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Unser Vorwurf ist noch von niemand aufgegriffen worden. Es gibt, soviel ich weiß, kein Buch, keine zusammenhängende Darstellung, über die Taten, die Deutsche für fremden Nutzen verrichtet haben. So ist denn auch die Frühzeit des Landsknechtstums noch nicht erforscht; man muß sich mühsam zerstreute Nachrichten zusammenstellen. Ganz kurz wollen wir die germanischen Söldner berühren, die ein halbes Jahrtausend durch ihr Leben für die Römer in die Schanze schlugen; denn wir können nicht wissen, ob wir in diesen Söldnern alte Deutsche oder alte Engländer, Holländer, Skandinavier zu erblicken haben. Cäsar hatte eine germanische Leibwache und gewann durch germanische Reiter die Schlacht bei Pharsalus, die ihm die Weltherrschaft einbrachte. Germanische Kohorten und Legionen waren in Ägypten, Syrien und Britannien in Garnison. Man hat sogar vermutet, daß Arminius, dessen Namen eine Handschrift mit Armenius wiedergibt, Kriegsdienste für Rom in Armenien geleistet habe; wahrscheinlicher ist freilich, daß der Name auf den alten Gott Ermen zurückgehe, nach dem die Irminonen und die Irminsul heißt, zumal wir auch eine Irmengard und Irma haben. Viele germanische Stämme halfen dem Attila ein Großreich von Turkestan bis Frankreich zu errichten. Frühzeitig nahmen germanische Fürsten wie Alarich Hilfsgelder von Konstantinopel, um für Byzanz zu kämpfen, und Germanen bildeten einen beträchtlichen Teil der Soldaten, die bei den byzantinischen Thronwirren um 500 mitwirkten. Germanische Krieger machten den Zug mit, den ein byzantinischer Feldherr 576 nach Südrußland unternahm. In Byzanz taucht auch zum erstenmal ausdrücklich die Bezeichnung »Deutsche Legion« auf. Sie diente auf Kreta und war 1081 ein Teil der Garnison von Konstantinopel. Die Legion galt für besonders zuverlässig. Auch einen ihrer Führer kennen wir, da sein Name in den byzantinischen Chroniken erhalten ist. Er hieß Gilprakt, also etwa Hilprecht. Diese Legion erhält sich neben den Warägern, den skandinavischen Söldnern, bis zum 12. Jahrhundert.
Byzanz konnten auch die deutschen Hilfstruppen nicht vor dem Sturze bewahren. Dagegen war es von weltpolitischer Bedeutung, daß deutsche Krieger dazu beitrugen, die Macht Englands aufzubauen. Bevor Wilhelm der Eroberer von der Normandie nach England übersetzte, ließ er in Köln, allem Anschein nach ganz öffentlich, Werbebüros einrichten. Man findet keine Spur davon bei den Annalisten, daß dieser Übergriff Befremden erregte. Heinrich IV., der ein Jahr zuvor in dem jugendlichen Alter von 15 Jahren mündig erklärt worden war, hatte genug damit zu tun, die Widerspenstigkeit seiner Fürsten und des sächsischen Volkes zu unterdrücken. Jahrhunderte später bluteten wiederum deutsche Söldner für englische Herren. Das war, als der Bandenführer Schwarz mit 2000 Mann am Kriege der weißen und roten Rose in England teilnahm. Schlosser s. 466. Schwarz starb 1487.
Auch auf dem Balkan betätigten sich bereits deutsche Ritter. Manfred aus dem Hause Hohenstaufen hatte welche unter sich, als er die Gegend von Durazzo eroberte. Sein Werk war jedoch umsonst; die Anjous kamen und bemächtigten sich Albaniens. Von vornherein waren für fremde Zwecke die deutschen Söldner eingestellt, die fast ein Jahrhundert später nach Serbien kamen. Duschan der Große, um 1350, hielt sich Haufen solcher Söldner. Es scheint, daß auch schon seine Vorgänger diese Gepflogenheit geübt hatten.
