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Sagen und Geschichten aus deutschen Gauen
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Heinrich Hermann Adolf Fick

Jan und Griet.

Auf dem alten Markte zu Köln erhebt sich ein schöner Laufbrunnen, dessen Spitze die Bildsäule eines keck blickenden Kriegsmannes krönt. Die Figur stellt den berühmten Reitergeneral Johann von Werth dar, der im Dreißigjährigen Krieg auf seiten der Kaiserlichen focht. Was es mit diesem für eine Bewandtnis hatte, weiß wohl jeder Kölner. Für die fremden Beschauer jedoch und nicht minder für die holden Beschauerinnen sei noch einmal erzählt, was im Volksmunde lebt von Jan und Griet. Denn ein Mädchen, »Griet« (Grete) gehört auch zu der Geschichte, und ihr steinernes Bildnis ist zum ewigen Andenken ebenfalls an dem Brunnen angebracht.

Früher lag in Köln der »Kümpchenshof«, dessen Haus und Scheunen dichtbelaubte Bäume beschatteten. In den Ställen und auf den Äckern und Wiesen versahen rüstige Knechte und lustige Mägde den Dienst. Der munterste und tüchtigste unter den Knechten war Jan (Johann), die flinkste und schönste Dirne die braunäugige Griet. Aber daß sie hübsch und begehrenswert war, das wußte Griet nur zu genau, und ihr Herz war darum voll Hochmut. Einst an einem hellen Sommertage, als man auf der Wiese am Heu beschäftigt war, trat Jan an Griet heran und erzählte ihr, wie lieb er sie habe und wie er getreulich für sie arbeiten und schaffen wolle, wenn sie nur einwillige, sein Weib zu werden. Da aber lachte Griet gar spöttisch und sprach: »Laß dir deine Lust nach mir vergehen, Jan! Ein Knecht, so wie du einer bist und dein Leben lang bleiben wirst, der paßt mir schlecht zum Manne! Ich meine wohl, daß ich mit meinem Gesicht alle Tage einen Bauernsohn kriegen kann und nicht zu warten brauche auf solch einen armseligen Freier!«

Jan war nicht der Bursche, sich lange aufs Bitten zu legen, wo er einmal ungünstigen Bescheid bekommen hatte. Er drehte sich kurz um und pfiff ein überlustiges Stücklein. Innerlich aber wurmte es ihn doch mächtig, daß die Griet ihn abgewiesen hatte; denn er war ihr von ganzem Herzen gut gewesen. Und allgemach war ihm der Kümpchenshof, auf dem sie beide dienten, verleidet, und die Arbeit, die er sonst gern tat, und die ganze Stadt Köln dazu. Er nahm Handgeld und ging unter die Soldaten.

Nun steht ein rechtes Kölner Kind niemals gern hinten in der letzten Reihe, wenn vorn die Feinde sind, und Jan gerade erst recht konnte keiner von denen genannt werden, die man zu treiben brauchte, wenn es hieß: »Vorwärts!« Pünktlich, brav und gehorsam war er von Natur, und seit Griet ihn verschmäht hatte, war es ihm überdies gleichgültig, ob man ihm heute oder morgen das Grab machen werde. Darum verrichtete er auch Wunder der Tapferkeit, und weil dazumal nach Gelehrsamkeit nicht viel gefragt wurde, sondern Mut, Tapferkeit und einiges Glück genügten, um selbst den gemeinen Soldaten zum Range eines Befehlshabers emporsteigen zu lassen, so wurde aus dem armen Knechte Jan vom Kümpchenshofe ein Kapitän, ein Oberst und zuletzt ein General, dessen Name Johann von Werth einen gar guten, bei den Feinden aber einen gefürchteten Klang hatte. Und weil Jan daneben auch stattlich von Gestalt war und ein bescheidenes, treues Wesen hatte, bekam er sogar ein schönes, adliges Fräulein zum Ehegemahl.

Der Griet war es mittlerweile nicht so ganz nach Wunsch gegangen. Den Knecht hatte sie verschmäht, der Bauer aber, der sie heimführen sollte, fragte nicht nach der armen Magd, die kein anderes Gut hatte als blanke Augen und rote Wangen. So kam es denn, daß Griet ledig blieb. Die roten Wangen wurden fahl und runzlig, und die braunen Augen verloren ihr übermütiges Blinken. Als ein altes, krummes Weiblein hielt sie kümmerlich unter dem Severinstore Äpfel und geröstete Kastanien feil und sah die Bauern aus und ein fahren, von denen keiner sie gefreit hatte.

Und eines Tages, da war ganz Köln auf den Beinen und strömte nach dem Severinsviertel. Denn ein siegreicher Heerhaufe sollte in die Stadt einziehen, und der ihn führte, das war der berühmte Feldmarschall Jan von Werth, der in so vielen Schlachten Sieger geblieben, vor dem kein Feind standhielt, der ein Kölner Stadtkind war und vor Jahren auf dem Kümpchenshofe Knechtesdienste getan hatte.

In der schattigen, kühlen Ecke aber, im Bogen vom Severinstor saß Griet, verkaufte ihre Ware und schaute blöde die Straße hinauf. Und da kamen sie heran, die wuchtigen stolzen Reiter, und der auf dem prächtigen Streitroß ganz vorne mit dem wallenden Federschmuck auf dem breitrandigen Hute, mit dem kühnen, sonnengebräunten Antlitz – das war der Jan! Gerade vor dem Apfel- und Kastanienkram hielt er das reichgeschirrte Tier an, schaute nieder zu dem verhutzelten Weiblein und sprach mit leichtem Lächeln vom Roß herunter: »Ja, ja, Griet, wer's getan hätt'!«

Und die alte Griet blinzelte wehmütig hinauf zu dem großen Manne, den sie als junge Griet einst so spröde verschmäht hatte. »Ja, Jan, wer's gewußt hätt'!« war alles, was sie seufzend erwiderte. Jan von Werth aber ritt durchs alte Tor in seine Heimatstadt und das Volk jauchzte ihm entgegen.


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