Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

In Afrika.

Die Griechen hatten ihre Anabasis, die Abenteuer der Zehntausend, die sich von Mesopotamien durch Kurdistan nach dem Schwarzen Meere durchschlugen, und sie hatten die märchenhaften Züge Alexanders des Großen, der bis an die Schwelle Kaschmirs gelangte und den Indus bis zu seiner Mündung hinabfuhr. Die Römer erfreuten sich an der Eroberung Galliens, die Cäsar unter vielen Schwankungen, Rückschlägen und Katastrophen durchführte, und an den Entdeckungsfahrten, die von Offizieren des Kaisers Claudius im Atlas und im Westsudan, sowie zu den Katarakten des Nils unternommen wurden. Die Portugiesen sandten ihre Conquistadoren nach Brasilien und nach den Molukken, die Spanier nach Mexiko, Peru und den Philippinen. Wir Deutsche besitzen ein Epos unablässiger Kämpfe und Irrfahrten in den Abenteuern unserer Afrikahelden. Wahrlich, die deutsche Geschichte wäre ärmer, ohne die Taten von Reichart, Deinhard, Töpfer und Carl Peters, von Rohlfs, Nachtigall, Hutter und Graf Götzen, von François und Francke, von den Jägern Schillings, Schomburgk und Bronsart v. Schellendorf! Allein wieviele dieser Taten wurden in fremdherrlichem Auftrage und für fremden Nutzen getan! In den 1850er Jahren entdeckten schwäbische Missionare, die aber in britischen Diensten standen, Krapf und Rebmann, die tropischen Schneeriesen, den Kilimandscharo und den Kenia. Ein anderer Schwabe, Much, glaubte das salomonische Ophir 1868 in den merkwürdigen Ruinen von Zimbabwe südlich des unteren Sambesi wiederzufinden. Zwanzig Jahre wirkte im Becken des Sambesi der Elephantenjäger Wiese. Kein Lied kündet seine Jagden, kein Buch spricht von ihm; nur mündlich wird die Erinnerung an ihn und seine bunten Schicksale noch bei alten Afrikanern gepflegt. Allein was diese beiden Deutschen und noch gar manche andere geleistet – so dienten einige bei der Schutztruppe der Chartered Co. –, kam schließlich doch nur dem britischen Großreiche zugute, das Cecil Rhodes dort drunten aufgebaut hat. Dabei wollen wir gar nicht einmal davon sprechen, daß ein Hamburger Jude, Alfred Beid, mit seinen Reichtümern die Pläne von Cecil Rhodes ganz besonders gefördert hat, wie er denn auch zu den Gründern der Chartered Co. gehörte, wollen auch nicht davon sprechen, daß ein schlesischer Jude, über den sich einst die ganze Welt aufgeregt hat, daß Eduard Schnitzer (Emin Pascha) nur die Vorarbeit zu dem britischen Großreich in Nordostafrika geliefert hat. Dagegen ist mit Nachdruck der Name Slatin Paschas anzuführen, eines Deutsch-Österreichers, der in der Gefangenschaft beim Mahdi seine Erfahrungen gesammelt hat. Slatin wurde von Kitchener herangezogen, um den Mahdi zu zermalmen (1898); er brachte es zum britischen General und er wurde abermals in wichtiger Stellung verwandt, um 1915 Ägypten und den ägyptischen Sudan zu verteidigen. Gegen wen? Gegen die Türkei und die mit ihr verbündeten Mittelmächte, mithin gegen sein eigenes Vaterland.

Nachdem Stanley den Kongo entschleiert hatte, machte sich König Leopold daran, das ungeheure Kongobecken wirtschaftlich auszubeuten. Zunächst mußte es noch besser erforscht werden. Dazu bediente er sich in hervorragendem Maßstabe deutscher Hilfe. Er schickte 1880 und in den folgenden Jahren Pogge, Buchner, Peschuel-Lösche und den wagemutigen, leichtherzigen Wißmann nach der Loangoküste und in das Gebiet vom mittleren Sambesi, zu dem Muata-Jambo, dem Herrn der Minen. Alle diese erlebten eine endlose Reihe farbiger Abenteuer; der unverzagte Wißmann hat zweimal das südliche Mittelafrika durchquert, was damals eine ungeheure Leistung war. Allein alle diese Anstrengungen nützten doch nur dem belgischen Kongostaate, dessen Offiziere im Weltkrieg unsere Gefangenen so überaus schnöde behandelt haben.

