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Siehe die Kartenskizze. Die Lakka gehören zu dem großen Völkerbündel der Sarra, die vom Tschadsee und Baghirmi aus nach Süden die Talbecken der Schari und Logone einnehmen.]
Verbreitung und altes Königtum. – östlich der Mundang-Damastämme wohnt im Flußgebiete des Logone und des Schari ein Volk, das auf der deutschen Seite im allgemeinen als Lakka bezeichnet wird, dessen Ostflügel aber den Namen Sarra (oder nach meinem Ohr besser Sarre) trägt. Das Volk nennt sich selbst aber Dokula; sowohl Lakka als Sarra bezeichnen sich als Dokula, und wenn ich den Namen Dokula nicht als Generalnamen benutze, so geschieht es, weil ein Name, den jemand nur selbst kennt, nicht aber seine Nachbarschaft, keine Lebenskraft hat. Der Name Lakka stammt von den südlichen Nachbarn unserer Freunde, von den Baja. Die Lakka wohnen im Flußgebiete des Logone, den sie Mamberre nennen. Ihre östlichen Brüder, die auf dem rechten Ufer des Mba genannten Schari wohnen, sind die Sarra oder Sarre. Sie scheinen sich außerordentlich weit nach Osten hin auszudehnen. Ein Sarramann, den ich 1906 am Kongo traf, erklärte mir, außer den Somrai (?) gehörten alle Ost-Scharistämme zu den Sarra, und seinen Angaben zufolge müßten Sprachverwandte sowohl bis in das Abwässerungsgebiet des Ubangi als in dem des Bahr-el-Ghasal wohnen; er selbst gab an, aus Dar Runga zu stammen, was mit Dar Ronga identisch sein muß; und andere Stämme seiner Verwandtschaft sollten in Dar Fertit wohnen. In Kordofan fand ich 1912 Bestätigung dieser Angabe. Dafür spricht außerdem die Verbreitung der Wurfmesserformen, denn aus Fertit empfangene Typen zeigen eine Mischung von Nord- und Südtypus. Wenn sich diese Angaben aber bewahrheiten, so haben wir hier eine Völkergruppe, die das Plateau des wahren Flußnabels aller großen afrikanischen Nord- und Westströme bewohnen. (Einige Benue- oder Nigerzuflußbäche Schari-Logone, Ubangi-Kongo, Bahr-el-Ghasal-Kongo.)
Innerlich zerfallen die Lakka in eine Unzahl kleiner Klane oder Stämme, deren jede als Djege bezeichnet wird. Ich erhielt die Namen der Mamgaua, Kutebe, Batutu, Babandja, Kutu, Bindja, Kodjala, Turra, Guru, Bemala, Brrrr, Mball, Rube. Es ist das nur eine kleine Auswahl der nach Hunderten zählenden Djege, deren Zusammenhangsschwäche offenbar echt äthiopischer Natur ist. Heute stellen die Lakka keinerlei politische Machtgruppe mehr dar, und ihre Nachbarn, die sie Kullanga (das sind die Bum), Schirto (Kanuri), Tari (Mundang) und Bajadje (d. s. die Baja) nennen, haben die politische Schwäche arg ausgenutzt. Am schlimmsten haben aber ihrer Angabe nach die Nbangba (d. s. die Fulbe) unter ihnen gehaust, und in der Tat findet man in dem ethnographischen Mosaik eines Fulbegehöftes auffallend viel Lakka vor. Sie vertreten etwa hier die Stelle, die im Granit der Feldspat einnimmt. Die Fulbe schätzen die Lakkasklaven ganz außerordentlich.
Aber wenn heute das Bild dieses Volkes auch sehr viel von seiner Ursprünglichkeit, und vor allem sein politisches Gefüge jeden Zusammenhang größeren Maßstabes eingebüßt hat, so muß es desto mehr erfreuen, noch die Erinnerung an bessere, größere Zeiten im Volke zu entdecken.
Die Lakka sagen, sie hätten einmal einen König gehabt, einen Gogagadje, der war sehr machtvoll und residierte weit im Osten, in einer Robe genannten Stadt. In Robe soll ein Gogagadje nach dem andern geherrscht haben, aber das ist schon lange her. Der Gedanke an ein Königreich lebt nur noch in der Vorstellung des Volkes, gleich der eines längst entschwundenen goldenen Zeitalters. »Es war einmal.« Aber wo in dem Nebel verflossener Völkergeschicke dies »einmal« erstarb, wußte mir kein Mann zu sagen. Es war eben »lange, lange, ehe die Fulbe ins Land kamen«. Es hat in diesen Ländern aber immer etwas Versöhnendes, von einem Königreiche zu hören, das nicht von den Fulbe zerstört wurde.
