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Auf dem lieblichen Eiland Mainau im Bodensee stand die schöne, züchtige Jungfrau von Bodmann am Ufer und harrte ihres Verlobten, des wackern Herrn von Langenstein; denn um diese Stunde pflegte er sie täglich zu besuchen. Das Fräulein hatte die anmutige, blühende Insel zum Erbe erhalten und träumte sich hier den Sitz stiller, häuslicher Freuden. Diesmal kam der junge Ritter später als gewöhnlich, auch sah er nicht freundlich aus wie sonst, sondern düster und niedergeschlagen. Besorgt forschte sie nach der Ursache und erfuhr, der alte Herr von Langenstein sei plötzlich von der Gicht heimgesucht worden und unvermögend, den Zug nach dem gelobten Lande mitzumachen; darum müsse er gehen, um das Gelübde des Vaters zu lösen.
Die Jungfrau erschrak anfangs, faßte sich aber bald und sagte: »Der Himmel hat uns eine Prüfung zugedacht, und wir dürfen uns ihr nicht entziehen. Liebe und Vertrauen sei unser Wahlspruch.« Der junge Ritter wußte sich nicht so leicht zu fügen als seine Verlobte, und er schied mit bitterm Weh im Herzen. Glücklich kam der Heerhaufe, unter welchem er sich befand, in Palästina an, und der Herr von Langenstein tat Wunder der Tapferkeit; aber in einem Scharmützel wurde er von den Türken gefangen und in einen finstern Kerker geworfen. Hier schmachtete er viele Monde lang, ohne andere Hoffnung auf Erlösung als durch den Tod. Oft streiften seine Gedanken ans dem öden, düstern Gefängnis nach der heitern, üppigen Mainau hin, dann füllten heiße Tränen sein Auge, und er tat mancherlei Gelübde, doch schien der Himmel taub gegen seinen Jammer.
Einst in einer stürmischen Nacht träumte ihm, es trete ein Engel zu seinem Lager und rede zu ihm mit freundlichen Worten: Gelobe, dich dem Dienst der Kirche zu weihen, und du wirst deine Heimat wiedersehen. Er tat das Gelübde, erwachte darüber und sah mit Erstaunen die Türe seines Kerkers offen stehen. Er floh und erreichte unangefochten die Küste, wo er ein venetianisches Schiff traf, welches ihn aufnahm. Je näher ihm die Berge der Heimat zuwinkten, desto härter wurde der Kampf in seinem Innern. Er dachte der Geliebten, die seiner in treuer Sehnsucht harrte, der lange geträumten Freude des Wiedersehens, zugleich aber auch des Gelübdes, welches zu halten jedoch sein fester Vorsatz war.
Jetzt erhebt sich das liebliche Eiland vor seinen Blicken, er sieht am Ufer eine weibliche Gestalt wandeln und glaubt in ihr seine teuere Verlobte zu erkennen. Ein Zittern durchläuft seine Glieder, aber bald ermannt er sich und befiehlt dem Schiffer, seinen Kahn seitwärts zu wenden. Kaum ans Land gestiegen, eilt er zu dem Landkomtur des deutschen Ordens, der in der Nähe seinen Sitz hat, und bittet um Aufnahme, die ihm auch auf der Stelle gewährt wird. Dann sendet er einen Boten nach der Mainau, meldet der Verlobten, was sich begeben, und sagt ihr Lebewohl für diese Welt.
Die Jungfrau vernahm die Botschaft mit stummer Ergebung, Nachdem sie mit sich selbst zu Rate gegangen, wie sie ihr Leben künftig einrichten wolle, trug sie die liebliche Mainau dem deutschen Orden als Geschenk an unter der Bedingung, daß Herr von Langenstein daselbst Komtur werden sollte. Der Großmeister willigte ein, und die Jungfrau entließ jetzt ihre Diener und Dienerinnen, nachdem sie unter sie verteilt hatte, was sie an Geld und Kostbarkeiten besaß. Nie hat man erfahren, was aus ihr geworden; wahrscheinlich begrub sie sich in die Einsamkeit eines Klosters und erfreute sich dort in trüben Stunden an dem Gedanken, daß der Geliebte auf dem freundlichen Eiland lebe, wo ihn alles an sie erinnern müßte.