F. M. Dostojewskij
Der Jüngling
F. M. Dostojewskij

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III

Er war immer noch derselbe: er trug ebenso stutzerhafte Kleidung, drückte die Brust ebenso heraus, sah einem ebenso in die Augen, bildete sich noch ebenso ein, wunder wie schlau zu sein, und war mit sich selbst sehr zufrieden. Aber diesmal schaute er beim Eintritt in einer ganz eigentümlichen Weise um sich; etwas besonders Vorsichtiges, Spähendes lag in seinem Blick, als wollte er aus unseren Gesichtern etwas erraten. Indessen beruhigte er sich schnell wieder, und ein selbstbewußtes Lächeln leuchtete auf seinen Lippen auf, jenes »verzeihlich freche« Lächeln, das mir aber doch unaussprechlich zuwider war.

Ich wußte schon längst, daß er den Fürsten sehr peinigte. Er war schon ein- oder zweimal in meiner Anwesenheit zu ihm gekommen. Ich ... ich hatte ebenfalls in diesem letzten Monat mit ihm zu tun gehabt, aber diesmal war ich aus einem besonderen Grund über sein Kommen einigermaßen erstaunt.

»Gleich!« sagte der Fürst zu ihm, ohne ihn zu begrüßen, drehte ihm den Rücken zu und begann, aus dem Schreibpult die erforderlichen Papiere und Rechnungen herauszunehmen. Was mich betrifft, so fühlte ich mich durch die letzten Worte des Fürsten entschieden beleidigt; die Anspielung auf Wersilows Unehrenhaftigkeit war so deutlich (und so erstaunlich!), daß ich nicht weggehen konnte, ehe die Sache nicht vollständig aufgeklärt war. Aber in Stebelkows Gegenwart war eine Auseinandersetzung unmöglich. Ich warf mich wieder auf das Sofa hin und schlug ein vor mir liegendes Buch auf.

»Belinskij, zweiter Teil! Das ist ja etwas ganz Neues: Sie wollen sich bilden?« rief ich dem Fürsten zu; mein Ton mochte wohl sehr gekünstelt klingen.

Er war sehr beschäftigt und hatte es eilig, aber auf meine Worte hin wandte er sich plötzlich um:

»Ich bitte Sie, lassen Sie das Buch liegen!« sagte er scharf.

Das ging nun doch zu weit, und besonders in Stebelkows Gegenwart! Zu meiner Empörung grinste Stebelkow auch noch in seiner listigen, widerwärtigen Weise und deutete mir verstohlen mit einer Kopfbewegung nach dem Fürsten hin. Ich wandte mich von dem dummen Menschen ab.

»Ärgern Sie sich nicht, Fürst«, sagte ich, »ich trete Sie der Hauptperson ab und mache mich unterdessen ganz klein ...«

Ich hatte mich für ein zwangloses Benehmen entschieden. »Die Hauptperson, das soll wohl ich sein?« fing Stebelkow meine Bemerkung auf und zeigte vergnügt mit dem Finger auf sich.

»Jawohl, Sie; Sie sind in der Tat die Hauptperson und wissen das auch selbst!«

»Nein, erlauben Sie! Es gibt in der Welt überall eine zweite Person. Ich bin eine solche zweite Person. Es gibt eine erste Person, und es gibt eine zweite Person. Die erste Person handelt, und die zweite Person nimmt. Dadurch wird die zweite Person die erste und die erste Person die zweite. Ist's nicht so?«

»Vielleicht ist es so; nur verstehe ich Sie wie gewöhnlich nicht.«

»Erlauben Sie! In Frankreich war die Revolution, und alles wurde geköpft. Da kam Napoleon und nahm alles. Die Revolution war die erste Person und Napoleon die zweite Person. Und das Resultat war, daß Napoleon die erste Person wurde und die Revolution die zweite. Ist's nicht so?«

Ich bemerke beiläufig: darin, daß er mir gegenüber von der Französischen Revolution zu reden anfing, erblickte ich ein Beispiel seiner schon oft bewiesenen Schlauheit, die mich immer sehr amüsierte: er betrachtete mich immer noch als einen Revolutionär und hielt es jedesmal, wenn er mit mir zusammenkam, für nötig, von irgend etwas Derartigem zu reden.

