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Sagen und Geschichten aus deutschen Gauen
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Ludwig Bechstein

Der Drache und der Ritter von Frankenstein.

Vor Zeiten, als noch die herrliche Stadt Tribur stand, hielt sich in den Sümpfen und Mooren, womit damals ein großer Teil der jetzt so blühenden Rheinebene bedeckt war, ein ungeheurer Drache auf und erfüllte die ganze Gegend mit Schrecken. In Haufen flohen die Landbewohner, um hinter den Mauern der wohlverwahrten Stadt ihr Leben zu fristen. Bald aber wußte man sich auch dort nicht mehr vor dem Ungetüm sicher. Da beschlossen die Bürger von Tribur im gemeinsamen Rat, dem Drachen freiwillig alle Tage zwei Schafe zu geben, damit er nicht in ihre Stadt eindränge. Als aber alle Schafe dahin waren, mußten sie sich entschließen, ihm alle Tage einen Menschen, wen eben das Los traf, zu opfern.

Das war nun schon viele Tage geschehen, da fiel das Los auf des Königs Tochter.

Da es nicht anders sein konnte, kleidete dieser sein Kind in königliche Gewänder, umfing sie mit Weinen und Klagen und sprach: »Ach, weh, mir armem Manne! Deine Hochzeit gedachte ich in Pracht und Herrlichkeit auszurichten, du solltest Lust und Freude haben, nun muß ich dich dem grausen Drachen geben. Ach, wollte Gott, ich stürbe vor dir, daß ich nicht dein rotes Blut fließen sähe!« Mit Küssen und Tränen bedeckte er ihr liebes Gesicht; die Jungfrau fiel ihm zu Füßen und sprach: »Lebt wohl, lebt wohl, mein Herr Vater! Gerne sterb' ich für des Volkes Erlösung.« Man führte sie vor die Stadt hinaus; sie kniete zum Gebet auf dem Steine nieder und wartete ihres Endes.

Da kam der Ritter von Frankenstein des Weges und sah die Jungfrau in ihrem Schmerze. Voll Erbarmen fragte er sie: »Zarte Jungfrau, sage mir, warum stehst du in solchem Leid?« Die Jungfrau antwortete: »Frage nicht, fliehe eilends von dieser Stätte, daß du nicht mit mir sterben müssest.« Er sprach: »O, sorge dich nicht um mich, gib mir vielmehr kurzen Bescheid, was ich dich frage. Was bedeutet's, daß ich dich allein weinen sehe, und viel Volks steht gaffend umher?« Die Jungfrau erwiderte: »Was wollt Ihr mit mir zugrunde gehen? Für mich ist keine Hilfe!« Dann sagte sie ihm, welch schrecklich Verhängnis ihr bestimmt sei.

Aber der gute Ritter ließ sie kaum zu Ende reden. »Seid getrost,« sprach er, »habe freien Mut, ich will mit Gottes Hilfe Euch ritterlichen Beistand tun,« und wie dringend sie ihn bat und warnte, er blieb fest dabei. Da kam der greuliche Drache dahergebraust! »Flieht, Ritter, schont Euer junges Leben,« sprach sie; aber der Ritter saß geschwind zu Rosse. Gar christlich und ritterlich segnete er sich mit dem heiligen Kreuze, dann rannte er mit seinem Spieß den Drachen an und stieß ihm den Schaft so tief in den schuppichten Leib, daß er jählings zur Erde sank. Alsbald zog der Ritter sein breites Schwert und machte dem Ungeheuer ein Ende. Da sagte er Gott dem Herrn Dank, eilte zur Jungfrau zurück, schwang sie vor sich auf sein Roß und ritt mit ihr vor den Palast des Königs.

Der König saß betrübt in seinem Gemach; die Königin stand am Wasser: »Was ist das?« rief sie plötzlich voll Freuden, »wer bringt uns unser liebes Kind zurück?« – »Ich bin der Ritter von Frankenstein,« sprach der Fremde, »Gott hat geholfen, danket ihm und freuet euch seiner Gabe.« Der König schloß ihn mit Inbrunst in die Arme und rief: »Mein halbes Königreich will ich dir geben und dazu mein Töchterlein auch.« Aber der Ritter sprach erbleichend: »Nicht das halbe Königreich mag ich und auch das Mägdlein nehm' ich nicht. Mein Leben ist am Ziel; der greuliche Drache hat mich verwundet. Damit sank er zur Erde und war tot. Der König setzte ihm ein schönes Grabmal; das ist heute noch zu sehen bei Nieder-Beerbach am Kirchentor. Da steht der Ritter im Harnisch, mit Schwert und Streithammer auf dem Lindwurm, der den Schweif nach seiner Kniekehle richtet. Engel umschweben den Helden und krönen ihn und vervollständigen so das Bild, das wir uns von seinem großen Vorbild, dem christlichen Märtyrer und Heiligen, Sankt Georg, machen.


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