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Ludwig Adolf Stöber,

geboren 1810 in Straßburg als Sohn des Dichters Ehrenfried Stöber, studierte wie sein Bruder Theologie und war gleichfalls in Mülhausen als Lehrer sowie seit 1840 als Pfarrer tätig. Er starb 1892.

*

An Dichter und Leser

Willst du dichten – sammle dich.
Sammle dich wie zum Gebete,
Daß dein Geist andächtiglich
Vor das Bild der Schönheit trete,
Daß du seine Züge klar,
Seine Fülle tief erschauest,
Und es dann getreu und wahr
Wie in reinen Marmor hauest.

Willst du lieber ein Gedicht –
Sammle dich wie zum Gebete,
Daß vor deine Seele licht
Das Gebild des Dichters trete,
Daß durch seine Form hinan
Du den Blick dir aufwärts bahnest
Und, wie's Dichteraugen sahn,
Selbst der Schönheit Urbild ahnest.

* * *

Die Münsterrose

Draußen aus der dumpfen Schwüle,
Aus dem wirren Marktgewühle
Suchte meine Seele Ruh'!
Und ich schritt der heil'gen Kühle
Dieser Münsterhallen zu.

Am Portale kühn erhoben
Hält die Rose lichtgewoben
Ihre Blätter himmelwärts;
Sonnig überstrahlt von oben,
Glüht ihr volles Blätterherz.

Aber, abgelöst vom Schoße
Dieser glanzerfüllten Rose,
Lag zerstückt ein gläsern Laub;
Und ich hob das farbenlose
Mir zu Füßen aus dem Staub.

Herz, dem Glas hast du geglichen!
Weil's vom Himmel abgewichen,
Liegt verdüstert dieses Laub;
Ach! dein Friede war verblichen,
Weil du hängst am Erdenstaub.

Herz, o bleib in steter Treue
Gottes reiner Himmelsbläue,
Wie die Rose, zugekehrt;
Selig glühst du bald aufs neue,
Von des Himmels Licht verklärt!

* * *

Wolkenschatten

Oft inmitten heitrer Lust
Fliegt ein tiefgeheimer Schauer
Unbekannter, ferner Trauer
Durch die ahnungsvolle Brust:
Gleichwie sonniggrüne Matten
Überläuft ein Wolkenschatten.

Will nicht dieser Trauerzug,
Heitre Seele, dich gemahnen,
Wie ein leises Todesahnen?
Deutet nicht der Schattenflug,
Wie der Sense rasche Schneide
Fällen wird die grüne Weide?

* * *

Der blinde Dichter

(Pfeffel)

Ein blinder Mann, ein armer Mann? Mitnichten!
Du warst ja reich auch in der Blindheit Schleier;
War's außen trüb, so sahst du desto freier
Der Schönen innre Wunderwelt sich lichten.

Und was du sahst in seligen Gesichten,
Besangest du mit reingestimmter Leier;
Dem Edeln nur galt deines Liedes Feier,
Nur fromme Weisheit atmet all dein Dichten.

Kein Adlerschwung, kein Nachtigallgeflöte –
Dein Lied baut wie die Schwalb' an Haus und Stadel,
Dein Glühn ist milde wie die Abendröte.

Du blinder Sängergreis voll Seelenadel!
Und bist du auch kein Adler gleichwie Goethe,
Ein Schwan doch bist du ohne Fleck und Tadel.

* * *

Der Hans im Schnockeloch

Der Hans im Schnockeloch hett alles, was er will!
      Unn was er hett, diß will er nitt,
      Unn was er will, diß hett er nitt.
Der Hans im Schnockeloch hett alles was, er will!

Er isch e richer Bur, unns 's gfallt em nimm sin Hus;
      Abrisse loßt er sin Gebei,
      Unn stellt sich funkelnagelnei
E Hus mit Schir unn Stall ans Gallebriechel nus.

Unn in der erste Nacht, uff einmol ruft's: Firio!
      Sin Hus verbrennt, unn d' Stallung mit –
      Unn was er will, diß hett er nitt.
Jez leit sin neier Beau – e Kohlehuffe – do.

Er hett e sufri Fraa, getreu in Glück unn Nod,
      Rechtschaffe, so wie's weni gitt:
      Doch was er hett, diß will er nitt –
Er loßt die sitze dheim, bis sie sich grämt ze Tod.

Jez bli't em noch sin Guet. Was macht er? Schla uf Schla
      Verkauft er alles, Matt und Feld,
      Unn macht sin ganzi Hab ze Geld,
Unn setzt sich uff e Schiff for nooch Amerika.

Was geschicht? e Sturm bricht los; unn in der letschde Nod
      Küm schwimmt er selbst ans Ufer noch;
      Kummt bettelarm ins Schnockeloch,
Unn schafft als Bureknecht bedrüebt ums dajli Brod.

Unn zu Sankt-Galle druß, dort hett er jetzt sin Grab;
      Unn was er hett, diß muß er han,
      Unn was er will, er kann's nitt han –
Drum leb zefridde doch mit Gott unn diner Hab!

