Francisco de Xerez
Geschichte der Entdeckung und Eroberung Perus
Francisco de Xerez

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19. Atabaliba's Geschichte. Des Statthalters Unterredungen mit ihm und seine Anerbietungen.

Dieß mag genügen über den Sieg, welchen die Christen in der Schlacht davon trugen, über die Gefangennehmung Atabaliba's, über die Einrichtung seines Lagers und seines Heeres; jetzt wollen wir über Atabaliba's Vater, über die Art und Weise wie er die Herrschaft an sich riß und über andere Einzelheiten seiner Macht und seines Landes näheres mittheilen, gerade wie es Atabaliba selbst dem Statthalter erzählte. – Der Vater Atabaliba's hieß Cuzco; er beherrschte die ganze Gegend und eine Landstrecke von mehr als dreihundert Meilen gehorchte ihm und bezahlte Tribut. Er stammte aus einer Provinz jenseits Quito; als er aber die Gegend, wo er sich später aufhielt, angenehm, fruchtbar und reich fand, ließ er sich daselbst nieder und legte einer großen Stadt, worin er seinen Sitz hatte, den Namen Cuzco bei. Er war so sehr gefürchtet und der Gehorsam den man ihm leistete, so groß, daß man ihn fast als einen Gott betrachtete und in vielen Städten sein Bildniß aufbewahrte. Er hatte hundert Söhne und Töchter, von denen die meisten noch am Leben sind. Er starb vor acht Jahren und hinterließ als Erben einen seiner Söhne, welcher denselben Namen wie er führte. Dieser war der Sohn seines rechtmäßigen Weibes, wie jenes Volk die erste und von ihrem Gemahle am meisten geliebte Frau nennt, und älter als Atabaliba. Diesen letzteren machte der alte Cuzco zum Beherrscher der Provinz Quito, welche er von dem übrigen Reiche trennte. Der Körper Cuzco's ist in der Provinz Quito, wo er starb, begraben, das Haupt aber brachte man in die Stadt Cuzco, wo es von einem großen Reichthum von Gold und Silber umgeben ist und ihm hohe Verehrung gezollt wird. Der Boden, die Wände und die Decke des Gemaches, worin es sich befindet, sind mit abwechselnd an einander gefügten goldenen und silbernen Platten getäfelt; wie man denn in dieser Stadt noch zwanzig andere Häuser findet, deren Wände von innen und von außen mit einer dünnen Goldplatte belegt sind. Außerdem sah man hier noch andere kostbare Gebäude, in denen Cuzco seinen Schatz aufbewahrte, welcher aus drei Gemächern bestand, die mit Stücken Gold, und aus fünf, die mit Silber und hunderttausend Goldtäfelchen, welche man in den Bergwerken ausgebeutet hatte, angefüllt waren. Jedes Täfelchen wog fünfzig Castellanos, und das Ganze war der Tribut der von ihm unterjochten Länder. Jenseits dieser Stadt liegt eine andere, welche Collao heißt und an welcher ein Fluß vorüberströmt, der eine große Menge Gold mit sich führt. Zehn Tagreisen von der Provinz Caxamalca, in einer anderen Provinz, welche den Namen Guaneso führt, strömt ein anderer Fluß, welcher eben so goldreich ist. – In allen Provinzen gibt es viele Gold- und Silberbergwerke. Das Silber gewinnen sie in dem Gebirge mit geringer Mühe und ein einziger Indianer gewinnt dessen in einem Tage fünf bis sechs Mark. Bei dem Bruche ist es mit Blei, Zinn und Schwefel vermischt und wird sodann erst gereinigt. Um es zu gewinnen, legt man Feuer in dem Berge an; dadurch entzündet sich der Schwefel und das Silber fällt in Stücken los. Die ergiebigsten Bergwerke sind in Quito und in Chinca. Von hier nach Cuzco braucht ein mit einer Last bepackter Indianer vierzig Tage; das Land ist gut bevölkert und Chinca, eine große Stadt, liegt auf der Hälfte des Weges. In der ganzen Gegend gibt es große Heerden von Schafen (Lamas), und viele derselben werden wild, weil es unmöglich ist alle Jungen aufzuziehen. Die Spanier, welche bei dem Statthalter stehen, schlachten deren jeden Tag hundert und fünfzig, bis jetzt ist jedoch keine Abnahme zu bemerken und es würde wohl in diesem Thale kein Mangel seyn, wenn auch die Spanier ein ganzes Jahr daselbst blieben. Sie sind übrigens im ganzen Lande das Hauptnahrungsmittel der Indianer.

