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Erstes Buch

 


Erstes Kapitel

In dem bekannten Londoner Stadtviertel St. George, das zwischen Piccadilly und Curzon Street liegt, befindet sich ein eigentümlicher kleiner Bezirk, der aus einem Gewirr kleiner Straßen und aus einem sich vielfach verzweigenden Komplex von Stallungen besteht. Wer in dieser Gegend eine Besorgung zu machen hat, dem kann es leicht passieren, daß er in eine Sackgasse gerät, und mitunter mag ihn der Weg sogar auf einen kleinen offenen Platz führen. Wenn irgend jemand aber bei diesen versteckten Wohnsitzen der niederen Klassen an Elend und Verbrechen denken sollte, so würde er sich sehr irren, denn nie wird ein Mensch in diesem Distrikte sein Mitleid in Anspruch nehmen oder auch nur seinen gut bürgerlichen Geschmack stören. Alles ist überaus anständig in diesen Straßen und es herrscht hier beinahe dieselbe Ruhe wie in den goldstrotzenden Salons der benachbarten Paläste. Auf jeden Fall passieren hier nur wenig Verbrechen, wenn auch vielleicht die Korruption, die hier herrscht, der in den großen Palästen ebenbürtig sein dürfte.

Aber wie gesagt: Kein unangenehmer Anblick oder Ton wird hier Auge und Ohr des zartbesaitetsten und empfindlichsten Besuchers verletzen. Selbst wenn zufällig ein Fluch vom Stalle herauf in die Wohnung des französischen Koches erschallen sollte, so ist es immer einer nach der letzten Mode, und seine Antwort wird, wenn vielleicht nicht ebenso gewählt, doch in der Sprache der gebildetsten Nation wieder herunterfliegen. Beim Derby werden hier einige Wetten abgeschlossen, man interessiert sich auch ein wenig für das Rennen von Goodwood, zu dem von hier regelmäßig einige Liebhaber pilgern, man spielt auch ein bißchen, lebt sehr gut und hat einige noble und ausgesuchte Passionen – das ist aber auch alles.

Ein Polizist würde es sich ebensowenig einfallen lassen, in diesen ruhigen Straßen auf Missetäter zu fahnden, als es ihm in den Sinn kommen würde, ein Haus in Park Lane oder Berkeley Square zu betreten. Denn hier wohnen die Frauen von Hausverwaltern und Kellermeistern in Wohnungen, die von den ehrlichen Ersparnissen ihrer Ehemänner möbliert und teilweise zur Erhöhung des Einkommens an andere weitervermietet sind; hier wohnen pensionierte Diener, die etwas zurückgelegt haben und die jetzt nur noch hier und da bei größeren Diners zur Aushilfe ihre Geschicklichkeit wieder glänzen lassen, was in ihnen stets eine angenehme Erinnerung an die große Welt von ehedem wachzurufen pflegt. Hier wohnen der Kutscher des Herzogs und der Groom des Lords, der gleichzeitig Buchmacher ist und von Zeit zu Zeit waghalsige oder unerfahrene Bediente prellt, die auf seines Herrn Pferde gesetzt haben. Aber vor allem haben die Küchenchefs in diesem Distrikt ihren eleganten Wohnsitz aufgeschlagen, über dem ganzen Viertel liegt etwas wie Ruhe und Heiterkeit, etwas wie unterdrückte Gefühle und erschöpfte Leidenschaft, was man aber ja nicht mit Langeweile oder Verdrossenheit verwechseln darf.

