Franz Gräffer
Josephinische Curiosa
Franz Gräffer

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VII. Josephinische Memorabilien

von dem 1810 verstorbenen Hofrath von Bretschneider.

Gelehrsamkeit oder auch nur oberflächliche wissenschaftliche Kenntnisse waren Josephs Sache nicht, ob er gleich nicht ganz leer war, und von den italienischen Dichtern viele Stellen auswendig hersagen konnte. Er hatte seinen Tasso und Ariost gelesen; und dazu ist er vermuthlich in seiner Jugend angehalten worden, denn er recitirte die Verse so ziemlich im Schultone.

Der König von Preußen hatte ihm bey der Zusammenkunft in Schlesien die Reveries du Comte de Saxe empfohlen, und ihm ein elegant gebundenes Exemplar geschenkt. – Mich hat einer von seinen Leuten, der bis an sein Ende um ihn war, versichert, daß zwar dieses Buch in der ganzen langen Zeit seit der schlesischen Zusammenkunft nicht von des Kaisers Nachttische gekommen sey, daß aber alle Blätter noch am goldenen Schnitt fest zusammenklebten als er starb.

Er kam einmal in die ehemahlige Garellische Bibliothek, die auf seinen Befehl die Lembergische Universitäts-Bibliothek geworden war, und erblickte da ein Werk in Folio von 9 oder 10 Bänden mit dem auswendigen Titel: Cornelii a Lapide Opera. »Hat der Patron so viel geschrieben? das hab ich nicht gewußt. Er gehört unter die Prohibita, und muß hier weggestellt werden; auch soll man das Buch Niemand zu lesen erlauben.« Hieraus sieht man, daß er den Cornelius a Lapide mit dem Hippolytus a Lapide verwechselte, welch letzterer ein Buch gegen das Haus Österreich geschrieben hat: Dissertatio de ratione status in omperio nostro Romano-Germanico etc. § 1. 1640 4.

Der deutschen Sprache war Joseph günstig, und wollte sie durchaus in seinen Ländern, wo mancherley Zungen gesprochen werden, als die allgemeine Geschäftssprache einführen; welches eben nicht so geschwind auszuführen war, als er sich einbildete. Er erzählte uns einmal Abends im Casino zu Lemberg, der König von Preußen habe gegen ihn geäußert, die deutsche Sprache habe weder Wohlklang noch Tonkraft, dem Schalle der Worte fehle die Analogie mit der Sache die sie ausdrücken sollten, und er wisse im Deutschen von dieser Art nichts, als die saubere Floskel des Pöbels: Leck mich u. s. w., welche einen der Sache angemessenen Klange mit sich führe.

Joseph liebte Musik, spielte selbst den Flügel und die Baßgeige, war ein Freund vom Theater, und beförderte gern öffentliche Lustbarkeiten aller Art; war gern da, wo viele Menschen sich versammelten, um sich zu ergötzen; und eröffnete aus dem Grunde Prater und Augarten allen Ständen. Die Oper, il Re Teodoro mußte der Hofpoet Casti, auf seinen Befehl verfertigen: aber sie fiel nicht ganz so aus, wie sie der Kaiser wünschte. Er wollte eine Satyre auf den König von Schweden haben, der damals in den europäischen Ländern herumreiste, aber der Geist der Satyre ruhte nicht auf dem Abbate, und Se. Majestät waren endlich auch mit dem zufrieden, was der Dichter geliefert hatte. Die vortreffliche Musik des Paisiello wird das Ohr des Kenners immer schätzen; diese Oper wird sich erhalten, wenn auch kein Mensch mehr weiß, daß sie auf ausdrücklichen Befehl des Kaisers Joseph geschrieben wurde, und was den Text anbelangt, so möchte er durch einige kleine Veränderungen, die weder Zeit noch Kunst erfordern, sehr viel gewinnen. Es kommt mir sehr anstößig vor, daß der arme Theodor, der sich durch das ganze Stück als ein ehrlicher Mann aufführt, der mit seinem unglücklichen Schicksal das Mitleiden des Zuschauers erregt, am Ende von einem eifersüchtigen Kaufmannsburschen verspottet und gemißhandelt wird. Mich dünkt, der Dichter erwecke damit mehr Abscheu als Vergnügen. Wenn er seinen Helden, wie den Schelm Gafforio, als einen Windbeutel oder als einen Betrüger oder Bösewicht, wie Don Juan, aufgeführt hätte, dann könnte so ein Ausgang seinen moralischen Werth haben: aber er zeigt durchaus keinen bösen Character, und der Knoten des Dramas löset sich am Ende mit seinen Schulden, die ihm wie eine Litaney vorgesungen werden. Diese Schulden und die Liebe zu der schönen Wirthstochter sind also das Verbrechen, die ihn ins Gefängniß bringen, und ich finde darin eben die Eigenschaften, die ihn zum Könige qualificiren. Ludwig, dieses Nahmens der fünfzehnte, mit dem Zunahmen der Vielgeliebte, hat fünfzig Jahre regiert – Liebe und Schulden begleiteten ihn bis zum Grabe.

