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9. Kapitel: Die Durru

Siehe die Kartenskizze. Die Durru sind offenbar seit alters her ein Schmiedevolk, früher wohl mächtig, heute aber den nun auch schon senilen Bum dienend.]

Geschichte, König und Oberschmied, Schwirren, Reifefest. – Die Durru, die sich selbst Divio nennen, wohnen in der Mitte zwischen den Stämmen, die altäthiopische Reichsorganisation aufweisen, zwischen den Tschamba im Westen, den Mundang-Dama im Nordosten und den Bum im Süden und Südosten. Ihre Genossen in der Mittellage sind die Nandji und Bokko, von denen die ersteren heute einen Dialekt der Tschambasprache reden, während die Bokko sprachlich wenig von den Durru unterschieden sind. Beherrscht werden die Durru offenbar schon seit alter Zeit von den Bum. Trotzdem haben sie viele ihrer Einrichtungen und sogar eine eigene Häuptlingsart bewahrt. Seitdem mit der Fulbeinvasion alle Verhältnisse umgemodelt wurden, kam ein Teil der Durru unter die Herrschaft Rei Bubas, einer unter die des Galadima von Tschamba, einer unter die des Lamido von Kontscha, der größte Teil aber unter die des mächtigen Ngaumderefürsten. Die geschichtliche Erinnerung der Durru reicht nicht weiter zurück als bis zu der Zeit, in der der Bellaga oder Bellaka der Bum ihre Geschicke leitete. Diese Könige thronten in Gang-ha, einer Ortschaft, die auf einem Hügel nördlich von Ngaumdere gelegen ist. Gang-ha heißt in der Bumsprache »Herr der Wurfmesser«. Der letzte selbständige König der Bum und somit auch der Durru war Bellaka Lauborro, vor dessen Namen noch heute Durru wie Fulbe Respekt haben. Dieser, wie es heißt, ausgezeichnete Mann ward von dem Vater der Lamido Langwal getötet; dieser Fulbe kam aus Borongo, bat sich von Bellaka einen Platz zur Wartung seines Viehes aus, gründete derart Ngaumdere und begann, genügend erstarkt und mit den Zuständen des Landes vertraut, den Krieg, in dem der Bumkönig getötet ward, und die Fulbe seinem Sohne Langwal das Lamidad Ngaumdere schufen.

Diesen Königen war also, wie gesagt, das Durruvolk tributpflichtig und sie zahlten alljährlich ihre Abgabe in kleinem, bei ihnen heimischem, buckellosem Rindvieh und vor allem in Speeren, Schaufeln, Messern u. dgl., denn wir werden sogleich sehen, daß die Durru das vornehmste Volk der Eisengewinnung Zentral- und Nordkameruns sind. Aber diese Oberhoheit verhindert es nicht, daß die Durru ihre eigenen Häuptlinge »Djab« genannt hatten. Eine jede kleine Durruortschaft hatte einen Djab. Wenn er starb, ward sein Sohn Djab. War der Djab gut, so ließ man ihn regieren, solange er lebte. Wenn er aber immer alles verzehrte, und niemand etwas von seinen Einnahmen und seinem Besitz abgab – wenn er also ein egoistischer, im äthiopisch-kommunalen Sinne »schlechter« Häuptling war, so wurde er kurzerhand abgesetzt, und darin erwiesen sich die Durru also als echte Äthiopen.

Die Durru sind das vornehmste, in der Ausübung dieses Handwerks allen andern Stämmen Nord- und Zentralkameruns voranstehende 'Volk der Schmiede. Also ist es folgerichtig, daß die Volksanschauung auch die Häuptlinge aus gleichem Stamme herauswachsen sehen will. (Der Schmied = Lang, Plur. Lang-wio.) An ihrer Spitze steht ein eigener Oberherr, das ist der Togbang; der Togbang hat einen Sohn, dessen Titel Dogna ist. Wenn der Togbang stirbt, folgt der Dogna ihm im Amt. Es ist also eine eigene Organisation.

