheiben sangen ... »Daß du deine fünf Sinne nicht beisammen halten kannst, Anders!«