Gustaf af Geijerstam
Alte Briefe
Gustaf af Geijerstam

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Alte Briefe

1

Allein zu sein, ist gut für den Menschen. Es ist das höchste Gut auf Erden, und nichts anderes ist gut.

Ich habe meine alte Wohnung zugeschlossen, die Rouleaux herabgelassen und den Schlüssel in meine Lade gelegt. Niemand darf mehr hineinkommen, nicht einmal ich selbst werde sie betreten, ehe der Tag kommt, an dem man alles fortführt und selbst der letzte Rest dessen, das einmal gewesen, aus dem Dasein und meiner Erinnerung gelöscht wird. Jetzt habe ich bloß meine zwei Zimmer, so wie ich sie früher hatte, als ich noch allein und glücklich war. Ich habe einen kleinen Schlafraum, und hier draußen schließt sich ein großer, geräumiger Saal um mich, voll Bücher. Die sehen von ihren Regalen auf mich herab, sie erinnern mich daran, daß sie meine alten, treuen Freunde waren, die einzigen, die ich je gehabt, und es ist mir, als ertönten aus ihren Reihen Stimmen, die mich zu sich rufen, Stimmen, die flüstern, daß zwischen ihnen und mir nicht alles vorbei sei. Eines Tages wird unsere Freundschaft und unser Verkehr aufs neue beginnen, und ich werde wieder in vollem Maße die große, unbeschreibliche Freude der Einsamkeit kosten.

Aber vorher will ich die Trümmer meines zersplitterten Lebens sammeln, sie zusammensetzen, Stück für Stück, auf daß das Bild des Lebens, das gewesen, so klar und wahr werde, daß ich mich selbst verstehen kann, die Mächte verstehen kann, die dieses Leben in Stücke schlugen, sie so ganz verstehen, daß ich nie wieder in ihre Gewalt gerate.

Von meinem Fenster hier sehe ich hinaus über die weite Ebene, hinter der sich der dunkle Rand des Lidingöwaldes erhebt. In dem letzten Hause des Walhallavägen habe ich meine Wohnung, und hier ist es stille und stumm, als lebte ich auf dem Lande, als wäre die große Stadt weit weg. Diese Aussicht ist schön und weit. Sie sollte meine Gedanken fliegen und meine Pulse schlagen machen. Wie sie so daliegt, von der Abendsonne beleuchtet, habe ich sie zwei Jahre meines Lebens gesehen, und sie sollte zu mir sprechen, wie kein Mensch auf Erden zu einem andern zu sprechen vermag.

Aber sie tut es nicht. Wenn ich über diese wunderliche Ebene hinblicke, diese trockene Heide, die mitten in Stockholms Inselnatur versetzt ist, da habe ich das unheimliche Gefühl, daß sie daliegt und mir entgegenschweigt, ihre Lippen schließt, wie ein Mensch im Zorn oder Schmerz.

Ich habe vielleicht diese Ebene mit ihrem dunklen Waldessaum zu oft gesehen. Ich habe sie in dem Jahr gesehen, das vergangen ist, in dem Jahr, das mein Schicksal in seinem Schoße barg und seine Entwickelung erfüllte. Sie erinnert mich an alles, das ich ausgeschlossen habe, als ich die Rouleaux in meiner Wohnung herabließ und den Schlüssel in meine Lade legte. Ich will sie nicht mehr ansehen. Denn sie ist unheimlich, wenn sie schweigt, aber gerade diese Stille macht mir den gespenstischen Eindruck, als könnte sie zu sprechen beginnen.

Darum beuge ich mich hinab über meine Papiere, beuge mich hinab, um besser in mich blicken zu können. Wenn es dunkelt, werde ich ruhiger. Da zünde ich die Lampe an und ziehe den Vorhang in meinem Zimmer zu. Wie eine Wand versperrt dieser Vorhang den Ausblick in das Verflossene, und mit geschärften Gedanken sehe ich nur auf das, das ist. Vor mir und hinter mir ist Dämmerung und nahe meinem Auge leuchtet nur die einsame Sonne meiner Lampe.

 


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