Man sagt, daß der Djab und der Togban ursprünglich von einer Familie abstammen. Beide Familien heiraten nicht ineinander und sagen, wenn ein Djab ein Schmiedemädchen heirate, dann würde es Krieg geben. Nun standen die Durru unter der Herrschaft der Bum. Also wurden auch die Insignien der Djabwürde von den Bum ausgegeben. Aber die Djab mußten sie, dem alten Herkommen zufolge, von dem Togban in Empfang nehmen. Es liegt also ein ähnliches Prärogativ zugrunde wie bei Dakka oder Tschamba, wo zuletzt auch alles von den Schmieden stammt, oder wie bei den Mande, wo der Numu als Geber alles Guten gilt. Die Insignien der Djab waren aber folgende: 1. der Mbull (im Bum = Mburi), d. i. der geflochtene Adelshut mit Eisenhutnadel, 2. der Wae, d. i. ein Armring aus Kupfer, bei den Bum Ahurum-pu genannt, 3. Gbangae, ein Baumwollschurz (im Bum = Latak). Dieser letztere ist sehr bemerkenswert. Die Bum haben bis vor recht kurzer Zeit gleich den Baja nur Rindenstoffe gehabt. Die Baumwollweberei ist bei den Namdji-Bokko-Durru entschieden älter als bei den Bum. Also dürfen wir annehmen, daß wenigstens das eine oder andere Königsinsignum nicht von den Bum stammt, sondern altes Besitztum der Durru ist. Es dürfte somit das ganze Zeremonial ohne weiteres älter als die Bumherrlichkeit sein. Im übrigen veranstaltet der Djab nach der Krönung eine Versammlung seiner ganzen Gemeinde; begrüßt sie, und veranstaltet eine allgemeine Speisung mit nachfolgendem Umtrunk.

Einen eigentlichen Priester haben die Durru nicht. Der Häuptling und der Schmiedeherr, also Djab und Togban, teilen sich in die Arbeit. Das ist vor allen Dingen das wichtigste Opferfest der Gemeinde, das Opfer (Njobe, in Bum = Wwenn) der Sommer- und Reifezeit. Dieses wird veranstaltet, wenn das Sorghum noch niedrig ist und noch nicht einmal schulterhoch steht. Für den Tag ist maßgebend, daß der Mond noch eine ganz schmale Sichel darstellen muß, also etwa erst drei Tage alt sein darf. Es versammeln sich dann vor dem Königsgehöft alle männlichen Glieder der Gemeinde, alte wie junge, weibliche Wesen sind ausgeschlossen. Mit Sonnenaufgang tritt der Djab mit einem weißen Widder (Mbehere) heraus. Es wird da eine kleine Grube ausgeschachtet. Über ihr schlachtet der Djab den Schafbock, so daß alles Blut in die Grube rinnt. Der Djab betet zu Tagelle d. i. Gott, dessen Aufenthalt man augenscheinlich in der Grube sucht, um Fruchtbarkeit der Farmen, um Gesundheit, um Kindersegen, dann aber auch um Glück auf der Jagd und um erfolgreiche Arbeit der Schmiede. Nach dem Opfer und Gebet wird die Grube geschlossen. Danach wird Essen bereitet; es gibt Hammelfleisch mit Brei und hinterher Bier, viel Bier. Die Weiber aber sind auch von diesem Mahle und diesem Gelage ausgeschlossen. – Nachts aber, wenn alle Weiber in ihren Hütten sind, schwingt der Dogna, der Sohn des Togban, die Nsakka, das sind die Schwirren. Es gibt bei den Durru sowohl solche aus Eisen wie aus Holz, aber es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß Frauen sie auch hier keinesfalls sehen dürfen. Die Eisenschellen (Jeskinna) gibt es bei den Durru nicht (wohl dagegen bei den Bum, die sie Gvewell nennen). – Mit dem nächtlichen Schwirren hat das Fest sein Ende.

Diese Veranstaltung steht lediglich mit der Reife in Verbindung; es ist ein Bittopfer. Das entsprechende Erntedankfest fehlt angeblich vollkommen. Es soll bei den Durru in keinem Landesteile Sitte sein, und demnach sollen auch sexuelle Enthaltung oder Verbote des Fruchtgenusses vor einer bestimmten Zeit durchaus fehlen. Jeder kann jederzeit von seinen Feldern nehmen und genießen, was er will, er braucht nicht auf eine der Allgemeinheit erteilte Genehmigung warten, nur muß er zuvörderst ein Opfer, ein Njobe, darbringen, eine Abgabe an die Schmiede. Damit aber hat es folgende Bewandtnis.

