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7. Kapitel: Die Baja

Siehe die Kartenskizze. Die Baja gehören zur großen Völkergruppe, die das Gebiet zwischen Schari-Logone, Ubangi-Kongo und Westflußland einnehmen.

Die Baja stellen das entfernteste Volk dar, dessen Vertreter unserem ethnologischen Untersuchungsverfahren am Benue unterworfen wurden. Sie wohnen außerhalb des Reisegebietes, nämlich in jenem Landteile, auf dem die Quellflüsse der Logone-Schari, der Sanga-Kongo und des direkt zur Küste ab wässernden Sanaga entspringen. Ihr umfangreiches Land gehörte damals teils dem deutschen Kamerun, teils der französischen Kongokolonie zu.

Die Baja müssen mit zu den wildesten und brutalsten Völkern gerechnet werden, die Westafrika noch bietet. Noch heute gehört der Kanibalismus mit zu den selbstverständlichen Eigenarten dieser Stammesgruppe, und der Totschlag im Affekt ist bei ihnen sehr häufig; man betrachtet das dort ebenso wie im Lakkagebiet als herkömmlich. Vordem wollen die Baja selbst eine größere, geschlossene Monarchie dargestellt haben. Heute scheinen sie in viele einzelne Stämme zersplittert.

Ihrem Kulturbesitz nach stehen sie zwischen den Äthiopen Kameruns einerseits und den Westafrikanern anderseits. Sie stellen durchaus die Übergangsform zu den Kongotypen dar, ihren Waffen (siehe das diskale Wurfeisen, den Rohrschild und den einfach umwickelten Rotangsehnenbogen) und ihrer Lebensweise nach, dann aber auch darin, daß bei ihnen entschieden Sorghum dem Maniok gegenüber stark zurücktritt.

Die Vertreter, die mir zur Verfügung standen, wurden mir als ausnahmsweise kluge Individuen ihrer Art beschrieben. Ich habe große Mühe mit ihnen gehabt und kann deshalb eine besondere Intelligenz des mir bekanntgewordenen Bruchteils der Baja nicht gerade feststellen. Im Bajalande soll noch mehr Alkohol getrunken werden wie im zentralen Kamerun, da es mehrere Brautypen gibt. Vielleicht darf man diese Tatsache mit dem Geisteszustand in Verbindung bringen. Sicherlich sind die Baja ein hochinteressantes Volk und ich bedaure, daß ich nicht mehr und Genaueres über ihre teilweise höchst originellen Gebräuche vernehmen konnte. –

 

Königtum, Priestertum, Erntefeste. – In alten, alten Zeiten – so erzählt eine Sage – gab es nur einen einzigen König über das Bajaland, der wurde als Sengwere bezeichnet. Jedem Orte stand außerdem ein Gorimo vor, dessen Amt seit alten Zeiten ebenso erblich war wie das des Königs. Heute scheint.es mit dem einen Sengwere schon lange zu Ende, und die Zersplitterung, wie wir sie im Mossilande oder Sandegebiet beobachten können, ist hier noch viel mehr fortgeschritten als andernorts. – Das Abzeichen des Fürsten besteht in einem Kanna, einem Kupferring, den er an jedem Arme trägt. Die ganze Eigenart der Baja tritt in der priesterlichen Funktion der Fürsten zutage, und diese wieder wird uns offenbar, wenn wir die legendenhaften Berichte anhören, die die Baja und andere über die in alter Zeit übliche Bestattung der edelgeborenen Stammeshäupter der Baja abgeben.

Wenn ein Fürst gestorben war, wurde seine Leiche zunächst gewaschen; die Haare ließ man stehen, rieb aber den Körper und Kopf über und über mit roter Farbe ein. Diese ward ausschließlich aus Erde (und nicht, wie ein wenig östlich, aus Rotholz) bereitet und Koll oder Kall genannt. Danach schnitt man die linke Seite der Leiche in der Weiche auf. Die linke Seite heißt hier wie bei Durru »Frauenseite«, die rechte »Männerseite«. Aus der Öffnung zog man vorsichtig alles Jasawi, d. i. Gedärme, heraus. Man füllte sie in einen Topf und goß kaltes Wasser darauf. Dieser Topf ward zugedeckt und später beim Begräbnis mit beigesetzt. Hernach zog man die Leiche zusammen, so daß die beiden Hände, bei leicht nach links geneigtem Kopfe, jede auf je eine Seite des Gesichts gelegt, und die hochgezogenen Beine mit den Knien an die Brust gepreßt wurden.

Mittlerweile tötete man fünf weiße Ziegenböcke (weiß = budua; schwarz = tudua). Deren Häute zog man fest über die zusammengelegte Leiche. Es ist interessant, daß genau an der entgegengesetzten Seite meines Kameruner Interessengebietes die Farbe eine so entgegengesetzte Bestimmung im Totendienst findet. Bei den Mulgoi-Kanuri werden nur schwarze Bullenhäute, bei den Baja nur weiße Ziegenbockshäute um die peruanisch zusammengepreßte Leiche gezogen. Neben der Leiche ward dann ein Feuer angezündet. Neun Tage lang ward sie hier gedörrt und nachdem das Fett herausgetropft ist, soll sie in der Tat ziemlich dürr wie Holz geworden sein. Diese neun Tage waren ein Fest. Es ward getanzt und viel Bier (do oder don) getrunken; daneben aber auch ein wenig geklagt und geheult. Im Busch ging noch anderes Zeremoniell vor sich.