Atabaliba erzählte auch, daß nach dem Tode seines Vaters er und sein Bruder, jeder in dem Gebiete welches ihm sein Vater gegeben, sieben Jahre in Frieden neben einander gelebt hätten; vor ungefähr einem Jahre aber, oder etwas länger, habe sein Bruder Cuzco die Waffen gegen ihn erhoben und zwar in der Absicht ihm seine Herrschaft zu entreißen. Atabaliba schickte darauf einen Boten an ihn, um ihn zu bitten, doch keinen Krieg anzufangen und sich mit dem, was ihm sein Vater hinterlassen habe, zu begnügen. Da dieser aber keine Rücksicht darauf nahm, brach Atabaliba aus seinem Gebiete, welches Quito heißt, mit so viel Kriegsvolk als er zusammenbringen konnte, auf und kam nach Tomepomda, wo er seinem Bruder eine Schlacht lieferte; von dessen Heere mit seinen Leuten 1000 Mann tödtete und ihn zur Flucht zwang. Die Stadt Tomepomba, welche sich zur Wehr setzte, brannte er nieder und ermordete alle Bewohner derselben; auch alle übrigen Städte dieser Gegend wollte er zerstören, unterließ dieß aber, um seinen Bruder Cuzco zu verfolgen, welcher in sein Gebiet entflohen war. Atabaliba eroberte schnell das ganze Land, weil es das nämliche Loos, welches Tomepomba betroffen hatte, fürchtete. Vor sechs Monaten hatte er zwei seiner Hofleute, sehr tapfere, Männer, von denen der eine Quisquis und der andere Chaliachin hieß, mit 40.000 Mann gegen die Hauptstadt seines Bruders geschickt. Sie eroberten das ganze Land bis zu der Stadt wo Cuzco seinen Sitz hatte, nahmen diese mit Gewalt, ermordeten die sämmtlichen Einwohner, bemächtigten sich der Person Cuzco's und erbeuteten den ganzen Schatz seines Vaters. Sie thaten dieß sogleich Atabaliba zu wissen, und dieser befahl, ihm seinen Bruder gefesselt zu überschicken, und eben jetzt hatte er gerade die Nachricht erhalten, daß man in kurzem mit ihm und einem großen Schatz ankommen werde. Die Anführer blieben in der eroberten Stadt, um die Stadt und den Schatz welcher sich in derselben befand, zu bewachen, und behielten von den 40.000 Mann die sie mitgebracht hatten, eine Besatzung von 10.000 Mann bei sich; die übrigen 30.000 Mann gingen mit der gemachten Beute nach Hause, um auszuruhen. Atabaliba hatte also jetzt alles was sein Bruder Cuzco besessen hatte, in seiner Gewalt.

Atabaliba und seine Feldherren wurden in Sänften getragen. Sie hatten seit dem Beginne des Krieges eine Menge Menschen getödtet und besonders hatte Atabaliba mit großer Grausamkeit gegen seine Feinde gewüthet. Die Caziken aller eroberten Städte führte er mit sich und ließ diese durch Statthalter verwalten, denn anders konnte er das Land nicht so ruhig und unterwürfig erhalten, wie er es wirklich erhielt. Auf diese Weise fürchtete man ihn sehr und leistete ihm unbedingten Gehorsam; sein Kriegsheer wurde von den Eingeborenen gut unterhalten und von ihm selbst sehr gut behandelt. Atabaliba hatte, ehe ihm das Unheil widerfuhr seine Freiheit zu verlieren, die Absicht in sein Land zurückzugehen, um auszuruhen und auf dem Heimwege noch alle übrigen Orte des ganzen Bezirkes, welcher sich zur Wehr gesetzt, zu veröden und sie mit andern Einwohnern von neuem zu bevölkern, und seine Feldherren sollten ihm deßhalb von dem in Cuzco gefangenen Volke 4000 verheirathete Leute schicken, um sie in Tomepomba anzusiedeln. Auch versprach Atabaliba seinen Bruder, welcher aus seiner Hauptstadt von den Feldherren ihm gefangen zugeschickt würde, dem Statthalter zu übergeben, damit dieser mit ihm verfahren könne wie ihm beliebe.