»Kommen Sie!« sagte der Fürst. Sie gingen beide in ein anderes Zimmer. Als ich allein geblieben war, beschloß ich endgültig, ihm seine dreihundert Rubel zurückzugeben, sobald Stebelkow weggegangen sein würde. Ich hatte dieses Geld äußerst nötig, faßte aber dennoch diesen Entschluß.

Sie blieben dort ungefähr zehn Minuten lang, ohne daß etwas zu hören gewesen wäre; dann aber fingen sie auf einmal an, laut zu reden. Sie sprachen beide zugleich, aber der Fürst begann plötzlich, in starker, bis zur Wut gesteigerter Erregung zu schreien. Er war überhaupt manchmal sehr auffahrend, so daß auch ich hatte Nachsicht üben müssen. Aber gerade in diesem Augenblick trat ein Diener herein, um jemand anzumelden; ich wies ihn nach dem Zimmer, wo sie waren, und dort wurde es augenblicklich ganz still. Der Fürst kam schnell heraus, mit sorgenvollem Gesicht, aber doch mit einem Lächeln; der Diener lief hinaus, und eine halbe Minute darauf trat der Gast des Fürsten ins Zimmer.

Es war dies ein sehr vornehmer Gast, mit Achselschnüren und Monogramm, ein Herr von nicht mehr als dreißig Jahren; sein Äußeres zeigte, daß er zur vornehmsten Gesellschaft gehörte, und hatte zugleich etwas Ernstes, Gemessenes. Ich möchte den Leser darauf aufmerksam machen, daß Fürst Sergej Petrowitsch immer noch nicht richtig zur höchsten Petersburger Gesellschaft gehörte, obwohl er das leidenschaftlich wünschte (dieser sein Wunsch war mir bekannt), und daß er daher auf diesen Besuch den höchsten Wert legen mußte. Diese Bekanntschaft anzuknüpfen war, wie ich wußte, dem Fürsten erst kürzlich nach vielen Bemühungen seinerseits gelungen; der Gast machte jetzt seine Visite, aber unglücklicherweise zu einer Zeit, wo es dem Fürsten sehr ungelegen kam. Ich sah, mit welcher Qual und mit was für einem ratlosen Blick der Fürst sich einen Augenblick nach Stebelkow umwandte; aber Stebelkow hielt diesen Blick aus, als sei nichts geschehen, und dachte gar nicht daran, sich in den Hintergrund zurückzuziehen, sondern setzte sich ungeniert auf das Sofa und fuhr sich mit der Hand in die Haare, wahrscheinlich um seine Unbekümmertheit zu zeigen. Er machte sogar eine wichtige Miene; kurz, er war geradezu unmöglich. Was mich betrifft, so verstand ich natürlich auch damals schon, mich zu benehmen, und hätte gewiß niemandem Schande gemacht, aber wie groß war mein Erstaunen, als ich denselben fassungslosen, kläglichen, ingrimmigen Blick des Fürsten auch auf mich gerichtet sah: er schämte sich also wegen uns beiden und stellte mich mit Stebelkow auf gleiche Stufe. Dieser Gedanke machte mich wütend; ich streckte mich auf dem Sofa noch bequemer aus und begann in einem Buch zu blättern, wobei ich ein Gesicht machte, als kümmerte ich mich um alles andere nicht im geringsten. Stebelkow dagegen riß die Augen auf, beugte sich vor und hörte dem Gespräch der beiden aufmerksam zu, wahrscheinlich in dem Glauben, daß das höflich und liebenswürdig sei. Der Gast blickte ein paarmal nach Stebelkow hin; nach mir übrigens auch.

Sie sprachen von Familienneuigkeiten; dieser Herr hatte früher einmal die Mutter des Fürsten gekannt, die aus einer vornehmen Familie stammte. Soviel ich wahrnehmen konnte, war der Gast trotz seines liebenswürdigen Benehmens und der scheinbaren Offenherzigkeit seines Tones doch sehr affektiert und hatte natürlich von sich eine so hohe Meinung, daß er seinen Besuch als eine große Ehre für einen jeden, wer es auch sein mochte, betrachtete. Wäre der Fürst allein gewesen, das heißt ohne uns, so würde er – davon bin ich überzeugt – sich würdevoller und geschickter benommen haben; so aber verrieten ein besonderes Zucken in seinem vielleicht gar zu liebenswürdigen Lächeln und eine gewisse sonderbare Zerstreutheit, was in seinem Innern vorging.