In Osteuropa gab es gegen 1400 drei Großmächte: die Osmanen, Litauen, die Goldene Horde. Jagello und noch mehr sein Vetter Witauwat waren die Gründer des litauisch-polnischen Reiches. Im Jahre 1399 zog der Großfürst Witauwat gegen Kiew. Er hatte 500 deutsche Ritter unter seinen Kriegern. Als er elf Jahre später bei Tannenberg kämpfte, halfen ihm Tausende von deutschen Söldnern gegen den deutschen Orden. Die genaue Zahl ist nicht bekannt; sie muß aber beträchtlich gewesen sein. Es wird berichtet, daß die beiden, Jagello und Witauwat (Witold) zusammen 160 000 Mann hatten, während der Orden nur über 83 000 verfügte. Unter den litauischen Streitkräften waren 23 000 deutsche und tschechische Söldner, die deshalb angeworben waren, weil sie Schießgewehre hatten. Der Tag von Tannenberg war von weltgeschichtlicher Bedeutung. Er brachte den Niedergang unseres Ansehens im Osten. Es hat Jahrhunderte gedauert, ehe wir den Schlag verwanden. Und diesen Schlag haben uns auch Deutsche versetzt, vielleicht 15 000 an Zahl. Sie halfen einem halbwilden, halbheidnischen Litauer gegen ihre eigenen Landsleute.
Mitten in diese Begebenheiten hinein sind die Abenteuer von Schildtperger gestellt. Er war ein Münchner, der schon 16jährig an einer Kriegsfahrt teilnahm. Gegen das gefährliche Vordringen der Osmanen hatte Kaiser Siegmund eine auserlesene Schar aus der gesamten abendländischen Ritterschaft berufen, darunter auch Engländer und Franzosen. Er führte seine gesammelten Streitkräfte nach der unteren Donau und stieß 1396 bei Nikopolis auf den Sultan Bajazid. Siegmund wurde geschlagen. Viele Grafen und Barone gerieten in türkische Gefangenschaft.
Um die Mitte des 15. Jahrhunderts begann die auswärtige Verwendung von Schweizer Landsknechten. Im 16. Jahrhundert nahmen deutsche Fürsten und Mannschaften Dienste in Frankreich, zum Teil um die Guisen gegen die Bourbonen zu unterstützen. Gleichzeitig wanderten viele deutsche Abenteurer nach Rußland, um als Soldaten oder Handwerker für Iwan den Schrecklichen zu arbeiten. Es entwickelte sich bald ein deutsches Viertel in Moskau. Eine große Härte war dabei, daß Fremden, die einmal nach Rußland gekommen waren, abgesehen natürlich von diplomatischen Vertretern, die Rückkehr durch Gesetz versagt blieb, daß sie bis zu ihrem Tode in Rußland verbleiben mußten. Die Ursache war die Besorgnis, daß Fremde sich als Spione betätigen und anderen Regierungen ihre Kunde von Land und Leuten vermitteln könnten. Genau so war es in Japan. Nicht nur durften Fremde, mit einziger Ausnahme der holländischen Kaufleute in Nagasaki, Zeit ihres Lebens Japan nicht verlassen, sondern es wurde auch Japanern, die irgendwie trotz des strengen Auswandererverbotes nach dem Ausland geraten waren, die Heimkehr nicht verstattet. Uns ist der rührende Brief eines deutschen Schiffszimmermanns erhalten, der Schiffbruch gelitten hatte und nun für die Japaner arbeitete. In dem Briefe fleht er jedermann, der in dessen Besitz komme, an, sich nach seiner Frau und seinen Kindern, die er daheim zurückgelassen, zu erkundigen und betet zu Gott, daß es auch ihm vergönnt sein möge, sie einst wiederzusehen. Es scheint, daß der Brief, nach wer weiß wieviel Irrfahrten, richtig in die Hände der Empfängerin gelangt sei; wir wissen aber nicht, ob jemals ein Wiedersehen gelang. Später wurde durch den Druck der Großmächte, besonders Rußlands, die Lage von Schiffbrüchigen in Japan etwas besser, wir erfahren von mehreren Fällen, daß einige russische und einige amerikanische Schiffbrüchige, allerdings nach langen mühsamen und von seiten des Shogunats widerwilligen Verhandlungen, nach Verlauf von mehreren Jahren zurückgesandt wurden.