Die Durru ernten der Reihe nach von ihren Farmen: Jams, Panikum, Mais, Erdnüsse und können diese ohne Opfergabe jederzeit nehmen und genießen. Die andern drei Feldfrüchte dürfen sie aber erst zur Speisebereitung nehmen, wenn sie die Erstlinge dem Schmied dargebracht haben. Diese Erstlinge gelten als Opfer für die Nsakke oder Ndjakke, für die Schwirren, und ehe sie dargebracht sind, gilt es als durchaus gefährlich, von der neuen Ernte auch nur das geringste zu genießen. – Also schon hier in der Erntezeit tritt der Schmied hervor, und das ist genau so wie bei den Mande. –

Die Nsakke werden für gewöhnlich in einer Höhle im Gebirge aufbewahrt. In diesem natürlichen Felsgelaß befinden sich aber nicht nur die Schwirren, sondern auch der Topf, in dem in einem Beutel die Präputien der Beschnittenen aufbewahrt sind. Dieses Höhlengelaß wird mit einem Felsblock geschlossen und nur dann geöffnet, wenn nachts ein Schwirrenzeremonial veranstaltet wird oder wenn die Präputiensammlung einen Zuwachs erfährt. Das Schwingen der Schwirren erfolgt aber bei folgender Gelegenheit: 1. gelegentlich der eben beschriebenen Opferung des weißen Schafbockes. 2. Wenn ein ganz alter Mann oder der Djab oder ein Schmied stirbt, und in letzterem Falle am nachhaltigsten, nämlich fünf Tage lang; dies deshalb, weil der Schmied als Vater der Schwirren gilt. 3. Wenn die Beschneidung stattfindet. Außerhalb dieser Gelegenheiten sollen die Schwirren aber nicht in Bewegung gesetzt werden.

Regenzauber, Feuerzauber, Schmiedeopfer. – Bei diesem Volke, in dessen Mitte die Schmiede fraglos die erste Rolle spielen, ist es natürlich, daß sie auch das Gottesurteil in den Händen haben, und zwar dies gelegentlich einer Regennot. Sind doch auch bei Bum und Lakka die Schmiede diejenigen, die den Regenzauber bewerkstelligen. Und hier, bei den Durru, können wir recht sehen, daß Regen- und Feuerzauber Brüder sind.

Bleibt der Regen ordnungswidrig lange aus, so daß den Farmen ernste Gefahr droht, so begibt sich das Volk zu einem Gan oder Gann (s. u.) und fragt ihn nach der Ursache des Ausbleibens. Der befragt sein Orakel und findet, daß offenbar irgendein schlechter, bösartiger Mensch den Regen zurückhalte. Danach läuft das Volk insgesamt zum Schmiedemeister, zum Togban, und berichtet dem, was der Gan gesagt habe. Der nimmt davon Kenntnis und fordert das Volk dann auf, mit ihm zu kommen. Er setzt sich an seine Spitze und fordert alle auf, ihm zu folgen.

Der Togban begibt sich mit seinen Leuten zu einem Wasserplatz und sagt: »Jetzt muß ein jeder von euch mit der Hand aus diesem Wasser schöpfen, muß das Wasser trinken und sprechen.« Danach tritt einer nach dem andern hervor. Jeder schöpft mit der Hand Wasser, trinkt es und streicht sich mit der feuchten Handfläche mehrfach über den Kopf. Dazu spricht er: »Wenn ich es war, der den Regen zurückhielt, dann soll mich das Wasser töten!« Das muß unbedingt ein Dorfbewohner nach dem andern machen, denn der, der es tat, der wird sich unbedingt weigern zu trinken und zu schwören. Sollte er es wagen, so würde er, nach dem Volksglauben, einen fürchterlichen Tod sterben. An der Weigerung erkennt man also den Bösewicht. Er wird nun zum Djab gebracht und der tötet ihn durch Kopfabschneiden, nachdem er gezwungen wurde das Geheimnis der Zauberei zu lüften, so daß diese annulliert werden kann. Die Regenbannung und -lösung aber erfolgt auf folgende Weise: Ein schlechter und in dieser bösen Sache wohlbewanderter Regenbanner beschafft sich zunächst einen roten Hahn. Den tötet er, reißt ihm den Schwanz aus und bindet dessen Federn sorgfältig zusammen. Hiernach macht er eine kleine Grube in die Erde und füllt in diese rote Erdfarbe, die Wagare genannt wird. Wenn nun eine Regenwolke am Himmel in irgendeiner Richtung auftaucht, dann nimmt er zuerst etwas mit dem Finger von der roten Farbe aus der Grube und tupft sich dann einen roten Fleck unter jedes Auge. Danach taucht er auch das Bündel der Hahnenschwanzfedern in die Grube mit der aufgelösten Wagare und führt mit lang ausgestrecktem Arm, den Hahnenschwanz als Wegweiser in der Hand haltend, eine große Bewegung aus, zuerst auf die Wolke weisend und ihr, mit dem Hinstreichen durch die Luft entlang, den Weg am Horizont angebend, den sie gehen solle, damit sie nicht über die Ortschaft aufsteige und sich über ihre Farmen ergieße. Dazu sagt er sinngerecht: »Diesen Weg sollst du gehen!« Und die Wolken folgen dann der Bannung und Vorschrift und ziehen ohne Entladung am Himmel vorbei.

