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Eduard Halter,

geboren 1845 in Schirrheim, Kreis Hagenau, machte den Feldzug 1870/71 als französischer Unteroffizier mit und wurde bei Sedan gefangen, jedoch als Elsässer früher aus der Gefangenschaft entlassen. Im Jahre 1871 trat er in die Dienste der neubegründeten Universitätsbibliothek in Straßburg.

*

Aus »Die deutsche Muse im Elsaß«, ein Gespräch

       Die Muse:
Zwar blühte deutsche Dichtung noch
Zur Zeit, als euch das fremde Joch
Gar zierlich im Genick gesessen,
Und manche haben unterdessen
Sich in der Dichtung abgequält;
Nur an der Führung hat's gefehlt.

       Der Dichter:
Nein, nur an Fühlung hat's gebrochen
Mit Deutschen, die auch deutsch gesprochen!

       Die Muse:
Nicht ich war an dem Zustand schuld –
Doch jetzt, da durch der Götter Huld
Zurückverlegt des Deutschtums Schranken,
Vereint in Worten und Gedanken
Mit uns nun könnt ihr unsre Art
Studieren, auf der Lebensfahrt
Hinstreben zu denselben Zielen,
Und unsre Ellenbogen fühlen!

Dies Land, so deutsch in Sprach' und Sitten,
Dies schöne Land, das wir erstritten
Mit unserm Blut im Kampfe heiß,
Erobert jetzt der deutsche Fleiß –
Und nun auch will er sich erproben
Am Dichten, höher wird gehoben
Die Verskunst. Vieles bleibt zu tun,
Nie dürfen meine Söhne ruhn,
Sie haben manches noch zu lernen –
Herabbeschwören von den Sternen
Nicht läßt sich jene Wunderkraft,
Die kurzweg Meisterwerke schafft.

Denn wär's bei jener Art geblieben,
Wie man vor Siebenzig gedichtet ...
Ich hätt' aufs ganze Land verzichtet!
Zwar ehrlich, brav war das gedacht,
Was Mühl und Hirtz im Vers gebracht,
Was Mangold, Otte uns gesungen,
Was Gayelin sich abgerungen,
Was Bernhard, Böse, Klein und Pick,
Was zeitlich weiter noch zurück
Die Lamey, Hartmann, Dietz und Hornig
Gedichtet; nur der Pfad war dornig,
Den alle diese, unentwegt,
Im Sprachgefühl zurückgelegt.
Ihr Einfluß war gering. Es fanden
Sich wen'ge nur, die sie verstanden – –
In stiller Nacht, beim Vollmondschein,
Oft schlich ich hin bis an den Rhein
Und horchte stundenlang hinüber –
Gelehrte näselten, mein Lieber –
Von diesen hört' ich, da und dort,
Nur selten noch ein deutsches Wort;
Doch, was mir Tränen abgerungen –
Das Volk, das Volk hat deutsch gesungen!
Es sang von Liebe, sang von Lust,
Und tief bewegt war meine Brust.
Ich glaubt' in diesen Bauernchören
Das alte deutsche Reich zu hören ...
Und lang bevor der große Krieg
Erfolgt, der uns verschafft den Sieg,
Ich schlich, weitab von Festungsmauern,
Ins Elsaß hin zu jenen Bauern,
Die noch im Kopf und unterm Latz
Bewahrten treu den alten Schatz
Des deutschen Liedes, deutschen Wortes
Auch ohne eines deutschen Hortes,
Und schloß gar manchen zarten Bund –

— — —

Und seither hab' ich allerorten
Schon Söhne, welche meinen Worten
Ergeben, nie und nimmer müd,
Nur pflegen noch das deutsche Lied.

* * *


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