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Bei der Insel Usedom ist eine Stelle im Meer, eine halbe Meile von der Stadt gleichen Namens; da ist eine große, reiche und schöne Stadt versunken, die hieß Vineta. Sie war ihrer Zeit eine der größten Städte Europas, der Mittelpunkt des Welthandels zwischen den germanischen Völkern des Südens und Westens und den slawischen Völkern des Ostens. Überaus großer Reichtum herrschte allda. Die Stadttore waren von Erz und reich an kunstvoller Bilderei, alles gemeine Geschirr war von Silber, alles Tischgeräte von Gold. Endlich aber zerstörte bürgerliche Uneinigkeit und der Einwohner ungezügeltes Leben die Blüte der Stadt Vineta, welche an Pracht und Glanz und der Lage nach das Venedig des Nordens war. Das Meer erhob sich und die Stadt versank. Bei Meeresstille sehen die Schiffer tief unten im Grund noch die Gassen, die Häuser eines Teiles der Stadt noch in schönster Ordnung, und der Rest Vinetas, der hier sich zeigt, ist immer noch so groß als die Stadt Lübeck. Die Sage geht, daß Vineta drei Monate, drei Wochen und drei Tage vor seinem Untergange gewafelt habe, da sei es als Luftgebilde erschienen, mit allen Türmen und Palästen und Mauern, und kundige Alte haben die Einwohner gewarnt, die Stadt zu verlassen; denn wenn Städte, Schiffe oder Menschen wafeln und sich doppelt sehen lassen, so bedeute das vorspukend sichern Untergang oder das Ende voraus – jene Alten seien aber verlacht worden.
An Sonntagen bei recht stiller See hört man noch über Vineta die Glocken aus der Meerestiefe heraufklingen mit einem trauervoll summenden Ton.