Schließlich, war es viel anders in Marokko? Das Land des Scherifen, das seit 1879, seit der Reise von Lenz, die Aufmerksamkeit Europas immer mehr auf sich zog, ist hauptsächlich von Deutschen erschlossen worden. Die Mannesmann besaßen in der Provinz Schauja mehr Grundbesitz, als Angehörige aller anderen Volkheiten zusammengenommen. Sie waren es, die den Reichtum an Eisenerzen und deren Milliardenwert erkannten, und die denn auch mehr Minenrechte erlangten, als wiederum sämtliche andere Europäer zusammen. In Casablanka war die deutsche Kaufmannschaft an erster und in Tanger wenigstens an sehr hervorragender Stelle. Auf Lenz folgte die mühselige, nur halb geglückte Erforschung der unmenschlich heißen Draa und des Sus durch Ficke und Jannasch (1885). Der Nationalökonom Jannasch hat darüber ein eigenes Buch geschrieben. Ficke ließ sich in Marokko nieder, wurde reich und ward 1914 von den Franzosen hingerichtet. Noch früher kam nach dem Scherifenreich ein Braunschweiger, Georg Krake. Er hatte in Montpélier Medizin studiert, erschoß dort eines Weibes wegen im Duell einen Franzosen, floh nach Spanien und betätigte sich dann in Marokko als Arzt in der Umgebung des Großherrn, als Jäger, als Grundbesitzer und Kaufmann. Leider ist sein satirisches Werk, eine Selbstbiographie »Wanzen und Pioniere«, niemals veröffentlicht worden. Viele deutsche Soldaten, die aus der Fremdenlegion geflohen waren, dienten als Tschauche, als Unteroffiziere und Feldwebel in der Leibwache zu Fes. Gar manche freilich sind auf dem Wege durch das Rif und die wilde Gegend an der Muluja von den Eingeborenen und durch den Prätendenten Bu el Hamara erschlagen worden, während andere in der Wüste verschmachteten.

Alle die Arbeit der deutschen Siedler und Unternehmer, zu denen einst auch der General und spätere Minister von Podbielski, Erzgrubenmitbesitzer im Rif, gehörte, alle Anstrengungen unserer Landwirte, Kaufleute und Ingenieure hat schließlich nur dazu gedient, den Franzosen das Bett zu bereiten. Wir waren die Trockenwohner für Frankreich im Scherifenreiche!

Ferne sei es von uns, einen Stein auf unsere wackeren Afrikaner zu werfen! Hofften sie doch, dem Vaterland zu nutzen. Es war nicht ihre Schuld, wenn die Pläne von Carl Peters, ein Deutsch-Afrika vom Sambesi bis Abessinien und vom Indischen bis zum Atlantischen Ozean zu schaffen, gescheitert sind; nicht ihre Schuld, wenn die Pioniere nicht genugsam von der Wilhelmstraße gefördert, wenn ihre Absichten, die auf ein deutsches Marokko zielten, von der Reichsregierung nicht verwirklicht wurden. Häufig trieb allerdings lediglich der Abenteuerdrang in die Ferne. Weil eben die amtliche Politik versagte, weil das Deutsche Reich von 1815-1864 keine Ausdehnungspläne betrieb, weil es seit 1893 wiederum so gut wie gänzlich stille stand und tatenlos dahindämmerte, weil es keine Kolonien mehr erwarb, sondern nur Händlerinteressen unterstützte, deshalb haben viele ihr Blut für die Unabhängigkeit oder die Ausdehnung fremder Staaten vergossen. Das geschah entweder in der Fremdenlegion oder auf eigene Faust.