Im Busch, und zwar südlich oder westlich jeder Ortschaft fand sich ein großer freier Platz für Männer, der Tua heißt, und von dem wir noch Näheres bei Gelegenheit der Beschneidungsbeschreibung hören werden. Auf diesem Platz kommen stets nur Männer zusammen, in diesen Tagen aber ganz besonders zahlreich. Es stand auf dem Platze ein Haus, das barg in Kalebassen verpackt eine hölzerne Maske, die den Namen Noe-Noe oder Noi-noi führt. Sie war aus Holz geschnitzt, stellte ein Menschenantlitz dar und hatte einen langen Behang. Während aller neun Tage ward nun im Busch getrunken und zur Trommel getanzt, und die Maske spielte dabei eine große Rolle. Frauen war der Zutritt strengstens versagt, aber nicht wegen der Maske, sondern wegen der Heiligkeit der Örtlichkeit.

Inzwischen war für den König das Grab gegraben. Aus den mehrfachen Beschreibungen bin ich nicht vollkommen klar geworden. Jedenfalls war die Stelle an einer Örtlichkeit gelegen, die in der Trockenzeit frei von Wasser, in der Regenzeit aber größtenteils von fließendem Wasser bedeckt war. Die Fürsten ihrerseits nun scheinen die Eigentümlichkeit gehabt zu haben, in der Regenzeit zu sterben, und daß die Sterbestunde des Herrschers nicht von der Natur, sondern von dem Willen bestimmter Menschen abhängt, das ist eine echt äthiopische Einrichtung. – Also die Stelle, an der just in der Regenzeit, in der die Fürsten die Eigenschaft hatten zu sterben, das Grab dem Verstorbenen hergerichtet wurde, war mit Wasser bedeckt, und deshalb wurde eine Maßnahme getroffen, die uns wohl alle an eine bekannte Erzählung aus dem Norden erinnert; nämlich genau wie die Goten ihren Alarich im Busento, so setzten diese Nachkommen und Verwandten der alten Äthiopen ihre Fürsten bei.

Um die betreffende Stelle, an der der Tote seine Ruhestätte finden sollte, wurden der Sage nach Stöcke gesteckt. Außen wurden Gräben gelegt, dann der Stockzaun mit Sekko und Erde zu einem Wall ausgebaut. Durch die Seitengräben floß das Wasser ab; die Grabstelle ward so trocken gelegt. Es konnte nun mit dem Bau eines tiefen Schachtes begonnen werden, der in alten Zeiten ungefähr zwei Mann tief gewesen sein soll. Von der Sohle des Schachtes aus wurde dann eine Grabkammer nach Osten hin angelegt. Sie nahm den Toten auf, der mit dem Antlitz nach Süden auf die linke Backe und Seite, die rechte Hand obenauf liegend, gebettet ward. Neben die Leiche stellte man noch den Topf, der die Eingeweide barg. Sonst aber fügte man dem Leichnam nichts weiter bei.

Die Öffnung des Schachtes ward dann mit einem großen Topfe geschlossen. Von allen Seiten wurde Erde darum gestrichen und – wenn ich richtig verstanden habe – in ganz alten Zeiten eine richtige kleine Mauer aus Lehmklößen um den Topf aufgeführt, so daß das Wasser seinen Rand nicht unterwühlen und in die Grabstätte stürzen konnte. Der Boden, aus dem die Spitze des Topfes herausragte, ward jedenfalls mit großer Sorgfalt geglättet. Um den so entstandenen Kegel aber wurden dann endlich Stöcke gesteckt von der Art, die Wurzel schlägt. Im nächsten Frühjahr, d. h. mit beginnender neuer Regenzeit, schlugen diese aus und bildeten so einen Kranz von Bäumen, die mit ihren Wurzeln das Grab mehr und mehr festlegten.

Zunächst wurde aber das künstliche Mauerwerk, das den Fluß zurückhielt, weggerissen und der Fluß aus den neuen Gräben wieder in sein altes Bett zurückgeführt. Das Grab ward derart von Wasser überrieselt. Aber nur für einige Zeit, wie die Baja sagen. Später floß dann das Wasser auch in der Regenzeit immer weiter um das Grab. Ich kann das nur so verstehen, daß das Wasser an der das Grab umgebenden Baumwand seinen Schwemmsand niederlegte und so eine von Jahr zu Jahr wachsende Insel schuf.

Dieses soll alte und allein vollgültige Sitte gewesen sein, wenn es sich um die Bestattung eines großen Fürsten handelte. Wieviel davon Sage, wieviel Wahrheit ist, wird auch dem, der im Bajalande reist, nur dann möglich sein näher festzustellen, wenn er das Glück hat, einer solchen archaistischen Zeremonie beizuwohnen, oder wenn der Spaten der nordischen Kultur ein wohlerhaltenes Königsgrab der Baja anschneidet. Mit Bestimmtheit dürfen wir aber sagen, daß solche alte Tradition höchstens in den Dimensionen, nie aber in den Grundtatsachen von der Wahrheit abzuweichen pflegt. –

