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Bei der Drohung, den Kopf zu verlieren, erschrak das arme Geschöpf dermaßen, daß es kein Wort herausbrachte. Max bereute schnell seine grobe Heftigkeit und sagte lächelnd:
»Sei doch nicht so! Es war nur Scherz. Ich tue dir gewiß nichts.«
»Danke!« sprach gerührt die Biene. »Es wäre gräßlich, wenn man sterben müßte, wo man eben zu leben anfängt.«
»Fürchte dich nicht! Ich bin ein großer Bienenfreund, und du bist doch eine Biene, nicht wahr?«
»Ja, ich bin eine Holzbiene.«
»Eine Holzbiene? – Du arbeitest also wie ein Schreiner? Ich hätte dich eher für einen Tapezier gehalten.«
Max glaubte, eine gute Bemerkung zu machen, und war daher enttäuscht über den ernsten Ton, mit dem die Holzbiene erklärte:
»Die Tapezierbienen bauen ihr Nest etwas anders.«
»Was? Es gibt wirklich solche?«
»Natürlich; wie es Maurerbienen, Wollbienen und Erdbienen unter uns gibt.«
Die Holzbiene gab jetzt ihre Ungeduld zu erkennen. Max bemerkte es und sagte:
»Ich sehe, du hast es eilig, und ich halte dich mit meinem Geplauder auf. Sage mir nur noch schnell: Ist dies hier dein Haus?«
»Es war bis jetzt mein Haus«, erwiderte die Biene, »aber von heute an habe ich ein größeres, schöneres, helleres; meine Wohnung ist jetzt die weite Welt!«
»Dann bleibt dies Haus leer, und man braucht keine Miete zu bezahlen, wenn man hier wohnen will?«
»Nein, aber es sind noch meine zwei Schwestern in ihren Zimmern da drinnen. Sie arbeiten schon an ihrer Türe. Hörst du sie?«
Max vernahm in der Tat jetzt wieder das bekannte Geräusch, als ob jemand immerzu Holz sägte.
»Unser Haus ist von meiner Mutter erbaut worden, so wie ich eines für meine Kinder machen will. Darum kann ich dir sagen, wie es gemacht wird. Man gräbt einen schönen Gang in einen Baumstamm, am Ende desselben legt man einen Brei aus Honig und Blütenstaub hinein.«
Da schrie Großzang gierig dazwischen:
»Laß mich sehen, wie du den Teig bereitest!«
»Seinerzeit werde ich ihn schon machen«, fuhr die Biene fort, »ich sammle ihn von Früchten und Blumen. In die Mitte des Teiges legen wir das Ei, dann schließen wir das Zimmer mit einem Mäuerlein aus Sägemehl zu, das wir mit Speichel anrühren. Auf diese Mauer legen wir einen zweiten Brei mit einem andern Ei, schließen auf gleiche Weise auch dies Zimmer, und so immerfort, so lang der Gang ist, den wir zuletzt ebenso verschließen.«
»Und dann?«
»Dann finden die Larven, die sich aus dem Ei entwickeln, ihren Tisch gedeckt.«
»Diese Glücklichen!« murmelte Großzang.
»Die Larven wachsen und füllen mit ihrem Körper zuletzt die ganze Zelle aus. Sie verwandeln sich in Puppen, und endlich, wenn die Zeit vollendet ist, werden sie vollkommene Insekten, wie ich jetzt eins bin – und –«
»Und?«
Im Baume hörte man eine Stimme rufen:
»He, Schwesterchen! Was machst du denn? Willst du, daß ich hier im Dunkeln bleibe?«
Die Biene unterbrach deshalb ihre Rede, und mit rascher Bewegung schlüpfte sie vollends aus dem Löchlein; sofort erschien hinter ihr ein neuer Kopf. Zuletzt kam auch noch die fünfte und letzte heraus, und alle drei machten eine artige Verbeugung und riefen froh:
»Es lebe die Sonne!«
Und weg flogen sie.
»Jetzt nehmen wir Besitz vom Hause«, sprach Max.
Gefolgt von Großzang schlüpfte er ins Haus hinein, während die Holzwespe ihm nachrief:
»Ich bin zu groß, um hineinzukommen, ich erwarte dich hier außen.«
Nun war ja der Gang einer Holzbiene gerade nicht dazu angetan, einem Kaiser wie Max zur Residenz zu dienen, aber es war doch wenigstens für ihn ein bequemes Unterkommen; fünf saubere und nette Zimmerchen standen ihm zur Verfügung.
Durch die Wand, die jede der fünf Holzbienenschwestern hatte durchnagen müssen, um aus ihrer verschlossenen Zelle zu kommen, konnte man jetzt herrlich aus und ein gehen.
Jede dieser Holzbienen hatte die Sägemehlmauer durchbohrt, die ihre Zimmerdecke gewesen war. Die erste von ihnen hatte den Ausgang aus dem Baumstamm gebohrt, die zweite öffnete die Türe, die sie in das bereits leere Kämmerchen führte, und so fort bis zur letzten, die den Ausgang durch die Kammern aller Schwestern fand.