Allen Traditionen nach war »das« Königreich der Lakka (ebenso gut können es mehrere nebeneinander gewesen sein) ein echt äthiopisches. Die Regierungszeit jedes Herrschers ward überwacht, aber wie und ob sie begrenzt war, darüber hörte ich nichts, was der Wiedergabe wert wäre. Das Königreich und der Hofstaat waren nicht reich an Erzämtern. (Die weitest nach Osten vorgeschobenen Erzämter hat in diesen Ländern der »Hof« des Bumkönigs gegeben.) Wohl aber gab es in der Umgebung des Gogagadje zwei junge Leute, die zu bestimmten Diensten verwandt wurden. Das waren ein Netoa genanntes Mädchen und ein Gana genannter Knabe, beide aus der Familie, d. h. näherer oder weiterer Verwandtschaft des regierenden Herrn gewählt. Sie waren eine Art Pagen- und Botenpaar, das einerseits offizielle Dienste verrichtete und anderseits doch wieder privater Natur war. Wenn Netoa und Gana eine Zeitlang ihren Pflichten zur Zufriedenheit genügt hatten, heirateten sie einander.
Wenn ein König starb, wurde ein sehr tiefes Grab, ca. zwei Meter tief, ausgehoben; erst eine Grube, von der dann nach Osten hin der Grabraum ausgeschachtet wurde. Die Leiche des Herrschers fand hierin noch am Tage des Verscheidens Aufnahme, und zwar ohne Kleidung in vorgeschriebener Stellung und Lagerung, nämlich mit dem Kopfe nach Osten, den Beinen nach Westen, auf der Seite, so daß die linke Hand unter der linken Backe ruhte – also mit den Augen nach Süden. Dem Begräbnis folgte eine Zeit des Totentrunkes. Zehn Tage lang trank man Hirsebier, und es galt als schicklich und als Zeichen der Anhänglichkeit an die Sitte, wenn man in dieser Zeit nie recht zum klaren Verstande kam. Mit Sorghumbier – hier Koto genannt – wurde auch ein Sklave trunken gemacht. Im Osten des Königsgrabes wurde ein zweiter Schacht ausgehoben, der in der Tiefe nach Westen in einen Kanal mündete; dieser Kanal ward fortgesetzt, bis man an das Gemach gelangte, das die Königsleiche barg. Also führte der Ostzugang in die Grabstätte des toten Fürsten. Und da hinein brachte man den trunkenen Sklaven und schüttete den Zugangsschacht zu. Der König hatte seinen Todeskameraden erhalten.
Speiseverbot für den König war Nam, der Löwe und Kage, der Leopard. Das königliche Abzeichen des Herrschers bestand der Tradition nach in einer speziellen Haartracht. Der König mußte sein Haar, zumal in der Mitte, sehr lang wachsen lassen. Es wurde in der bekannten Längsraupe als Mittelachse geflochten und gebunden und dann mit einem langen Streifen aus Messingblech (Messing = bangora) geschmückt, der in der Mitte entsprechend der ganzen Anordnung von vorn nach hinten verlief. – Diese Sitte üben heute noch die angesehenen mächtigeren Dogobodja in Nachahmung der Sitten des nun schon lange verstorbenen Königtums. –
Heutiger Sozialzustand, Waffen, Jagd und Fischfang, Arbeitsteilung, Farmbau. – Heute sieht das politisch – soziale Gefüge anders aus. Es zeigt das Bild echt äthiopischer Isolierung, einer Kleingliederung, die diese äthiopischen Völker niemals unter der Decke der Reichs- und Nationbildung einbüßen. Heute haben wir wie bei den Äthiopen des Gurunsi-Tambermatypus lediglich Gehöfte von Familien, die politische Selbständigkeit beanspruchen. Mehrere Brüder sind immer eine solche soziale Zelle, deren Ahnherr der älteste Bruder ist. Die Macht dieser Dogobodje genannten Familienherren ist natürlich mehr präsidial-republikanischen als monarchischen Charakters. Eine andere soziale Gruppierung als diese patriarchalische Dogobodje-Anordnung gibt es heute nicht mehr. Jeder heiratende Sohn oder Neffe (Brudersohn) oder Enkel mußte sich in der Nähe und im Machtbereiche des Dogobodje ansiedeln und verbleibt somit im patriarchalischen Verbande. Eine solche patriarchalische Familie, die unter einem Dogobodje steht, heißt Goll(o)bai oder Gollbai. Es ist selbstverständlich, daß niemand in die Gollbai heiraten kann.
Das Lebensbild dieses Zellwesens ist eine genaue Kopie dessen, was wir bei allen Äthiopen als Grundform finden. Die Zellen zeigen eine ausgesprochene Tendenz, sich gegenseitig abzustoßen. Die Gollbai leben in ununterbrochener Fehde der einen gegen die andern, wobei die Freundschaften und Feindschaften von heute auf morgen wechseln und einander ablösen können. Diese ständigen Reibereien der Gollbai untereinander verleihen ihnen natürlich eine größere Härte und Festigkeit nach innen, schützen vor auflösendem Anthropismus der Familienkraft, wie wir ihn typisch etwa bei den Jukum finden. Die Zwistigkeiten und Fehden nehmen oft harte Ausdrucksformen und den (für primitive Verhältnisse) gesunden Typus des Kampfes ums Dasein an. Niemand steht über der Gollbai, die etwa als republikanischer Altensenat oder als herrschende Königsgewalt die Zwistigkeiten regeln und Gegensätze ausgleichen könnte. Vielmehr steigt die Erbitterung der Uneinigen oft bis zum Vernichtungskampf. Die stärkere Gollbai siegt im Waffenkampf; die schwächere unterliegt. Der Sieger führt die Ausrottung der Unterlegenen konsequent durch. Die siegende Gollbai nimmt die Menschen der besiegten gefangen und verkauft sie als Sklaven, wenn nicht ein gleichwertiges Lösegeld von einer andern Gollbai aufgebracht wird, die vielleicht durch Heiratsbeziehung mit der Unterlegenen liiert ist. Aber die besiegte Gollbai verliert alles Eigentum. Sie muß alle Waffen abgeben, den Speer = Ninga, den Schild (mit einem Holzgriff gleich dem der Baja) = Dirr, vor allem das Wurfmesser = Mia. Das Wurfmesser spielt die entscheidende Rolle; den Bogen kennen Lakka und Sarre nicht. Die Stämme haben eine Art Panzer = Nieman (d. h. Krokodil); er besteht aus Krokodilhaut und ist mit Schultertragbändern versehen; es ist der gleiche wie bei den Baschama und wenigstens der Konstruktion und Form nach, gleich dem Eisenpanzer von Marua.