Die ihn der Tiranney oder der Grausamkeit beschuldigen, bedenken nicht, wie nothwendig es bey dem Antritt seiner Regierung war, Beyspiele strenger Gerechtigkeit zu zeigen. Er war eben nicht hartherzig: aber das hab' ich an ihm bemerkt, daß er es gern sah, wenn man sich vor ihm fürchtete. Man konnte ihn durch nichts in bessere Laune versetzen, als durch eine Erzählung von Schrecken und Furcht vor seiner Person. Nichts hatte indessen mehr Aufsehen gemacht und auf seinen Ruf einen schlimmern Einfluß gehabt, als die Geschichte des Obersten Szekely. Dem Kaiser wird dabey hauptsächlich zur Last gelegt, daß dieser Mann sich ihm anvertraut und sich gleichsam in seine Arme geworfen hatte, und doch eine so entehrende Strafe ausstehen mußte. Man hat Beyspiele von Potentaten, welche groß genug dachten, denen, die sich ihnen anvertrauten, zu verzeihen. Ludwig der Vierzehnte schickte einem General, dem befohlen war, nach Paris zu kommen, einen Eilbothen entgegen, mit dem Befehle, sogleich wieder zurück zu der Armee zu gehen, weil die Frau dieses Generals dem Könige zu Füssen gefallen war, und ihm das Bekenntniß abgelegt hatte, daß sie sich in Abwesenheit ihres Mannes habe schwängern lassen. Das war freylich galant von einem Monarchen, den die Hugenotten einen Tyrannen hießen, weil er sie mit Feuer und Schwert bekehrte, und der die Pfalz verbrennen ließ; aber es war hier nicht die Rede von Eingriffen in eine Staatscasse, wobey das Beyspiel einer solchen Großmuth und Willfährigkeit zum Verzeihen, um der Folgen willen, nicht sehr rathsam wäre. Inzwischen verdient der gute Szekely, der ein Opfer ausgelernter Spitzbuben ward, daß man seine Geschichte in der wahren Gestalt darstelle. Denn sie ist aus Gründen, die jedem bey meiner Erzählung einleuchten müssen, der Welt noch immer ein Geheimniß geblieben.

So wie Maria Theresia die Augen geschlossen hatte, kroch ein Völkchen aus Winkeln und Nebenwegen hervor, das sich zeither gar nicht hatte blicken lassen; es nennt sich Rosenkreutzer, und war bekannt genug. Diese Leute hoben nun ihre Häupter empor, wagten, in guter Hoffnung auf die bekannte Toleranz des neuen Regenten, daß er selbst bald mitarbeiten werde, ohne Scheu öffentlich ihr Wesen zu treiben, warben viele Rekruten und hatten starken Zulauf. Auf ihren Meisterstühlen saßen ein Paar feine Hypokriten, ein jeder nach seiner Weise, wovon ich jetzt nur den Reichshofraths-Agenten Matolai zu nennen brauche, weil er Meister vom Stuhl der nämlichen Loge war, in welche sich Szekely zu seinem Unglücke hatte aufnehmen lassen. Allein den armen Schafen, die sich in den Orden locken ließen, und den Worten der Apostel desselben glaubten, spiegelte man außerordentliche Glückseligkeiten vor, die ihrer warteten. Der glattzüngige Matolai wußte ihnen insbesondere das System der Goldmacherey und den Umgang mit den Geistern mit sehr geheimnißvollen Mienen ganz süß und lieblich beyzubringen; und der arme Szekely war auch einer von den Fischen, die an dieser Angel anbissen. Er dünkte sich unendlich glücklich, in eine Gesellschaft gekommen zu seyn, die ihm goldene Berge versprach, und arbeitete fleißig. Unter Arbeiten wird hier nichts Anderes verstanden, als fleißig alle Logen zu besuchen; seinen Beitrag richtig zu bezahlen, die Obern als außerordentliche große Männer zu verehren, und in den Hieroglyphen große und sehr nutzbare Geheimnisse zu suchen. Zum Glauben an solche Possen sind die Menschen sehr geneigt; denn die Mittel reich zu werden, die weder Zeit noch Mühe brauchen, sind doch wahrhaftig gescheidter, als wenn einer mit Krämereyen anfangen muß, und stufenweise nach 20 oder 30 Jahren mit vieler Mühe und Anstrengung zum Glück gelangen kann, ein Banquier zu werden. Matolai war zugleich Rosenkreutzer, welche letzte Stufe der Dummheit von der Einen und der Betrügerey von der andern Seite auch Szekely betrat; überdieß wurde er mit der Hoffnung gelabt, gar nicht mehr weit von dem Lapide (Stein der Weisen) entfernt zu seyn; einstweilen aber könne er vorher zu andern wichtigen Geheimnissen und Kunststücken gelangen, zu Universalarzeneyen, womit herrliche Wunderkuren zu verrichten wären, durch die man so viel gewinnen könne, als die Kosten des Hauptprozesses betragen würden. Kurz, Szekely träumte sich ein Himmelreich aus all den Hoffnungen, die er sich und Matolai ihm machte.

