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Eine Schildwache hielt mich an (S. 130).

XIV.
Der Anschlag

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Als wir allein waren, sagte mir Samuel im Vertrauen:

»Es glüht im Ofen.«

– »In welchem Ofen?«

– »In dem Ofen, wo wir selber geröstet werden, wenn wir Alexander nicht darin rösten lassen.«

Diese Nachricht stimmte mich nicht gerade fröhlich, ich wünschte Alexander, der mich lange Zeit als Freund behandelt hatte, nichts Schlimmes. Ich dachte bei mir selber: Was würde mein Lehrer in der Logik, Aristoteles, von mir sagen, wenn er, der weiseste Mann der Gegenwart und vielleicht auch der Zukunft, mich mein Glück und mein Leben aufs Spiel setzen sähe, im Bund mit einer alten Hexe, einem alten chaldäischen Hohenpriester und dem Juden Samuel, um einen Barbaren auf den Thron Babylons zu setzen?

Während ich diese Betrachtungen anstellte, traten wir in den Tempel Baals und wurden durch einen geheimen, in der dicken Mauer angebrachten Gang in das Zimmer des Hohenpriesters eingeführt, wo ich mit Erstaunen Pendragon Amalek gegenüber sitzen sah. Hinter diesem öffnete sich im Schatten ein vergittertes Fenster, und hinter dem Gitter glänzten durch einen Schleier hindurch zwei große schwarze Augen. Es war unschwer zu erraten, daß diese Augen der schönen Drangiane gehörten.

Ich beugte mich ehrerbietig vor dem Hohenpriester und vor dem stolzen Pendragon.

Amalek gab mir einen Brief und sagte:

»Du, Sosikles, der du so lange Alexanders Geheimschreiber warst, was bedeutet der Befehl, den Pendragon gestern abend erhielt?«

Ich las folgende Worte, welche eigenhändig von Alexander geschrieben waren:

 

»Freund Pendragon, morgen um die sechste Stunde des Tages wirst du von Babylon abreisen, um mich im Lager Hephästions, wo ich drei Stunden später anlangen werde, zu erwarten. Führe nur drei oder vier Mann Geleite mit dir. Der Rest der verlornen Söhne muß die Stadt bewachen, damit nicht bei meinem Einzug ein Aufruhr entsteht.

Du wirst vor deiner Abreise dem Argyraspiden Argeiphontidas den Oberbefehl provisorisch übergeben.

Es ist nichts als billig, daß das Volk der Babylonier wisse, was ich alles deinem Mut verdanke, und daß du der neuste, aber nicht der am wenigsten geschätzte meiner Freunde bist. Ich gedenke dir morgen einen glänzenden Beweis davon zu geben.

Alexander, König.«

 

Ich drehte den Brief mit unentschiedener Miene hin und her.

»Nun«, fragte der Chaldäer, »was sagst du dazu, Sosikles?«

– »Ich sage, beim Zeus, daß das Kompliment ganz liebenswürdig ist, aber daß dieser Befehl des Königs, ihn ohne Geleit aufzusuchen, nicht gerade beruhigend ist; wenn der König, der nur durch die Augen Hephästions sieht, es glauben könnte ...; wenn er Pendragon erwartete, um ihn fern von seinen Soldaten, die ihn ohne Zweifel verteidigen würden, ermorden zu lassen, wenn ...«

Amalek wandte sich gegen den Gallier:

»Da seht ihr also! ... Sosikles, der von nichts wußte, hat genau dieselben Bedenken, wie Samuel und ich.«

– »Er würde es nicht wagen!« antwortete der Gallier. »Bin ich ein Kind, das man mit Märchen erschreckt? Wenn Alexander mich Aug' in Aug' sehen will, das Schwert in der Hand, so bin ich sein Mann.«

Amalek gab mir einen zweiten Brief mit der Weisung ihn zu lesen. Dieser war gerichtet an den Argyraspiden Argeiphontidas, den Nachfolger Pendragons im Kommando über die verlornen Söhne, und enthielt zwei Schreiben, das eine von der Hand Alexanders, das zweite anscheinend von Hephästion geschrieben und ohne Zweifel erst nachträglich und ohne Wissen des Königs in die gleiche Umhüllung hineingeschoben.

