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Seht ihr, nun kann man ja Gunnar freilich Vorwürfe machen, daß er zehn – zwölf Tage verstreichen ließ, ehe er wieder die Villa in Ordrup aufsuchte, um nach seinem kranken Freunde zu sehen.
Aber wäre es nicht Tage Banner eine Qual gewesen, Warberg an seinem Bett zu sehen, jetzt, da die Weiber draußen die Macht in die Hände bekommen hatten und er dort lag, auf Gnade und Ungnade ihren Psalmen und Gebeten preisgegeben ... und vielleicht eine Art Trost, Beruhigung darin fand? Würde nicht der Anblick des Freundes alte aufrührerische Gedanken und »Standpunkte« wie verglimmendes Feuer in seinem müden, wehrlosen Gehirn aufflackern lassen, das nur noch Ruhe und Frieden verlangte? Müßte man nicht einen Menschen in der Überzeugung und mit den Gedanken und Stimmungen sterben lassen, die am besten imstande sind, ihm alle Angst und alle Fragen in friedliche Ruhe einzulullen?
Diese tiefsinnigen Reflexionen hatten Warberg ferngehalten ... Und nun stand er doch an einem Spätnachmittag vor der Haustür der Villa und pochte an.
Tages Braut öffnete.
»Ich wollte nur fragen, wie es geht«, sagte Gunnar.
»Es ist bald vorüber«, sagte sie und streckte ihm freundlich die Hand entgegen. »Dank für Ihre große Freundlichkeit ... wollen Sie nicht hinauf und von ihm Abschied nehmen?«
Warberg stand einen Augenblick, ohne zu antworten.
»Nein«, sagte er dann. »Aber wollen Sie ihn innig, innig grüßen; ich werde ... ich werde niemals ...«
Er biß sich auf die Lippen und schwieg; er merkte, wenn er weiter spräche, würde er anfangen zu weinen, und er kannte nichts Lächerliches als einen weinenden Mann.
»Sie sollten doch hinaufgehen«, fuhr sie milde fort. »Sie brauchen ja nur den Kopf zur Tür hineinzustecken und ihm zuzunicken ... Er hatte Sie so lieb!«
»Nein ...« wiederholte Gunnar. »Nein ... ich kann nicht!«
Und er wandte sich hastig ab und verließ das Haus, ohne ein Wort zu sprechen und ohne zu grüßen.