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III.

Volkslieder.

Der König von Mailand.

Weiß mer e Herr, hed siebe Süh,
Und nu-n-e einzig Töchterli;
De Herre stellt e Gastmal a,
Er ladt viel fremde Herre dra.

Er ladt vil fremdi Herre-n-i,
De König us Mailand ist au derby.
Die Tochter het e Haar, ist gelber weder Gold,
Darum wird ihr der König us Mailand hold.

Das Mägdli wött ge schlafe go,
Tritt ihr der König us Mailand no;
Und do-n-er het si Wille getho,
Sitzt er ufs Roß und ritt dervo:
In vierzig Woche will er wiederko.

Die vierzig Woche sind umme,
Der König ist nie kumen:
Dem Mägdli wurds im Siteli weh,
Zu einem kleinen Kindele.

»Ach Bruder, liebe Bruder my.
Erlaub du mir dy Kämmerli,
Erlaub mir dy Schlafgade!
Klei Kindli müe-n-i habe.«

»Ach Schwester, liebe Schwester my,
Schlafkämmerli soll di eige sy;
Ich will dir ge viel Gut und Geld,
Bring du dy Kindli recht uf d'Welt.« –

»Ach Bruder, lieber Bruder my,
Und hätti numme-n-e Wyber dry!« –
»Ach Schwester, liebe Schwester my,
D'Wyber müend gly vorhande sy!«

Und do das Kind gebore war,
Die Eine zu der andern sprach:
»Das Kind ist hübsch und minniglich.
Es sieht dem König us Mailand glych.«

Die Muetter an de Wände
Erloset de Reden-en Ende,
Sprung dur de Stege uf und ab,
Bis daß sie zu Mägdlis Vater kam.

»Hend aister gesproche, eui Tochter sig fromm,
Jetz het si gebore en junge Sohn;
Und war die Tochter eu wie my,
Die Rede müeß uns verschwyge sy.

Das Kind ist wüest und grüselich,
Es sieht em leidige Teufel glych.« –
Der Vater fiel in e große Zorn,
Er sprung wohl uf die Mure.
Ruft alle seine Nachbure:

»Nachbure, liebi Nachburi,
Müend mir e Galge mure;
Dra müe my Tochter verfule.
Ich will sie lasse henke,
Ihr junge Soh vertränke.« –

Der Bruder an de Wände
Erloset die Reden-en Ende,
Erloset vom Anfang bis zum End,
Bis ihm sini Aeugli Wasser gend.

»Ach Schwester, liebi Schwester my,
Mir hend e zornigs Väterli;
Er will di lasse henke,
Die junge Soh vertränke.«

Es Mägdli setzt si uf im Bett,
Es heischt Dinte und Federe her.
Es thuet e Briefli schrybe
Sim Herrn in Mailand ine.

»Ach Bruder, liebe Bruder my!
Hätt ich e kleins Bötemli,
Müeßt mir es Briefli trage,
Mym Herrn in Mailand sage,«

»Lieb Schwester, liebi Schwester my,
Das Bötemli willi selber sy,
Will dir das Briefli trage,
Dym Herrn in Mailand sage.

Do-n-er is in Mailand ini kam,
Er so zu selbigem Diener sprach:
»Ach Diener, liebe Diener my,
Möcht euer Herr deheime sy?«

»O nei, myn Herr ist nit dehei,
Myn Herr, der ist geritte us,
Umme zarts Jungfräuli us.
Der Bot, der kehrt si nit dara,
Bis er zum Herr in d'Stube trat.
Was zog er us sim Buse?

»Sieh hie, sieh hie, myn Herre my.
Darin kannst sehe, wer i bi.«
Eh er das Briefli ganz lese kann,
Die Thränen ihm in d'Schooß aberann.

»Stehnt uf, stehnt uf, ihr Ritter, uf!
Mir müend an Rhynstrom ryten us,
Umme zarts Jungfräuli us.

Und du, myn liebe Diener my,
Gang, sattle mir myn Pferdeli,
Und sattle mir das beste Pferd,
Das unter vierthalbhundert wär.«

Und do-n-es war am Frytig früh,
Sie führet das Mägdli us so früh;
Frumm Mägdli wend si henke,
Syn junge Soh vertränke.

Und do-n-es uf die Leiter kam,
Und es de Nachrichter treuli bat:
»Nachrichter, liebe Nachrichter my,
O wart du nu-n-e kleine Wyl.

I ghör e scharfe Reiterei,
I hoffs, es möcht ein drunter sy,
Möcht meines Kindlis Vater sy.«

Der Nachrichter ist e barmherzige Ma,
Er wartet vieithalb Stunden ab,
Er wartet vierthalb Stund,
Bis daß die Schaar vo Ritter kum.

Er wünschet allen e gute Tag
Dazu-n-en gute Morge:
»Wen wend-er so früh versorge?

In unserm Land ist's nit der Bruch,
Daß me's Wybervolk thut henken uf.«
Was zog er us sym Buse?

Voll Wunders ein schönes Tücheli:
»Sieh hin, sieh hin, brun Meidli my.
Wickle du dy kleis Kindli dry!« –
Was zieht er us sir Scheide?

Voll Wunder ein schönglänziges Schwert,
Er stach syn Schwägerin auf die Erd:
»Wenn-i den Adel nit niesse möcht,
So stächi min Schwäher wol uf di Erd.

Ach, Anni, magst 's Ryten erlyde,
Magst zu mir uf my Pferd styge!
Du mueßt nu ryte-n-e halbe Stund,
Bis daß die Gutsche gegen us kunt.« –

»Warum wott i 's Ryte nit besser erlyde.
Als uf de hohe Galge ufstyge!«
Es stoht nit meh als e halb Johr a,
De König stellt e Gastmahl a.

»Ach Anneli, liebs Anneli my,
Wemmer lade dp Väterlt au dry?« –
»O nei, o nei, min Herr, o nei,
Wend lade my Väterli nit drei!« –

»Es flügt e Vögel! nit so hoch.
Es lot si wieder nieder;
Wenn scho dy Väterli zornig ist,
Der Zorn der lat si wieder.«


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