»Das sind einmal gescheite Insekten! Alle Anerkennung!« rief Max; »die stehen ja sogar uns Ameisen nicht nach. Das will was heißen. Denn man darf nicht vergessen, daß unter uns sehr geschickte Holzarbeiter sind, die kunstvolle Wohnungen in die Baumstämme graben, teurer Großzang!«
Dieser aber hörte wieder einmal recht zerstreut zu und durchsuchte dafür um so angelegentlicher alle Zimmer bis ins hinterste. Wißt ihr, nach was? Unzufrieden brummte er:
»Alles aufgegessen!«
»Was suchst du nur?« fragte Max.
»Ach, nichts! Ich schaute nur, ob nicht irgendwo noch ein Restchen von dem Honigbrei zurückgeblieben sei. Aber nicht eine Spur. Diese verwünschten Bienen haben alles aufgeräumt, ohne zu bedenken, daß eines schönen Tages dieses Haus von einem kaiserlichen Hof bewohnt werde, der die glänzendsten Aussichten für die Zukunft und den riesigsten Appetit in der Gegenwart hat!«
Wie er aber merkte, daß Max ihm wieder tüchtig den Kopf waschen wollte, kauerte er sich in eine Zimmerecke und rief in hoffnungslosem Tone:
»Es ist unnütz, mir Vorwürfe zu machen. Wenn ich Hunger habe, hört meine Vernunft auf. Augenblicklich ist er so groß, daß ich fürchte, vor dir den Respekt zu verlieren. Ich will mich nun nicht mehr rühmen und erwarte hier den Tod. Kommt er, so will ich ihn mit dem Ruf begrüßen:
›Es lebe Kaiser Max Butziwackel der Erste!‹«
Bei diesen Worten legte sich sofort des Kaisers Zorn. Er war bewegt durch so viel selbstlose Zuneigung und so todesmutige Ergebenheit für seine Person. Er begriff um so besser die Größe des Opfers, das sein Adjutant für ihn brachte, als er selber mächtig Appetit verspürte.
Darum stieg er langsam zum Eingang hinaus und sagte zur Holzwespe, die auf ihn gewartet hatte:
»Liebe Freundin, ich finde keine Worte, um dir für das schöne Haus zu danken, das du mir verschafft hast.«
»Was fällt dir ein!« antwortete diese. »Ich bleibe doch stets deine Schuldnerin; wenn du noch etwas brauchen solltest, sage es ohne Umstände.«
»Für jetzt vielen Dank«, sprach Max; »jedoch hoffe ich, daß du mich oft besuchst und wir uns dann stets gut zusammen unterhalten.«
Bei diesen Worten reichte er ihr zum Abschied sein rechtes Vorderbeinchen und begann den Abstieg am Eichenstamm. Die Wespe flog davon. Als unser Held am Erdboden angelangt war, lief er hierhin und dorthin, um etwas Eßbares zu suchen. Schon nach kurzer Zeit stieß er auf eine geplatzte, reife Pflaume, deren zuckersüßes Fleisch in der Sonne so appetitlich glänzte, daß ihm das Wasser im Munde zusammenlief.
Aber Max, dies Lob muß man ihm lassen, dachte nicht daran, zu verkosten.
Er nahm eine tüchtige Portion, drehte daraus ein Kügelchen, belud sich damit, lief seine Straße zurück, die Eiche hinan und trug es in das allerletzte Zimmer, wo Großzang immer noch kauerte und nicht einmal mehr die Kraft hatte, zu gähnen!
»Frischen Mut!« rief er ihm zu und legte die Gottesgabe neben ihn. »Der kaiserliche Hof ist noch imstande, dich mit Götterspeise zu nähren!«
Bei dem Wort Götterspeise hüpfte der Adjutant hoch auf, warf sich über die süße Pille her und aß mit einer solchen Gier, daß er gar nicht daran dachte, »Danke« zu sagen. Max stieg gleich wieder hinab zur Pflaume, sättigte sich dort und sprach dazu für sich:
»Das hatte ich wahrhaft selber nötig!«
Als er mit seiner Mahlzeit zu Ende war, drehte er eine zweite Kugel und wollte sie eben heimtragen, als er Großzang eilends daherkommen sah.
»Warte!« sagte der Adjutant, »ich nehme noch einen Bissen, und dann trage auch ich eine Kugel heim.«
Nachdem er tüchtig gegessen hatte, sprach er mit leuchtenden Augen:
»So, nun kannst du mich bis ans Ende der Welt befehlen, und ich werde dir folgen.«
Dabei fertigte er eine große Pille vom Pflaumenfleisch und folgte Max. Auf solche Weise machten die beiden noch manchen Gang. Kaiser Butziwackel überzeugte sich dabei, daß es in der Welt für alle genug zu essen gibt, aber man muß fleißig suchen und es sich verdienen. Nur im Schlaraffenland fliegen den Faulenzern die gebratenen Tauben in den Mund. Als der Tag zu Ende ging, waren alle Zimmer voll Kügelchen, und von der geplatzten Pflaume lag nur noch der ungenießbare Kern auf der Erde.