* * *

Kaiser Sigismund in Straßburg

Der ritterlich gestritten
Auf manchem heißen Feld,
Aus Welschland kommt geritten
Herr Sigismund, der Held;
Zu Felde nicht, zum Throne,
Gen Aachen zieht er heut,
Wo seine Kaiserkrone
Das deutsche Reich ihm beut.

Und als er nun gekommen
Nach Straßburg an den Rhein,
Welch Jubeln und Willkommen
Die Straßen aus und ein!
Aus allen Fenstern Grüße,
Die Wege bunt bestreut,
Musik und Freudenschüsse,
Vom Münster Festgeläut.

Den Kaiser zu empfangen
Stand reich gedeckt der Tisch,
Trompet' und Pauken klangen
Und Kränze blühten frisch;
Doch schöner war zu schauen
Als diese Blumenpracht
Der Kranz holdsel'ger Frauen
In ihrer schmucken Tracht.

Und als in später Stunde
Der Kaiser brach empor,
Trat aus der Frauen Runde
Die allerschönste vor:
»Ruht aus von aller Mühe,
Herr Kaiser, ruhet ganz,
Daß Ihr uns morgen frühe
Recht munter seid zum Tanz.«

Kaum hat der Hahn gerufen,
Schon sind die Frauen wach
Und harren auf den Stufen
Vor ihres Herrn Gemach;
Er hört's, nicht lange weilt er,
Vom Lager auf im Flug,
Barfuß, im Nachtrock eilt er
Und folgt dem holden Zug.

Zuerst, den Tag zu weihen,
Ins Münster zieht die Schar,
Wo schon in dichten Reihen
Das Volk versammelt war.
Die Frühmett ist zu Ende,
Die Seelen sind erquickt,
Nun hat der Zug behende
Zum Fest sich angeschickt.

Gleich strömt's in hellen Haufen
Der nächsten Bude zu,
Die Bürgersfrauen kaufen
Dem Kaiser ein Paar Schuh;
Und lustig wird dermaßen
Der edle Herr umringt,
Daß flink er durch die Straßen
Im Ringeltanze springt.

So ziehen sie im Tanze
Zum Hohensteg hinauf,
Es nimmt im lichten Glanze
Der Herberg' Saal sie auf;
Gleich spielen auf die Geigen
Und Hörner schallen drein,
Der Kaiser schwingt im Reigen
Manch Bürgerstöchterlein.

In Freud' und Festen eilen
Ihm sieben Tage hin,
Nicht länger darf er weilen,
Zur Krönung muß er ziehn;
Doch eh' er ist geschieden,
Da ließ er goldenblank
Dreihundert Ringlein schmieden,
Den Frau'n zu Lieb' und Dank.

»Zum Abschied nehmt's, ihr Holden,
Und achtet's nicht gering;
Wie euren Finger golden
Umfaßt jedweder Ring,
Soll eure Söhn' umwinden
Der Treue festes Band
Und soll sie ewig binden
Ans deutsche Vaterland!

* * *

Der Kuß der heiligen Cäcilia

Die heilige Cäcilia
Ging pilgernd an den deutschen Flüssen;
Da kamen Christen fern und nah,
Den Saum des Kleides ihr zu küssen.
Ein leiser Wohlklang wallte stet
Wie Rosenduft um ihre Glieder,
Und wo sie kam, da scholl Gebet,
Und wo sie ging, da klangen Lieder.

So stand sie einst im Abendschein
In eines armen Dorfes Mitte,
Da nahte sich ein Geigerlein,
Mit scheuem Blick, mit sachtem Schritte;
Und auf die Knie warf er sich,
Ein stummes Knäblein auf den Armen,
Und blickte gar demütiglich,
Und flehte bitter um Erbarmen.

»Ein armer Spielmann kniet vor dir,
Hat Weib und Haus und Gut verloren.
O Benedeite! Siehe hier
Mein einzig Kindlein, stumm geboren.
O wolle seiner Zunge Band
Mit deinen Wunderkräften lösen!
Der Segen deiner frommen Hand,
Ich weiß, er tilgt den Fluch des Bösen.«

Und wie er ihr ins Auge sah
Voll Zuversicht und voll Entzücken,
Da neigte sich Cäcilia,
Das Knäblein an die Brust zu drücken;
Sie stand im Abendsonnenlicht,
Von goldner Glorie ganz umflimmert,
Und plötzlich ward ihr Angesicht
Von heil'gen Gluten überschimmert.

Das Kindlein eilte freudig bang,
Den tönereichen Mund zu küssen,
Bis sich vor innerm Sängerdrang
Der Zunge Bande lösen müssen;
Und hastig zuckt die Lippe schon,
Der Quell des Liedes ist entsprungen,
Und horch! mit wunderhellem Ton
Hat er der Heil'gen Lob gesungen.

Sie hallen wie aus Engelsmund,
Die himmelvollen Melodien;
Der Geiger lauscht, die Mär ist kund,
Und alles Volk liegt auf den Knien.
Des Knaben Lied ist nah und weit
Im deutschen Land gepriesen worden:
Ihn hat der heil'ge Kuß geweiht,
Zu treten in den Sängerorden!

* * *


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