Soll dieser Bann nun aufgehoben werden, so muß eine Entzauberung stattfinden und das ist nur dann möglich, wenn der Mann selbst dazu die Gelegenheit gibt. Deshalb tötet man ihn nicht eher, als er den Platz gezeigt hat, wo er den fluchwürdigen roten Hahnenschwanz verborgen hat, das ist gewöhnlich im Busch und unter der Wurzel eines Baumes. Dort ist er meistens mit einem Stück Eisen zusammen in ein Antilopenhorn gesteckt und über und über mit roter Farbe bedeckt. Dieses Zaubergerät darf man nun um alles nicht etwa verbrennen (wie klar hieraus die Beziehung zum Feuer und die Eigenart diametraler Beziehung des Regen- zum Feuerzauber spricht!), sondern man muß es in den Fluß werfen; dann erst kann der Regen wieder niederkommen.

Das ist sehr klar: Mit dem Feuerzauber wird der Regen gebannt. Rot, zumal roter Hahnenschwanz gehört zum Feuerzauber. Man muß ihn dem Wasser überliefern, gewissermaßen seine Flammenmacht im Wasser ersticken und löschen, ehe der Regen sich wieder Zutritt zu der Stelle verschaffen kann, von der die Feuermacht, der Feuerzauber ihn so lange fernhielt.

Die Beziehungen des roten Hahnes zum Feuer treten klar und unverkennbar hervor bei den Opfern, die die Schmiede ihren eigenen Unternehmungen widmen. Man kann das im Frühling sehen, wenn zum ersten Male wieder eine Schmelzung im Hochofen vorgenommen werden soll. Nachdem dann alles, was zur Arbeit an Material und Gerät nötig ist (also Holzkohlen, Holz, Eisensteine, Gras, Gebläse, Haken, Wasserkalebassen usw.) zusammengetragen oder hingelegt ist, bringt der Tagban einen roten Hahn. Den schlachtet und (Nog(o)-njere = Hahn rot) opfert er. Und danach erst beginnen die Schmiede ihr Werk. Wir finden also abermals eine durchgreifende und hochwichtige Übereinstimmung mit den Sitten der Numu, der Schmiede der Mande. Fernerhin hängen die Schmiede in ihren Werkstätten über dem Feuer ebenfalls den Kopf eines roten Hahnes auf.

Und ganz typisch ist der Gegensatz, das Ausbleiben des Hahnenopfers. Wenn vor der Erntezeit, also am Ende der Regenzeit, die ganze Familie der Schmiede zu einem Bittfest zusammenkommt, dann wird viel Bier gebraut, alles Geräte auf dem Boden ausgebreitet und Bier darüber gegossen. Der Schmiedemeister hält eine Rede, in der er um Gesundheit, Kinder, ersprießliche Arbeit usw. bittet. Auch zieht man hinaus und gießt auf den Hochofen, der in dieser Jahreszeit ja still steht, Bier und klebt ein wenig Mehl daran. Bier und Sorghummehl dienen aber der Fruchtbarkeit, dem Erfolg. »Wenn bei dieser Gelegenheit dagegen ein roter Hahn den Schmiedegeräten geopfert werden sollte, dann würde alles Ackergeräte nutzlos werden, denn es würde kein Regen kommen, der die Felder auffrischt und dem Korn Kraft zum Wachsen gibt. Für dieses muß eben Bier und Sorghummehl geopfert werden.« So sagte mir ein alter Durru, und wenn ich ihn auch nicht für viel logischer denkend erachte als die andern Durru, so übertraf er sie doch im Verständnis für die Folgerichtigkeit der alten Sitten, die so recht deutlich die diametrale Feingliederung von Regen- und Feuerzauber zeigen.

 

Altersklassen, Beschneidung, Verlobung, Verehelichung, Geburt. – Die Namen der Altersklassen lauten bei den Durru:

Guare =
Säuglinge,
Nasale =
unbeschnittene Burschen,
Nadungujo =
beschnittene Burschen,
Sarbujo =
Verheiratete,
Bogono =
Alter, Familienvater,
Bognare =
Greis.