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Ich sah mit Erstaunen Pendragon Amalek gegenüber sitzen (S. 121).

Das erste hatte folgenden Wortlaut und schien ganz verfänglich: »Argeiphontidas, sofort nach Empfang dieses Briefes wirst du den Oberbefehl über die verlornen Söhne übernehmen, und wirst bei Todesstrafe verbieten, daß keiner von ihnen, außer den vier, welche Pendragon selber bezeichnen wird, seinen Posten verlasse, um ihm zu folgen, wenn er sich zum König begibt. Du verstehst ... bei Todesstrafe!

Alexander, König.«

 

Das andre Schreiben war deutlicher und noch drohender.

»Hephästion grüßt seinen Freund Argeiphontidas.

Ich schreibe dir dies hinter Alexanders Rücken, der nicht an Gefahr glauben will. Verbrecher haben den Plan gefaßt, ihn zu ermorden. Der gefährlichste und schlimmste von allen ist dieser infame Gallier, welcher das Korps der verlornen Söhne befehligt. Alexander, der zu erhaben und zu edel ist, um an Verrat zu glauben, hat sich darauf beschränkt, ihn unter einem Vorwande kommen zu lassen. Er wird ihm verzeihen, selbst ohne ihm seinen Verdacht gezeigt zu haben, und dieser elende Gallier wird ihn eines Tages ermorden.

Was soll dann aus uns werden, aus uns Makedoniern, die wir mitten in Asien eingeklemmt sind, wenn der beste der Freunde und der größte der Könige uns entrissen wird?

Argeiphontidas, an dir, an mir, an allen treuen Dienern des Königs ist es, an allen Freunden desselben, ihn zu retten, wäre es selbst gegen seinen Willen. ... Es sollten womöglich sofort nach Empfang dieses Briefes vor der Abreise Pendragons Händel mit ihm angestiftet werden.

Da der Gallier wegen der Freundschaft, welche ihm der König erweist, kein Mißtrauen kennt, so wird er für seine Person nicht auf der Hut sein. Wenn man ihn unversehens in irgend einem dunklen Gang des Baalstempels und weit weg von seiner Schar angreift, kann man ihn leicht töten; im Notfall, wenn bei dieser That keine andern Zeugen zugegen gewesen sind als die, welche sie ausgeführt haben, kann man sagen, er sei von den Chaldäern ermordet worden. ... Alexander wird es glauben oder sich wenigstens so stellen, als glaube er es. Zu Kriegszeiten und in einer so großen Stadt nimmt man es nicht so genau. Was uns betrifft, uns Makedonier alle, so wird man uns wohl in Ruhe lassen.

Für meinen Teil, Argeiphontidas, verspreche ich dir für den Fall des Gelingens (du kennst meine einflußreiche Stellung bei Alexander) die Statthalterschaft der Provinz Medien, wo sich der Schatz von Ekbatana befindet, der reichste in Asien, nächst dem von Susa und von Babylon. Für mich behalte ich mir die Statthalterschaft von Babylon vor und die Hand der schönen Drangiane. Ich habe bereits beim König schriftlich meine Bitten vorgetragen und er hat mir beim Styx geschworen, daß ich beides bekommen soll.

Argeiphontidas, bedenke wohl: entweder Medien und das Haupt Pendragons oder nichts.

Hephästion.«

»Nun, Sosikles?« fragte Amalek. »Ist dieser Verrat vollständig oder nicht? Ist dieser Hephästion ein Verbrecher oder nicht, er, der den Meuchelmord befiehlt, um sich für eine Niederlage zu rächen, und mir meine Tochter stehlen will?«

– »Von wem habt ihr aber diese Briefe?«

– »Von mir«, sprach bescheiden Samuel.