Im Beginn der nächsten Saatzeit hat dann der Bruder des Königs, der die meisten Opfer im Auftrage des Fürsten auszuführen hat, acht rote oder rotgelbe Hähne an diesem Grabe zu schlachten. Die Hähne werden beim Opfern sehr fest gehalten. Vor ihrem völligen Verscheiden dürfen sie nicht zappeln und zucken, noch viel weniger aber zur Erde fallen. Sonst würde in Bälde noch ein anderer großer Mann der Fürstenfamilie verscheiden. Vor dem Halsumdrehen dieses ersten Hahnes betet nun der opfernde Bruder des Königs: »Wenn ich es war, der meinen Bruder getötet hat, so soll mein Kopf umgedreht werden, so wie ich diesem Hahn den Hals umdrehe.« Danach vollzieht er das Opfer. Er nimmt einen zweiten Hahn, ebenso festgebunden und festgehalten wie der erste, hält ihn über das Grab und betet: »Wenn irgendein anderer Mann den König getötet hat, so soll ihm der Kopf umgedreht werden, so wie ich diesem Hahn den Kopf umdrehe.« Wieder muß ein Hahn das Leben lassen und dann folgen ihm die andern sechs Genossen, ohne daß der Opfernde dabei weitere Schwurgebete spricht.

Ein zweites Opfer am Grabe des toten Königs wird im Beginn der Reifezeit abgehalten, und zwar fällt die Vollziehung auch dieser Zeremonie dem Bruder des Königs zu. Es werden zwei rote Ziegenböcke und eine weiße Ziege mit herausgebracht. Erst wird ein roter Ziegenbock geschlachtet und von dem fürstlichen Priester etwa folgendermaßen gebetet: »Dieses schlachte ich, damit niemand krank werde und nichts mißlinge. Alles Schlechte soll hierauf kommen!« Das ist dann gleichbedeutend mit einer Fluchabladung. Und der Fluch bleibt nun auf dem Bock hängen. Kein angesehener und junger Mensch wird nun von dem Fleische dieses Tieres essen wollen. Aber es wird den alten Leuten als Speise zubereitet; an denen liegt den Baja sowieso nicht sehr viel. Sie werden auf diese Weise vielleicht desto eher sterben, denn der Fluch geht jedenfalls auf die über, die das Fleisch dieses Tieres genießen.

Danach schlachtet der Königsbruder die andern beiden Tiere und bittet dabei, daß alles gut gehen, daß die Ernte gut ausfallen, daß die Mutterschaft des Landes fruchtbar sein möge. Diese beiden Tiere werden auch gekocht und zubereitet und von dem Fleisch kann jeder genießen, denn darauf lastet kein Fluch. Dieses und alle ähnlichen Opfer vollzieht der Bruder des Königs, der – wie einst Aron – die Stellung eines Volkspriesters einzunehmen scheint. Er wird in dieser Eigenschaft Konowell genannt und neben ihm gibt es keinen andern Opferer.

Von dem Tage an, wo das Reifeopfer am Königsgrabe gebracht ist, dürfen die Baja aber nicht mehr bei ihren Frauen schlafen, darf auch zunächst und bis auf weiteres niemand von dem neuen Sorghum genießen. Dieses erste Fest setzt der Konowell nach dem Monde fest, d. h. wenn in der Reifezeit der Mond das erstemal seine schmale Streifensichel zeigt, ist der Zeitpunkt seiner Absolvierung gekommen. Und mit dem Aufleuchten dieser ersten Mondsichel beginnt dann auch die Enthaltung vom Genuß des jungen Sorghum und der Weiblichkeit.

Ein zweites Fest hebt diese Bestimmung auf. Der Tag seiner Begehung wird durch den König selbst festgesetzt. Er findet seine natürliche Fixierung durch die völlige Reife des Sorghum. Sobald der Fürst die Parole ausgegeben hat, beginnt man in jeder Familie vom neuen Korn viel Bier zu bereiten. Das Zeremoniell ist nur der Zeit und der Form, nicht aber dem Orte nach übereinstimmend. Es ist ein Familien- und Ahnenfest. Der Familienälteste begibt sich mit Bier zum Grabe eines Großvaters oder anderer Ahnen. Sein Gebet lautet angeblich folgendermaßen: »Du bist gestorben? Das war Deine Sache (soll so viel heißen: ›wenn Du gestorben bist, so laß das nicht uns entgelten, die daran schuldlos sind‹). Nun aber sieh, daß meine Familie Kinder bekomme, und daß meine Farm viel Frucht trage. Sieh, daß meine Familie gesund sei!« Nach diesem Gebete wird das Bier auf das Grab gegossen und nun wird heimgegangen. Im heimischen Gehöft hebt aber ein großes Bier- und Breifest an, denn nun darf jeder von dem neuen Erntegut genießen und außerdem – so setzte mein alter Berichterstatter mit besonderem Behagen hinzu – darf nun jeder wieder mit seiner Frau schlafen.

Alle Heiligtümer und alle Zeremonien hängen in dem Teile des Bajalandes, aus dem meine Berichterstatter kamen, mit dem Königsstamme zusammen. Der König ist gewissermaßen auch erster Priester, Priesterkönig. Aber weder er noch das Volk besitzen Schwirrhölzer oder Schwirreisen oder Lären, d. h. heilige Blasinstrumente oder aber Holzfiguren. Von jener einzigen Maske haben wir schon gehört und werden wir noch mehr hören. Das größte Stammesheiligtum findet sich aber im Königshause. Jeder Fürst hat eine heilige große Schlange (-Dua). Sie lebt in seinem Schlafgemache, und der hohe Herr gibt ihr eigenhändig jeden Tag die Speisung. Der Fürst betet diese Schlange an. Er bittet sie um alles, je nach der Gelegenheit; um Waffenerfolg im Kriege, um reichen Ernteerfolg, um Kinder usw. Er redet sie an mit dem Wort Nakom, d. h. Großvater, was mir aber mehr ein schmeichelndes Wort, ehrwürdigem Alter dargebracht, als eine Andeutung mystischer Familien- und Herkunftsbeziehung zu sein scheint. Diese Schlange wird auch um Regen gebeten, wenn im Frühjahr die Saat im Boden liegt, und keine Befruchtung durch Himmelsnaß erfolgt.

