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Zehntes Kapitel.

Joseph schreibt einen zweiten Brief; seine Verhandlungen mit Herrn Peter Pounce etc. und sein Abschied aus dem Hause der Lady Borby.


Der trostlose Joseph würde nicht Verstand genug gehabt haben, um in einem Buch wie dieses als Hauptperson aufzutreten, wenn er die Absicht seiner Gebieterin noch länger mißverstanden hätte; und daß er sie nicht früher entdeckte, wird der geneigte Leser seinem Widerwillen zuschreiben, etwas von seiner Gebieterin zu glauben, was er höchlich an ihr tadeln mußte. Nachdem er sie verlassen, zog er sich in sein Kämmerchen zurück, und brach in laute Klagen über das vielfache Ungemach aus, das der Schönheit bevorstehe, und über das Unglück, schöner zu sein als ein Anderer.

Darauf setzte er sich, und schrieb Folgendes an seine Schwester Pamele:

 

»Geliebte Schwester!

Ich hoffe, daß Du Dich wohl befindest, aber was für Nachrichten habe ich Dir mitzutheilen? O Pamele, meine gnädige Frau hat sich in mich verliebt – was vornehme Leute sich verlieben können; sie hat Böses mit mir im Sinne; – aber ich hoffe, ich werde mit Hilfe des Himmels so viel Standhaftigkeit bewahren, daß ich um keiner Lady in der Welt willen meiner Tugend ungetreu werde.

Von Herrn Adams vernahm ich oft, die Keuschheit sei für einen Mann eine eben so große Tugend, wie für ein Frauenzimmer. Er versichert, er habe sich nie mit einem andern Weibe eingelassen, als mit dem seinigen, und ich will mich bemühen, seinem Beispiel zu folgen. Gewiß, seinen vortrefflichen Predigten und Ermahnungen, so wie seinen Briefen habe ich es zu verdanken, daß ich einer Versuchung widerstehen konnte, welcher, wie ich von ihm hörte, kein Mensch unterliegt, ohne es in dieser Welt zu bereuen, oder in der nächsten verdammt zu werden; und weßhalb sollte ich mich der Gefahr aussetzen, dereinst Reue auf meinem Todtenbette zu fühlen, da ich überdem leichtlich im Schlafe dahingerafft werden mag? Was ist's doch um guten Rath und gutes Beispiel für eine schöne Sache! Ich bin aber froh, daß die Lady mich noch zu rechter Zeit aus dem Zimmer gehen hieß, denn einmal hätte ich fast jedes Wort, das ich von Herrn Adams gehört, rein vergessen.

Ich zweifle nicht, theure Schwester, daß Du vom Himmel die Kraft erhalten wirst, Deine Tugend in allen Versuchungen zu bewahren, und ich bitte Dich dringend, für mich zu beten, daß mir ein Gleiches gelingen möge; denn ich muß wirklich harte Angriffe erleiden, und zwar von mehr als einer Seite; aber ich hoffe, Deinem Beispiel und dem von Joseph, meinem Namensvetter, zu folgen, und meine Tugend aus allen Prüfungen zu retten.«

 

So weit erst war Joseph gekommen, als ihn Herr Peter Pounce, der Haushofmeister, rufen ließ, um ihm seinen rückständigen Lohn auszuzahlen. Dieser betrug freilich nur noch wenig, denn außer daß Joseph von den acht Pfund Sterling, die er jährlich erhielt, vier an seine Eltern abgab, hatte er auch noch, um sich musikalische Instrumente anzuschaffen, des vorbesagten Peter Pounce Großmuth in Anspruch nehmen müssen, welcher in dringenden Fällen den Dienstboten den Lohn vorzuschießen pflegte, zwar nicht früher, als dieser ihnen zukam, aber doch früher, als er zahlbar war, also etwa ein halbes Jahr, nachdem sie ihn verdient, und zwar für die mäßige Vergütung von fünfzig Procent oder etwas darüber, wodurch der rechtschaffene Mann, da er noch außerdem Anderen Vorschüsse machte, selbst seiner eigenen Herrschaft, in wenigen Jahren von Nichts das Sümmchen von circa zwanzigtausend Pfund zusammengebracht hatte.

Nachdem Joseph den kleinen Rest seines Lohns in Empfang genommen und seine Livree ausgezogen, mußte er von einem der Bedienten eine andere borgen (er war unter seinen Kameraden so beliebt, daß ihm dieses sehr leicht wurde), und da ihm Peter sagte, er dürfe keinen Augenblick länger im Hause verweilen, als nöthig sei, seine Wäsche zusammenzupacken, was in sehr kurzer Zeit geschah, so schied er mit schwerem Herzen von seinen Kameraden, und entfernte sich Abends gegen sieben Uhr.

Er hatte schon ein paar Straßen durchwandert, bevor er ganz mit sich einig war, ob er noch in jener Nacht die Stadt verlassen, oder bis zum nächsten Tage ein Obdach suchen solle. Endlich beschloß er, da der Mond sehr hell schien, sofort seine Reise anzutreten, wozu er jedoch noch einige andere Beweggründe hatte, die der Leser, falls er kein Hexenmeister ist, schwerlich ohne die Winke errathen dürfte, welche wir ihm zu geben nun unerläßlich finden.


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