– »Was hör' ich? du?«

– »Ja, ich«, erwiderte Samuel mit Lachen. »Ich bin's, der hier für alle und insbesondere für diesen Pendragon, den Sohn Astaraks, wacht, welcher nichts voraussieht und sich über alles erhaben glaubt. Ich bin über nichts und über niemand erhaben und deswegen wache ich beständig über mein Wohl und bisweilen über das der andern. Ich riskiere mein Geld nicht gern für ein blindes Ungefähr und für Leute ohne Urteilskraft. Ich wollte also sicher wissen, was im Lager Hephästions vorging.«

Ich rief erschrocken:

»Du hast es gewagt, wieder hinzugehen?«

– »Nicht so ganz«, sagte Samuel. »Ich habe einen meiner Angestellten hingeschickt, meinen Neffen, einen jungen Menschen, der zu großen Hoffnungen berechtigt. Dieser ist also hingegangen. Er hat Hephästion und allen seinen Offizieren seine Dienste angeboten. Er hat ihnen Wein, Halsbänder, Leibröcke, Schwerter, Halbstiefeln, Vieh, Geflügel, kurz, alles verkauft, was man unter Menschen kauft und verkauft; er hat ihnen sogar Geld auf ihren Sold und die Plünderung Babylons geliehen, welche Alexander ihnen, wie es heißt, erlauben wird ..., mit einem Wort, er ist ihr Freund und ihr Vertrauter geworden. Dann hat er sich so bei Hephästion einzuschleichen gewußt, daß dessen Vertrauter, Dexippos, unklugerweise ihm seine Briefe übergab, mit dem Auftrag, sie eigenhändig dem Argeiphontidas zu übergeben.

Das wird er auch alsogleich thun, nachdem er sie, wie es seine Pflicht war, mir eingehändigt hat. Ich meinerseits habe sie soeben den erlauchten Herren Amalek und Pendragon gezeigt, damit sie zusehen, was die Umstände erfordern.«

Pendragon erhob sich mit Ungestüm:

»Wenn ich glauben könnte, daß Alexander mir meine Dienste also zu lohnen gedächte, bei Teutates, dem Gott des Donners, ich würde ihn aufsuchen, selbst auf seinem Throne, inmitten seiner Leibgarden, und würde ihm mit einem Schwertstreiche seinen Kopf heruntertanzen machen.«

– »Das wäre ein schlechtes Geschäft«, sagte Samuel.

– »Wie so? ein schlechtes Geschäft? Ich habe schon andre Köpfe abgeschlagen, die wohl auch etwas wert waren!«

– »Ein schlechtes, sehr schlechtes Geschäft!« wiederholte Samuel nachdrücklich. »Bei jedem Ding muß man das Ende ins Auge fassen, verehrter Pendragon. Ihr würdet fertig werden mit Alexander, mit Hephästion, mit Perdikkas und etlichen andern, das glaub ich schon, aber alle Makedonier würden über Euch herfallen und Ihr würdet von der Übermacht erdrückt werden. Es ist nicht genug, tapfer zu sein, mein Herr, man darf sich auch nicht wie ein Thor totschlagen lassen.«

– »Wie ein Thor!« wiederholte Pendragon rot vor Zorn.

– »Oder wie ein Held! wenn Ihr lieber wollt, aber wie ein Held ohne Besinnung ...«

Und während der Gallier Zeichen des Unmuts blicken ließ, fuhr der Jude fort:

»Oh! seht, ich habe ein Recht zu sprechen, denn, wenn Ihr bei diesem Geschäft das Leben, auf das Ihr wenig Wert legt, aufs Spiel setzt, so setze ich das meinige, auf das ich sehr viel Wert lege, auch aufs Spiel und mein Geld, das ich vielleicht noch höher schätze. Was meinst du, Sosikles?«

Ich bedeutete ihm, daß ich derselben Meinung sei.

