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Es fühlte Kaiser Konrad sich als Sterbenden,
Und seinen Bruder Eberhard berief er schnell
Und sprach zu ihm vertrauensvollen leisen Klangs:
»Du siehst des deutschen Königs Macht gebrochen jetzt,
Bleischwer sinkt mir das Auge, nimm den letzten Gruß.
Dein Wohl, das Wohl des Volkes liegt am Herzen mir.
Heermächtig ist der Franke, städt- und waffenreich,
All was erhebt des Königs Prunk, errangen wir;
Nur Eins, das Glück bewußter Stärke, mangelt uns.
Dies hohe Gut, wol aller Schätze bester Schatz,
Nennt sein der Sachsenherzog Heinrich wunderbar.
Ruh' gönnt er nur dem Schwerte, wenn der Gegner ruht.
Jahrlanger Feind mir, nenne sterbend ich ihn Freund.
Auf ihm beruht des deutschen Reiches goldne Zeit,
Nimm denn der Königswürde mir vertrautes Pfand,
Nimm Krone, Schwert und Mantel jenes großen Karl,
Geh hin zum Sachsenherzog, reich' sie meldend ihm:
Mein letzter Hauch sei Segen dem erprobten Feind!«
Der Kaiser schwieg, sein Auge schloß sich lebensmüd';
Doch Eberhard, der hohen Sendung eingedenk,
Ritt nach des tapfern Sachsenherzogs Burg im Harz.
Der Herr des Elbelandes saß im grünen Busch
Und lockte listig Finken an den Vogelherd,
Als sich verneigend Konrad's Bruder meldete.
Entgegen tritt neugierig forschend Heinrich ihm,
Doch dieser kniet, darreichend die Insignien,
Vor Heinrich und verkündet ihm des Todten Gruß.
Betroffen starrt der Herzog wie ein Bild von Stein;
Dann übermannt von wehmuthsvollem Dankgefühl
Drückt er dem hohen Boten stumm, doch heiß die Hand,
Und eine helle Thräne perlt im blauen Aug',
Drin sich des Himmels schönstes Kleinod spiegelte.