Der große Wendepunkt im Mannesleben fällt in die Zeit der Beschneidung. Vorher war er Kind, Familienappendix, Frauengut; nachher ist er Bursch, Mann, Bürger. – Die Beschneidung (donge) findet alle drei Jahre statt. Wenn der Zeitpunkt wieder kommt, sammelt der Dogna, Sohn des Togban, allenthalben die Burschen ein, bringt angeblich derart an die fünfzig zusammen, und führt diese seine Schäfchen, hinaus zum Hiate, d. i. ein wohlgereinigter Platz östlich der Stadt, auf dem die Jünglinge die nächste Zeit zuzubringen haben. Hütten werden dort nicht errichtet. Die Männer begeben sich mit hinaus und beobachten die Zeremonie teils von der Ferne – so der Djab und die älteren Männer –, oder aber sie sind bei der Operation behilflich – das sind die älteren Brüder der Burschen und die Mutterbrüder, also Onkel mütterlicherseits.

Das Opfer geht unter fröhlichem Lachen und unter Begleitung einer reichhaltigen Trommelmusik vor sich. Die Beschneidung wird an einem Wasser vorgenommen. Der Ausführende, der Dogna, hat eine Leopardenfellmütze auf, ist mit roten Flecken bemalt und faucht und zähnefletscht nach Noten, gibt sich also keinerlei Mühe, den Burschen ihre schwere Stunde zu erleichtern. Jeder Bursche muß den Kopf weit zurücklegen. Der Bruder hält ihn, so daß der zu Beschneidende die Operation nicht sehen kann. Der Dogna zieht die Vorhaut (doke) möglichst weit vor, schneidet das Nötige mit einem Ruck ab und bindet den Rest vor der Glans zu, so daß die Blutung schnell aufhört. Alle Vorhäute werden in einen Topf geworfen, der nachher in der gleichen Höhle aufgestellt wird, in der die Schwirren sind. Auf keinen Fall darf der Bursche schreien, das würde ihm unsagbaren Schimpf und Spott eintragen. Nach der Operation und der Aderunterbindung tritt der Bruder oder Mutterbruder seine Tätigkeit an. Er wäscht die Wunde und verbindet sie. Abends erfolgt dann das Schwirrenschwingen, und die älteren Genossen teilen den Novizen der Männergenossenschaft mit, was für eine Bewandtnis es mit diesen Instrumenten auf sich hat; gleichzeitig aber ermahnen sie die jüngeren Kameraden, nur ja nicht etwas davon den Frauen zu sagen, denn diese könnten das nicht ertragen und würden sterben.

Die Beschäftigung der Burschen erstreckt sich in der Buschzeit zumeist auf Kleinjagd und Fischerei. Was sie dabei erbeuten, das bringen die Brüder in die Ortschaft zu den Müttern und Schwestern der Operierten; die fügen das als Leckerbissen den Speisen zu, welche die Brüder tagtäglich in das Beschneidungslager bringen, wo die Kameraden ordentlich miteinander teilen. Die Kleidung der Beschnittenen in dieser Zeit besteht in Blätterkappe, Blätterbehang um den Hals, Blätterbehang um die Lenden. Dieses Blätterkleid heißt Huade (Beschneidungsplatz soll heißen Hiate [s. oben]). Einen Monat lang währt dieses Buschleben und es versteht sich von selbst, daß die Jünglinge während dieser Zeit kein weibliches Wesen sehen dürfen. Jeden Morgen ziehen die Burschen aus zur Jagd, und jeden Abend kehren sie an ihre Lagerplätze zurück, auf welchem sie dann im Freien essen und schlafen. Ehe sie sich aber niederlegen, üben sie das Schwingen der Schwirren, so daß man dies allabendlich in die Ortschaften hinüberschallen hört.

Dann erfolgt die Heimkehr, die Burschen legen ihr umfangreiches Blattkleid ab und reiben sich mit Fett und roter Farbe ein. So erscheinen sie wieder im Dorf, tragen noch drei Tage die Blätterbüschel und legen dann den landesüblichen Lendenschurz um. Bei der Rückkehr erfolgt kein Schwingen der Schwirren. Wenn nun ein Bursch in der Buschzeit starb und die Mutter unter den Wiederkommenden vergeblich nach ihm sucht, so sagt man der ängstlich Fragenden, der Leopard hätte ihren Sohn im Busch getötet.