Jetzt nahm Amalek das Wort:

»Ich bin der Ansicht, daß Pendragon in Babylon bleibe, inmitten seiner Schar, unter dem ersten besten Vorwand.«

– »Zum Beispiel unter dem Vorwand, daß er die Ordre des Königs nicht erhalten habe, daß der Bote ermordet worden sei. ... Wir werden im Tempel Baals (wohin niemand, außer mit meiner Erlaubnis, ohne das Verbrechen der Tempelschändung gelangen kann) den Neffen Samuels, den Überbringer der Briefe, verstecken. ... In Kriegszeiten kann ein Bote verschwinden, ohne daß dies großes Aufsehen erregt. ... Hier, inmitten seiner Truppe, die ihm ergeben ist, und des Volkes von Babylon, das die Makedonier verabscheut, wird Pendragon in Sicherheit sein. Wenn der König es wagen sollte, ihn zu verhaften, so würde ich binnen einer Stunde alle Trommeln rühren, die Trompeten erschallen und die Straßen durch Barrikaden sperren lassen. Der Baalstempel allein ist schon eine Festung mit zwei Einfassungsmauern, jede von dreißig Fuß Dicke. ... Dann wird man die ruhmreichen Tage Assurs und seines Volkes zurückkehren sehen. Wie viel Mann führt Alexander mit sich? Fünfzehntausend, höchstens zwanzigtausend, denn er hat in allen großen Städten Besatzungen zurücklassen müssen. Was sind zwanzigtausend Mann gegen eine Stadt von zwei Millionen Einwohnern, welche seit zwölfhundert Jahren die Hauptstadt Asiens ist?«

Der Gallier dachte einen Augenblick nach und sagte:

»Ich danke Euch, Amalek, aber ich will weder der Gefahr aus dem Wege gehen, noch meinem Schwur untreu werden. Alexander hat mich bis jetzt als Freund behandelt. Um ihn als Feind zu behandeln, will ich zuwarten, bis er den ersten Streich führt.«

– »Ihr wollt Euch in seine Hände geben?« fragte der Chaldäer.

– »Ich werde auf seinen Befehl vor ihm erscheinen.«

– »Und Ihr werdet den Oberbefehl diesem Argeiphontidas abtreten, der Euch verabscheut wegen der Beschimpfung, die Ihr ihm am Abend vor der Schlacht bei Arbela angethan habt?«

– »Ja wohl, ich werde ihn abtreten.«

– »Und Ihr werdet ihm den Brief Hephästions geben?«

– »Ich werde es thun.«

– »Er wird Euch ermorden lassen.«

– »Ich trotze ihm!«

Vom vergitterten Fenster her, wo sich verschleiert die Tochter Amaleks befand, drang eine bittende Stimme:

»Habe Mitleid! Pendragon!«

– »Sei unbesorgt, Drangiane!« rief der Gallier. »Ich werde leben und siegen, ich schwör' es dir!«

Dann, gegen mich sich wendend, sagte er:

»Komm, Sosikles, ich will dir zeigen, wie man in meinem Lande handelt!«

Er führte mich in die Vorhalle des Baalstempels und ließ durch einen Sklaven die vier Brüder Bull rufen, die er an den beiden Seiten der Thüre Stellung nehmen hieß, mit dem Schwert in der Hand; nach ihnen ließ er seinen Stellvertreter Argeiphontidas rufen.

Dieser kam sehr diensteifrig. Es war ein großer, starker, muskelkräftiger und abgehärteter Mann von athletischem Bau, aber von einer Figur, die nicht zu seinen gunsten sprach.

»Argeiphontidas«, sprach der Gallier, »du wirst den Oberbefehl über die Truppe übernehmen.«

– »Ah!« sagte dieser erstaunt.

– »Es ist der Befehl des Königs.«

– »Ah! – Pendragon – und Ihr?«

– »Ich werde allein abreisen. Hier ist der Befehl.«

Zugleich übergab er ihm den Brief des Königs und den des Hephästion, beide versehen mit dem königlichen Siegel, welches ich beim Weggang vom makedonischen Heer behalten hatte.

