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Vasco Nuñez, welcher übrigens sehr wohl wußte, daß reiche Goldsendungen nach Spanien jede Ungerechtigkeit und Schandthat zudeckten, war vor allem eifrig bemüht den Reichthum des Landes zu erforschen und auszubeuten. Auf einem seiner zu diesem Zwecke unternommenen Streifzüge in der Umgegend kam er auch zu dem Caziken Comagre, der ihn freundlich aufnahm und ihm ein Geschenk von viertausend Unzen Gold machte. Als bei der Vertheilung desselben an Ort und Stelle unter den Spaniern ein heftiger Streit entstand, trat der älteste Sohn des Caziken, staunend daß ein so schnödes Metall Ursache des Haders werden könne, hervor, schlug mit der Faust auf die Wage, daß das Gold auf dem Boden umherflog und rief unwillig: »Wie könnt ihr, Männer, dieses elende Gold so hoch achten, da ihr doch die schönsten Kunstwerke in grobe Klumpen umschmelzet? Ist übrigens euer Heißhunger nach diesem Metalle so groß, wagt ihr nur deßwegen eine so weite und gefährliche Reise und stört ihr aus keiner andern Ursache glückliche Völker aus ihrer Ruhe auf, so will ich euch ein Land zeigen, das so reich an Gold ist, daß es eure Habgierde sicher befriedigen wird. Wollt ihr aber dieses Land erobern, so muß eure Anzahl bei weitem größer seyn, denn es wohnen daselbst tapfere Leute, die ihr Besitzthum mit ihrem letzten Blutstropfen vertheidigen werden. Besonders wird euch der mächtige Tumanama, der Beherrscher der sechs Tagreisen von hier gelegenen Berge, wo man das Gold findet, hartnäckigen Widerstand leisten, und ehe ihr zu diesem gelangt, müßt ihr durch das Gebiet der grausamen Cariben, deren liebste Speise Menschenfleisch ist. Habt ihr dann diese Berge dort (wobei er mit dem Finger nach Süden hin deutete) überschritten, so werdet ihr an ein großes Meer kommen und auf demselben viele Schiffe, die nicht viel kleiner als die eurigen und mit Ruder und Segel versehen sind, erblicken.«
Die Rede des jungen Caziken machte auf Vasco Nuñez einen ungewöhnlichen Eindruck; die Aussicht auf einen unerschöpflichen Goldvorrath beschäftigte in diesem Augenblicke seinen Geist wirklich weniger, als die überraschende Hindeutung auf ein großes Meer. Er schloß mit Recht, dieses könne kein anderes Meer seyn, als das so lange von Colombo vergebens gesuchte. Der Gedanke, eine Entdeckung zu machen, die diesem großen Manne nicht gelungen war, und dadurch alle seine begangenen Fehler in Vergessenheit zu begraben, ließ ihm jetzt keine Ruhe mehr und er setzte, um zur Erreichung seines Zieles nähere Erkundigungen einzuziehen, seine Streifereien in die Umgegend der Colonie fort. – Zuerst fiel er (im Jahr 1512) in das nahe liegende Gebiet des Caziken Dabayda ein, unter dessen Schätzen sich auch ein ganz mit Gold angefüllter Tempel befinden sollte. Dieser Zug war aber mit unendlichen Beschwerden verbunden, und die ganze Expedition war einigemal dem Untergange nahe. Sümpfe und Seen dehnten sich allenthalben, so weit der Blick reichte, aus, und beinahe die ganze Gegend stand fast fortwährend so tief unter Wasser, daß die Wohnungen der Eingeborenen aus den dicksten Bäumen eingerichtet und fast ganz unter dem Laube versteckt waren. Zu jedem Hause führten zwei Leitern, die eine bis zur Hälfte des Baumes, die andere von da bis zur Hausthüre. Sie waren aus Rohr gefertigt und so leicht, daß sie des Abends ohne Mühe auf den Baum gezogen werden konnten. Die Einwohner waren also des Nachts gegen die Angriffe der Tiger und anderer reißenden Thiere, deren es in diesem Lande eine Menge gab, vollkommen sicher. Die Vorräthe an Lebensmitteln waren ebenfalls in diesen Häusern aufgespeichert, das Getränk aber am Fuße des Baumes in irdenen Gefäßen. – Der Cazike Dabayda, welcher sich in seinem Palaste auf einem Baume befand, ließ bei der Annäherung der Spanier die Leitern aufziehen und erwiederte, als diese ihn aufforderten furchtlos herabzukommen, er habe den Fremdlingen