Zu besonders vielen Gelegenheiten von Reisläuferei gab erstlich die Türkei, zweitens Venedig, drittens England mit seiner hannöverisch-hessischen Legion, viertens die nordamerikanische Union und fünftens Napoleon den Anlaß. Auch nahmen häufig deutsche Offiziere und Staatsmänner Kriegsdienste in Dänemark, Schweden und Rußland. Eine neue ungesunde Blüte entfaltete das Landsknechtstum in der französischen Fremdenlegion. Die Deutschen in ihr trafen 1856 auf der Krim mit den Resten der hannöverschen Legion zusammen. Weitere Reisläufereien brachte der amerikanische Sezessionskrieg, brachten die vielen Kolonialexpeditionen der Holländer und das Abenteuer Maximilians in Mexiko.
Nach 1871 ebbte die Flut ab. Nur vereinzelte Abenteuerlustige gingen nach Java oder für Belgien und England nach Afrika. Der bedeutendste Afrikareisende aller Zeiten, Heinrich Barth, der den Sudan entschleierte und mit Mitteln, hundertmal geringer als sie Stanley zur Verfügung standen, in vier Jahren Übermenschliches leistete, arbeitete im englischen Auftrage. Wißmann war im Solde Leopolds II. von Belgien, bevor er Statthalter in Deutsch-Ostafrika wurde – einer der wenigen erfreulichen Fälle, wo unsere Reisläufer ihre im Ausland gewonnen Erfahrungen zum Wohle des Vaterlandes verwerteten.
Marokko wurde zum Teil von der Fremdenlegion erobert. Der Krieg um Kuba wurde durch deutsch-amerikanische Seeleute und Artilleristen gewonnen. Ein ganzes Regiment, das von den Vereinigten Staaten nach den Philippinnen fuhr, soll ausschließlich aus Deutschen bestanden haben. Nach dem Weltkriege sind wiederum scharenweise unsere Landsleute in fremde Dienste getreten. Sie haben sich in niederländischen und britischen Kolonien, haben sich, wenngleich in sehr beschränkter Zahl, von Japan und Regierungen Lateinisch-Amerikas anwerben lassen. Zu der französischen kam eine spanische Fremdenlegion, die viele Deutsche aufgenommen hat. In den Heeren des Sowjets befanden sich ungefähr zwei Regimenter von Deutschen, außerdem beträchtliche Trupps von deutschen Gefangenen, die mitunter auf eigene Faust für den Sowjet fochten. So hatte ein junger Leutnant 5000 solcher Gefangenen in Taschkent vereinigt und neu eingedrillt. Er führte mit ihnen Krieg gegen die Engländer, die 15 000 Mann nach Turkestan geworfen hatten, wurde zu diesem Behufe von dem Sowjet mit Waffen und Nachrichten versehen und glaubte dadurch, daß er die Briten dämpfte – sie wurden aus Turkestan vertrieben – schließlich auch der deutschen Heimat zu nützen. Die genannten Regimenter waren zwar nicht zu einer eigenen Formation vereinigt, waren vielmehr unter die verschiedensten Verbände verteilt; die Gesamtzahl jener Verteilten hätte jedoch dazu ausgereicht, um den Rahmen von zwei Regimentern auszufüllen. Seit etwa einem halben Jahre hat außerdem Berlin eine Anzahl von deutschen Offizieren zur Verfügung gestellt, die als Beobachter, Instrukteure und Ratgeber sich den Moskowitern nützlich zu machen suchen. Daneben gibt es eine kleine Zahl von politischen Agenten, die halb von Berlin halb von Moskau angestellt sind, um zwischen dem Sowjet und dem Islam zu vermitteln. Einer der Abenteuerlichsten ist ein Lausitzer, ein noch ganz junger Mann. Er wurde gleich zu Anfang des Krieges von den Russen gefangen genommen und nach Sibirien