Gustaf af Geijerstam
Alte Briefe
Gustaf af Geijerstam

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

8

Auch dieser Sommer ging zu Ende, und als wir in die Stadt kamen und unsere Winterwohnung bezogen, in der wir an stillen Abenden gleichsam die Nähe des Vampyrs des Großstadtlebens fühlten, der seine Opfer bis zum letzten Tropfen aussaugt, da hatte ich das Gefühl, als läge Unheil in der Luft, und kein Trieb in meinem Blut ist stärker gewesen, als das Verlangen, das mich da trieb, Betäubung zu suchen. Der Lärm der Straßen, das grelle Licht der Restaurants, das Getöse von Stimmen und Lachen, das von den Wänden widerhallte, dieses ganze Rascheln von Vergnügungen und Gold, das die Abende füllt, lockte mich aufs neue. Der Vampyr streckte seine schmalen Lippen aus, um seinen Raub an sich zu saugen, und in meinen Adern, schien es mir, war das Blut gleichsam durch pulsierendes Feuer ersetzt worden.

Um diese Zeit geschah es mir, daß mein Verhältnis zu ein paar der einflußreichen Aktionären der Gesellschaft gespannt und meine Stellung dadurch recht unsicher geworden war. Die Notwendigkeit, die daraus für mich entstand, meine Energie anzuspannen, all meine Kraft aufzuwenden, um nicht plötzlich auf dem Pflaster zu stehen, wäre vielleicht unter anderen Umständen für mich nützlich gewesen. Es hätte mir geholfen, den Kopf oben zu behalten. Es wäre eine Art Ableiter für die wunderliche Gemütsstimmung gewesen, in der ich lebte. Und als ich zum ersten Mal meiner Frau sagte, wie die Sache stand, geschah es in der Meinung, daß meine Worte eine Veränderung in unserem Verhältnis zueinander bewirken würde.

Zu meinem Erstaunen bemerkte ich, daß sie mich, während ich sprach, so ansah, als verstünde sie gar nicht, was ich sagte. Es verging ein Tag, und es vergingen mehrere. Das Ganze gestaltete sich zu einem förmlichen Zerwürfnis zwischen mir und der Unternehmung, das beizulegen es vielleicht Monate bedurfte. Während dieser ganzen Zeit lebte ich natürlich in der furchtbarsten Spannung, da nichts Geringeres als meine ganze Existenz auf dem Spiele stand. Diese Spannung ließ mich den Schmerz vergessen; der Selbsterhaltungstrieb, die Energie des Mannes bekam die Oberhand, und ich glaubte, daß etwas Ähnliches auch mit meiner Frau vorgehen würde. Ich erwartete Tag für Tag, daß ich an ihr eine Stütze finden, daß sie wenigstens Interesse für die furchtbare Gemütsunruhe zeigen werde, in der ich lebte und die bei mir alles andere verschlang. Aber das geschah nicht. Ihr Leben verfloß, als lebte sie in einem Traum, dessen Zauberkreis sie selbst nicht durchdringen konnte, und wo ich sie nicht zu erreichen vermochte. Sie verschloß sich in sich selbst, und es war mir, als stieße sie mich mit Absicht hinaus in das Dunkel, das auf mich lauerte, das darauf wartete, mich verschlingen zu können, und sie ließ mich ziehen, obgleich ein Wort von ihr genügt hätte, um mich zurückzuhalten. Es war, als ginge von ihrer Person ein rätselvolles Grauen aus, das mich, wie mir schien, zu Boden drücken, mich zwingen wollte, ohne Kampf jahrelange Anstrengungen und Arbeit zu opfern; und nichts war mir nunmehr verhaßter als unsere einsamen Abende, weil sie meine Energie erschlafften, mich in neue Grübeleien versenkten und eigens dazu geschaffen schienen, mein tägliches Elend noch dahin zu verschlimmern, daß ich nicht einmal mehr vermochte, mich selbst aufrecht zu erhalten. Ich war in dieser Zeit oft fort. Ich suchte Gesellschaft und Zerstreuung. Ich brachte die Tage bei der Arbeit, die Nächte in Gesellschaft zu. Ich ging heim, das Blut von dem ganzen Fieber erfüllt, das als zitternder Giftstoff die Luft durchdringt, in jenem Zentrum glühendheißer Orgie, das die Nächte der Zivilisation geschaffen haben. Und wenn ich dann zu dem gelben Hause heimkehrte, konnte ich die Gefühle nicht fassen, mit denen ich einmal an der Seite meiner Frau über diese Schwelle getreten war. Wenn ich heimkam, lag es vor mir gleich einer unförmlichen, schweren Masse, die mir aus dem Dunkel entgegentrat, das ganze Entsetzen des unseligen Zusammenlebens mit einem Weibe bergend, das mich scheute so wie ich sie. Aus einem einzigen Fenster schimmerte Licht, und dieses Licht starrte mir aus dem Dunkel wie ein böser Blick entgegen.

Ich wußte, daß, wenn ich hereinkam, meine Frau wach liegen und lesen würde. Ich wußte, daß ich ihr nichts zu sagen hatte, was sie hören wollte. Und in mir wuchs ein kaltes Gefühl der Widerstandskraft der Verzweiflung, so als müßte ich meine ganze Energie aufbieten, um nicht zu vergessen, daß ich allein stand und mich verteidigen mußte. Ich ging auch in mein Zimmer und saß allein wach, Briefe schreibend oder an die Möglichkeiten denkend, die mir noch offen standen, und an solchen Abenden konnte es vorkommen, daß ich in meinem Zimmer blieb, bis der schwache Streifen in der angelehnten Schlafzimmertüre erlosch. Da wußte ich, daß Olga das Licht abgedreht hatte, und von bösen Gedanken erfüllt, konnte ich dann zu Bette gehen, ohne daß ich mich zu überwinden brauchte, ihr Gutenacht zu sagen.

 


 << zurück weiter >>