Um diese Zeit kam ein gewisser Baron Liebenstein nach Wien, und brachte einen Laboranten mit, der Götz hieß und dieser hatte ein Weib, das viel schwatzte. Liebenstein ist der Erfinder des sogenannten philosophischen Goldsalzes, eines guten Arzeneymittels gegen Schärfe im Blute. Es besteht aus stark mit Vitriol gesättigtem Weinstein. Liebenstein kam nach Wien, um sich da Absatz seines Goldsalzes zu verschaffen, und hatte den Laboranten Götz mitgenommen, um ihn bey Verfertigung desselben zu brauchen. Außerdem waren Götz und seine Frau, er Bedienter und sie Köchinn des Barons. Nun traf sichs, daß der Visitator auf der Hauptmauth in Wien, der die Koffer des Baron Liebenstein zu untersuchen hatte, ein der Kunst sehr ergebener Rosenkreutzer war. Er hieß Bacciochi. Als dieser Mann so viel chemisches Geschirr und anderes Werkzeug, das zu dem Goldsalze gebraucht wurde, unter dem Geräthe des Barons fand; so kam er gleich auf den Gedanken, der Eigenthümer dieser Dinge müsse ohne Zweifel einer von den geheimen Obern der Rosenkreutzer seyn. Er begegnete ihm daher mit der größten Ehrfurcht, begleitete ihn in sein Quartier, und fand, weil Liebenstein sich nicht mit ihm einlassen wollte, alle Kennzeichen eines solchen geheimen Obern, die sich nicht zu erkennen geben. Er ermangelte also nicht, seinem bekannten Obern Matolai Rapport zu erstatten, und verbrämte seine Erzählung mit so vielen wunderbaren Eigenschaften, die er jenem beylegte, daß die ganze Societas Rosaecrucianorum, die damals in Wien schwärmte, in Bewegung über den Gast gerieth. Die Herren wollten sein Incognito nicht gelten lassen, und sendeten eine Deputation an ihn, die ihn, mit aller, einem unbekannten Obern gebührenden Reverenz und Unterwerfung einladen sollte, sie mit seinem Besuch zu beehren, ihre Arbeiten zu prüfen, und ihnen aus der Schatzkammer seiner Geheimnisse etliche Kleinodien mitzutheilen. Liebenstein, der noch im 83. Jahre seines Alters gesund und frisch herumwanderte, aber, wie man hören wird, durch diese Leute blutarm geworden ist, war im siebenjährigen Kriege Hauptmann in preußischen Diensten und Adjutant des Generals Salomon. Er ist ein Mann ohne Complimente, geradsinnig, ehrlich und aufrichtig. Da kamen nun freylich die Herren Deputati an den unrechten Mann. Er fertigte sie kurz ab, nannte ihre Rosenkreutzerey Narrenspossen und ihr ganzes Wesen Betrügerey, sagte ihnen, daß ihre unbekannten Obern sie bey der Nase herum führten, und wollte sich auf sein Geldsalz auf keine Art mit ihnen einlassen. Inzwischen hatte doch diese Arzeney schon unter den Brüdern einen gewissen Ruf erlangt. Matolai und Bacciochi hatten es als ein zuverlässiges Rosenkreutzerisches Product ausgegeben. Es war auch endlich nothwendig, nach so vielen Worten einmal etwas Reelles vorzubringen, und die Obern beschlossen mit List und Schlichen hinter das Geheimniß zu kommen. Ein jüngerer Bruder und Herr Bacciochi ließen sich dazu gebrauchen. Liebenstein war auf kurze Zeit nach Ungarn