Der Bogen fehlt. Auch im Kampfe mit der Tierwelt, bei Jagd und Fischerei findet er keine Anwendung. Die Jagd auf Antilopen wird mit einem lang ausgedehnten Stellnetze = Kulla, genau wie bei den Asande und Nupe ausgeführt; es kommen auch Schlingen = Nare zur Anwendung. Diese Schlingen bestehen in einem Reifen, der über ein Loch in der Erde gelegt ist und an dessen innerem Rande spitze Eisenstifte befestigt sind. Die Spitzen treffen einander in dem Zentrum. Wenn die Antilope in den Kreis tritt, stößt sie die Eisenstifte nach unten; dann aber, den Fuß wieder heraufziehend, bleiben die Spitzen über den Hufen hängen und bohren sich, je stärker das Tier zieht, in das Fleisch ein. – Der Schleuder = Kula bedienen sich die Lakka wie die andern Äthiopen zum Schutze der Felder.
Sehr intensiv wird der Fang von Fischen (= Kanji) betrieben. Außer den gewöhnlichen Langnetzen (= Kulla) kommt auch das Bottarahmennetz, das Korro, in Anwendung. Es ist das gleiche, das ich bei den Sankurrustämmen fand, das am Kongo und Ubangi gebräuchlich ist, das Mansfeld am Großriver abgebildet hat, das am untern Niger vorkommt und das die Fischer bei Lokoja kennen. (Nur am Benue wird es vom Ufer aus gehandhabt.) Fischirrgänge aus Stäben und Flechtwerk, Fischgatter wie bei Batta üblich, fehlen. Dagegen werden Fischkammern aus Matten ins Wasser gebaut; es wird Futter hineingeworfen und dann die Mattentür vom Ufer aus mit einem Tau hochgezogen. Wenn Fische hineingelockt sind, läßt der Fischer vom Ufer aus die Tür zufallen.
Vor allen Dingen ist der Lakka aber ein glänzender Bauer, und als solcher wird er auch allenthalben jedem andern Sklavenmaterial des Ostens vorgezogen. Bei den Lakka fällt das ganze Farmwerk nur den Männern zu. Die Weiber haben für die Hauswirtschaft zu sorgen, haben die Kinder zu warten, bringen Holz und Wasser, kochen (bereiten besonders die Schibutter = Uwu oder Ubu, die bei den Lakka besonders gut sein soll), destillieren Salz und töpfern. Der Farmbau liegt aber ausschließlich in Männerhänden. Die Hauptfrucht der Lakka ist Penisetum, und zwar die Maiwa-(Haussa-)Form. Als menschliches Nahrungsmittel wird Sorghum lediglich zur Bierbereitung gebraucht, und dann dient es hier auch zur Ernährung der Pferde, von denen die Lakka eine eingeborene Ponyform haben, die mit der Rasse der Bautschi und Borgu übereinstimmt. Alt und jung nährt sich von Brei, der bei den Lakka von gemahlenem Penisetum bereitet wird.
Die Farmen werden bei den Lakka ganz flach angelegt und das scheint die verbreitetste Form des Ostens und Nordkameruns zu sein. Von der flachen Form weichen vor allem Bokko, Nandji und Durru, also die zentralen Splitterstämme Adamauas ab; und ferner wird, wo angebaut, allenthalben der Jams auf Haufen gebracht, von denen die Falli mit ihren zuweilen über mannshohen Kegeln die höchsten Typen haben.