Wenn man vom Buckingham Palast, vom lebenssprudelnden Piccadilly, vom lebhaften Green-Park mit seinen terrassengeschmückten Häusern, seinen glänzenden Karossen, berittenen Kavalieren und seinen Haufen von Spaziergängern in dieses soeben erwähnte Viertel einbiegt, so ist der Eindruck zunächst ein fast magischer. Kein Wagen, kein Reiter, kaum eine lebende Seele: es kommt einem wie ein plötzlicher Zusammenbruch all des weltstädtischen Getriebes vor, es kommt einem vor, als ob plötzlich alles, wie durch eine Pest erschreckt, sich verkrochen hätte oder als ob man hier befürchtete, ein rachsüchtiger Feind würde in eine besiegte Hauptstadt einmarschieren. Wenn man vom Hyde Park und durch Curzon Street herkommt, so ist die Wirkung eine ganz andere denn über dem großen öffentlichen Garten liegt noch etwas wie eine arkadische Stille. Hier sind Wälder und Wässer, und man hat dort mitunter noch die Illusion einer unbegrenzten Ausdehnung von Feld und Bäumen. Unser Geist ergeht sich in zarten Erinnerungen, wenn wir seine wiesenartigen Gründe durchschreiten und dann, ihn verlassend, in die Stanhope Street einbiegen und jenes Hauses ansichtig werden, das, wie der große Lord Chesterfield uns in einem seiner Briefe erzählte, er damals »mitten auf dem Felde« errichtet hat. Die Raben krächzen in seinen Gärten übrigens noch heute und Curzon Street selber, die nach einem langweilig gewundenen Laufe in den Garten eines anderen Palastes mündet, stört die ländliche Wirkung des Bildes durchaus nicht.

In der Nacht aber lebt jenes Quartier, von dem wir sprechen, plötzlich auf. Die Lebensweise seiner Bewohner nämlich wird durch die ihrer Herrschaften bestimmt. Man bleibt lange auf. Gesellschaften und Bälle führen sie in jenen Morgenstunden zu ihren Häusern zurück, in denen gewöhnliche Handelsleute vom Schlummer sich zu erheben anschicken und schon wieder die Jalousien ihrer Fenster hochzuziehen pflegen. Nächtlicherweile saust an den vielen Ecken dieses Straßengewirrs die Equipage vorbei und die Tore der Stallungen speien um diese Zeit ganze Legionen von Broughams aus. Um diese Zeit macht sich vielleicht auch irgend ein Bedienter die Abwesenheit seiner Herrschaft in Holdernesse oder im Lansdowne-Hause zunutze, rechnet darauf, daß der Fackelträger ihn nötigenfalls vertreten wird, und schleicht in seinen Klub, fliegt ein paar Zeitungen durch, versucht sein Glück im Würfelspiel oder klatscht über seine Herrschaften. Die Läden in diesem Distrikt, die natürlich ihre Kunden nur unter dessen Bewohnern haben und deren Besitzer oft ihre Verwandten sind, passen sich selbstverständlich den Gewohnheiten ihrer Umgebung an und sind gewöhnlich am besuchtesten, wenn die Läden anderer Stadtviertel schon längst geschlossen sind.

An einem sonnigen Nachmittage des Monats März ging ein junger, hagerer, übermittelgroßer Mann, mit langem, braunem Haare, nachdenklichem, doch nicht unvornehmem Gesichte, das ein Schnurr- und Kinnbart zierte, durch dieses Stadtviertel von Mayfair. Vor einem Hause der Carrington Street hielt er an und klopfte. Sein Äußeres und sein Kostüm verrieten den Künstler, denn er trug ein Paar grüne Hosen, die an den Seiten einen schwarzen Streifen Besatz hatten, sie waren oben ziemlich weit, unten wurden sie enger und fielen mit großer Eleganz über einen gut geformten, in französischen Lackschuhen steckenden Fuß. Seine Weste war aus kastanienfarbenem Samt, auf ihr spielte eine stählerne Uhrkette bester Arbeit, dazu trug er eine schwarze Satinkrawatte mit einer Korallennadel darin. Sein hellblauer Überrock war mit demselben Besatz wie die Hosen versehen. Als der Türklopfer aus seiner gelbbehandschuhten Rechten fiel, nahm er seinen Hut ab, fuhr mit seinen Fingern schnell durch sein lockiges Haupthaar, dann bedeckte er sich wieder, wobei der Hut etwas auf die eine Seite geriet.

»Oh, Mr. Leander, Sie sind's«, sagte ein hübsches Mädchen, das die Tür öffnete und errötete.