geschleppt. Dort entrann er und entfloh nach der Mongolei, wurde aber von den Kosaken, die sich auch in der Mongolei Rechte anmaßten, aufgegriffen und zurückgebracht. Er fiel jedoch die Treppe hinauf und wurde im Gefangenenlager mit der Aufgabe betraut, den russischen Offizieren Schnaps einzuschmuggeln. In dieser halbamtlichen Schmuggeleigenschaft konnte er frei alle russischen Lande durchfahren, um das wertvolle Naß aufzutreiben, und sammelte so bedeutende Kenntnisse. Einmal, da er sich auf einem Eisenbahnzuge in der Mandschurei befand, stieg er aus und wanderte zu Fuß nach Mukden, erhielt dort deutsche Unterstützung und meldete sich in Peking. Da hörte er, daß Hentig nach Kabul aufgebrochen sei und sagte: was der kann, kann ich auch! Er von Westen, ich von Osten. Flugs machte er sich auf und zwar als vornehmer Tatar verkleidet. Überall in China und im Tarimbecken wurde er von den Mohammedanern ehrenvoll aufgenommen und erhielt stets neue Begleit- und Empfehlungsschreiben. In der Nähe des Pamir angelangt, stieß er sein Gefolge ab und irrte ganz allein mit seinen Packtieren monatelang mitten im Winter in dem unwirtlichsten und kältesten Hochasien herum, mit der Absicht, nach Wachschan und von da nach Kabul vorzustoßen. In Dardistan, an den Hängen des Hindukusch, weilte er drei Wochen und kam durch Verrat eines einheimischen Häuptlings in die Hand der Engländer. Diese steckten ihn in ein Gefangenenlager, aber in ein mohammedanisches, da er als Türke galt. Erst nach acht Monaten wurde er als Deutscher erkannt und nach dem deutschen Lager von Achmednagar überführt. Nach Friedensschluß freigelassen, knüpfte er wichtige Beziehungen zu dem Sowjet und ist jetzt in Turkestan. Er ward der Busenfreund Tschitscherins.
Von der Römerzeit an, da germanische Reiter dem Cäsar bei Pharsalus die Weltherrschaft erstritten, bis in die jüngste Gegenwart: Immer dasselbe Bild! Abenteuerliche Volksgenossen, die es daheim nicht hält, stürmen ins Blaue und toben sich in der Fremde aus, wo sie ihre Kraft für fremde Herren vergeuden. Solange Karl der Große und die Ottonen walteten, solange die Staufer und Habsburger mit mächtiger Hand das Szepter führten und wirklich Mehrer des Reiches waren, da war kein Anlaß, fremde Dienste aufzusuchen; sobald aber des Reiches Macht schwand und wo immer das Reich, statt sich auszudehnen, stillstand oder gar zurückging, da ist die verhängnisvollste aller Fremdtümeleien, die Reisläuferei, wieder ins Kraut geschossen. Nach 1871 ist sie fast ganz verschwunden, nur die französische Fremdenlegion und Holländisch Insulinde zogen noch vereinzelte Abenteurer an. Andrerseits haben sich nicht allzu viele, die es zu Hause nicht aushalten konnten, in unseren eigenen Kolonien betätigt: es war ihnen doch zu viel des Zwangs und der Bürokratie. Nach 1893, da die Wilhelmstraße in Untätigkeit versank, da das Reich keine Erwerbungen mehr betrieb, da ist langsam die Zahl der Reisläufer wieder angeschwollen. In der Gegenwart vollends hat sie sich abermals ins Ungemessene vermehrt, und es ist noch nicht abzusehen, wann die Flut wieder in Ebbe umschlagen mag. Neuerdings haben sogar die Spanier im Rif eine Fremdenlegion gegründet, in die viele deutsche Offiziere und Mannschaften (meist aus der französischen Legion entflohen) aufgenommen wurden.