Gustav Wied
Aus jungen Tagen
Gustav Wied

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Eine Stunde später saß er oben in dem Restaurant an der Station Charlottenlund. Es brannte nur eine Gasflamme über dem Büfett, und das Lokal war trist und kalt. Er saß an dem einen Ende des Saales mit einer Tasse Kaffee vor sich. Der Kellner hatte gefragt, ob er die Flamme über dem Tisch anzünden solle, doch Gunnar hatte es nicht gewünscht.

Ein Zug aus Kopenhagen kam angepoltert, die Waggontüren wurden auf- und zugeschlagen, die Lokomotive kreischte und der Zug bullerte weiter.

Dann wurde die Tür des Restaurants aufgerissen, und ein Herr und eine Dame traten ein. Sie lachte und schwatzte und gestikulierte, er grunzte und nickte blaß und folgte ihr bis zum entgegengesetzten Ende des Saales, wo beide auf einem Sofa Platz nahmen.

Warberg hatte sie sofort erkannt: es waren Binse und ihr Jockei. Sie trug einen Mantel aus gepreßtem Sammet mit Pelzverbrämung und dazu passender Mütze; er war im Pelz und Zylinder.

Der Kellner sprang eiligst herbei.

»Pasteten und Portwein!« wollte Binse haben.

»Soll ich Licht machen?«

»Nein«, sagte Binse.

»Doch«, brummte der Jockei.

»Ich finde, wir könnten es im Dunkeln viel gemütlicher haben«, sagte Binse.

»Wir können ja den Mund nicht finden, Fernanda«, brummte der Jockei.

Und die Lampe wurde angezündet.

Gunnar mußte unwillkürlich lächeln: da saß sie, Binse, jung und behende und mit strahlenden liebeskranken Augen, wie am Morgen der Zeiten, als sie ihm ihre »Ehre« opferte! Sie lächelte und lachte und schwatzte und kitzelte ihren neuen Freund mit einem Handschuhfinger unter der Nase. Aber er wandte mürrisch-unempfänglich das Gesicht ab.

»Laß das!«

»Oh, du bist ein lieber, himmlischer, kleiner, süßer Stockfisch!« lachte sie und zupfte ihn an dem Schnurrbart.

»Laß das, Fernanda«! Bedenke doch: Wir sind nicht allein!«

»Meinetwegen mögen alle Menschen sehen, daß ich dich liebe!« lächelte sie mit zärtlichen weißen Zähnen und lehnte ihren Krauskopf an seine Hemdenbrust.

»Kellner!« rief Gunnar. Binse fuhr zusammen, richtete sich auf und spähte ins Dunkel.

Als der Kellner kam, zahlte Gunnar und ging. Unten an der Tür blieb er stehen und sandte dem Paare auf dem Sofa einen tiefen und ehrerbietigen Gruß. Aber er sah nicht, wie es seinen Gruß beantwortete, denn er wandte sich sofort ab und verließ das Lokal.

»Wer war das?« fragte der Jockei.

»Das war doch ... das war doch Gunnar Warberg.«

»Ach ja, mir kam's ja so vor ... Der war ja fürchterlich höflich!«

»Ja«, sagte Binse pathetisch. »Er nahm Abschied von seiner goldenen Jugend.«

»Ist was zwischen euch gewesen, Fernanda«?«

»Ja, wir sind sehr gute Freunde gewesen ... aber rein literarisch, verstehst du ... von meiner Seite wenigstens!«

»Untersteh' dich, mit ihm zu techtelmechteln!«

»Mein Othello!« lächelte Binse und sank wieder an der Hemdenbrust des Jockeis zur Ruhe.

Und dann kamen die Pasteten.

 


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