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Sagen und Geschichten aus deutschen Gauen
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Ludwig Bechstein

Spottnamen und Schildbürger im Norden.

Im inneren Deutschland denken wir Wunder was für weise Lalenburger wir im Schwaben- und Frankenland, in Schilda und Schöppenstedt, in Wasungen und Ummerstadt und so weiter haben. Da schaut einmal hinauf nach Dithmarschen und Schleswig-Holstein, da ist des Volkes Neckelust lebendig über alle Maßen. Da sind die Jagler bei Schleswig, die heißen die tollen Jagler; die wollten einen Balken partout die Quere durch ihr Tor schaffen, bis sie einen Spatzen mit einem Strohhalm fliegen sahen, der den Halm der Länge nach in sein Nest zog. Die Hottstrupper haben eine Scheuer, in der sie alle Dummheiten einheimsen und aufspeichern, daher das Sprichwort gilt: Geh nach Hottstrupp und laß dir die Narrheit verschneiden. Zu Gabel kauften sie eine Katze zum Mäuseausrotten für dreihundert Taler. Als der Handelsmann fort war, fiel den Gablern erst ein, was denn dieses Tier fresse? Dem reitenden nacheilenden Boten aber rief der Händler zu: »Milch und Mäuse!« – Nun pfiff gerade der Wind etwas stark, und der Bote verstand: Milch und Menschen! und brachte im Galopp diese Antwort zurück. Welch ein Schreck! Wie da zu raten und zu helfen? Im äußersten Haus war schon die Katze, sie sollte von da reihum gehen wie der Dorfspieß. Man wagte sich nicht an das menschenfressende Untier, man steckte das Haus in Brand, da sollte es verbrennen. Als das Haus im schönsten Brennen war, wurde es der Katze zu warm darin, sie sprang daher geschwinde heraus und lief in das nächste. Das wurde auch angesteckt; die Katze sprang von da, weil es wieder zu warm wurde, in das dritte Haus, und immer so fort, bis kein Haus mehr da war, da lief sie über Feld und kam nicht wieder. Die Gabler aber waren froh, daß sie die Katze und zugleich auch ihre Hausmäuse losbekamen. Die Romöer sind auch eine kluge Sorte. Sie wollten gern ihre Kirche zwei Ellen weiterschieben und meinten, da nur wenige Leute diese erbaut, so würden viele Leute die Kirche doch leicht fortschieben können. Damals trug man allgemein zu Romöe rote Jacken; alle hatten welche, nur Paul Moders, ein armer Robbenfänger, hatte keine. Da fügte er, alle Romöer sollten sich an der Nordseite zum Schieben anstellen, an der Südseite aber eine Jacke zwei Ellen weit von der Kirche legen, damit man richtig sehen könne, ob die Kirche weit genug geschoben sei. Der Vorschlag gefiel, die Jacke ward hingelegt, und alles schob. Jetzt kam Paul Moders und schrie: »Genug! Genug! Haltet ein! Ihr habt die Kirche schon über die rote Jacke hinübergeschoben, ihr Simsone, ihr!« – Da waren die Romöer froh, daß es ihnen so wacker gelungen war. Am nächsten Sonntag wunderte sich jedermann, daß auch Paul Moders mit einer roten Jacke in die Kirche kam. Sie konnten gar nicht begreifen, wie, der arme Transchlucker zu einer roten Jacke gekommen war.

Die Büsumer an der See, die sind auch von den Pfiffigen. Einstmalen gingen ihrer neun zu baden und schwammen wie die Enten. Jetzt hob sich der Vordermann und sagte: »Mine Jongens, ik mutt doch würftig mal tellen, ob ay noch all dohopen sünt.« Nun zählte er: »Einer, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, ich bin ich, es muß beim Donner einer versoffen sin!« – »Stille, laßt mich einmal zählen!« rief ein anderer, und zählte gerade wieder so. »Ach Gott! Ach Gott! Einer von uns muß versoffen sin!« – Jetzt schwammen alle traurig zum Ufer, ein Fremder kam, dem klagten sie ihr Herzeleid, und der riet ihnen, sie sollten sich niederlegen, ihre Nasen in den Sand stecken und hernach die Löcher zählen. Selbiges taten sie.

Hurra! Da gab es neun Löcher, und keiner war versoffen. Den Mond wollten die Büsumer aus dem Brunnen schneiden, einen Hummer haben sie für einen Schneider angesehn, auf ein Feld säten sie Kuhplapper, meinten, von selbigen Eiern sollten Kühe wachsen. Ein Mann stahl ihnen einen weißen Mühlstein, lange zogen sie ihm nach, folgten seiner Spur bis nach Hamburg, taten sich dort viel zugute auf Gemeindeunkosten, gingen auch in die St. Michaelskirche und erhoben auf einmal einen Heidenspektakel, indem sie überlaut schrien: »Unser Mühlstein! Unser Mühlstein! Der Herr Pastor hat ihn, hat sin Köpken durchgesteckt!« – Sie hielten den großen und breiten Halskragen von Batist, den die Mode den Geistlichen um den Hals gelegt, für ihren großen, weißen Mühlstein.

Die Bishorster leitete ein Schalk an einem Seil in einen tiefen Brunnen, als sie nach gewohnter Weise die Christnachtmette besuchen wollten und sich an dem Seile, das sie ausgespannt hatten, um in der Nacht des Weges nicht zu fehlen, forthalfen. So erzählten die Haseldörfer, Bishorst aber hat die Elbe nach und nach ganz hinweggeflutet.

Die Kisdorfer haben eine Sense, die ein Grasdieb liegen ließ, für ein gefährliches Tier angesehen und eilends eingezäunt. Auch sie trugen, wie ihre witzigen Brüder in Deutschland, den Tag in Säcken in ein neugebautes Haus.

Die Fockbecker haben einen Teich mit eingesalzenen Heringen besetzt, meinten, übers Jahr reichliche Brut davon zu haben. War aber gefehlt; als der Teich abgelassen ward, war kein Hering darin, nur ein großer Aal. – »Das ist der Heringsfresser; der muß sterben!« rief der klügste Fockbecker. »Wir wollen ihn essen, wie er unsere Heringe gegessen hat,« – schlug einer vor. »Das ist nicht Strafe genug,« – rief ein zweiter, der sich einmal verbrannt hatte. »Verbrennt ihn!« – »Nein,« schrie ein dritter, der einmal fast ertrunken wäre. »Brennen ist sehr schlimm, aber versaufen ist schlimmer. Wir wollen ihn in die Au schmeißen und ihn ersäufen!« – Alle stimmten dem letzten bei, zumal er am meisten schrie, und wie der Aal nun im Wasser fröhlich schnalzte und sich krümmte und schlängelte, da rief der letzte Weise: »Seht ihr, wie er sich quält! Ja, das ist der schlimmste Tod, das Versaufen.« – »Wenn das Verdursten nicht noch schlimmer ist, rief einer,« der gern das letzte Wort haben wollte.


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