Sie hatten noch nicht fünf Minuten gesessen, als noch ein Besuch gemeldet wurde und unglücklicherweise wieder ein kompromittierender. Diesen Herrn kannte ich gut und hatte von ihm schon viel gehört, obgleich er mich gar nicht kannte. Es war ein noch sehr junger Mensch – übrigens war er doch schon etwa dreiundzwanzig Jahre alt –, vortrefflich gekleidet, aus guter Familie und von schönem Äußern; aber – er gehörte zweifellos zur schlechten Gesellschaft. Im Jahre vorher war er noch Offizier in einem der vornehmsten Gardekavallerie-Regimenter gewesen, aber er war genötigt worden, selbst um den Abschied einzukommen, und alle wußten, aus welchen Gründen. Seine Verwandten hatten sogar in den Zeitungen eine Bekanntmachung erlassen, daß sie für seine Schulden nicht aufkämen, aber er setzte sein ausschweifendes Leben immer noch fort, indem er sich Geld zu zehn Prozent monatlich verschaffte, in den Spielgesellschaften rasend spielte und für eine bekannte kleine Französin große Summen verschwendete. Die Sache war die, daß er vor einer Woche das Glück gehabt hatte, an einem Abend zwölftausend Rubel zu gewinnen, und nun triumphierte. Mit dem Fürsten stand er auf freundschaftlichem Fuß: sie spielten häufig zusammen auf gemeinsame Rechnung; aber der Fürst zuckte ordentlich zusammen, als er ihn erblickte, ich bemerkte das von meinem Platz aus. Denn dieser junge Mann benahm sich überall, als wäre er bei sich zu Hause, redete, ohne sich irgendwie zu genieren, laut und lustig, was ihm in den Sinn kam, und natürlich konnte er gar nicht auf den Gedanken kommen, daß unser Wirt wegen der Bekanntschaft mit ihm so vor seinem vornehmen Gast zitterte.

Sowie er eingetreten war, unterbrach er das Gespräch der beiden und begann sogleich von dem Spiel des vorhergehenden Tages zu erzählen, sogar noch ehe er sich gesetzt hatte.

»Sie waren ja wohl auch da?« wandte er sich gleich beim dritten Satz, den er sprach, an den vornehmen Gast, den er für einen seiner Spielkumpane hielt; indes aber bemerkte er seinen Irrtum sofort und rief: »Ach, entschuldigen Sie, ich glaubte, Sie wären einer der Herren von gestern!«

»Alexej Wladimirowitsch Darsan, Ippolit Alexandrowitsch Naschtschokin«, beeilte sich der Fürst die beiden einander vorzustellen. Diesen jungen Mann konnte man doch wenigstens vorstellen, da er aus einer guten, bekannten Familie war, uns aber hatte er vorher nicht vorgestellt, und wir saßen immer noch in unsern Winkeln. Ich wollte durchaus nicht den Kopf zu ihnen hindrehen, aber Stebelkow fing beim Anblick des jungen Mannes erfreut zu grinsen an und drohte offenbar, sich an dem Gespräch zu beteiligen. Alles das begann mich sogar zu amüsieren.

»Ich habe Sie im vorigen Jahr oft bei der Gräfin Werigina getroffen«, sagte Darsan.

»Ich entsinne mich Ihrer, aber Sie waren damals Offizier, glaube ich«, antwortete Naschtschokin freundlich.

»Ja, ich war Offizier, aber dank ... Ah, Stebelkow ist auch hier? Wie kommt der hierher? Sehen Sie, gerade den Herren von dieser Sorte habe ich es zu verdanken, daß ich nicht mehr Offizier bin.« Er zeigte geradezu mit dem Finger auf Stebelkow und lachte laut. Auch Stebelkow lachte vergnügt mit, da er Darsans Worte wahrscheinlich als Liebenswürdigkeit auffaßte. Der Fürst errötete und wandte sich schnell mit einer Frage an Naschtschokin; Darsan aber ging zu Stebelkow hin und sprach mit ihm über irgend etwas sehr eifrig, aber nur halblaut.

»Sie haben ja wohl im Ausland Katerina Nikolajewna Achmakowa sehr gut gekannt?« fragte der Gast den Fürsten.