Nur der Fürst hat eine solche heilige Schlange, sonst niemand. Aber wenn die Schlange stirbt, muß auch der König der alten Sage nach unbedingt sterben. Hier scheint schon einer der gewaltsamen Abschlüsse äthiopischen Königtumes vorzuliegen. Umgekehrt aber tötet man nicht etwa die Schlange, wenn der König stirbt. Die Schlange läßt man weiter leben und übergibt sie dem neuen König. Wenn aber ein neuer König keine Schlange vorfindet, weil der Tod der alten ja eben der Grund des Ablebens seines Vorgängers ist, so wendet er sich an seinen Mutterbruder und erbittet von diesem ein neues Tier. Wo dann der Mutterbruder die neue Schlange gewinnt, konnte niemand sagen.

Der Tod dieses priesterlichen Königs ist aber keine so sehr fernliegende Sache. Nach guter alter Bajasitte nahm man nicht an, daß ein König länger als vierzehn Jahre leben würde. Nun habe ich anfangs nicht genau verstanden, wie das gemeint ist. Aber meine Baja grinsten ganz verschmitzt bei dieser Angabe. Nach meinen Erkundungen scheint die Sache sich folgendermaßen abzuspielen:

Derjenige, der altem Ritus zufolge die Lebenszeit der Regenten verkürzte, war der eigene Sohn, wenn der Vater nach vierzehnjähriger Regierungszeit ihm nicht freiwillig Platz machte. Die Familie (Familie = Njakong oder Njankong) hatte folgende Speiseverbote: 1. Go = Leopard, 2. Diga = Löwe, 3. Mbongo = Hyäne, 4. Domo (?) = Karnickel, 5. weiße Hähne und 6. das Fleisch von Menschen, d. h. nur Männern; (wir werden sehen, daß im Gegenteil Mädchen- und Frauenfleisch zu den bevorzugten Gerichten der Königstafel gehört). Der König muß nun am gleichen Tage, wo er Leopard oder etwas Derartiges verzehrt, unbedingt sterben, und demnach ist es für den Sohn nicht schwer, seinenVater zu beseitigen. Er besorgt sich zunächst das Schnurrbarthaar eines Leoparden, dann einen Topf sehr guten Bieres. Das Leopardenhaar wird in das Bier getan und dann dem Herrscher vom eigenen Sohne über bracht. Der Sohn sagt: »Mein Vater, ich erhielt von einem Freunde ein sehr gutes Bier. Es ist so gut, daß ich Dich bitte, es zu trinken.« Der König wird nun gierig, wie alle Baja hinter dem Sorghumsaft her sind, das annehmen. Er wird trinken. Er wird in dem Augenblick, in dem das Leopardenhaar ihm in den Hals kommt, sterben. Er erstickt daran. Ich fragte den erzählenden Baja, ob der Sohn vielleicht auch noch ein wenig Gift in das Bier tue. Er lachte aber nur und ein beisitzender Durru erklärte, daß man im Bajalande gewohnheitsgemäß nicht vom Vergiften spreche; man sage nicht alles, was man tue.

Ganz außerordentlich verehrt am Königshofe ist Kote, der Schmied. Diese Nen-Kote gelten als dem König am nächsten stehend. Alle Baja verschwägern sich durchaus gern mit den Schmied-Familien. Man sieht sie als kluge und geschickte Menschen an, nicht aber als eine irgendwie abgesonderte Kaste. Aber da der Sohn das Handwerk immer vom Vater lernt, so ergibt sich eine familiäre Geschlossenheit oder Sippenbildung der Schmiede ganz von selbst.

 

Beschneidung, Verehelichung. – Die Beschneidung wird bei beiden Geschlechtern vollzogen. Die Beschneidung der Knaben heißt Koregene und wird im Alter von zwölf bis vierzehn Jahren ausgeführt. Die Operation ist Aufgabe eines eigenen Berufes, eines Mannes, der Odekirri genannt wird. Eines Abends bei Sonnenuntergang versammelt er alle Burschen, die etwa zwölf oder vierzehn Jahre alt sind und führt sie zu dem Platze im Busch, der Tua heißt, und den wir oben schon kennengelernt haben als Tua der Männer (denn es gibt auch einen Tua der Weiber) und Aufbewahrungsort für die Maske Noi-Noi. Der Vater begleitet seinen Sprossen dahin. Der Odekirri hat keine besondere Kleidung. Er ist nur eingeölt. Die Handlung wird meist vor Sonnenuntergang ausgeführt und die ganze Gesellschaft von zehn bis zwölf Jünglingen in schneller Reihenfolge ihres Präputiums (Nua) beraubt, und dieses fortgeworfen. Der Bursche steht dabei aufrecht. Es gilt als große Schande, wenn er schreit oder wimmert. Dabei wird mit Trommel und Tanz gelärmt.

