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Abenteuer von Gefangenen.

Von früheren Deutschen ist wohl am bekanntesten auf diesem Gebiet König Enzio, den die Bolognesen 22 Jahre in Haft behielten und der, in einem Fasse weggetragen, entdeckt wurde, weil eines seiner goldenen Haare aus einer Luke heraushing, sodann Graf Königsmark, der einer Prinzessin halber viele Jahre zu Hannover eingekerkert war, weiterhin wegen ähnlichen Schicksals der Pandurenleutnant v. Treskow, der eine Liebschaft mit einer preußischen Prinzessin anfing und daher von Friedrich dem Großen in Spandau eingesperrt wurde, jedoch einen Gang bohrte und entfloh und bei den Österreichern Kriegsdienste nahm. Von der Legende umrankt ist der schauerliche Hungerturm auf dem Hradschin zu Prag, in dem auch mehrere Deutsche schmachteten, und die Verbannung nach Sibirien.

Zu den meisten romantischen Erlebnissen in und nach der Gefangenschaft hat der Weltkrieg den Anlaß gegeben. Ich hörte einen Bayern, der in Turkestan es so gut hatte, daß alle Welt ihn zu Festen einlud und man ihm sogar ein Gewehr zur Jagd lieh. Ein Tiroler ward 1915 Universitätsprofessor in Tomsk. Ein Reichsdeutscher ehelichte eine russische Fürstin. Viele unserer Volksgenossen fanden in Spanien ein einziges »fideles Gefängnis«. Interniert, ja, sie durften jedoch im ganzen Lande nach Lust und Laune herumstreifen. Um so elender ist es der Masse unserer Brüder ergangen, am elendesten in Avignon, wo noch immer einige dieser Ärmsten zurückgehalten werden, vier Jahre nach Kriegsschluß!

Romantisch war insbesondere die Flucht vieler Gefangener. Von überallher suchten sie auszubrechen, von England, von Frankreich, aus Griechenland und Rumänien, von Nordamerika – meist nach Mexiko – und von Rußland. Wir haben sicherlich noch nicht den kleinsten Teil all dieser Abenteuer vernommen. Am ehesten gelang die Flucht nahe der Front. Sie wurde um so schwieriger, je weiter man ins Innere verschleppt wurde. Doch war die weite Entfernung kein Hindernis; ja, die wurde von dem Entrinnenden oft noch durch einen Umweg vergrößert. So beschloß ein Deutscher in Wologda, im Nordosten des europäischen Rußland, den Weg zur Freiheit über Baku am Kaspisee zu nehmen, statt zu dem unvergleichlich viel näheren Finnland. Als persischer Bettler verkleidet, durchwanderte er dann auf schmerzenden Sohlen Aserbeidschan und kam im westlichen Kurdestan zu deutschen Vorhuten und von da nach Berlin. Manche unserer Gefangenen entrannen aus Sibirien nach China und in die Mongolei, andere aus Brasilien, das mit uns kriegte, nach Argentinien, aus Kanada nach Skandinavien. Ein ganzer Gewalthaufe, der nicht weniger als 120 Köpfe zählte, entwich aus Taschkent nach Persien und erreichte teilweise Teheran. Die Abenteuer vervielfältigten sich, nachdem der Bolschewismus sich Rußlands bemächtigt hatte. Eine Schar schlug sich durch die Donsteppe, dem Kaukasus entlang, nach dem Schwarzen Meere durch. Andere fuhren, heimlich oder offen, mittels Bestechung, von Petersburg nach Finnland, nach dem Baltikum, von Georgien nach Bulgarien. Bis in die jüngste Zeit sind Deutsche, die vor der Sowjetherrschaft flüchteten, nach seltsamen Abenteuern bei uns in der Heimat angelangt.

Neun Deutsche, die vom Kap Juby kamen, sind in Las Palmas gelandet. Sie erklärten, sie seien ehemalige Soldaten, die in der Türkei von den Franzosen gefangen genommen wurden. Sie seien in Algerien interniert gewesen, nach dem Innern Marokkos gebracht und von Eingeborenen gefangen genommen worden, die sie an den spanischen Kommandanten des Postens von Juby verkauft hätten. Sie erklärten, es befänden sich noch weitere Deutsche in der Gefangenschaft dieses Stammes.


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