verreiset, welches man benutzte und Bekanntschaft mit dem Laboranten Götz und seinem Weibe machte. Die Herren wußten freilich nicht, daß sich Liebenstein einen Zusatz vorbehalten und bey der Verfertigung des Salzes dem Laboranten verborgen hatte. Aber er und sein Weib gaben vor, das Geheimniß ganz zu besitzen, und es wird noch bis auf den heutigen Tag so unvollständig in Ungarn nachgemacht. Götz und seine Eheconsortinn waren schlau genug, die hohe Meinung, die die Herren von dem Salze hatten, zu bestärken und den Preis für die Entdeckung darnach zu bestimmen. Dazu kam noch das persönliche Interesse eines von den zwey Unterhändlern, der dem Weibe gern etwas zuwenden wollte. Die Forderung war stark, und man fand keinen unter der Gesellschaft, der leichter zu bereden war, das Arcanum zu kaufen, als den armen Szekely, der, geblendet von den schmeichelhaften Aussichten, in kurzer Zeit so große Curen zu machen hoffte, deren eine so viel als die ganze ausgelegte Kaufsumme betrug, zurückbringen würde, daß er ganz ohne alles Bedenken in die ihm anvertraute Casse griff, und in der Hoffnung, das Geborgte bald wieder ersetzen zu können, welche fehl schlug, so unglücklich wurde, wie Jedermann weiß. Nun aber fürchteten Götz und sein Weib die Zurückkunft des Barons Liebenstein, ihres Herrn, der nicht mit sich spaßen ließ. Matolai hatte es übernommen, sie davon zu befreyen. Er examinirte das löbliche Ehepaar genau über alles Thun und Lassen und alle Worte und Werke des Barons, und fand in der Entdeckung, daß er ein Freygeist sey, das Mittel seiner los zu werden. Götz mußte sich auf den Controllorgang stellen und als ihn der vorbeygehende Kaiser fragte was er wolle? antworten: Sein Gewissen treibe ihn, Sr. Maj. anzuzeigen, daß er zweifle, ob sein Herr, der Baron Liebenstein, ein Christ sey, weil er oft von Jesu Christo und seiner hochgebenedeyten Mutter nicht mit geziemender Ehrfurcht spreche. Darauf antwortete der Kaiser kurz: Wenn sein Herr kein Christ sey, so könne er ihn dafür nicht strafen, so lang er nicht Proselyten mache und ihm, Götzen, stände es frey, seinem Herrn den Dienst aufzusagen und sich bey einem Christen zu verdingen. Das war dem Meister Matolai sehr unerwartet. Ein zweyter Kunstgriff gelang besser. Götz reiste dem Baron, der von Ofen aus geschrieben hatte, wann er zurückkommen würde, bis Wieselburg entgegen, und log ihm vor, daß er zu Wien in Verdacht stehe, ein heimlicher preußischer Werber zu seyn, daß er von der Polizey überall gesucht werde u. s. w. Diese Lüge konnte ihre Wirkung nicht verfehlen, und Liebenstein mußte, mit aller seiner Unschuld viele Unannehmlichkeiten befürchten, denen er damit auszuweichen glaubte, daß er, ohne Wien zu berühren, durch einen Umweg aus den österreichischen Landen ging. Seine in Wien zurückgelassenen Kleider und andere Sachen schenkte er seinem Verräther, dankte ihm für seine Treue und gab ihm ein Rendezvous in Regensburg nebst Reisegeld, wovon aber Götz keinen Gebrauch machte.