Die beschnittenen Burschen tragen im Busch einen Schurz, der aus der Rinde des Baobab geklopft ist. Solcher Rindenstoff heißt So. Er ist mit roter Farbe bemalt und ist nur einfach umgelegt. Während dreier Monate verweilen die Jungen auf dem Tua und währenddessen dürfen sie kein Weib sehen. Die Frauen bereiten die Nahrung im Busch und senden sie durch die Väter und Onkel auf den Tua. Bei den Beschnittenen aber bleiben die älteren Brüder, die, die das vorige Mal der Beschneidung unterworfen wurden. Diese waschen und verbinden die Wunden und sorgen für die nötige Bewegung.

Wenn die Gesellschaft nach völliger Genesung und Vernarbung in den Ort kommt, gibt es viel Freude. Es ist Bier gebraut und eine Ziege geschlachtet. Jeder einzelne Vater kommt herbei und sucht sich seinen Sohn heraus. Wenn nun aber ein Vater seinen Sohn nicht findet, weil der nämlich in der Zwischenzeit im Busche starb, dann nimmt er einen der Wärter jener Burschen der vorigen Beschneidungsperiode beiseite, und fragt den aus, und der teilt ihm dann das Unglück mit.

In voller Wut rennt der Vater dann zu seiner Frau, der Mutter des Verstorbenen und führt eine Tat aus, die die ganze Brutalität und Bestialität dieses Volkes an den Tag legt. Er schreit die Frau an und sagt: »Mein Junge, den ich durch Dich hatte, ist im Busch gestorben. Du mußt den Jungen im Busch getötet haben!« Die entsetzte Frau sagt: »Nein, ich habe es nicht getan. Ich habe Deinem (!) Sohne nichts getan!« Der Vater ist aber nicht zu besänftigen. Er fährt in großer Wut weiter fort: »Du mußt das getan haben. Erst habe ich Dich für hohe Ausgabe geheiratet, dann hast Du mir den Sohn geboren und nun hast Du ihn als Doa (Verhexerin) getötet. Ich aber will Dich nun auch töten!« Dann nimmt der Mann sein Messer und tötet die eigene Frau, die Mutter seines Sohnes, indem er ihr den Bauch aufschlitzt. Die Angelegenheit ist damit erledigt. Der Mann wird nicht zur Rechenschaft gezogen und die Frau wie jeder andere Mensch begraben.

Auch die Mädchen werden beschnitten und zwar in der Zeit der Reife, d. h. wenn sie heiratsfähig werden. Sie dürfen vor der Beschneidung auf keinen Fall mit einem Mann zu tun gehabt haben, sonst schwillt ihnen nach der Operation der Leib mächtig auf und ein Wurm bildet sich in ihrem Innern, an dem sie rettungslos sterben. Wie die Männer, so haben auch die Weiber im Busch einen eigenen Zeremonialplatz, der auch Tua heißt und im Osten der Ortschaft zu liegen pflegt. Es steht ein Haus darauf, über dessen wesentlichsten Inhalt wir nachher sprechen werden. Männer dürfen den Weibertua nicht betreten.

Auf diesen Weibertua führen die alten Frauen nun die Mädchen und schneiden ihnen zirka einen Zentimeter weit die Spitze der Klitoris (= Jüdong) ab. Die abgeschnittenen Stücke werden auf ein spitzes Holz gestellt und in die Grasdecke der Tuahäuser gesteckt, wo man denn alle Jahrgänge derart aktenmäßig geordnet vorfinden kann. Zwei Monate währt der Aufenthalt auf dem Weibertua und in der Zeit herrscht da ein reges Leben, während die Frauen sonst ihren Tua gar nicht zu besuchen oder zu betreten pflegen. Die operierten Mädchen tragen aber im Busch nur Blätter vom Baume Goschi, die vorn und hinten an der Lendenschnur befestigt und zwischen den Beinen durchgezogen sind.

Nach Begehung dieser Reifeopfer ist es aber der Bajajugend nicht wie bei den echteren Vertretern äthiopischer Kultur gestattet, Freundschaften einzugehen, die oftmals als harmlos geschildert, doch alles in allem einen Übergang zum Geschlechtsleben bedeuten. Bei den Baja herrscht vielmehr strengste Abgeschlossenheit der Geschlechter und der Vater, der einen Liebhaber mit seiner Tochter zusammen ertappt, nimmt dem sein ganzes Besitztum fort. Es herrscht überhaupt wie auf allen Gebieten, so besonders auf dem des Geschlechtslebens die volle starre, rigoros brutale Durchführung des Männerrechtes, wie sie für die Baja ganz allgemein charakteristisch ist. Solche fast tierische Grausamkeit wie bei den Baja soll überhaupt nur noch bei den Lakka herrschen, unter denen allgemeiner Überzeugung nach die neben den Baja gewalttätigsten Menschen zu suchen seien. Wenn also ein Baja einen Liebhaber bei seiner Frau findet, pflegt der Baja wie der Lakka ihn einfach totzuschlagen, und solche Totschlägerei ist bei den Baja allgemein und häufig. Danach entsteht dann ein Kampf zwischen beiden Familien, dessen Folge meist eine Anhäufung von Todesfällen ist, in dem aber der »regierende Fürst« nach echt äthiopischem Rezept höchstens mitschlagend und parteinehmend, nicht aber ausgleichend wirken kann.