»O ja, ich habe sie gekannt ...«

»Es scheint, daß sich da bald etwas Neues ereignen wird. Man sagt, sie werde den Baron Bjoring heiraten.«

»Das ist richtig!« rief Darsan.

»Sie ... wissen das zuverlässig?« fragte der Fürst Herrn Naschtschokin; er befand sich in sichtlicher Erregung und legte auf seine Frage einen besonderen Nachdruck.

»Ich habe es gehört; ich glaube, es wird schon allgemein darüber gesprochen; bestimmt weiß ich es übrigens nicht.«

»Oh, es ist sicher!« sagte Darsan, zu ihnen tretend. »Mir hat es gestern Dubassow gesagt, und der weiß solche Neuigkeiten immer zuerst. Aber auch der Fürst müßte es eigentlich schon wissen ...«

Naschtschokin ließ Darsan zu Ende sprechen und wandte sich dann wieder zum Fürsten:

»Man sieht sie in der letzten Zeit nur selten in der Gesellschaft.«

»Im letzten Monat war ihr Vater krank«, bemerkte der Fürst in etwas trockenem Ton.

»Diese Dame hat ja, wie es heißt, eine bewegte Vergangenheit!« platzte Darsan heraus.

Ich hob den Kopf in die Höhe und richtete mich auf.

»Ich habe das Vergnügen, Katerina Nikolajewna persönlich zu kennen, und halte es für meine Pflicht, zu erklären, daß alle jene skandalösen Gerüchte nichts als Lüge und schmähliche Verleumdung sind ... ersonnen von denjenigen ... die sich um sie bemüht haben, ohne ihr Ziel zu erreichen.«

Nach diesem dummen, hitzigen Einwurf schwieg ich und blickte hochaufgerichtet immer noch alle Anwesenden mit glühendem Gesicht an. Alle hatten sich zu mir hingewendet, aber auf einmal fing Stebelkow an zu kichern; auch der überraschte Darsan grinste.

»Arkadij Makarowitsch Dolgorukij«, stellte der Fürst mich dem letzteren vor.

»Ach, Sie können es mir glauben, Fürst«, wandte sich Darsan in natürlichem, gutmütigem Ton an mich, »ich sage das nicht als eigene Behauptung; wenn es solche Gerüchte gegeben hat, so habe jedenfalls ich sie nicht verbreitet.«

»Oh, ich sage ja auch nichts gegen Sie persönlich«, antwortete ich schnell; aber da lachte auf einmal Stebelkow in höchst unpassender Weise auf, und zwar, wie sich nachher herausstellte, darüber, daß Darsan mich »Fürst« genannt hatte. Mein verdammter Familienname hatte mir auch hier wieder Unannehmlichkeiten gemacht. Selbst jetzt noch erröte ich bei dem Gedanken daran, daß ich, natürlich aus Schamgefühl, diesen dummen Irrtum nicht augenblicklich erledigte und nicht laut erklärte, daß ich einfach ein Dolgorukij sei. Das begegnete mir damals zum erstenmal in meinem Leben. Darsan sah mich und den lachenden Stebelkow verständnislos an.

»Ach ja! Was war denn das für ein hübsches Mädchen, dem ich jetzt eben bei Ihnen auf der Treppe begegnet bin, so ein munteres, hellblondes?« fragte er den Fürsten.

»Ich weiß wirklich nicht, wer es gewesen sein könnte«, antwortete dieser schnell und errötete.

»Wer soll es denn sonst wissen als Sie?« versetzte Darsan lachend.

»Übrigens, das war ... das war vielleicht ...«, stotterte der Fürst.

»Aber ... das war doch gerade die Schwester dieses Herrn hier, Lisaweta Makarowna«, sagte Stebelkow, mit dem Finger auf mich weisend. »Ich bin ihr nämlich vorhin ebenfalls begegnet ...«

»Ach ja, ganz richtig!« fiel der Fürst ein, aber jetzt mit ganz ruhiger, ernster Miene. »Es ist jedenfalls Lisaweta Makarowna gewesen, eine gute Bekannte von Anna Fjodorowna Stolbejewa, bei der ich jetzt wohne. Sie hat gewiß heute einen Besuch bei Darja Onissimowna gemacht; das ist ebenfalls eine gute Bekannte von Anna Fjodorowna, die ihr, als sie wegreiste, das Haus anvertraut hat ...«

