Henry Fielding
Die Geschichte des Tom Jones / Theil V
Henry Fielding

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Zwölftes Kapitel.

Partridge macht eine Entdeckung.

Während Jones sich an dem Bewußtsein einer edeln That erfreute, hüpfte Partridge in das Zimmer, wie es seine Gewohnheit war, wenn er eine gute Nachricht brachte oder zu bringen glaubte. Jones hatte ihn den Morgen mit dem Auftrage ausgesandt, durch die Dienstleute der Lady Bellaston oder auf irgend einem andern Wege auszukundschaften, wohin Sophie gebracht worden sei; jetzt kam er zurück und sein freudestrahlendes Gesicht deutete unserm Helden an, daß er das verlorene Lamm gefunden. »Ich habe den schwarzen Georg, den Jäger, gesehen, den der Squire mit in die Stadt gebracht hat. Ich erkannte 119 ihn sogleich, ob ich ihn gleich seit mehreren Jahren nicht gesehen habe. Sie wissen, er ist ein sehr ausgezeichneter Mann, oder vielmehr ein Mann, der sich durch einen auffallenden Bart auszeichnet, den größten und schwärzesten, den ich jemals gesehen habe. Dagegen dauerte es eine Zeit lang, ehe der schwarze Georg mich erkannte.«

»Aber die guten Nachrichten? was weißt Du von meiner Sophie?«

»Das sollen Sie sogleich erfahren,« antwortete Partridge, »ich gelange so schnell als möglich zu diesem Punkte. Sie sind so ungeduldig, daß Sie zu dem Infinitiv schreiten, ehe Sie den Imperativ gehabt haben. Also wie ich sagte, es dauerte eine Zeit lang, ehe er sich meiner erinnerte.«

»Hol Dich der Geier! was von meiner Sophie?«

»Ja, Herr,« antwortete Partridge, »von dem Fräulein weiß ich nicht mehr, als ich eben erzählen wollte; ich würde Ihnen dies bereits gesagt haben, hätten Sie mich nicht immer unterbrochen. Wenn Sie mich so zornig ansehen, werde ich vor Angst und Schrecken Alles vergessen. Ich habe Sie nie so verdrüßlich gesehen seit dem Tage, als wir Upton verließen, an den ich immer denken werde und sollte ich noch tausend Jahre leben.«

»So geh' denn Deinen eigenen Weg, da Du einmal entschlossen bist, wie ich sehe, mich zum Wahnsinn zu treiben.«

»Um alles in der Welt möcht' ich das nicht,« entgegnete Partridge, »ich habe darum schon so Vieles gelitten.«

»Nun aber der schwarze Georg?«

»Wie ich sagte, es dauerte ziemlich lange, ehe er sich meiner erinnerte, da ich mich sehr verändert habe, seit ich ihn gesehen. Non sum qualis eram. Ich habe manches Leid erfahren in der Welt und nichts verändert einen Menschen so sehr als Gram und Kummer. Wie ich gehört habe, 120 kann sich das Haar eines Menschen in Folge davon in einer Nacht grau färben. Indessen endlich erkannte er mich, denn wir stehen beide in einem Alter und besuchten eine und dieselbe Armenschule miteinander. Georg war ein ungeheurer Dummkopf, doch davon ist jetzt die Rede nicht; es können nicht alle in der Welt Gelehrte werden und selbst die, welche es werden, bringen es oft nicht weit. Ich habe wohl Ursache, darüber zu reden, aber es wird in tausend Jahren noch eben so sein. Wo war ich? – Ach ja – wir hatten einander kaum erkannt und die Hände gedrückt, als wir übereinkamen, in ein Bierhaus zu treten und einen Krug zu leeren. Glücklicher Weise war auch das Bier dort das beste, das ich gefunden habe, seit ich in der Stadt bin. Jetzt komme ich zur Hauptsache. Kaum hatte ich Ihren Namen genannt und erzählt, daß Sie und ich miteinander in die Stadt gekommen wären und seitdem bei einander gelebt hätten, als er noch einen Krug bestellte, um ihn auf Ihre Gesundheit zu leeren. Er trank auch wirklich auf Ihre Gesundheit so theilnehmend, daß ich mit großer Freude sah, wie es doch in der Welt noch dankbare Herzen giebt. Nachdem wir diesen Krug geleert, bestellte ich einen dritten und den tranken wir ebenfalls auf Ihre Gesundheit, dann eilte ich nach Hause, um Ihnen die Nachricht zu erzählen.«

