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Lang ist's her

Nachtschatten seine Flügel spannt.
Die Träume wachen fast allein.
Im kleinen Haus am Straßenrand
Singt eine Frau ihr Kindlein ein.

Sie singt und wandert immerzu,
Ihr Auge ist von Tränen schwer.
Wo bleibst du? Es ist Abendruh' –
Lang ist es her, lang ist es her.

Die Lindenwipfel rauschen sacht.
Kühl geht der Wind. Ich lausche bang.
Was ist es, das mich traurig macht?
Woher das Lied? Woher der Klang?

Grüßt mich die ferne Jugendzeit?
Steht Liebe auf aus ihrem Grab,
Die mir so oft voll Seligkeit
Das Lied mit in den Schlummer gab,

Daß es im Lebenssturm mir blieb
Ein Mahner an verlornes Glück –?
Die Mutter sang's. – O Mutterlieb',
O kurzer Frühlingssonnenblick!

Die Glocken künd'gen nächt'ge Stund'.
Die Welt ist still, der Wald ist leer.
Leis singt ein blasser Frauenmund:
»Lang ist es her, lang ist es her.«

Erschallt ihr Schritt, ihr Lied es tönt.
Unsagbar faßt mich an der Schmerz,
Und in der Brust, die sturmgewöhnt,
Spür' ich das weiche Kinderherz.

Und in dem Herzen sammelt es,
Sich an wie Sehnsucht nach dem Glück
Und: Mutter, Mutter! stammelt es,
Und: Mutter, Mutter! klingt's zurück ...

Rudolf Herzog.


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