»Und wie geht es dem guten Papa, Eugenie? Ist er zu Hause? Ich möchte ihn gerne sprechen.«

»Kommen Sie sofort mit mir herauf, Mr. Leander, er wird sich sehr freuen, Sie begrüßen zu können. Wir haben schon lange auf ein Lebenszeichen von Ihnen gewartet,« fügte sie hinzu, während sie ihren Gast die enge Treppe hinaufführte. »Der gute Papa hat etwas Schnupfen – hoffentlich hat es nichts zu bedeuten; er hat ihn sich bei Sir Wallingers großem Diner geholt; man wollte durchaus die Küchenfenster offen haben, und das hat alle Entrees verdorben und Papa kriegte den Schnupfen obendrein; aber das wäre noch nicht das Schlimmste gewesen – aus dem Schnupfen macht er sich nichts –, aber, Sie wissen, wenn etwas mit den Entrees schief geht –«

»Er hat eben die Empfindlichkeit, die große Künstler haben müssen,« sagte Leander, ihr ins Wort fallend. »Es ist mir aber fast angenehm, daß er augenblicklich an sein Zimmer gefesselt ist, denn ich muß ihn dringend sprechen. Erst heute morgen bin ich von Mr. Coningsby auf Hellingsley zurückgekommen: das Haus ist voll, vierzig Gedecke jeden Tag, und einige Leute dabei, die etwas vom Essen verstehen. Man arbeitet ja gerne, wenn man dafür seine Anerkennung findet,« sagte Leander, »aber ich habe doch etwas ausgestanden. Einer meiner Küchenjungen hat mich schwer enttäuscht; ich dachte, der Bengel wäre ein Genie, aber am dritten Tage verlor er seinen Kopf und war es nicht – – Ah, Papa!« rief er aus, als die Tür sich öffnete und er eines behäbigen, in einem Lehnstuhl sitzenden Mannes ansichtig wurde, der neben sich ein Glas Zuckerwasser stehen hatte und im Schlafrock und weißleinener Nachtkappe eine französische Zeitung las.

»Ah, du bist es, liebes Kind,« sagte Papa Prevost. »Du siehst, ich bin Patient; Eugenie hat es dir wohl gesagt; hatte ein Diner bei einem Bankier – es zog schrecklich – alles verdorben – ich auch –«, hier seufzte Papa Prevost auf und nippte von seiner eau sucrée.

»Wir haben alle unsere kleinen Unannehmlichkeiten,« sagte Leander tröstend, »aber wir wollen jetzt nicht davon sprechen. Ich bin soeben vom Lande gekommen; Daubuz hat mir zweimal geschrieben; gestern abend war er sogar bei mir und heute morgen stand er wieder vor meiner Tür. Es schwebt etwas in der Luft. Der Sohn des Herzogs von Bellamont wird Ostern majorenn – es wird eine Affäre, so großartig wie ›Tausend und eine Nacht‹ werden; die ganze Grafschaft soll dazu eingeladen werden. Camacho mit seinem gewöhnlichen Hochzeitsapparat ist gut genug für die Bauern: geröstete Ochsen und ein Kapaun auf jedem Teller – dazu einige Fontänen mit Ale und gutem Porter. Unsere Küchenjungen können weiterhin mit Leichtigkeit die Provinzedelleute zufriedenstellen, aber ins Schloß selbst ist eine hochfeine Gesellschaft eingeladen, echte Prinzen, hohe Verwandte und Granden vom Goldenen Vlies und was sonst noch. Der herzogliche Koch kann da mit seiner Kunst unmöglich genügen: er ist ein Chef, der zu sehr an der Tradition klebt und der heute noch Diners gibt, wie man sie zur Zeit der Kontinentalsperre kochte. Die Herrschaft hat darum an Daubuz geschrieben, er sollte ihnen den ersten Künstler unseres Zeitalters engagieren,« sagte Leander, »und«, fügte er unter einigem Zögern hinzu, »Daubuz hat an mich geschrieben.«

»Und er hat recht getan, mein Junge,« sagte Prevost, »denn in ganz Europa kommt dir keiner gleich. Was sagen die Leute? Abreu's Saucen hätten ebensoviel Charakter wie die deinen, und Gaillard's neue Erfindungen stünden den deinigen ebenfalls nicht nach. Aber wer vereinigt charaktervolle und phantasiereiche Küche in einer Person? Nur du, Leander, darüber kann gar kein Zweifel sein: nur du, der du erst fünfundzwanzig Jahre alt und doch schon der erste Chef unseres Zeitalters bist.«