Argeiphontidas las das Schreiben Alexanders und schien zuerst etwas überrascht.

»Es ist doch wohl der Befehl, für heute den Oberbefehl über die verlornen Söhne zu übernehmen?« fragte Pendragon.

– »Ja, Herr«, antwortete jener.

Hierauf las er den Brief des Hephästion. Diesmal geriet er in eine heftigere Bewegung; er war wirklich bestürzt. Ich bemerkte, daß er einen verstohlenen Blick auf den Gallier warf, der sich den Anschein zu geben wußte, als ahne er nichts von allen diesen Umtrieben, vor sich hinpfiff und gegen den Horizont blickte.

Endlich als Argeiphontidas die Treppe der Vorhalle hinuntersteigen wollte, kehrte sich Pendragon gegen ihn und fragte:

»War der Brief des Königs allein?«

– »Nein, nein, nicht ganz«, antwortete verwirrt Argeiphontidas.

– »Hat dir noch jemand geschrieben?«

– »Ja.«

– »Und wer?«

– »Hephästion.«

Alle diese Fragen geschahen in so kurzem und gebieterischem Tone, daß der Argyraspide nicht zu leugnen wagte, wozu er sonst ohne Zweifel Lust gehabt hätte.

Pendragon lachte.

»Ah! ah!« sagte er, »du bist ja ein großer Herr und ein Günstling der Götter! Du stehst in Briefwechsel mit Hephästion, dem intimsten Freund Alexanders. In kurzem wirst du König sein, Argeiphontidas, ich prophezeihe es dir.«

Der Argyraspide, den dieser Scherz verletzte, erwiderte ihm:

»Vielleicht eher, als Ihr glaubt, Pendragon.«

– »Was schreibt er dir, dein Freund Hephästion?«

– »Er ladet mich zu einer Jagdpartie mit dem König ein«, sagte Argeiphontidas.

Und um ein peinliches Abfragen loszuwerden, wollte er die Umzäunung des Tempels verlassen, aber mit donnernder Stimme befahl Pendragon:

»Ihr vier Brüder Bull! Wenn dieser Mensch es versucht, ohne meine Erlaubnis von hier wegzugehen, so haut ihn nieder!«

Argeiphontidas erbleichte und rief:

»Pendragon, was habt Ihr im Sinn?«

– »Gib mir den Brief Hephästions!« befahl der Gallier.

Jener gehorchte.

»Jetzt siehst du«, fuhr Pendragon fort, »daß ich von allem unterrichtet bin. Ich weiß, welchen Befehl der Verräter Hephästion dir zukommen ließ, ich weiß, daß du ihn auszuführen dich anschicktest ...«

– »O Herr! könnt Ihr das glauben?« schrie der Argyraspide flehend und in Erwartung des Todes.

– »Warum hast du mir nicht Mitteilung gemacht von dem Befehl Hephästions? ... Ich könnte dich in einen Sack nähen und in den Euphrat werfen lassen, als einen Verräter, aber ich will dich schonen, unter der Bedingung, daß du hier Gefangener der verlornen Söhne bleibst bis zu Alexanders Ankunft. Wenn er dich begnadigt, so will ich dich gern schonen. ... Was den betrifft, der dir den Befehl gegeben hat, mich zu ermorden, so ist das eine Sache, die früher oder später zwischen ihm und mir ins reine kommen wird ... Du aber rühre dich nicht vom Platz vor meiner Rückkehr nach Babylon, wenn du nicht willst gehangen werden.«

Dann ließ Pendragon die Hörner blasen und seine ganze Truppe sich versammeln. Er ließ sie bei sich vorüberziehen, wie bei einer Parade, und sprach mit lauter Stimme:

»Kameraden, es ist Alexanders Befehl, daß ihr hier bleibt und daß ich das Kommando für einen Tag an Argeiphontidas abtrete ...«

Ein Gemurmel des Staunens ließ sich vernehmen. Warum sollten denn diese tapfern Soldaten, die Elite der Armee, nicht ihren Teil haben am Triumph Alexanders?