– Was die Liebschaften Josephs anbelangt, so waren sie, wie manche seiner Lobredner behaupten, aus moralischen Grundsätzen bloß aus den Nymphen gewählt, deren aber keine leicht zum zweytenmahle gerufen. Ein Souveraind'or war die gewöhnliche Belohnung, die auch bisweilen überstiegen, aber nie vermindert wurde. Welchen üblen Einfluß diese Art sich zu vergnügen, auf die Gesundheit des Monarchen gehabt hat, das ist in Wien Jedermann bekannt: ob es aber wahr ist, was man dort ebenfalls sagt, daß ihn nähmlich der Leibchirurg Brambilla, um sich nothwendig zu machen und einen freyen Zutritt zu haben, niemahls recht geheilt habe, – dieß kann ich nicht behaupten. Der Herr war übrigens nichts weniger, als Misogyn. Er liebte den Umgang mit Frauenzimmern, wenn er aber merkte, daß das Herz Antheil zu nehmen begann, dann zog er sich weislich zurück, weil er die Macht der weiblichen Reitze und die Sucht der Weiber, sich in Geschäfte zu mengen, fürchtete. Unter seiner Mutter hatte er freylich genug Beyspiele erlebt, die seine Behutsamkeit rechtfertigen konnten: aber, da er physisch ohne Weiber nicht seyn konnte, so hätte er doch wohl besser gethan, wenn er, mit Beybehaltung seiner Grundsätze, in eine anhaltende Verbindung getreten und den Gegenstand seiner Zuneigung in gehöriger Entfernung gehalten hätte. Vielleicht wär' es auch dahin gekommen, wenn nur eine von seinen vielen Bekanntschaften die Probe ausgehalten hätte. Ich selbst habe deren zwey gekannt, die so fest glaubten, sich für ihre Freunde verwenden zu können oder nach Geheimnissen fragen zu dürfen, und sie wurden auf der Stelle abgedankt. Eben so sehr nahm er sich in Acht, erklärte Favoriten zu hegen. Der einzige Mensch von dem man sagen kann, daß er eine Zeit lang seine Gewogenheit vorzüglich genoß, war der bekannte Cabinetssekretär Günther, der aber, zu seinem Unglück nicht Kopf genug hatte, ein solches Glück zu ertragen. Sein natürliches Talent war gering; und in Wissenschaften hatte er, so wie alle Dummköpfe, gerade so viel gethan, als die Schulstudien mit sich bringen; praetereaque nihil. Er machte eine schönen Buchstaben und konnte rechnen. Hiermit und mit seiner Stupidität erwarb er sich die Gunst eines Monarchen – ein Glück, das er verdiente, wenn es genug Verdienst ist, für seinen Herrn die tiefste Verehrung und Treue zu hegen. Diese Eigenschaften besaß er, und hätte also nicht so fallen sollen, wie ein anderer voll Ränke, List und Schelmerey gemeiniglich zu fallen pflegt. Diesem Günstling widerfuhr eine solche Ehre, wegen seiner kurzen Einsichten, und wegen dessen, was ihm fehlte – das war Welt- und Menschenkenntniß. Die gute Portion Stolz, die sich bey erklärter Herrengunst nach und nach in ihm bildete, und die eben zu der Zeit seines Falles erst zu brausen anfing, muß man einem Menschen seiner Art gar nicht übel nehmen, sondern als eine natürliche Folge der Stufe seines Glückes ansehen, auf der auch große Geister nicht stark genug sind, diese Empfindung zu verläugnen: nur daß diese ihren Hochmuth auf Überlegenheit an Talenten steifen können; worauf Günther keinen Anspruch hatte. Von seinem Herrn hatte er die Idee der höchsten Vollkommenheit. Was aus seinem Munde floß, war bey Günthern Kraft und Geist, und was seine Feder entwarf, Kern aller Sentenzen. – Laudamus ut laudemur. – Auch der Kaiser fand an Günthers Aufsätzen Belieben. Das hätte nun Alles so in seiner Ordnung fort gehen können, wenn sich ein junger Mann, wie Günther damahls war, mit dem Umgange seines Herrn, der schon ziemlich familiär zu werden anfing, hätte begnügen können. Aber, er suchte sich bey Weibern zu erholen und ging nicht Regis ad exemplum von einer zu der andern, sondern blieb bey Madame Eskeles, einer hübschen Jüdinn von Amsterdam, verheirathet und geschieden in Berlin, stehen, und brachte seine Ruhestunden bey ihr zu. Diese Jüdinn wurde in Wien als eine Berlinerinn angesehen; und da hieß es, wie dort von Nazareth: was kann von Berlin Gutes kommen? Dazu kam, daß sie Bücherlesen liebte, und nun eine Gelehrte genannt wurde; welcher Beynahme in Wien sehr zweydeutige Auslegungen erdulden muß. Man glaubte, sie schreibe Alles nach Berlin, was ihr Günther zutrage; und so verleitete die Gewinnsucht einen Lumpenhund ihrer Nation, zu denunciren, daß Günther und diese Frau den Staat verriethen. Wahrhaftig, der arme Mensch erfuhr so wenig, daß er nichts verrathen konnte. Beyde Personen hatten, wenn sie allein waren, ganz andere Dinge zu verhandeln, als Staatsgeheimnisse. Indessen, der Denunciant handelte auch nach Überzeugung. Er hatte keine andern Begriffe vom Umgange der Menschen miteinander, als solche die sich auf Gewinnste gründen. Herzensangelegenheiten kamen bey ihm gar nicht in Anschlag. Denn das Ding kannte er nicht einmal dem Namen nach. Was konnten die zwey Personen anders machen, als Geld gewinnen, und wie konnten sie es anders gewinnen, als durch Verrätherey? Ein kluger Kopf will auch etwas für seine Entdeckungen gewinnen. Er zeigte also seine Muthmaßungen als entschiedene Wahrheit an, und glaubte, ein einziger Brief, den man auf der Post öffnen solle, würde ihm zum Beweise hinlänglich seyn. Anstatt aller seiner Hoffnungen wurden ihm für seine Weisheit vierzig Stockschläge auf öffentlichem Markte zugezählt. Denn Günther und Madame Eskeles, nachdem sie lange separirt, vernommen und untersucht waren, wurden unschuldig befunden: aber doch, sie exilirt, und er als Concipist beym Gubernium in Siebenbürgen angestellt.