»Sie sind immer sehr gut gegen mich gewesen«, sagte Leander und verbeugte sich mit großer Achtung, »und ich bin dem Geschicke dankbar, denn ich weiß wohl, daß zugleich jung und berühmt zu sein, eigentlich nur den Göttern gegeben ist. Aber ich darf niemals außer acht lassen, daß ich einen Vorteil vor Abreu und Gaillard hatte, nämlich den, Ihr Schüler gewesen zu sein.«

»Ich hoffe, es hat dir nichts geschadet«, sagte Papa Prevost und sein Gesicht strahlte vor Selbstzufriedenheit. »Was du von mir gelernt hast, kam wenigstens aus einer guten Schule. Es will etwas sagen, unter Napoleon gedient zu haben,« fügte Prevost mit der großen Gebärde eines ehemaligen kaiserlichen Küchenchefs hinzu. »Wäre Waterloo nicht gekommen, ich würde mit dem Kreuze dekoriert worden sein. Aber die Bourbonen und die Köche des Kaiserreichs haben miteinander nie auskommen können. Sie brachten einen Emigrantenchef mit sich zurück, der den Zeitgeist gar nicht mehr verstand. Er wollte alles wieder auf die Zeit des œil de bœuf zurückschrauben. Als der zurückgekehrte König meine Suppe à la Austerlitz unberührt vorübergehen ließ, da wußte ich, daß diese alte Familie sich nicht lange halten könnte. Aber wir verschwatzen die Zeit. Du wolltest mich um einen Rat fragen.«

»Ich will nicht allein Ihren Rat, sondern auch Ihre Hilfe. Diese Sache mit dem Herzog von Bellamont wird unsere ganze Energie in Anspruch nehmen. Ich hoffe dringend, daß Sie mich begleiten können: wir müssen wirklich alle Mann auf Deck bringen. Leider fehlt es in unserer Kunst nicht nur an Genies, sondern selbst an guten Mittelmäßigkeiten. Es geht mit uns Köchen wie mit den Ingenieuren: seitdem die Mittelklasse auch Diners gibt, ist die Nachfrage stärker als das Angebot.«

»Und Andrien?« fragte Papa Prevost, »auf den könntest du doch rechnen.«

»Er ist zu jung; ich nahm ihn mit nach Hellingsley, aber er verlor am dritten Tage seinen Kopf. Ich ließ ihn die soufflées machen, aber mußte schließlich persönlich eingreifen; denn ohne meine Hilfe wäre alles verloren gewesen. Es war eine Affäre wie die an der Brücke von Arcole.«

»Ah! mon Dieu! das sind Augenblicke!« rief Prevost. »Gaillard und Abreu sind wohl zu stolz, eine Stelle unter deinem Oberbefehl anzunehmen, wie? Und wenn sie es täten, so könnte man ihnen doch nicht trauen. Sie würden dich in letzter Stunde im Stiche lassen.«

»Ich brauche Divisionskommandeure und keine kommandierenden Generäle. Abreu ist ein bon garçon, aber er hat eine Stelle bei Herrn von Sidonia angenommen und darf sich nicht anderswohin engagieren lassen.«

»Bei Herrn von Sidonia! Daran hast du selbst schon gedacht, Leander. Und wieviel bekommt er?«

»Nicht zu viel; vierhundert Pfund und ein paar Nebeneinkünfte. So etwas würde mir nicht passen, ganz abgesehen davon, daß ich keine Stelle, außer bei einem gekrönten Haupte, annehme. Aber Abreu reist gern und man hat ihm einen eigenen Wagen zur Verfügung gestellt, worauf er sehr stolz ist.«

»Und Philippon und Dumoreau,« sagte Prevost, »das sind doch sichere Leute.«

»Ich habe schon an sie gedacht,« sagte Leander, »sie sind sicher, aber nur unter Ihrer Führung. Und dann wäre auch noch der Engländer da, Smith, er ist Chef bei Sir Stanley, aber sein Herr ist augenblicklich weg. Er hat Talent.«

»Du und vier Chefs mit euren Küchenjungen – das würde doch genügen.«

»Für die Küche, ja,« sagte Leander, »aber wer soll die Tafel herrichten?«

»A–h!« rief Papa Prevost und schüttelte seinen Kopf.