»Und du?« riefen sie, »verläßt du uns?«

– »Es ist der Wille Alexanders.«

Neues Gemurmel des Staunens. Ich merkte, daß sich schon dunkle Gerüchte verbreitet hatten über die Gefahr, in welcher der Gallier schwebte, und ich vermutete als Urheber den Amalek. – Einer der Reiter nahm das Wort:

»Du gehörst zu uns, wie wir zu dir gehören, Pendragon. Wenn jemand dir ein Haar krümmt, wer es auch sein mag, und wär es auch der Höchste nach Alexander, den lassen wir über die Klinge springen!«

Alle schrieen:

»Ja! ja! wir schwören es! es lebe der unbesiegbare Pendragon!«

Der Gallier winkte mit der Hand, sofort wurde es wieder stille.

Da las er mit lauter Stimme die beiden Befehle Alexanders: zuerst den, den er empfangen hatte, und dann den, der für seinen Nachfolger Argeiphontidas bestimmt war. Der zweite, welcher das Mißtrauen Alexanders andeutete, wurde mit lauten Zeichen des Mißfallens und beinahe mit Hohngelächter aufgenommen. Aber als er nun den Brief Hephästions lesen ließ, der ihn zu ermorden befahl, so war die Entrüstung so groß, daß der unglückliche Argeiphontidas beinahe an Ort und Stelle niedergehauen worden wäre.

Er entging dem Tode nur dadurch, daß er noch stärker als die übrigen schrie, Hephästion sei ein Elender, ein Verräter, der hundertfach den Tod verdiene; er, Argeiphontidas, kenne ihn kaum, und beim ersten Begegnen werde er ihn mit seiner Lanze durchbohren, zur Strafe dafür, daß er es gewagt habe, ihm einen infamen Verrat vorzuschlagen.

Der Gallier erwiderte:

»Ich glaube dir, Argeiphontidas. Ich lasse dich übrigens unter der Bewachung unsrer Kameraden.«

– »Wir werden über ihn wachen«, sagte ein Reiter.

– »Und sein Leben bürgt uns für das deinige«, fügte sein Nachbar hinzu.

– »Wir werden dir überallhin folgen«, schrieen alle Soldaten.

– »Bleibt! es ist Alexanders Befehl! erwiderte der Gallier. »Ich nehme nur vier Mann Begleitung mit mir. Kommt hierher, Brüder Bull!«

Die vier kaledonischen Brüder stiegen zu Pferd und stellten sich je zwei und zwei an seine Seite.

Der Gallier hatte das seinige schon bestiegen, den bewunderungswürdigen Nadjed, der voll Ungeduld und Erwartung den Boden stampfte, und er wollte gerade den Befehl zum Aufbruch geben, als eine geheime Botschaft Amaleks ihn bewog, wieder abzusteigen und in den Tempel Baals zurückzukehren.

Ungefähr zu gleicher Zeit trat Samuel zu mir und sagte:

»Nimm ein Pferd, Sosikles, und reite voraus. Wenn du eine Gefahr merkst, so kehre schnell um und benachrichtige Pendragon. Nichts ist leichter als ihn zu töten bei seinem Selbstvertrauen und seiner Kühnheit. Und wenn er tot ist, so wird uns unser Unternehmen nicht den zwanzigsten Teil einer Dareike eintragen!«

Dieser Gedanke machte mich beben.

Ich bestieg also ein Pferd, immer in meiner Verkleidung als chaldäischer Priester, gefärbt mit Ocker und Erdpech, und mit heiligen Bändern am Kopfe ausstaffiert (denn wer weiß, welche Strafe Alexander mir angethan haben würde, wenn er seinen alten Geheimschreiber unter den Anwesenden erkannt hätte?) und ich ritt in scharfem Trabe weg, um der Menge zuvorzukommen und die Pläne des Königs unmöglich zu machen. Eine Schildwache hielt mich an. In einer halben Stunde bekam ich die makedonische Vorhut in Sicht.

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