An Vieh züchtet der Lakka keinerlei Rindviehrasse. Alle Rinder (= Nda), die gelegentlich bei den Lakka vorkommen, sind bei der Nachbarschaft eingekauft oder geraubt. Dagegen werden außerordentlich viele Ziegen (= Mbate), Schafe (= Mbija) und Hühner (= Kunja) gezüchtet. Der Mist dieser Tiere wird zur Salzsiederei verwendet, nicht als Dung. Auch der Küchenabfall wandert nicht hinaus. Vor den Gehöften wird er zuweilen zu mächtigen Kjökkemödingern (= doibi) aufgetürmt, die aber nicht der Abendbelustigung, sondern praktischer Verwendung dienen; sie werden bepflanzt. –
Heilige Geräte (Kuma), Priester, Sorghum- und Erntefestopfer, Altersklassen, Mannesweihe. – Das heilige Gerät der Lakka besteht aus gleichen Emblemen und findet gleiche Anwendung wie bei ihren westlichen Vettern. Ein Oberpriester (Gongoria) hütet es, und verwahrt wird es an einem heiligen Platz (Lokuma) im Busch. Im einzelnen gehört dazu:
1. Gandubijae, Schwirre aus Eisen, von denen mehrere Exemplare zusammengehören.
2. Mandi, eiserne Fußschelle für die Schwirrenschwinger.
3. Rongo, Rohrflötenensemble, das den Lära der Tschamba entspricht, dem aber ebenso wie bei den Komai Horn- und Kalebassenschalltrichter fehlen.
4. Perr, heilige Rohrgebläse, die den Exemplaren der Mundang entsprechen.
Die Zusammensetzung ist die der andern Stämme. Die Anwendung der Instrumente ist anscheinend bei allen Zweigen der Lakkagruppe die gleiche; aber die Namen sollen verschieden sein, ja zuweilen absichtlich geändert werden, worüber ich nichts Spezielles erfuhr. – Alle Heiligtümer werden am Lokuma, d. i. ein Platz im Busch, östlich der Gehöfte aufbewahrt. An dem Platze ist ein Häuschen, in dem Häuschen steht ein großer Topf. Der Gongoria wacht über ihnen, gibt zur Anwendung Anordnung oder Erlaubnis, trägt sie aber nicht selbst aus dem oder in den Busch. Dieses Amt vertraut er vielmehr einem Burschen seiner Familie an.
Die Anwendung ist eine recht verschiedene. Eisenschwirre, Fußschellen und Rohrgebläse finden in der Erntezeit bei den großen Festen Verwendung. Jedoch dürfen die Frauen sie auf keinen Fall je zu Gesicht bekommen. Auf den Rohrgebläsen wird außerdem das heilige Geräusch beim Begräbnis alter Leute hervorgerufen; also sind sie doppelt heilig. Dagegen wird auf den Lären von den Burschen gelegentlich jeder vergnüglichen Veranstaltung im bekannten Kreisreigen getanzt, bei gutem Mondschein, bei frohem Umtrunk ebenso gut wie beim Totenfest. Und oftmals kommen die Burschen zum Gongoria, ihn um Freigabe der Instrumente zu bitten. Ganz selbstverständlich ist es, daß dann die Frauen anwesend sind, genau so wie bei Dakka, Tschamba und Komai.
Man könnte demnach auf den Gedanken kommen, diesen Chorinstrumenten überhaupt alle Heiligkeit abzusprechen und sie als profane Orchestermusik in Anspruch zu nehmen, wenn sie nicht einmal, wie schon bemerkt, vom Oberpriester am Lokuma verwahrt und zweitens bei ganz bestimmten religiösen Amtshandlungen angewendet würden. Zum Beispiel: Es kommt vor, daß ein Weib schwanger ist, aber die Geburt läßt ungebührlich lange auf sich warten. Da geht das Weib zuletzt in seiner Not und mit seiner Bürde zum Gongoria und bittet ihn, ihr zur Erlösung zu helfen. Das ist ein Fall religiöser Anwendung der Rongo. Der Priester nimmt eine der Bambusflöten; er füllt sie mit Wasser; er bläßt darauf; er gießt der Schwangeren das Wasser auf den Kopf. Nun wird die Geburt bald und leicht vonstatten gehen.
Der priesterliche Wahrer dieser Schätzender Gongoria, dessen Amt erblich ist, hat auch hier die zwei Hauptfunktionen: einmal das Opfer (= Umadjae) zur Erntezeit, zum zweiten die Einführung der Burschen in die Männerschaft des Stammes.
Auch hier wieder haftet das Erntefest am Sorghum, aus dem die Menschen doch nur ihr Bier bereiten, so daß man hier, wenn man das Zeremonial den dionysischen Festen zuschreiben kann, unbedingt von einer bacchantischen Form sprechen muß. Das Mehl des täglichen Brotes oder vielmehr Breies, das Penisetum, findet auch nicht die geringste religiöse Beachtung. Man erntet es und genießt es, wie die Natur es gibt. Es fällt niemand ein, seinetwegen auch nur die geringste Kultushandlung, das geringste religiöse Einschränkungsgebot zu übernehmen. Nur dem Sorghum gilt das Weihefest.
