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Mutterliebe

»Der Sturm war blutig, fürchterlich die Schlacht,
Zerschmettert liegen Tausende am Boden,
Und grausig warf der Schnee der Winternacht
Die Decke auf die Sterbenden und Toten.« –

Der Vater liest es, und sein Auge blickt
Starr auf das Blatt, voll finstrer Ahnung Bangen.
Die Mutter hört's – ihr Jammerschrei erstickt
Im Weh – ihr ist ein Schwert durchs Herz gegangen.

»Mein Sohn, mein Sohn! Wo liegt dein blutig Haupt!
Wohin hat dich der wilde Krieg gebettet!
O Mord, o Mord, der mir das Liebste raubt!
Wer hilft dir, wenn du wimmerst: Rettet! Rettet!

O müßtet ihr, die ihr in eitlem Glast
Auf stolzen Rossen und in goldnen Wagen
Die Siege feiert – müßtet ihr die Last
Der Angst, die Angst des Mutterherzens tragen!

Wie grausam seid ihr! Herrscher! Mitleidslos
Reißt ihr den Sohn aus seines Vaters Armen,
Reißt ihr den Liebling von der Mutter Schoß
Und schleudert ihn dem Tod hin ohn' Erbarmen!

Was gilt ein Mensch euch! Tausend liegen dort –
Zerschmettert unterm Leichentuch begraben!
Mit Hörnerklang führt ihr die andern fort
Und laßt das Feld den Toten und den Raben!

Mein Sohn! Mein armer Sohn!« – So schreit der Schmerz,
Als wollt' er hin in seine Ferne dringen. –
Es muß gar schwer um solch ein Mutterherz
Mit seiner Angst die schwache Hoffnung ringen.

*

Wer schilt mir diese Mutter! – Wer ermißt
Die Kette all der Sorgen, all der Mühen,
Mit der sie an ihr Kind gefesselt ist,
Bis sie dem Keim entlockt sein erstes Blühen –

Bis seinem öden Schreien sich entringt
Der erste reine Laut, das erste Lallen;
Das erste Lächeln aus den Äuglein springt,
Zum ersten Spielen sich die Fäustchen ballen!

Wie vieler langer Nächte Schlummer blieb
Dem Mutterauge fern, – und seht den hellen
Entzückten Blick, wenn nun im frischen Trieb
Der ersten Kraft die kleinen Glieder schwellen!

Kommt nur herbei und schaut mit mir hinein
Durchs niedre Fenster in das traute Stübchen
Und seht die Mutter und das Schwesterlein
In ihrem Jubel mit dem Herzensbübchen!

Und kommt der Vater, schwankt das frohe Kind
Mit seinem ersten Schrittchen ihm entgegen,
O, wie die Sorgen da so fruchtbar sind
Im kleinsten Hause an dem größten Segen!

Und mit den Jahren wächst die Sorge, doch
Die Liebe mit! – Und endlich ist's errungen,
Errungen unter hartem Arbeitsjoch:
Ein junger Mann erblühte aus dem Jungen.

Ein junger Mann – und der gehört dem Staat!
Ihr sitzt daheim im alten trauten Stübchen,
Und in der Feldschlacht stand er als Soldat,
Den ihr geherzet einst als Herzensbübchen.

*

Wer schilt die Mutter? – Ja, fürs Vaterland
Da reicht der Tod den Lebenden die Palme. –
Doch wehe! wenn für eitel Trug und Tand
Der Würger mäht des Volkes grünste Halme!

Wenn Herrschgier nur sich bäumt, nur Arglist droht,
Dann donnre an ihr Ohr, daß sie erbeben:
Ihr hohen Herrn, mehr Achtung vor dem Tod!
Ihr hohen Herrn, mehr Achtung vor dem Leben!

Friedrich Hofmann.


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