Von der Beschneidung sagt man bei den Durru, daß der, an dem sie unterlassen sei, schlecht mit den Weibern fahre und daß der, an dem man sie nicht vollzogen habe, nichts mehr im Busch und auf der Jagd erlegen würde.

Wenn der Bursch nun aus dem Busche beschnitten heimkehrt, so schafft er sich bald eine Freundin an. Bei den Durru nennen Freund und Freundin sich untereinander Jare oder Jore, bei den Bum Dalla. Aber wie harmlos dieses Verhältnis ist, kann man schon daraus erkennen, daß man mehrfach übereinstimmend erklärt, die Dalla wäre zunächst nur »so« groß. Dabei wiesen die Berichterstatter auf Mädchen von vier, höchstens fünf Jahren hin und gaben bei Anwesenheit einer solchen die entsprechende Größe an. Man erwartet auch nicht, daß das Mädchen in diesem Alter auch schon einen großen Wahlverstand habe. Der Bursch nimmt vielmehr zwei Eisenschaufeln unter den Arm, geht zum Vater der Erwählten und nimmt mit diesem die Sache durch. So ist die Ehe für später vorgesehen und das Mädchen nicht weiter den Skrupeln über die Wahl ihres Gatten ausgesetzt. Diese Verlobung ist genau so brutal und radikal wie die entsprechende Kinderverlobung bei äthiopischen Stämmen Nordtogos. – Von nun an arbeitet der Bursch für seinen Schwiegervater auf dessen Farmen. Aber während der ganzen Zeit spricht er nicht mit seiner Braut. In der gleichen Zeitspanne läßt er sich von seinem Vater dann und wann Schaufeln und Ziegen und anderes geben, was er alles dem Schwiegervater ins Haus bringt. Es ist also durchaus ein Geschäft auf Abschlagszahlung, wie es der alte Jakob schon um Leas und Rahels willen betrieben hat. Wenn dann alles bezahlt und abgearbeitet ist, wird das Mädchen in einem Alter, das dem vorgewiesenen Exemplar nach kaum neun oder zehn Jahre überschritten haben kann, von der Mutter dem Bräutigam ins Haus gebracht. Auf dem Wege zum Bräutigam weint das Mädchen. Aber wenn es dort angekommen ist, unterdrückt es die Tränen.

Dann gelten die beiden als verehelicht, und der Bursche beginnt auch in der kommenden Nacht die Deflorierung. Die Beischlafsform soll die europäische Decklage sein, die Üblichkeit der äthiopischen Hockstellung wird von den Durru bestritten, und ebenso erklären sie, die Seitenlage der Bum nicht angenommen zu haben. Vor der Verehelichung war dem Mädchen keinerlei Verhältnis gestattet und ebensowenig die Genehmigung zur Liebelei gegeben; daß das wahr ist, läßt sich nach dem kindlichen Alter der Braut ja annehmen. Nun bei der Verehelichung rechnet man bis zu fünf Tagen bis zur endgültigen Zerstörung des Hymens. Ist sie erfolgt, so sendet der dankbare Ehemann der Schwiegermutter zwei eiserne Schaufeln als Ausdruck der Anerkennung ihrer ausgezeichneten und erfolgreichen mütterlichen Fürsorge.

Die Braut bringt als Ausstattung mit: Töpfe = Budi; Kalebassen = Lake; dann Fisch = Duti und Salz = Kummi. Bursche und Mädchen haben sich vor der Verehelichung noch in gleicher Weise, wie das auch bei den Baja Sitte ist, die oberen und unteren vier Schneidezähne spitz feilen lassen.

Trotz des anscheinend doch wenigstens sehr häufig noch recht kindlichen Alters der Braut, nimmt man an, daß sie nach einem Monat schwanger sei und zehn Monate nach der Verehelichung ein Kind gebären würde. Die Gebärende sitzt wie die Lakka auf der Kante eines Steines in ihrem Hause. Zwei erfahrene Frauen helfen ihr wie dort. Die Nabelschnur (Kinri) wird mit einem Messer losgeschnitten. Die Nachgeburt (Kede) wird in einem Topf vergraben. – Die Nabelschnur soll bei Knaben nach drei Tagen, bei Mädchen nach vier Tagen abfallen. Sie wird unter einen Stein gelegt, und nachher wäscht sich die junge Mutter vier Tage lang über dieser Stelle. Ich muß diese Sitte schon irgendwo in Togo oder im Mossilande aufgezeichnet haben. Vier Tage nach der Geburt schneidet die Mutter sich die Haare und am fünften wird dem Kinde der Name gegeben. Das aber tut die Schwester des Vaters.