Wenn das Sorghum reif ist, ruft eines Tages der Gongoria fünf alte Männer und nimmt einen schwarzen Ziegenbock (Bian-dull). Die kleine Prozession begibt sich mit dem Opfertier auf die Farm des Gongoria. Zu nächtlicher Zeit wird dann der Ziegenbock geopfert. Der Gongoria spricht ein Gebet für Reichtum der Ernte, bittet um Gesundheit, bittet um Familienvermehrung – alles das für die ganze Gehöftgruppe, für die Gollbai, die er vertritt. Mit dem Zeremonial dieser Nacht beginnt dann eine Enthaltungsperiode von sieben Tagen. Niemand darf vom neuen Korn genießen. Kein Mann darf während dieser sieben Tage und Nächte bei seinem Weibe oder überhaupt einer Frau liegen und sie beschlafen. Wohl aber darf am Tage nach der Opfernacht und nachdem der Priester die vollzogene heilige Handlung durch Mitteilung an die Männer bekanntgegeben hat, jedermann sein neues Korn schneiden – schneiden, aber nicht genießen. Am achten Tage bringt dann der Gongoria von dem Sorghum in das Lokuma (Haus der heiligen Geräte, die »Kuma« genannt werden), bringt es dort dar und sagt: »Das ist für die Erde und die Kuma.« Damit ist die heilige Zeit, in der die heiligen Geräte rauschen, abgeschlossen. Jedermann kocht Bier und es folgt ein kleines Bacchanal.
Wie gesagt, beim Penisetumernten wird kein Zeremonial veranstaltet. Dagegen spielt das Sorghum in durchaus typischer Weise auch in andere Kultushandlungen hinein, die hier gleich erwähnt werden sollen. Einmal bringt man auch hier den Toten Sorghummehl, kein Penisetummehl dar. Zweitens ist es die Opfergabe bei Regenmangel. Wenn ein Regen allzu lange ausbleibt, wandert die Altenschaft zu einem Schmiede (Goibarr). Ein jeder bringt eine Kalebasse voll Sorghummehl mit. Der Schmied nimmt Wasser in den Mund und bläst es in die Luft. Bringt man dem Schmied Penisetum, so kommt kein Regen. –
Die zweite wichtige Amtshandlung des Gongoria erstreckt sich auf die Einführung der Jünglinge in die Männerschaft. Genau wie die Baschama kennen auch diese an der Peripherie Adamauas wohnenden Lakkastämme die Beschneidung der Burschen ebensowenig wie eine Exzision der Mädchen. Die Mannesweihe des Jünglings findet statt, wenn er ehereif ist, also ehe er die berechtigte Beziehung zum Weibe und die Fortpflanzungstätigkeit beginnt. Demnach lauten auch die Altersklassen:
Wenn der Bursche etwa vierzehn bis fünfzehn Jahre alt ist, also am Ende der Gongo-togo-Periode, so hat er seine »Braut« (siehe weiter unten), steht vor dem Heiratsmoment, und dann werden etwa drei bis fünf junge Leute je nachdem der Heiratsandrang gerade ist, vom Gongoria in den Busch gebracht. Dieser Auszug erfolgt nachts und heimlich. Die Kleidung der Ausziehenden ist bemerkenswert. Sie besteht nämlich beim Priester in absoluter Nacktheit, bei den Burschen aber in einem schwarzen Ziegenfell, das umgehängt und während der ganzen Buschzeit getragen wird, und das ein sonst den Lakka unbekanntes Kleidungsstück sein soll.
Östlich vom Dorf im Busch, wenig südlich vom Lokumaplatze, pflegt anscheinend der Dokula genannte Platz angelegt zu werden, auf dem die Burschen die Buschzeit verbringen. Es sind da Hütten aufgeschlagen. Der Zeitpunkt des Auszuges soll gleichgültig sein, doch dürfte er im allgemeinen anderer Angabe zufolge meist im Winter stattfinden. Nicht ganz erklärlich sind die Angaben über die Dauer der Buschzeit. Jüngere Burschen sollen sechs Monate, ältere nur elf Tage im Busch bleiben. Danach scheint es fast so, als ob zuweilen auch einmal Burschen längere Zeit vor der Verehelichung die Gelegenheit einer seltenen Initialperiode mit benutzten.
Auf keinen Fall dürfen die Burschen während dieser Zeit Weiber sehen. Brüder oder Vettern, Onkel oder die Väter selbst bringen die Speisen auf den Dokula. Die Zeit wird, wie bei Baschama, mit Jagen und Fischen ausgefüllt. Und was sie erlegen, rösten die Jünglinge selbst und genießen es als erwünschte Zutat zum mütterlichen Penisetumbrei. Auf keinen Fall dürfen aber Weiber von dem genießen, was die Burschen in dieser Zeit zur Strecke bringen.
Man sagt, daß, wenn im Verlaufe dieser Buschzeit einer der Pfleglinge des Gongoria sterben sollte, der Priester einen andern lebenden Burschen für den toten eintauschen muß, daß er das auch vollkommen könne, ohne daß es jemand merke, da er infolge seiner Kräfte und Künste einen jeden dem Toten so ähnlich zu machen imstande sei, daß niemand bei der Rückkehr den Unterschied zu bemerken vermöge.