Der Mann, der ein Mädchen heiraten will, hat nach Bajaverhältnissen schwer zu zahlen, und zwar erhält der Schwiegervater Schaufelgeld (Warra), Speere (Schere oder Jere), Ziegen, Hühner und Matten. Fernerhin muß er für den Schwiegervater einen Monat lang Knechtsdienste tun. Während dieser Zeit muß der Vater des Burschen diese umfangreichen Gaben zusammenbringen und abliefern. Alle Baja sollen sich darüber einig sein, daß eine Frau zu teuer bezahlt wird.

Der Monat Knechtdienst ist keine Übertreibung. Der Bursche muß als echter und rechter Knecht in das Haus seines Schwiegervaters ziehen und da arbeiten, was sein Brotherr verlangt: Farmwerk, Hausbau, Jagd, Holztragen usw. Und was er erlegt oder erarbeitet, gehört auch seinem Schwiegervater. Der Ort, an dem der Knecht-Bräutigam schläft, ist aber kein anderer als das Schlafgemach seiner Braut. So sehen wir die alte Form der Jugendliebe und Freundschaft der Äthiopen bei den Baja wieder auftauchen, – nur mit der Modifikation, daß der Bräutigam, wenn der Schwiegervater es nicht ausdrücklich genehmigt (was allerdings bei Zahlungsunsicherheit des Bräutigams manchmal vorzukommen scheint) – auf keinen Fall sein Mädchen beschlafen darf. Auch hier hängt das schneidige Messer der Bajawut ununterbrochen über seinem Haupte.

Wenn aber innerhalb dieser Monate der Vater des verknechteten Bräutigams alles bezahlt hat, dann zieht er aus der Brotstelle unter Mitnahme der Braut ins Vaterhaus zurück. Da herrscht natürlich ob der Vermehrung der Arbeitskraft große Freude. Es wird allerhand geschlachtet und gekocht. Es ist Bier bereitet und abends gibt es dann Tanz. In dieser Nacht kommt das junge Ehepaar jedenfalls nicht zu behaglicher Hingabe. Der natürliche Ehevollzug beginnt vielmehr erst in der folgenden Nacht. Irgendwelche verschämte Zurückhaltung oder gar kampfbereite Verteidigung der Braut oder ein Flittergeschenk sind hier nicht Sitte. Dennoch rechnen die Baja, wie andere Kameruner, daß man zur Vollendung der Perforation des Hymens fünf Tage benötige. Sie drücken das wenig verblümt so aus, »daß der Mann mit dem Beschlafen langsam (»klein, klein«) beginne und daß dann am fünften Tage Blut flösse«. Ich nehme also an, daß eine hastige Überstürzung hier nicht zum guten Ton gehöre. Wenn nun die roten Male Beleg ablegen für die Keuschheit der jungen Frau, so ist es auch hier Sitte, dem Schwiegervater ein kleines Geschenk zu senden.

Die Ehemöglichkeiten sind totemistisch begrenzt. Das Bajavolk zerfällt in verschiedene Njakongs, das sind Familien, deren jede ihre eigenen Speiseverbote hat. Solcher Totemismus schließt Exogamie ein. Man kann wohl ein Mädchen aus dem gleichen Dorfe heiraten, nicht aber eine aus gleichem Njakong, – auch dann nicht, wenn irgendwelche Blutsverwandtschaft sich direkt nicht nachweisen läßt. Ein nicht familien- sondern geschlechterweises Verbot besteht für die Frauen außerdem darin, daß keine von ihnen Fisch essen darf. Wenn eine das Gebot übertritt, so wird sie nicht schwanger. – Daß den Weibern auch Menschenfleischkost untersagt ist, stellt nur eine, wie es scheint, bei allen kannibalischen Völkern Afrikas wiederkehrende Einschränkung dar.

Der Beischlaf wird in äthiopischer Weise ausgeführt. Die Frau liegt also auf der Erde und der vor ihren Geschlechtsteilen niederhockende Mann zieht deren Beine zwischen Oberschenkel und Weichen um seinen eigenen Leib herum. –

 

Altersklassen, Arbeitsteilung, Tod, Ahnendienst. – Die Namen der Altersklassen lauten bei den Baja:

Bem =
Säuglinge.
Kurenja =
kleine Jungen vor der Beschneidung.
Uba =
Beschnittene.
Sapti =
Verheiratete.
Mbangawa =
Männer in den besten Jahren.
Gwaenana =
Greise.