 

Wahrsager, Orakel, Zauberer, Gott, Tod, Bestattung, Schädeldienst. – Wenn ein Mensch erkrankt, begibt sich ein Familienmitglied alsbald zu einem Gan (oder Ganni), d. i. ein Wahrsager. Der führt seinen Beruf aus mit den Ganne genannten Würfeln.

Wenn Tagille = Gott als Krankheitserreger vom Gan erkannt ist, ist mit Menschenkräften weiter nichts anzufangen und zu helfen. Tagille wird mit einem großen Berg in Zusammenhang gebracht. Wenn ein scharfer Wirbelwind (Girgiu im Fulfulde = Dulurru, im Kanuri = Mudurua, im Haussa = Gugua, im Joruba = Igi, im Nupe = Dunduffe) des Tages über durch das Land streicht, Dächer abdeckt und Farmen verwüstet, so sagt man, das käme von Tagille. Man schreibt aber nicht nur derart widrige Vorkommnisse wie Tod und Verwüstung Tagille zu. Man glaubt vielmehr, daß er es auch ist, der alles Gute bringt, und wir sahen schon am Anfange der Durrubeschreibung, daß der Djab ihm alljährlich das Opfer des weißen Widders darbringt.

Wenn ein Mensch gestorben ist, wird sein Leichnam zunächst gewaschen; wenn er ein angesehener Mensch war, so wird der Leiche die Seite aufgeschnitten und alle Eingeweide (Njae) werden herausgenommen. Bei Männern erfolgt die Weichenöffnung rechts, bei Frauen links. Die Njae werden in einem Loch hinter dem Hause vergraben. Die Bauchhöhle wird alsdann mit Blättern (H&umacr;ote) eines Lae genannten Baumes ausgerieben und die Schnittstelle wieder vernäht.

Die derart zur Mumifizierung vorbereitete Leiche wird nun lang gestreckt, auch mit über den Kopf weg lang- und mit der Handfläche gegeneinander gelegten Armen neben ein starkes Feuer gelegt und dort ausgetrocknet. Frauenleichen bleiben vier Tage, Männerleichen drei Tage zum Austrocknen am Feuer liegen. Während der Zeit wird die Leiche mit Sampakka fest umwickelt. Sampakka ist breiter, starker Baumwollbandstoff, den die Durru ebensogut zu weben vermögen wie die Bokko, Nandji und Komai. Die Durru geben an, daß nach Ablauf dieser drei resp. vier Tage die Bandumwicklung zwar fettig, der Körper selbst aber durchaus trocken sei. Solch schwieriges Mumifizieren führt man aber nur für Djab und hochangesehene Leute aus.

Wenn solch alte und angesehene Männer sterben, dann lacht und tanzt die Familie und mit ihr das ganze Dorf. Junge Leute werden aber nicht mumifiziert, dagegen weint und klagt man um sie, weil sie so früh gestorben seien. – Das Grab wird draußen im Busch, im Osten der Ortschaft hergerichtet. Es ist eine vertikale Grube, die tief genug ist, um die senkrecht hineingestellte Leiche mit dem Kopf über den Rand hinwegragen zu lassen. Die Leiche wird dementsprechend hineingestellt und dann die Grube so weit zugeschüttet, daß nur Kopf und Hände herausragen. Das Antlitz der Leiche ist dem Sonnenuntergang zugewendet. Über den Kopf und die Hände wird ein schützender großer Topf gestülpt, der an den Rändern verkleistert wird. Draußen im Busche werden außerdem einige Tage lang für den Angesehenen die Schwirren geschwungen, und wenn es ein Schmied war, der begraben wird, so dauert das Surren vom Tage des Todes an fünf Tage. – Hiermit ist überhaupt die Begräbnisform geschildert, die man Angesehenen und Alten, Häuptlingen und Schmieden zuteil werden läßt. Junge Leute werden einfach lang in das Grab gelegt.