Wenn die Burschen vom Dokulaplatze in die Gehöfte zurückkehren, schlachtet der Gongoria einen weißen Schafbock. –
Verehelichung, Befruchtungsgebet, Entbindung, weibliche Speiseverbote, Totemismus. – Wie bemerkt, soll diese Buschzeit nur dann stattfinden, wenn der Jüngling ehereif und ehebereit ist – also muß die Braut schon gefunden und genommen sein, und das ist eine Unternehmung, die in echt weiblicher Weise die Mutter des Burschen schon bei Zeiten anberaumt hat. Es ist Sache der Mutter des Burschen, rechtzeitig nach einem Mädchen umzuschauen, und wenn sie das Geeignete gefunden hat, mit der Mutter der Erwählten in Unterhandlung zu treten. Ist die Angelegenheit unter den Müttern zum Abschluß gebracht, dann wird angeblich auch das Mädchen selbst um seine Einwilligung befragt (?) und dann die Sache den Vätern zur letzten Entscheidung vorgelegt. Auch bei den Lakka sollen die Väter wenig ausrichten können, wenn die Weiber die Sache soweit gebracht haben. Bleibt also noch das »Bezahlen«. – Ehe der Bursche in den Busch geht, erlegt sein Vater der Brautfamilie: zwei Ziegen, hundert flache Eisenstangen (= Nari; zirka eineinhalb Zentimeter breit und zwanzig Zentimeter lang), einen Hahn, zwei Hühner und sechs Kalebassen Mehl.
Wenn der Bursche aus dem Busche kommt, heiratet er. Während er im Dokula lebte, haben die Brüder ihm ein eigenes kleines Gehöft nahe dem des Vaters errichtet. Nun er in den Schoß der Seinen zurückgekehrt ist, bringt die Familie der Braut das Mädchen und die Ausstattung d. i. Kalebassen (= Ka: sind vertikal geschnitten nach äthiopischer Weise), Töpfe (= Djo), den Stampfmörser (= Birri), die Stampfkeule (= Goi) und zehn Kalebassen Penisetummehl. Fleisch bringt sie nicht mit. Das ist Sache der Männer. Und die sorgen dafür. Es gibt demnach ein großes Familienmahl mit nachfolgendem Tanz und kräftigem Zutrunk. In echt bäuerlicher Weise wird das Fest ausgedehnt – hier sieben Tage lang.
Während dieser Hochzeitswoche ist der junge Ehemann mit seinem jungen Weib immer beisammen. Der Mann braucht schicklicherweise seine zehn Tage, bis er das Hymen so weit durch langsames Vordringen zur Seite geschoben hat, daß kein Blut fließt. Denn es gilt auch hier wie bei andern Nachbarn für unschicklich, wenn Blut kommt. Die Koitusform ist die echt äthiopische, d. h. die Frau liegt und der Mann hockt im geöffneten Schoße.
Eine Zeremonie ist mir dem sonstigen Sittenzusammenhange nach unverständlich geblieben. Der Vater des Burschen schlägt im Busch ein Stück Holz von der Länge eines Unterarmes und dem Umfang eines Oberarmes. Das Holz wird bei Beginn der Verehelichung vom Burschen mit der Spitze in das Feuer gelegt und von ihm jeden Tag ein wenig weiter in die Flammen geschoben, so daß es ganz langsam verbrennt. Anscheinend nimmt man als Verbrennungszeit zehn Tage an. Dann soll die junge Frau konzipiert haben, und die Lakka wollen diese Tatsache oder ihr Ausbleiben daran erkennen, daß die Brustwarzen der Weiber sich schwarz färben oder nicht. Ist das erfreuliche Zeichen eingetreten, dann herrscht Jubel im Hause.
Wenn die junge Frau aber nicht sogleich die an die familiäre Fruchtbarkeit gestellten Erwartungen erfüllt, wird durch manistisches Zeremonial eingegriffen, und das geschieht am Grabe der Verstorbenen nach echt kamerun-äthiopischer Weise. Aber eine Variante möchte ich feststellen, die mir eminent wichtig erscheint. Nicht die Frau wird zum Grabe geführt, sondern in echt patriarchalischem Sinne (der Mann gebiert das Kind!) der Bursche. Dabei soll folgendes Gesetz sein:
a) starb die Mutter des Burschen schon, führt ihn die Schwester der Mutter zum Grabe der Mutter,
b) starb der Vater des Burschen schon, führt ihn der Bruder des Vaters zum Grabe des Vaters,
c) wenn die Eltern noch leben, der Großvater aber schon starb (das Anzunehmende!), führt ihn die Schwester des Vaters zum Grabe des Großvaters väterlicher Seite. Zu diesem Bitt- und Betgange führt der Begleiter (oder die Begleiterin) des Burschen eine Kalebasse mit Sorghummehl und einen On-kogolo mit sich. Letzteres ist ein Taschenkrebs von der Art, die häufig genug über die Wege läuft. Am Grabe opfert der Begleiter dann erst das Sorghummehl und spricht folgendes Gebet: »Sieh, mein Vater (resp. Bruder oder so), dieser Bursche aus unserer Familie hat nun schon vor zehn Tagen geheiratet. Er hat seine junge Frau beschlafen, aber sie ist noch nicht schwanger geworden. Es ist besser, du kommst wieder. Also bitte ich dich um dieses.« Während des Gebetes wird das Mehl vollkommen ausgeschüttet. Es muß aber unbedingt Sorghummehl sein, sonst führt alle Mühe nicht zum Ziel. Danach läßt der Begleiter den Taschenkrebs einmal über den Burschen hinweglaufen, anscheinend auf der einen Seite herauf und auf der andern wieder herunter. Dann begibt sich das Bittpaar wieder nach Hause und der junge Mann gibt seiner Frau noch eine profane beschleunigende Medizin und pflügt das Feld seiner Hoffnungen aufs neue. Hat er nun Erfolg, so nimmt man unbedingt an, daß der junge Weltbürger der wiedergeborene Verstorbene ist, an dessen Grab gebetet wurde. – Sehen wir schnell einmal über die hier üblichen Geburtsakten hin:
Naht die Stunde der Schwangeren, so setzt sie sich in ihrer Hütte auf einen Stein, und zwar auf dessen Kante, so daß dem Austritt kein Hindernis erwächst. Der Stein ist etwa schemelhoch. Die Gebärende spreizt die Beine und stemmt die Hände fest gegen die Knie oder auf die Oberschenkel. Zum Beistand kommen zwei erfahrene Frauen von denen die eine hinter ihr Posto faßt und ihr in der üblichen Weise drückend den Leib herabpreßt, die andere aber vorn hockt, bereit, die austretende Frucht in Empfang zu nehmen. Die Nabelschnur (Kum) wird mit dem Splitter eines Sorghumhalmes losgeschnitten. Die Nachgeburt (Kue oder Kwuae) soll nicht selten schwer auskommen, und man weiß sehr wohl, daß, wenn das nicht innerhalb zweier oder dreier Tage geschieht, die Wöchnerin stirbt. Bei solcher Zögerung nimmt der besorgte Lakkagatte zu einer wieder recht eigenartigen zeremoniellen Maßnahme Zuflucht. Er nimmt nämlich seine Axt (Tenna) und geht in die Nähe zu einem Massi, d. i. ein Tamarindenbaum (Samia in Haussa). Er schlägt einige Hiebe in den Baum. Danach soll dann das Rückständige sogleich hervortreten. – Die Nachgeburt wird im übrigen in einer Kalebasse aufgefangen und vor der Haustür begraben.
Dann wieder die altgewohnte Angabe: bei Knaben fällt die Nabelschnur nach drei, bei Mädchen nach vier Tagen ab. Auch die »Kum« wird in eine kleine Kalebasse gefüllt, diese dann aber oben in der Hütte aufgehängt.
Die Familie heißt Gokum. Die Familienweiterbildung durch Verehelichung erfolgt nach totemistisch exogamischen Gesetzen. Ehe ich aber den familiären Speiseverboten nähertrete, will ich auf ein durchgehendes allgemeines Sittengesetz hinweisen, das an gleiche Gebräuche bei Baja und Bakuba erinnert.
Es ist nämlich ausnahmslos allen Frauen der Lakka verboten, Ziegen- und Hühnerfleisch zu genießen. Dazu berichtet die Legende: Einmal badete Umadje im Flusse. Da kam ein Schafbock (Mball). Der Mball sah, daß Umadje badete und ihn nicht wahrnahm. Mball grüßte darauf Umadje von ferne, so daß Umadje auf ihn aufmerksam wurde und beizeiten seine Blöße bedecken konnte. – Am andern Tage badete Umadje wieder. Da kamen ein Hahn und ein Ziegenbock. Der Hahn und der Ziegenbock sahen zwar Umadje, aber sie kümmerten sich nicht um ihn, kamen schnell näher, und so hatte Umadje keine Gelegenheit, noch seine Blöße zu bedecken. Der Hahn und der Ziegenbock sahen also Umadjes Blöße. Darüber ward Umadje sehr zornig. Und Umadje sagte: »Du Schafbock sollst in Zukunft deinen Schwanz nach unten tragen. Ihr beide, der Hahn und die Ziege, ihr sollt den Schwanz nach oben tragen, so daß jeder sieht, was für unanständige Tiere ihr seid. Und weil ihr so unanständig seid, soll keine Lakkafrau von eurem Fleisch essen.« So wurde es und so blieb es. –
Wieweit diese Legende altes Volkseigentum, wieweit sie etwa modernerer Import ist, ist mit so schwachem Material nicht zu entscheiden. Es muß einerseits stutzig machen, daß die islamitisierende Neuzeit diesen Umadje in dieser Geschichte mit »Anabi« (= Prophet) bezeichnet. Aber die Erzähler sagten das wohl nur, weil sie, nach der Persönlichkeit dieses Umadje befragt, nicht sogleich Rede und Antwort zu stehen vermochten. In Wahrheit hat wenigstens der Name Umadje nichts mit dem Islam zu tun. Ich habe oben schon gesagt, daß das Wort Umadje auch für »Opfer« angewendet wurde. Aber auch das trifft nicht des Pudels Kern. – Als Umadje bezeichnen die Lakka vielmehr die Verstorbenen, die Ahnen, die in ihrem Anschauungs- und Weltbetrachtungsfeld eine vielfüllende Macht bedeuten. So sagen die Lakka z. B., daß die Umadje den Leuten, die ihnen wohlgetan haben, die Freundschaft in der Weise vergalten, daß sie ihnen im Schlafe gern das in die Hand drückten, was sie am andern Tage brauchen, sei das nun Medizin oder Jagdgerät oder was sonst. Die Umadje sind also die typischen Ahnengeister, und es ist durchaus sinngemäß, wenn die Leute sagen, daß diese seit uralten Zeiten überkommenen Sitten von den Ahnengeistern stammen. –
Im übrigen bestehen exogamische Speiseverbote für die einzelnen Gokum. So gibt es eine Familie, die ißt nicht Löwe und Leopard, eine, die ißt nicht »Ndi« (Sumbala der Mande, Doria der Haussa), eine, die ißt nicht Abu (Flußpferd). Die Mitglieder der letzteren sagen, sie würden, wenn sie sich dennoch an dem Verbotenen vergriffen, von der Lepra (= Bandji) befallen werden. – Gleiche Speiseverbote schließen die Ehe aus. Eine Frau, die heiratet, muß in der Ehe außer den eigenen auch die Speiseverbote des Gokum ihres Mannes einhalten. Die Kinder folgen im Speiseverbote nur dem Vater und nicht der Mutter.
