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Als der Landgraf Heinrich erfuhr, daß sein Bruder Ludwig gestorben war, nahm er Rat von den Seinen, wie er sich nun verhalten sollte. Die Ratgeber erteilten aber einen untugendlichen Rat, der Wider Gott und Recht, wider Zucht und Ehre war. Weil sein Bruder, so rieten sie, keinen Sohn hinterlassen hätte, auf den das Land übergegangen wäre, so sollte er Wartburg und Eisenach nun selber einnehmen und für sich behalten, dazu auch die Schlösser im Lande, die heilige Elisabeth aber mit ihren Kindern, dieweil sie noch jung wären, von der Wartburg ausweisen, so behielte er die Besitzungen; auch sollte er selbst freien und Kinder gewinnen, auf die er das Land forterbte.
Diesem bösen Rate gab der Landgraf Gehör. Deshalb wurde die heilige Elisabeth mit ihren Kindern unbarmherzig von der Wartburg gewiesen; zugleich hatte der Landgraf den Leuten in Eisenach sagen lassen, daß man ihm nicht Gefallen und Liebe täte, wenn man Elisabeth mit ihren Kindern aufnähme und beherbergte. So kam es, daß in der Stadt Eisenach niemand sie in sein Haus nahm und sie in ein gemeines Schenkhaus ging, worin sie den Tag über mit ihren Kindern verweilte; des Nachts aber wollte der Mann sie nicht austreiben, und so blieb sie fröhlich und geduldig darin. Des Morgens in der Frühe ging sie mit ihren Kindern in die Barfüßer Kirche und bat, daß man den Lobgesang »Te deum Iaudamus« sang.
So ging die liebe, heilige Elisabeth, die arme Leute oft geherberget und gespeist hatte, in Eisenach umher, bat um Herberge und hatte Mangel an Speise und Trank. Und als sie wohl in drei Herbergen gewesen und in keiner lange geblieben war, erbarmte sich ihrer ein Priester und wagte den Zorn des Landgrafen Heinrich, nahm sie in seine Wohnung und hatte Mitleid mit ihr und tat ihr Gutes, soviel er vermochte. Die heilige Frau versetzte Pfänder, um sich zu nähren, und spann und arbeitete, was sie konnte. In dieser Zeit geschah es auch, daß die gottselige Frau über die hohen Schrittsteine gehen wollte, die damals in einer langen Reihe wegen des tiefen Kotes gesetzt waren, und in der Mitte des Wegs ein altes Weib ihr begegnete, eine Bettlerin, der sie oft Almosen gegeben hatte. Dieses Weib stieß die unglückliche Fürstin, die ihr nicht ausweichen konnte, in den tiefen Kot, daß sie alle ihre Kleider waschen mußte. Auch dieses ertrug sie in Geduld und dankte Gott mit lächelndem Munde, daß sie um seinetwillen vor allen Leuten wäre verschmähet worden.