»Welche Nachricht?« fragte Jones. »Von Sophien hast Du kein Wort erwähnt.«

»Nun ja, das hätte ich beinahe vergessen! Wir sprachen viel von Fräulein Western, und Georg sagte mir alles und daß Herr Blifil in die Stadt gekommen ist, um sie zu heirathen. Da muß er sich dazu halten, sagte ich, sonst bekommt sie ein anderer, und wirklich, sagte ich, Seagrim, es ist Jammerschade, daß dieser andere sie nicht bekommen soll, da er sie gewiß mehr liebt als alle andern Mädchen. Es wäre gut, wenn Du und sie und Alle wüßten, daß er 121 sie nicht ihres Vermögens wegen liebt, denn ich kann versichern, daß, was das betrifft, eine andere noch viel vornehmere und viel reichere Dame so verliebt in den andern ist, daß sie ihn bei Tage und in der Nacht besucht.«

Jones wurde darüber sehr böse, Partridge aber entgegnete, er habe ja keine Namen genannt, und überdies kann ich versichern, daß Georg aufrichtig Ihr Freund ist und den Herrn Blifil mehr als einmal zum Teufel wünschte; er sagte sogar, er würde alles für Sie thun, was in seinen Kräften stehe und ich bin überzeugt, daß er es thut. Ich zweifele sehr, ob Sie einen bessern Freund haben auf Erden als Georg, mich ausgenommen.«

»Nun,« entgegnete Jones, ein wenig besänftiget, »der Mensch, der allerdings wohl Ursache haben mag, mein Freund zu sein, wohnt in einem und demselben Hause mit Sophie?«

»In demselben!« antwortete Partridge, »er ist ja ein Diener der Familie und sehr gut gekleidet, kann ich Ihnen sagen. Hätte er seinen großen schwarzen Bart nicht gehabt, ich würde ihn nicht wieder erkannt haben.«

»Einen Dienst kann er mir sicherlich leisten,« sagte Jones, »nämlich meiner Sophie einen Brief von mir übergeben.«

»Richtig!« rief Partridge. »Warum bin ich nicht sogleich darauf gekommen! Er thut es gewiß auf's erste Wort.«

»So verlaß mich jetzt, ich will einen Brief schreiben, den Du ihm dann morgen früh übergiebst. Du weißt ihn jedenfalls zu finden?«

»O ja, Herr,« antwortete Partridge, »ich werde ihn gewiß wieder finden. Das Bier war zu gut, als daß er lange davon wegbleiben könnte. Ich hoffe, daß er jeden Tag, so lange er in der Stadt bleibt, in jenem Bierhause zu finden ist.«

122 »Du weißt also nicht einmal die Straße, in welcher meine Sophie wohnt?« fragte Jones.

»O ja, das weiß ich.«

»Wie heißt die Straße?«

»Wie sie heißt? Nun die Straße gleich hier,« antwortete Partridge, »die zweite oder dritte von uns. Den Namen weiß ich nicht, und da er ihn nicht nannte, so würde ich, wenn ich darnach gefragt, Argwohn in ihm geweckt haben. Nein, nein, lassen Sie nur mich machen. Bin ich nicht schlau genug?«

»Freilich bist Du ungeheuer schlau,« entgegnete Jones, »und ich werde also an die Geliebte schreiben, weil ich Dich für so schlau halte, daß Du den schwarzen Georg morgen früh in dem Bierhause finden wirst.«

Er entließ Partridge und setzte sich hin, um zu schreiben. Bei dieser Beschäftigung wollen wir ihn für einige Zeit verlassen und zugleich das funfzehnte Buch schließen.


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