Dieses ganze Verfahren und seine Ausführung überhaupt liegt in den Händen der Schmiede. Man erkennt an der senkrechten Stellung der Leiche und der Eingrabung bis an den Hals, daß man vorhat, den Schädel wegzunehmen, daß man hier also nur ein anderes Verfahren eingeschlagen hat als bei Nandji und Bokko. – Zumal beim Djab ist folgendes Sitte: Drei Monate nachdem seine Leiche der Erde übergeben ist, geht der Schmiedemeister hin und hebt den schützenden Topf auf. Er nimmt den Schädel des alten Djab (sein Nachfolger wurde schon drei Tage nach seinem Tode gewählt, also am Tage nach seiner Bestattung) auf und hüllt ihn in Blätter. Der Schmied hat die gesamte Familie des verstorbenen Djab zusammengerufen, und somit sind die Angehörigen mit ihm hinaus zum Grabe gezogen. Sie wohnen der Abdeckung des Topfes bei. Der Schmied sagt zu dem freiliegenden Schädel: »Deine Zeit ist um; du hast deinen Sohn geboren, dein Sohn ist nun Djab. Komm und sieh, daß es jetzt gut geht. Komm mit dahin, wo auch die andern sind.« Danach nimmt der Schmied den Schädel auf und reinigt ihn. Er legt ihn in eine Kalebasse und trägt sie nach Hause. Daheim wird der Schädel noch einmal gründlich gewaschen und mit roten Linien bemalt, von denen eine der Mittelhauptnaht und eine quer dazu dem Verlauf der hinteren Stirnbeinkante entspricht.

Dies ist aber der Ort, wo der Schädel nun Unterkunft findet. In jedem angesehenen und völlig ausgebauten Durrugehöft kann man, von außen durch das Keeme genannte Torhaus eintretend, rechts ein kleines Haus wahrnehmen, welches Riki oder Rigi oder Liki genannt wird. Das ist das eigentliche Haus des Hausherrn, das Herrengemach, in welchem eine Feuerstelle ist und neben einem Bett allerhand Gerät, und vor allem der Biertopf steht. Es ist der Trinkraum des Hausherrn, der in einem gewissen Sinne im Rufe der Heiligkeit steht. Die Weiber haben hier für gewöhnlich nichts zu suchen. Dies Rigi entspricht nun genau den gleichen Kammern bei andern Stämmen.

Das Haus nun, das den Schädel des verstorbenen Djab aufnimmt und das im Gehöft des Häuptlings liegt, ist auch ein Rigi, und zwar heißt es im speziellen Rigi-njobe. Njobe ist aber wohl am besten mit Opfer zu übersetzen. Das Rigi-njobe liegt auch im Gehöft, ganz ähnlich dem Rigi anderer Leute, also vom Eintritt durch das Tor haus gesehen, auf der rechten Seite. In diesem Rigi-njobe liegen wohl geordnet, jeder in einem eigenen Topfe, schon eine ganze Reihe von Schädeln; es sind eben die Schädel der verstorbenen Djab dieser Ortschaft, alle von gleicher Familie.

Jedes Jahr einmal, wenn das Sorghum reif, aber noch nicht geschnitten ist, kommt der Togban, der Obermeister der Schmiede, mit einem roten Hahn, opfert ihn dort und läßt dessen Blut über alle Schädel träufeln. Dabei betet er: »Das erhaltet hier! Nun sorgt, daß alles gut wird, daß der Krieg gut verläuft, daß die Ernte gut wird, daß die Jagd gut wird, daß die Kinder gesund geboren werden, daß keine jungen Leute sterben!«

Man sieht, die Ahnenschädel der Djab vertreten hier die Stellung der Holzfiguren der Dakka-Tschamba. Die Schädelsitte aber haben sie gemeinsam mit Bokko und Nandji und Falli, mit den Werre und dann auch mit den Leuten jenseits der Berge und der großen Schlagader, mit den DJennleuten und den Tangale.

Aber in einem weichen die Durru angeblich durchaus von allen Nachbarn ab. Sie bringen die sterilen Töchter weder zu den Gräbern der Väter und Großväter, noch zu den Schädeln überhaupt. Sie gehen mit ihnen vielmehr zum Gan oder Gann(e), bringen ihm eine Schüssel Mehl und bitten ihn um seine Vermittlung. Darauf wirft der seine Steinchen und gibt der jungen Frau einen Trank, er heißt sie heimgehen und das Beilager mit ihrem Manne aufsuchen.

Die Durru nennen:

sich selbst Diwio,
die Bum Bummi,
die Lakka Laga,
die Bokko Wogonina
die Nandji Nandji,
die Tschamba Saneba,
die Batta Bogo-waeo,
die Damma Damo,
die Fulbe Djomai-wio,
die Kanuri Sirrta-wio.

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