Interessant scheint mir folgende Zusammenstellung:
Kum = Nabelschnur,
Gokum = totemistisch Clan, Familie,
Kumma = die dem Ahnendienst gewidmeten Geräte.
Krankheit, Verzauberung, Tod, Begräbnis. – Wenn ein Mensch erkrankt, wird er auf sein Bett gelegt und zunächst einmal der Wuare unterworfen. Wuare ist Massage unter Anwendung von Blättern, die in heißem Wasser gelegen haben. Danach aber wendet man sich an einen Arzt, von dem man sinngemäße Behandlung erwartet. Der Arzt wird Njekumma genannt, d. h. also Herr der Medizin, denn dies kann nicht gut etwas anderes sein als das Wort, das wir oben für heiliges Gerät feststellten. Trotzdem behaupten die Lakka steif und fest, daß diese Ärzte keinerlei religiöse Funktionen hätten. Es soll ein Arztgewerbe geben, genau wie das jedes andern Berufs, und man lerne die Praxis entweder vom Vater oder man gehe für Geld in die Lehre zu einem andern angesehenen Arzte. Meist gibt aber auch ein Vater, der selbst Arzt ist und seinen Sohn Medizin studieren lassen will, den Burschen bei einem andern Meister in die Lehre, so daß er außer der väterlichen Praxis noch fremdes Wissen dazu gewinnt. Übrigens sehr schwer kann das Studieren der Medizin bei den Lakka nicht sein. So ein angehender Medizinmann hilft zwei Monate lang beim Handwerk und »weiß dann alles«. – Der Njekumma verwendet in seiner Praxis warme und kalte Getränke, Pulver, vegetarische und mineralogische Medikamente und, wenn ich recht verstanden habe, Klistiere.
Wenn aber auch dieses Weisen Kunst versagt, dann wendet sich die besorgte Familie an einen Wahrsager, einen Orakelmann.
Wenn ein Mensch stirbt, wird sein Leichnam erst gewaschen und dann nackt in eine Sekkomatte gelegt. In der Matte wird er nicht fest eingeschnürt, sondern locker gelagert, so daß er auf der linken Seite liegt, die linke Hand unter der linken Wange. Alles schreit und klagt einen Tag lang, für jung und alt, für Mann und Weib. Dann wird am gleichen Tage, stets außerhalb des Gehöftes, ein Grab ausgehoben, das aus einem tiefen vertikalen Schacht und einer nach Osten gerichteten Grabkammer besteht. Vorsichtig wird die Leiche hineingebracht und mit dem Kopfe nach Osten, den Beinen nach Westen, wie gesagt, auf die linke Seite (also nach Süden blickend) gelegt, eingelagert. Der Tote bekommt nichts mit ins Grab, außer der Sekkomatte absolut nichts. Nicht einmal den Ndarr genannten Lederschurz läßt man ihm. Der Grabeingang wird mit einem umgekehrten Topf geschlossen, und rund um dessen Rand werden zur Befestigung Kalebassenstücke gedrückt.
Am Grabe wird durch Ausgießen Bier geopfert und dann zehn Tage gefeiert, d. h. geschlachtet, gekocht, getanzt und getrunken. Damit ist die Sache aber auch ein für allemal erledigt. Wie jeder Tote sein eigenes Grab hat, so hat er auch nur ein Totenfest, und gewöhnlich treten die Überlebenden nur dann wieder mit ihm in Verbindung, wenn sie etwa Kindersegen für die jungen Männer herabflehen wollen, d. h. also, wenn der Tote nicht von selbst im jungen Nachwuchs wiederkehrt und hierzu erst durch die oben beschriebene Sorghummehl- und Taschenkrebszeremonie veranlaßt werden muß.
Abgesehen von den Umadje und den bösen Njembe oder Zauberer scheint man aber auch noch an den Umgang anderer Geister zu glauben. So hörte ich vage Berichte von einer Art Geister, die als Affen am Wasser nahe den Badeplätzen hausen, sich plötzlich auf die Badenden stürzen, sie in den Nacken schlagen, so daß das Blut herausspritzt, und sie so töten, sowie von einer andern Art von Geistern, die sich in eine Buschkatze verwandeln, die den Menschen das Herz stehlen und es in großen Bäumen aufhängen. Nächtliche Spukgestalten spielen also in der Phantasie jener Völker im Osten Adamauas eine große Rolle.