Einteilung und Auffassung der Gruppierung entspricht genau der überall bei den West-Äthiopen üblichen Art. Vom Kurenja erwartet man noch keine verantwortungsvolle Arbeit, vom Uba erwartet man Erwachen des Interesses für den Stamm und Loslösung vom mütterlichen Schürzenband; der Sapti arbeitet für seinen Vater, der als Mbangawa die schönste Zeit des Männerlebens verbringt und der Gwaenana endlich wird als ein überflüssiges Übel angesehen, das man notgedrungen weiter ernährt. Es muß aber bemerkt werden, daß nach übereinstimmenden Angaben die Baja nicht so viele und so alte Männer haben wie die andern Stämme und ich glaube, daß man das einfach mit dem brutalen, kriegerischen Sinn des Volkes, das jedenfalls auf Altersschwäche der Angehörigen in keiner Weise Rücksicht nimmt, in Zusammenhang bringen muß. Das Bem tritt in der mütterlichen Hütte ins Außenleben. Die Wöchnerin sitzt zurückgelehnt da, eine alte Helferin stützt sie im Rücken und hält sie umschlungen, eine andere hockt zwischen den geöffneten Schenkeln, bereit, das junge Wesen zu empfangen. Der Nabel (Kon) wird mit einem Rasiermesser abgeschnitten. Batue (oder Nachgeburt) wird herausgetragen und vor der Türe im Boden begraben. Der Nabel fällt auch hier je nach dem Geschlecht, bei Buben nach drei, bei Mädchen nach vier Tagen ab. Nach einem Jahr soll das Kind sprechen und laufen können. Zunächst trägt die Mutter es im Tragleder, das wie das der Komai gebildet ist, auf dem Rücken herum. Das Tragleder heißt bei den Baja jerri, bei Durru kunri und bei Bum ngangsamma. Sonst werden aber alle Lasten auf dem Kopf getragen. In dortiger Gegend tragen nur die Bute den Schulterriementragkorb. Die Baja sind im allgemeinen ein Felle bevorzugendes Volk, kennen demnach nicht die Tragsäcke aus Flechtwerk, sondern nur die aus Fell und Leder.

Ebensowenig ist der Webstuhl bei ihnen heimisch. Sie tragen zumeist Rindenstoffe. Die Arbeitsteilung ist eine übliche: Die Männer haben den größten Teil an der Farmarbeit, machen Körbe und Matten und Sekko-(= kin)wände, führen den Hausbau aus, schmieden, formen und brennen aber auch ihre Tabakspfeifen. Die Töpferei liegt in den Händen der Frauen.

Die Volks- und Familiensitten richten sich im Todesfalle auch bei den Baja nach der Altersklasse, aus der den Sterbenden derTod herausreißt. Gehörte er noch der arbeits- und zeugungsfähigen jungen Welt an, so ist große Trauer, wildes Schreien üblich; es gilt als Unglück. Wenn aber ein verbrauchter Mensch aus der Sippe verschied, dann erhebt sie freudiges Geschrei, braut Bier, tanzt und ergeht sich in Ausgelassenheit. Nach einer Nacht, d. h. am Morgen nach dem Tode wird der Leichnam schon im Busch bestattet. Jeder Tote erhält sein eigenes Grab. Es ist ein mehr oder weniger tiefer Schacht, von dem eine Kammer nach Osten zu angelegt wird. Die Leiche wird mit den Händen auf den Backen und mit hochgezogenen Knien in eine Matte = Ndurru fest eingeschnürt. Sie wird, gleich ob Mann ob Weib, in der Kammer auf die Seite, mit nach Süden gerichtetem Kopfe gelegt. Danach wird das Grab zugeworfen. Wie man die Grabkammer vor einfallender Erde schützt, habe ich nicht verstanden. Wenn der Tote ein alter Mann war, wird für ihn noch ein Hahn geschlachtet.

Die Baja üben das uns bekannte Ahnenopfer, und zwar in der Frühzeit. Ehe noch der erste Regen fällt und die Saat ausgestreut wird, zieht der Älteste zu der repräsentativen Grabstätte heraus, schlachtet seinen Hahn und spricht für sich und seine Familie, für Farm und Nachwuchs und Gesundheit sein Gebet. Diesem Ahnenopfer entspricht auch der bekannte Beleg des Seelenwanderungsglaubens.

Wenn eine junge Frau längere Zeit verheiratet ist, ohne schwanger zu werden, so geht ihr Vater oder ihre Mutter mit ihr zum Grabe eines Ahnherrn der mütterlichen Familie, sei es nur, daß der Bruder, Mutterbruder oder Großvater darin ruhe. Die Alte (oder der Alte) nimmt weißen Stoff und Bier mit hinaus. Sie breitet den Stoff über dem Grabe des Toten aus, gießt opfernd das Bier hin und betet: »Ich bitte dich! Du hast mich geboren. Hier ist mein Kind! Sie ist verheiratet und ihr Mann beschläft sie. Aber sie bekommt kein Kind. Gib du, daß die junge Frau schwanger werde.« Nach Absolvierung dieses Gebetes wird der weiße Stoff vom Grabe genommen und der jungen sterilen Frau umgebunden. Sie geht heim. Sie darf sich auf dem Heimwege aber nicht umwenden resp. nach dem Grabe zurücksehen.

Das weiße »Seelentuch« scheint mir eines Hinweises auf ähnliche Zeremonien und dementsprechenden Anschauungszusammenhang wert. Wenn die Nupe auswärts der Ortschaft einen Menschen verlieren, so geht ein Familienglied hin zu dem zuweilen sehr fernen Grabe. Ein weißes Tuch wird ausgebreitet, von der Erde auf dem Grabe ein wenig eingefüllt und dieses zurückgebracht. Wo daheim das Tuch mit der Erde dann bestattet ist, da bringt man dem Toten die Opfer dar. Man nimmt also an, daß die Seele des Toten darin heimgekehrt sei. Ähnliches sah ich bei den Bassariten. Hier nun ist im Bajalande eine Parallele vorhanden. –

Wenn einem Kind der Nabel abgefallen ist, also bei Knaben am dritten, bei Mädchen am vierten Tage, erhält es vom Vater seinen Namen, doch aus welcher Familie man ihn wählt, habe ich nicht klar erkennen können.