Da Atabaliba befürchtete, die Spanier möchten ihn umbringen, so machte er dem Statthalter das Anerbieten, er wolle den Spaniern, welche ihn gefangen hielten, eine große Menge Gold und Silber geben. Der Statthalter fragte ihn, wie viel er geben wolle und in welcher Zeitfrist? Atabaliba erwiederte, er wolle einen 22 Fuß langen und 17 Fuß breiten Saal bis zu einem weißen Striche in der Hälfte der Höhe, welche nach seiner Angabe anderthalb Klafter betrug, mit Gold anfüllen und zwar solle das bis zu dem bestimmten Maaße anzuhäufende Gold in Krügen, Töpfen, Platten und andern Stücken bestehen. An Silber aber wolle er doppelt so viel geben als das ganze erwähnte Gemach fasse und alles solle in zwei Monaten vollständig beisammen seyn. Der Statthalter sagte ihm, er möge also nur Boten abschicken, und wenn er sein Versprechen halte, so würde er nichts zu befürchten haben. Atabaliba förderte sogleich Boten an die Feldherren, welche sich in Cuzco befanden, mit dem Befehle ab, ihm 2000 mit Gold und noch weit mehr mit Silber beladene Indianer, außer denen welche sich mit seinem gefangenen Bruder bereits auf dem Wege befanden, zu schicken. Der Statthalter fragte ihn auch, wie viel Zeit seine Boten brauchten, um die Stadt Cuzco zu erreichen. Atabaliba antwortete: wenn er etwas in Eile wolle melden lassen, so liefe von den Boten jeder nur eine Station, von Ort zu Ort, und die Nachricht käme in fünf Tagen an; wenn aber die Boten, welche er schicke, den ganzen Weg zurücklegten, so brächten sie, wenn es auch sehr schnelle Läufer seyen, fünfzehn Tage auf demselben zu. Der Statthalter fragte ihn ferner, warum er mehrere Indianer, welche die Christen, als sie die Umgegend recognoscirten, todt in seinem Lager gefunden, habe ermorden lassen. Atabaliba erwiederte, an dem Tage, wo der Statthalter seinen Bruder Hernando Pizarro in sein Lager geschickt um mit ihm zu sprechen, habe ein Christ sein Pferd gespornt; die Indianer nun, welche sie todt gefunden, seyen vor ihm zurückgewichen, und er habe deßhalb befohlen sie umzubringen. Atabaliba war ein Mann von dreißig Jahren und stattlichem Aussehen, gut gebaut und etwas dick, mit einem offenen, schönen, aber wilden Gesicht und mit blutdürstigen Augen. Er sprach mit vieler Würde, wie ein großer Herr und führte eine so lebhafte Unterhaltung, daß die Spanier, welche diese hörten, ihn für einen klugen Mann hielten. Er war auch bei seiner Grausamkeit munter; wenn er aber mit den Seinigen sprach, war er sehr hart und ließ seine Munterkeit nicht durchblicken. Unter andern sagte Atabaliba auch dem Statthalter, daß sich zehn Tagreisen von Caxamalca auf dem Wege nach Cuzco in einem Orte eine Moschee befinde, welche die Bewohner des Landes als ihren Haupttempel betrachteten und in welchem sie alle Gold und Silber als Opfer darbrachten; sein Vater habe große Ehrfurcht vor dem Tempel gehabt und diese sey auch auf ihn übergegangen. In dieser Moschee befanden sich nach der Angabe Atabaliba's große Reichthümer, denn obschon in jeder Stadt eine Moschee stand, wo die besonderen Ortsgötzen verehrt wurden, so befand sich doch in dieser Moschee der Hauptgötze aller. In der Moschee wohnte als Wächter ein großer Weiser, von dem die Indianer glaubten, daß er die Zukunft voraus wisse, weil er mit dem Götzen spreche und dieser sie ihm enthülle. Als der Statthalter, welcher schon früher etwas von dieser Moschee gehört hatte, solche Reden vernahm, gab er Atabaliba zu verstehen, daß alle diese Götzen Betrug seyen und daß der Teufel aus ihnen spreche, der sie verführe um sie zu verderben, wie er denn alle, die in diesem Glauben lebten und starben, ins Verderben gestürzt habe. Er sagte ihm ferner, daß es nur einen einzigen Gott gebe, der Himmel und Erde und alle sichtbaren und unsichtbaren Dinge erschaffen habe, und an welchen die Christen glaubten; nur diesen dürfe man für den wahren Gott halten; man müsse dessen Gebote erfüllen und sich taufen lassen. Alle welche so handelten, würden seines Reiches theilhaftig, die andern aber verfielen den Strafen der Hölle, wo alle, die nicht zu dieser Erkenntniß gelangten und dem Teufel durch Darbringung von Gaben und Opfern und Erbauung von Moscheen dienten, in Ewigkeit brennen müßten. Alles dieß müsse von jetzt an für immer aufhören, denn deßhalb habe ihn der Kaiser, welcher der Christen so wie auch ihr König und Gebieter sey, geschickt, und weil sie seither ohne die Erkenntniß Gottes gelobt hatten, so habe dieser zugelassen, daß ihre so bedeutende Kriegsmacht, welche sie versammelt hätten, von so wenigen Christen vernichtet und er selbst gefangen worden sey. Er möge nur bedenken, welchen schlechten Beistand ihm seine Götter geleistet, und könne schon daraus ersehen, daß es Niemand anders sey als der Teufel, welcher sie irre führe. Darauf erwiederte Atabaliba, da weder er noch seine Vorfahren je Christen gesehen, so hätten sie dieses nicht gewußt und er habe deßhalb gelebt wie seine Väter. Er sey aber, fuhr er fort, von dem was ihm der Statthalter gesagt, überrascht und sehe sehr gut ein, daß der welcher aus seinem Götzen gesprochen, der wahre Gott nicht sey, weil er ihm so wenig geholfen habe.


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