Francisco de Xerez
Geschichte der Entdeckung und Eroberung Perus
Francisco de Xerez

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I.

Veranlassung der Entdeckung und Eroberung Peru's. – Francisco Pizarro und Diego de Almagro.

1. Die Colonie St. Sebastian und, Vasco Nuñez de Balboa. Gründung der Colonie Santa Maria del Antigua in Darien.

Kaum waren drei Jahrzehnte nach der Landung Cristoforo Colombo's auf der Insel Guanahani, dem zuerst (am 12. October 1492) entdeckten Punkte Amerika's, vorübergegangen, als man sich schon ein deutlicheres Bild von dem Umfange der neuen Welt zu entwerfen vermochte und an dieses Bild neue, immer großartiger sich gestaltende Plane zu knüpfen anfing. Die Ostküste der beiden großen Hälften dieses Erdtheiles war bereits, wenigstens theilweise, von spanischen, portugiesischen, englischen und französischen Seefahrern entdeckt und an vielen Punkten besucht, Colonien waren sowohl auf mehreren Inseln als auch auf dem Festlande angelegt, Hernando Cortes hatte Mexico erobert und Vasco Nuñez de Balboa zuerst den Theil des Weltmeeres, welcher die westliche Küste Amerika's bespült, gesehen. Die Entdeckung dieses Meeres, welches gewöhnlich noch mit dem ihm von den Spaniern beigelegten Namen Südsee bezeichnet wird, eröffnete weiteren Wagnissen einen unüberschaubaren Tummelplatz, und da sie auch die Auffindung und Eroberung Perus zur Folge hatte, so müssen hier zur Herstellung des nöthigen Zusammenhanges der Thatsachen einige Worte über Vasco Nuñez und seine Abenteuer vorangeschickt werden.

Vasco Nuñez de Balboa, zu Xerez de los Caballeros in der Provinz Estremadura um das Jahr 1475 geboren, hatte bereits als Jüngling, um seinen leichtsinnig zerrütteten Vermögensumständen wieder aufzuhelfen, an der Reise des berühmten Seefahrers Rodrigo de Bastides nach Südamerika (1500 – 1502), auf welcher die Küstenstrecke vom Cabo de la Vela bis nach Puerto del Retrete unter dem zehnten Grade nördlicher Breite entdeckt und der Golf von Darien näher untersucht wurde, Theil genommen und nicht unbeträchtliche Schätze erworben. Auch diese vergeudete er auf Hispaniola, wo er sich als Pächter niederließ, und stürzte sich wieder so tief in Schulden, daß er seinen Gläubigern auf keine andere Weise zu entgehen wußte, als daß er sich in einem Fasse auf das Fahrzeug des Licentiaten Martin Fernandez de Enciso, welches nach der neu angelegten Pflanzstadt St. Sebastian auf der östlichen Spitze des Golfs von Darien mit einer Ladung Lebensmittel unter Segel ging (1510), bringen ließ. Da er in Folge der strengen Gesetze, die man auf Hispaniola zum Schutze der Gläubiger eingeführt hatte, der Todesstrafe verfallen war, so wagte er erst auf der hohen See aus seinem Verstecke hervorzukriechen und sich dem Enciso vorzustellen. Dieser, über den Betrug entrüstet, wollte ihn auf eine wüste Insel aussetzen, ließ sich aber doch endlich durch seine Bitten bewegen, ihn nach St. Sebastian mitzunehmen.

Über diese von dem kühnen Abenteurer Alonzo de Ojeda im Jahr 1509 gegründete Colonie war unterdessen großes Unheil hereingebrochen. Mangel an Lebensmitteln und die beständigen Angriffe der Eingeborenen bewogen endlich den Befehlshaber Francisco Pizarro, dessen Name später durch die Eroberung Perus eine so große Berühmtheit erhielt, sich mit dem Reste der Mannschaft auf zwei Brigantinen einzuschiffen. Die eine derselben versank auf der hohen See mit allen darauf befindlichen Leuten, die andere von Pizarro geführte begegnete dem Schiffe Enciso's, welcher sie zwang mit nach St. Sebastian zurückzukehren. Beim Einlaufen in den Golf von Darien scheiterte das eine mit Lebensmitteln beladene Schiff, und als man endlich die Colonie erreichte, waren die Verschanzungen zerstört und die Wohnungen niedergebrannt. Ohne Obdach, ohne hinreichende Nahrung und in beständiger Furcht vor den vergifteten Pfeilen der Wilden verloren die unglücklichen Abenteurer bald den Muth und verzweifelten schon an der Möglichkeit ihrer Rettung aus diesem Elend, als Vasco Nuñez de Balboa hervortrat und sie durch die Nachricht frisch belebte, daß er schon früher mit Rodrigo de Bastides diesen Meerbusen besucht und an der Mündung eines großen Flusses ein schönes Dorf, wo Lebensmittel im Überfluß und die Pfeile der Bewohner nicht vergiftet gewesen, gesehen habe. Man setzte ohne Verzug über den Meerbusen, dessen Breite hier nur sechs Meilen betrug, und lief in den Fluß Darien ein, wo man alles so, wie es Vasco Nuñez beschrieben, aber auch die kriegerischen Bewohner schon in Schlachtordnung aufgestellt fand. Enciso, welchem jetzt nur die Wahl zwischen einem verzweifelten Kampfe und einer schmachvollen Heimkehr blieb, gelobte der heil. Jungfrau Maria del Antigua von Sevilla, wenn er durch ihren Beistand siege, die zu gründende Colonie nach ihr zu benennen, und ließ seine Leute schwören, lieber zu sterben als dem Feinde den Rücken zu wenden. Darauf griff er mit verzweifeltem Muthe die Indianer an, welche aber erst nach tapferer Gegenwehr die Flucht ergriffen und ihr Dorf preisgaben, wo man eine Menge Lebensmittel und eine ansehnliche Beute an Gold fand. Man erfüllte nun das Gelübde, nannte die neue Colonie Santa Maria del Antigua und erholte sich von den ausgestandenen Mühseligkeiten.

Die Eintracht dauerte aber unter den habgierigen Abenteurer nur sehr kurze Zeit; der erste Befehl Enciso's, welcher allen seinen Leuten verbot auf eigene Rechnung Goldhandel mit den Eingeborenen zu treiben, brachte alle gegen ihn auf. Vasco Nuñez, welcher schlau dieses Mißvergnügen zu benützen wußte, rastete nicht eher, bis Enciso im Gefängniß lag und er seine Stelle einnahm. Enciso brachte es zwar später dahin, daß man ihn nach Spanien entließ, wo er Klage über seine unwürdige Behandlung führte und, wie wir sehen werden, später den Untergang seines Nebenbuhlers veranlaßte.


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