»Daubuz' rechte Hand, Trenton, ist der einzige Mann, zu dem ich Vertrauen haben würde, aber es fehlt ihm an Phantasie, obgleich er einen schwungvollen und kühnen Stil besitzt. Neulich, in Hellingsley, hat er eine Pyramide aus Ananas und Trauben gemacht – großartig und mit sorgfältigster Beobachtung der architektonischen Linien. Aber Trenton hat ein Eisenbahnunglück gehabt und ist nicht unbedeutend verletzt worden. Selbst wenn er wieder besser werden sollte, so könnte doch seine Hand noch zittern, so daß ich mich auf ihn nicht absolut verlassen könnte.«

»Vielleicht findest du irgend jemand Passenden beim Herzog selber?«

»Unmöglich!« sagte Leander. »Ich habe es mir zum Prinzip gemacht, daß der Leiter jeder Abteilung von mir selber engagiert sein muß. Für die Konditorei nehme ich Pellerini mit. Wie oft habe ich es nicht schon erlebt, daß der Effekt eines erstklassigen Diners durch ein vulgäres Dessert vollkommen verdorben ward! Eins z. B., das schlecht auf den Tisch placiert oder in Atrappen serviert war, die man in Geschäften gekauft hatte. Oder chinesische Pagoden oder römische Triumphbogen und weiß Gott, was sonst noch! Ja, ich habe einsame Ananasfrüchte mit Birnen herumgarniert auf flachen Tellern herumstehen gesehen, als ob man vor dem Schaufenster eines Covent Garden-Fruchthändlers stände! Pfui! Pfui!«

»Ah, es ist entsetzlich, was halbgebildete Leute sich heute erdreisten,« sagte Prevost. »Die Herrichtung der Tafel lag einem besonderen Departement in der kaiserlichen Küche ob.«

»Dazu ist ein erstklassiger Künstler erforderlich,« sagte Leander. »Ich kenne nur einen Mann, der das leisten könnte, was ich verlangte, und der ist in St. Petersburg. Sie kennen Anastase nicht? Das ist ein Kerl! Aber der Zar hält ihn fest. Auch kann er sich nicht beklagen, da er dekoriert ist und den Rang eines richtigen Obersten hat.«

»Ah!« sagte Prevost mit trauriger Stimme, »so ehrt man leider den Genius in diesem Lande nicht. Was hältst du von Vanesse, mein Junge? Er hat eine gründliche Ausbildung genossen.«

»In einer schlechten Schule; aber als ein › pis aller‹ könnte man ihn sich vielleicht gefallen lassen. Aber seine ewigen Bonbonreihen! Das steht regungslos da wie ein Regiment Soldaten in Parade! Als ob es sich um ein Karnevalsouper handelte und meine Gäste sich nachher damit gegenseitig anknallen wollten! Nein, ich kann Vanesse nicht ausstehen, Papa.«

»Das Herrichten der Tafel – ja, das ist ein seltenes Talent,« sagte Prevost mit ernster Stimme, »das war schon immer ein kitzlicher Punkt. In der kaiserlichen Küche –«

»Papa,« sagte Eugenie, indem sie den Kopf zur Tür hineinsteckte, »Monsieur Vanillette ist da – er kommt soeben aus Brüssel. Er hat dir einen Korb mit Trüffeln aus den Ardennen mitgebracht. Ich sagte ihm, du wärest beschäftigt und er sollte abends wiederkommen.«

»Vanillette,« rief Prevost und erhob sich von seinem Lehnstuhl, »unser kleiner Vanillette! Das ist der Mann für dich, Leander. Er war mein erster Schüler und du, mein Junge, mein letzter. Laß den kleinen Vanillette sofort heraufkommen, Eugenie. Er steht im Dienste des Königs Leopold, und sein forte ist gerade das Anrichten der Tafel!«


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