Das war alles vollständig richtig. Diese Darja Onissimowna war die Mutter der armen Olga, von der ich schon erzählt habe; Tatjana Pawlowna hatte ihr schließlich bei Frau Stolbejewa eine Unterkunft verschafft. Es war mir wohlbekannt, daß Lisa mit Frau Stolbejewa verkehrt und nachher auch die arme Darja Onissimowna manchmal besucht hatte, die bei uns alle sehr liebgewonnen hatten; aber damals nach dieser übrigens durchaus sachlichen Erklärung des Fürsten und besonders nach Stebelkows dummer Äußerung und vielleicht auch, weil ich soeben Fürst genannt worden war, wurde ich aus all diesen Gründen über und über rot. Zum Glück stand gerade in diesem Augenblick Naschtschokin auf, um fortzugehen; er reichte auch Darsan die Hand. Sowie ich mit Stebelkow allein geblieben war, machte mir dieser durch eine Kopfbewegung ein Zeichen nach Darsan hin, der mit dem Rücken zu uns in der Tür stand; ich zeigte Stebelkow die Faust.

Eine Minute darauf ging auch Darsan weg, nachdem er mit dem Fürsten verabredet hatte, daß sie sich unbedingt am folgenden Tag an einem schon vorher, von ihnen bestimmten Ort treffen wollten, natürlich in einem Spielklub. Beim Hinausgehen rief er Stebelkow etwas zu und machte mir eine leichte Verbeugung. Kaum war er hinausgegangen, als Stebelkow von seinem Platz aufsprang, sich mitten ins Zimmer stellte und einen Finger in die Höhe hielt:

»Dieses Bürschchen hat in der vorigen Woche folgenden argen Streich ausgeführt: er hat einen Wechsel gegeben, auf dem er Herrn Awerjanows Namen gefälscht hat. Der Wechsel ist in dieser Gestalt noch vorhanden, aber er ist nicht eingelöst worden! Etwas Kriminelles. Achttausend Rubel.«

»Und gewiß befindet sich dieser Wechsel in Ihren Händen?« rief ich, ihn grimmig anblickend.

»Ich habe ein Bankgeschäft, ich habe einen Mont de piété, aber mit Wechseln gebe ich mich nicht ab. Haben Sie gehört, was der Mont de piété in Paris für ein Institut ist? Er verschafft den Armen Brot und ist für sie eine Wohltat; ich habe einen Mont de piété ...«

Der Fürst unterbrach ihn grob und aufgebracht:

»Was wollen Sie hier noch? Warum haben Sie hier noch herumgesessen?«

»Aber«, erwiderte Stebelkow und zwinkerte dabei mit den Augen, »wie ist es? Mögen Sie nicht?«

»Nein, nein, nein, ich will es nicht!« schrie der Fürst und stampfte dabei mit dem Fuß. »Ich habe es schon gesagt!«

»Na, wenn es so ist ... dann ist es eben so. Aber es ist nicht das Richtige ...«

Er drehte sich kurz um und ging mit gesenktem Kopf und gekrümmtem Rücken ohne weiteres hinaus.

Der Fürst rief ihm, als er schon in der Tür war, noch nach:

»Seien Sie überzeugt, mein Herr, daß ich vor Ihnen nicht die geringste Furcht habe!«

Er war in sehr gereizter Stimmung, wollte sich hinsetzen, unterließ es aber, als sein Blick auf mich fiel. Sein Blick sagte gleichsam auch zu mir: ›Warum stehst auch du hier noch herum?‹

»Fürst, ich ...«, begann ich.

»Ich habe wirklich keine Zeit, Arkadij Makarowitsch, ich muß gleich wegfahren.«

»Nur einen Augenblick, Fürst, es ist etwas für mich höchst Wichtiges; und vor allen Dingen nehmen Sie Ihre dreihundert Rubel zurück!«

»Was soll denn das wieder heißen?«

Er war auf und ab gegangen, blieb aber nun stehen.