Das Erbschaftsrecht ist angeblich sehr einfach. Da man von jedem Menschen annimmt, daß er das ihm Notwendige selbst erwirbt, so fallen alle Immobilien (vor allem das Farmland) und auch die Mobilien dem Könige zu. So lautet wenigstens die Tradition. Die Baja geben aber selbst zu, daß das Gesetz nicht scharf angewendet werde. – Eine Frau gibt ihrer Trauer um den Verlust des Gatten in der Weise kund, daß sie die Haare abschneidet. Das allgemein übliche Trauerabzeichen der Kinder für ihre Eltern, der Geschwister und Gatten besteht aber darin, daß die Leute sich den Oberkörper mit Asche einreiben und dadurch weißen.

 

Kannibalismus. – Sehr verbreitet aber ist im Bajalande die Art des Todes, bei der es weder Verhexung, noch Erbschaft, noch Trauerzeichen gibt und die ihren Ursprung in einer solid ausgebildeten Menschenfresserei hat. Darüber hörte ich folgendes:

Wenn ein Bajafürst ein dralles, appetitliches Mädchen sieht, so läßt er sie wohl einfangen und einschließen, aber nicht, um mit ihr schöne Nächte zu verbringen, sondern um sie mästen, feist werden und dann schlachten und rösten zu lassen. Sie wird in seiner »Hofburg« aufbewahrt, wird mit allem versehen, was sie in einen guten Leibeszustand versetzen kann, und wenn sie dann für die königliche Tafel gut vorbereitet scheint, dann schickt der Fürst sie mit seinen Leuten in den Busch. Da wird sie geschlachtet, ihr Fleisch geröstet und nachts dann in die Hofburg gebracht, um für einige Tage den Gaumen des hohen Herrn und seiner Günstlinge zu laben. Der König verzehrt aber nur Mädchen- und Frauen-, kein Männerfleisch.

Der Kannibalismus ist bis heute noch, oder war es jedenfalls bis in die jüngsten Tage hinein, eine durchaus allgemein verbreitete Sitte im Bajalande. Es wird offen ausgesprochen, daß kein Fleisch so ausgezeichnet sei, wie das von Menschen. Auf Märkten wurde Menschenfleisch allerdings nie verkauft, einmal, weil es nämlich keine Märkte gab und dann, weil alle Menschenfresserei geheim betrieben wurde. Die Frauen durften nichts davon sehen und nichts davon genießen. Sie wären sonst sicherlich steril geworden. Aber wenn man das Fleisch auch nicht gerade feil hielt, so tauschte man doch hier ein Bein und da einen Arm. Denn zum Menschenfleisch gehörte ein Trunk Bier, und Bier hatte man nicht immer, wenn man den Leckerbissen hatte, wohl aber sicher einen Nachbarn, und so gab man das eine oder andere Stück gern weg, um einen guten Trunk dafür zu erhalten.

Entweder man erlangte diese edle Speise im Kriege oder durch Schlachten. Hatte man im andern Dorf einen Mann erschlagen oder erstochen und war der Leichnam zu schwer, um ihn ganz wegzuschaffen, so schnitt man ihm Arme oder Beine oder was man sonst bevorzugte ab, steckte es in den Ledersack und machte sich eilig auf den Heimweg – eilig, denn jeden Augenblick konnte der erboste und verstärkte Feind wieder zurückkommen. Hatte man aber einen Gefangenen, der für die Tafel bestimmt war, so schlachtete man den auch nicht daheim. Jedes Menschenfleischmahl findet im Busche statt. Da wird dann der Gefangene hingebracht und mit Halsschnitt getötet.

Zum Mahle versammelt sich dann die Verwandtschaft und die Freundschaft, aber alles nur altes Volk. Kein junger Mann, auch wenn er verheiratet ist, wird zugelassen. Menschenfleisch ist bei den Baja, wie bei andern Stämmen der Genuß von Eiern, ein Vorrecht des Alters. Im Busch errichtet man dann kleine Roste aus lendenhohen Gabelstöcken, über die Querstäbchen gelegt sind. Darauf wird das Fleisch geröstet. Menschenfleisch wird stets geröstet, nie gekocht genossen. Man macht unter dem Roste Feuer von Holz und Blättern. Das Zerlegen des edlen Wildes erfolgt in der Weise, daß erst die Glieder abgelöst werden. Danach schneidet man die Geschlechtsteile ab und wirft sie in den Busch. Über die Verteilung bestehen auch alte Übereinkünfte. So erhält das Rumpfstück immer ein altbewährter Krieger. Den Kopf aber gibt man dem Jäger, der ihn in besonderer Weise aufzubewahren hat.

Der Jäger hütet nämlich in seinem Bereiche eine kleine Pflanze, die hier Daeae (nasal gesprochen) heißt. Die Pflanze dient dem Medizinalwesen und wird bei allen möglichen Krankheiten angewendet. Ich darf darauf hinweisen, daß die Medizinen stets von den Jägern herrühren, die sie auf irgendeine Art von den Tieren der Legende nach empfingen. Nun ist diese Daeae keine andere als die Gadell (siehe Tschambabeschreibung unter Tauwa) der Nordvölker. – Indem der Kopf des Verzehrten auf die wichtige Gesundheitspflanze gesetzt wird, die hier bei den Baja als mächtigste Kriegsmedizin schützender Art geschätzt wird, knüpft die brutale Gesittung der Baja doch wieder an die feingliedrige mythologische Auffassung der Äthiopen an. –


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