In der Umgebung der Prinzessin von Sansibar traf ich den ehemaligen Missionar in Abessinien, Waldmeyer. Über seine Erlebnisse hat er ein Buch geschrieben, das ich aber nicht besitze. Ich erinnere mich jedoch an allerlei, was er mündlich erzählte. Einst zogen drei junge Deutsche nach Afrika und gerieten auf ihren Streifereien nach Adis Abbeba. Der eine der drei war Schlosser, der andere ein Schneider, der dritte ein Lehrer. Der erste wurde Kriegsminister, der zweite Handelsminister und der dritte, eben unser Missionar, wurde Kultusminister bei Theodor dem Blutigen, und blieben auch noch im Lande nach 1868, da Theodor von den Engländern gestürzt wurde. Auch das Leben jener Prinzessin ist abenteuerlich genug. Tochter einer abessinischen Mutter und eines arabischen Vaters, des Sultans von Sansibar, verliebte sie sich in einen Hamburger Kaufmann, Ruete. Um Mitternacht auf seidener Strickleiter wurde sie aus ihrem Sansibarer Hause entführt und auf ein englisches Kriegsschiff gebracht und zu Aden mit Ruete getraut. Sie gebar ihm drei Töchter und einen Sohn. Bismarck wollte die Ansprüche der Prinzessin auf ihr Erbe Sansibar für seine politischen Pläne verwerten und schickte sie 1886 mit einem deutschen Kriegsschiffe nach der ostafrikanischen Insel, wo damals Rohlfs, in marokkanischen Reisen bewährt, unser Generalkonsul war. Durch einen Unglücksfall wurden dem unglücklichen Ruete beide Beine abgefahren und er starb. Die Witwe baute sich ein entzückendes Landhaus im Libanon und lebte abwechselnd dort und in Jaffa in der Templerkolonie. Der Sohn, Said Ruete, war erst bei der Deutschen Bank und in ihrem Auftrage bei der Bagdadbahn und in der Bankfiliale zu Kairo. Nachdem er die Tochter von Sir Alfred Mond, einem der gefährlichsten Großjuden Englands, Vgl. Winzer, die Juden in England. geehlicht hatte, nahm Said Ruete dauernd in England seinen Sitz. Nicht ohne jedoch noch weiterhin eine Vermittlerrolle zwischen britischen und deutschen Orient- und Kolonialkapitalisten zu spielen.

Zum Nutzen Abessiniens haben sich noch andere Deutsche betätigt. Schweizer haben sich als Ratgeber des Negus Negesti einen Namen gemacht, namentlich der Ingenieur Ilg, ferner Munzinger. Frühere Offiziere, wie der einstige Kavallerist Böcking, kauften abessinisches Land. Holz, von dem Kommerzienrat Bosch unterstützt, erstrebte wertvolle Konzessionen. Es kann jedoch kaum eine Frage sein, daß schließlich Abessinien den Engländern anheimfallen wird.

Von Böcking weiß ich eine drollige Geschichte. Als der Weltkrieg ausbrach, wollte er nach Hause reisen. Da der Weg über Massaua und den Suezkanal verschlossen war, wählte er den Landweg. Von den Engländern aufgehalten und dem Sirdar Wingate vorgeführt, gab er an, ihn habe ein wütender Hund gebissen, und er müsse das nächstgelegene Pasteurinstitut, das zu Alexandria, aufsuchen. Um das glaubhaft vorzutäuschen, schlug er sich selbst Wunden und verschmierte sie mit Dreck. Er wurde durchgelassen, obwohl unter der Begleitung eines britischen Majors, sah viel von den englischen Rüstungen in Ägypten und weilte sechs Wochen in dem Institut. Und siehe da, die Jünger Pasteurs fanden wirklich die Hundswut! Auf einem italienischen Schiffe zurückgekehrt, konnte Böcking in Berlin seine wertvollen Beobachtungen übermitteln.


 << zurück weiter >>