weder ein Leid zugefügt noch Geschäfte mit ihnen abzumachen, sie möchten ihn also in Ruhe lassen. Als man aber Anstalten traf den Baum umzuhauen und er die Splitter davonfliegen sah, zog er es doch vor mit seinem Weibe und seinen beiden Söhnen herabzusteigen. Man verlangte Gold von ihm, erhielt aber die Antwort, daß er an dieser Stelle keines habe, weil er dessen zu seinem Unterhalte nicht bedürfe; trügen sie aber so großes Verlangen nach diesem Metalle, so wolle er ihnen eine hinreichende Menge aus einem nahen Gebirge holen und sein Weib und seine Söhne als Geiseln zurücklassen. Die Spanier gingen bereitwillig auf dieses Anerbieten ein und ließen ihn ziehen; als sie aber mehrere Tage auf seine Rückkehr vergebens gewartet hatten, sahen sie erst ein, daß sie von dem Wilden, dessen Weib und Söhne sich ebenfalls durchzuschleichen gewußt hatten, überlistet waren. Sie zogen darauf noch einige Zeit in der von den Einwohnern verlassenen Gegend umher und kehrten dann nach der Colonie zurück. So endete die Expedition nach dem Goldtempel.
Die Caziken des ganzen Landes hatten sich unterdessen zur Vertilgung der Colonie, von welcher aus alles Unheil über sie kam, verschworen und ein großes Heer versammelt; Vasco Nuñez erspähte aber den rechten Augenblick, überfiel sie unversehens und richtete ein furchtbares Blutbad unter ihren Leuten an. Nachdem er sie auf diese Weise gezüchtigt und die Colonie wenigstens auf einige Zeit gesichert hatte, entschloß er sich endlich den vielversprechenden Zug nach Süden, über welchen er Tag und Nacht nachsann, zu unternehmen. Nachdem er die nöthigen Vorbereitungen getroffen und seine Mannschaft, welche aus hundert und sechzig gutbewaffneten Leuten bestand, durch die Aussicht auf großen Gewinn angefeuert hatte, schiffte er sich am 1 September 1513 mit dem jungen Caziken Comagre, der ihm als Führer dienen sollte, ein und begab sich zur See in das Land des Caziken Careta. mit welchem er ein Bündniß geschlossen hatte. Von hier aus nahm er seinen Weg nach den Bergen hin und kam in das Gebiet des Caziken Ronca, welcher sich bei der Annäherung der Spanier verbarg, aber endlich auf die gütliche Vorstellung des Vasco Nuñez aus seinem Schlupfwinkel hervorkam und sich die Freundschaft desselben durch reiche Geschenke an Gold erwarb. Mehr Muth zeigte im Gebirge, in welches die Abenteurer bereits eingerückt waren, der Cazike Quaraqua, erlitt aber eine furchtbare Niederlage und mußte die Schätze seines Landes preisgeben. Nach einem Marsche von fünfundzwanzig Tagen langte man endlich an dem Fuße des hohen Berges an, von wo aus das große Meer sichtbar seyn sollte. Als man beinahe den Gipfel des Berges erreicht hatte, befahl Vasco Nunez allen seinen Begleitern zurückzubleiben und ging allein voran, um zuerst den lang ersehnten Anblick zu genießen. Als er nun wirklich den unermeßlichen Ocean zu seinen Füßen sich ausdehnen sah, fiel er auf die Knie, erhob die Hände zum Himmel und dankte Gott für die ihm geworbene große Gnade. Seine Leute eilten auf dieses Zeichen freudetrunken herbei und wiederholten zum Erstaunen der Indianer das Dankgebet ihres Anführers auf dieselbe Weise. Sodann fällten sie einen schönen Baum, bildeten daraus ein Kreuz, richteten es an der Stelle, wo Vasco Nunez zuerst das Südmeer erblickt hatte, in der Mitte eines großen Steinhaufens auf, und schnitten in die Rinde der nächsten Bäume den Namen des Königs Ferdinand von Spanien. Noch an demselben Tage rückte Vasco Nuñez bis zum Gestade vor, ging, das Schwert in der einen und das Schild in der andern Hand, bis zum Gürtel in das Meer und sprach zu den am Ufer stehenden Spaniern und Indianern: »Ihr seyd Zeugen, daß ich für die Krone von Castilien Besitz von diesem Theile der Welt nehme; ich werde ihr mit diesem Schwert diese Erwerbung zu erhalten wissen.« Diese Besitznahme der Südsee und der an ihr liegenden Länder für Spanien fand am 26 Sept. 1513 statt.
