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Ludwig Heinrich von Nicolay,

geboren 1737 in Straßburg, wo er auch Philosophie und Rechtswissenschaften
studierte. Nachdem er als Gesandtschaftssekretär und
sodann an der Straßburger Universität als Professor der Logik tätig
gewesen war, folgte er 1769 einem Ruf als Erzieher nach Rußland,
wo ihn sein Zögling, der nachmalige Zar Paul, in den Adelsstand
erhob und zum Direktor der Akademie der Wissenschaften sowie
zum Kabinettsmitgliede ernannte. Er starb 1820 auf seinem
Gute Monrepos in Finnland.

*

Erste Elegie

Die Wolken decketen des Mondes blassen Schimmer,
      Die Straßen waren schon das Reich der stummen Ruh',
Nur blinkte hier ein Licht in eines Kargen Zimmer,
Dort hörte Phyllis noch des Liebsten Lispeln zu.
Mich reizte mein Tibull. Schnell war ich sanft erschrecket,
      Ich sah die Elegie umglänzet vor mir stehn,
Mit braunen Locken war ihr weißer Hals bedecket,
      Ihr Auge war verweint, doch auch verweinet schön.
Man sah in ihrem Blick ein Herz voll süßer Lüste,
      Ein leichtes, weißes Kleid, das ohne Reichtum war,
Dies floß ihr sonder Zwang um die verratnen Brüste,
      Und seine Länge barg der Fersen ungleich Paar.
Wie lange, sagte sie, soll ich dich lesend finden?
      Wie lange willst du noch der Musen Stimme fliehn?
Was nützet dir's, den Wert der Alten zu empfinden,
      Wenn deine Lieder dich dem Pöbel nicht entziehn?
Zwar scheuest du mit Recht Homer und Marons Feuer,
      Mit Recht entfernet sich dein Fuß von Äschyls Bahn,
Du siehst Terenzens Kunst, Horaz' und Pindars Leier
      Und Gellerts Lied mit Recht als unnachahmlich an.
Doch hat nicht auch Ovid der Nachwelt Lob errungen?
      Es leben heute noch Properz und Cynthia,
Der zärtliche Tibull, der Delien besungen,
      Und die der fünfte Carl aus ihrer Schule sah.
Ich führte sie zum Ruhm; allein durch sanfte Wege.
      Vermehre mein Gefolg, sei zärtlich und verliebt,
Macht einer Schönen Zorn, macht ihre Gunst dich rege,
      So singe, was dein Herz dir in die Feder gibt.
Was hilft es, hub ich an, der Welt es auszublasen,
      So oft ein zärtlich Feur in meinem Busen brennt?
Ich hasse nichts so sehr, als wenn man in den Straßen
      Mich mit dem Finger weist und den Verliebten nennt.
Ein Mädchen, dessen Herz ich sonst durch nichts bezwinge,
      Liebt mich auch nicht aus Durst nach der Unsterblichkeit;
Die Kluge hält den Ruhm für unrein und geringe,
      Den ein verliebter Schwan ihr nie umsonst verleiht.
Und soll ich dichterisch mich erst in Fesseln quälen,
      Für eine Schöne flehn, an die ich nie gedacht,
Und die genoßne Lust der vor'gen Nacht erzählen,
      Die ich doch halb erstarrt mit Reimen zugebracht?
Nein, Göttin! bin ich nicht zu edeln Liedern tüchtig,
      So mag die müß'ge Leir mit schlaffen Saiten stehn,
Dein Liebling selbst, Ovid, macht mich nicht eifersüchtig,
      Nur geilen Jünglingen scheint er aus Kitzel schön.
O Sohn! versetzte sie, von Schmerz und Scham durchdrungen,
      Auch dich, o Sohn! auch dich verblendet der Betrug,
Als hätt' ich dem Ovid die Stellen vorgesungen,
      Bei denen ich doch selbst die Augen niederschlug.
Wenn Pirons Zotenlied Horazens Laute schändet,
      Wird nie ein rein Gedicht der Helden Lob erhöhn?
So auch, wenn der Tomit ein garstig Salz verschwendet,
      Scheint keuschen Ohren denn ein Lottich minder schön?
Die sanften Regungen, die edle Seelen fühlen,
      Sind auch ein Stoff, wovon mir oft ein Lied gerät:
Und warum soll ich nicht von Lieb' und Wollust spielen,
      Soweit die Tugend sie Vernünft'gen zugesteht?
Zwar ich mißkenne selbst der Dichter kaltes Reimen,
      Die, immer unverliebt, in einem gleichen Ton,
Von nichts als Tigermilch und Felsenherzen träumen,
      Und mit gelaßner Brust sich zu ermorden drohn:
Doch glaub', ein schönes Kind fühlt auch der Ehrsucht Triebe;
      Wird sie, vom Lied gerührt, dem Dichter widerstehn?
Er singet ihren Reiz und die vergebne Liebe,
      Wird auch die Kluge wohl ein solches Lob verschmähn?
Du willst nicht, daß die Welt um deine Liebe wisse?
      Der Toren lacht man nur, die solche närrisch macht;
Doch mit des Dichters Lied verehrt man seine Küsse:
      Wer hat an Hagedorn die Liebe je verlacht?
Drum, Jüngling, weihe mir die Jahre sanfter Jugend!
      Itzt sing ein zärtlich Lied, das Schöne rühren kann!
Als Mann verkündige das Lob der strengern Tugend,
      Und weis in dem Olymp den Helden Stellen an.
Hier schwieg die Elegie. An ihrer rechten Lende
      Hing ihr vom linken Arm der Leier Elfenbein;
Die Göttin gab mir sie mit Lächeln in die Hände.
      So klingt ihr Saiten denn in meine Lieder ein.

* * *


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