»Das soll heißen, daß ich nach allem, was geschehen ist ... und weil Sie von Wersilow gesagt haben, er sei unehrenhaft, und schließlich Ihr Ton in der ganzen letzten Zeit ... Kurz gesagt, ich kann es unter keinen Umständen annehmen.«

»Sie haben es aber doch einen ganzen Monat lang angenommen.«

Er setzte sich plötzlich auf einen Stuhl. Ich stand am Tisch und mißhandelte mit der einen Hand das Buch von Belinskij, in der andern hielt ich meinen Hut.

»Da waren meine Gefühle noch von anderer Art, Fürst ... Und dann, ich hätte es nie bis zu einer solchen Summe kommen lassen sollen ... Dieses Spiel ... Kurz, ich kann es nicht!«

»Sie haben sich einfach vorhin nicht von einer glänzenden Seite gezeigt, und daher sind Sie jetzt so wütend; ich möchte Sie bitten, dieses Buch in Ruhe zu lassen.«

»Was soll das heißen, ich hätte mich nicht von einer glänzenden Seite gezeigt? Und dann haben Sie mich in Gegenwart Ihrer Gäste beinahe mit Stebelkow auf eine Stufe gestellt.«

»Aha, da haben wir des Rätsels Lösung!« rief er, häßlich grinsend. »Und außerdem sind Sie verlegen geworden, weil Darsan Sie ›Fürst‹ nannte.«

Er brach in ein boshaftes Lachen aus. Ich fuhr auf.

»Ich verstehe gar nicht ... Ihren Fürstentitel würde ich nicht einmal geschenkt nehmen.«

»Ich kenne Ihren Charakter. Was für ein komisches Geschrei Sie zur Verteidigung von Frau Achmakowa erhoben haben ... Lassen Sie das Buch liegen!«

»Was soll das heißen?« erwiderte ich, ebenfalls schreiend.

»Las–sen Sie das Buch liegen!« brüllte er auf einmal los und richtete sich wild in seinem Lehnstuhl auf, als wollte er sich auf mich stürzen.

»Das überschreitet denn doch alle Grenzen!« rief ich und ging schnell aus dem Zimmer hinaus. Aber ich war noch nicht an das Ende des Saales gelangt, als er mir von der Tür des Arbeitszimmers aus nachrief:

»Arkadij Makarowitsch, kommen Sie zurück! Kom–men Sie zu–rück! Kom–men Sie sogleich zu–rück!«

Ich hörte nicht auf ihn und ging weiter. Er holte mich mit schnellen Schritten ein, faßte mich am Arm und zog mich nach dem Arbeitszimmer zurück. Ich sträubte mich nicht.

»Nehmen Sie!« sagte er ganz blaß vor Aufregung, und hielt mir die dreihundert Rubel hin, die ich hingeworfen hatte. »Sie müssen es unter allen Umständen nehmen ... sonst sind wir ... unter allen Umständen!«

»Wie kann ich es denn nehmen, Fürst?«

»Na, ich werde Sie um Verzeihung bitten, ist es Ihnen recht? Na also, verzeihen Sie mir! ...«

»Fürst, ich habe Sie immer sehr gern gehabt, und wenn Sie mich ebenfalls ...«

»Ja, ich ebenfalls, nehmen Sie doch ...«

Ich nahm das Geld. Seine Lippen zitterten.

»Ich verstehe, Fürst, daß Sie über diesen Schurken wütend sind ... aber ich nehme es nur dann, wenn wir uns küssen, wie wir es bei früheren Zerwürfnissen getan haben ...«

Als ich das sagte, zitterte ich ebenfalls.

»Na, solche Zärtlichkeiten!« murmelte der Fürst, verlegen lächelnd, aber er beugte sich zu mir und küßte mich. Ich fuhr zusammen: in seinem Gesicht las ich im Augenblick des Kusses einen entschiedenen Ausdruck von Abneigung.

»Hat er Ihnen denn wenigstens Geld gebracht?«

»Ach, das ist ja ganz egal!«

»Ich frage ja nur um Ihretwillen ...«

»Ja, ja, er hat mir welches gebracht.«

»Fürst, wir sind Freunde gewesen ... und schließlich kann Wersilow ...«

»Nun ja, ja; gut!«

»Und dann, ich weiß wirklich immer noch nicht recht, diese dreihundert Rubel ...«

Ich hielt sie in der Hand.

»Nehmen Sie sie, nehmen Sie sie!« sagte er, wieder lächelnd, aber in seinem Lächeln lag etwas sehr Häßliches.

Ich nahm das Geld.


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