Nachdem Vasco Nunez einige Caziken, welche sich ihm feindlich entgegenstellten, gezüchtigt und unterworfen hatte, schiffte er sich mit seinen Leuten auf neun Canots ein, um die Küste des großen Golfs, an welchem er sich befand und dem er den Namen St. Miguel beilegte, näher in Augenschein zu nehmen. Kaum hatte er aber das Ufer verlassen, als ein furchtbarer Sturm sich erhob und ihn in die größte Gefahr brachte. Nur die Geschicklichkeit der Indianer, welche die Canots je zwei und zwei aneinander befestigten und sie zwischen vielen kleinen Inseln hindurch an den Ankerplatz eines größern Eilandes zu führen wußten, rettete die nichts anderes als ihren Untergang erwartenden Spanier. In der Nacht trat zwar besseres Wetter ein, aber am Morgen sah man außer den Felsen, worauf man sich gerettet hatte, nichts mehr von der durchaus überschwemmten Insel, und die Canots waren zum Theil durch den Sturm zertrümmert oder mit Sand und Steinen gefüllt; Lebensmittel und Gepäck hatten die Fluthen hinweggespült. Man fand in dieser Noth kein anderes Rettungsmittel als Baumrinden mit Kräutern vermischt zu kauen und damit die Lecke der nicht völlig unbrauchbar gewordenen Canols auszustopfen. Auf diesen zerbrechlichen Fahrzeugen steuerte man dem Lande zu und die Indianer schwammen voraus. Abgemattet und vom Hunger geplagt erreichten die Spanier glücklich die Küste, wurden aber hier von einer Menge bewaffneter Indianer unter ihrem Caziken Tomaco angegriffen. Ihre Wuth über diese Frechheit war gränzenlos, und sie richteten in kurzer Zeit ein solches Blutbad unter den Feinden an, daß der Cazike verzweiflungsvoll um Frieden bat und seinen Sohn mit einer Menge Lebensmittel und einem reichen Geschenke an Gold und Perlen zu Vasco Nuñez schickte. Bei dem Anblick so großer Schätze vergaß dieser sogleich allen Groll und wußte alsbald durch freundschaftliches Benehmen und einnehmende Behandlung völlig zu gewinnen. Die Perlen, zweihundert und vierzig an der Zahl, waren von ungewöhnlicher Größe, aber nur etwas matt, weil die Indianer die Muscheln ans Feuer brachten, um sie zu öffnen. Als Tomaco bemerkte, mit welcher Bewunderung die Spanier diese ihm so gleichgültigen Dinge betrachteten, ließ er ihnen in nicht mehr als vier Tagen an zwölf Mark Perlen fischen, und betheuerte ihnen, daß der Cazike einer fünf Meilen entfernten Insel deren noch weit größere besitze, und daß man an der ganzen Küste, welche sich sehr weit nach Süden hin erstrecke, Gold und andere Schätze in großem Ueberflusse finde, daß er ihnen aber rathe, zu dieser Fahrt eine Jahreszeit abzuwarten, in der das Meer weniger ungestüm sey. Vasco Nuñez, durch die glücklich überstandene Gefahr klüger gemacht, folgte diesem guten Rathe und kehrte nach der Colonie zurück. Um das Land näher kennen zu lernen, schlug er einen andern Weg ein, der ihn aber ebenfalls durch unwirthliche Berge und wilde Völkerstämme führte, auf welchem sich seine Leute gewöhnlich mit den Waffen in der Hand Bahn machen und unsägliche Mühseligkeiten erdulden mußten. Am 29 Januar 15l4 traf das kleine Häuflein glücklicher Abenteurer mit einer Beute von mehr als vierzig tausend Pesos Gold in Santa Maria ein.