So weit bin ich Bürge für meine Erzählung, denn ich habe die Hauptpersonen gekannt und Umgang mit ihnen gehabt. Nun will ich noch die gemeine Sage erwähnen, für die ich nicht stehe. Man erzählt, daß zwar beyde Angeklagte in der Hauptsache völlig unschuldig befunden worden waren, daß aber Madame Eskeles, geschreckt durch den Examinator, der sie bereden wollte, Günther habe schon Alles bekannt, einige kleine Histörchen aus dem Venuskämmerlein Sr. Majestät, die ihr Günther im Vertrauen mitgetheilt haben sollte, ausgesagt habe.

– Als die sogenannten Abrahamiten, die sich zu keiner der drey anerkannten christlichen Confessionen bekennen wollten, aus Böhmen weggeschafft und in das Banat transportirt wurden, war Joseph eben in Ofen, als man diese Leute durchführte. Er ließ sie insgesammt vor die Hauptwache in die Festung bringen, befragte sie erst über ihren Glauben und behandelte sie sehr hart mit Drohungen. General Alvinczi, der zugegen war, wagte es, ein Wort für sie zu reden, und sagte: »Aber diese Menschen glauben doch an Gott.« – Eben das, antwortete Joseph, zeugt von ihrer Hartnäckigkeit; denn wenn sie einen Gott glauben können; so müssen sie ja auch eine Kirche glauben; eines folgt aus dem andern. Ich weiß gar nicht was das für Dummköpfe sind, die da viel von ihrem Glauben an Gott schwatzen, und das übrige der christlichen Religion nicht glauben wollen, was doch eine ganz entschiedene Folge von dem Glauben an Gott ist. Ich habe noch mehrere Leute so argumentiren gehört und lange nicht begreifen können, worauf sich die Folgerung gründet, nach welcher der, der einen Gott glaubt, auch alles das, was die katholische Kirche lehrt, glauben müsse. Endlich entdeckte ich, daß sich das Problem auflöset in der Idee, die diese Leute von Gott haben. Ihr Gott ist der, der täglich in viel tausend Kirchen ausgesetzt, gespeist, zu den Kranken getragen und mit dem gewöhnlichen Namen Unser Herr Gott bezeichnet wird, z. B. Unser Herr Gott wird heute bey St. Peter ausgesetzt. – Unser Herr Gott wird vorbey getragen u. s. w. Also haben die Leute Recht: Wer an diesen Herr Gott glauben und ihn für seinen Gott halten kann, der kann das andere freylich alles glauben, und muß es glauben.

– Die herrlichste von Josephs Eigenschaften war, daß er seine Pflichten gegen seine Unterthanen kannte und sie zu erfüllen wünschte. Über die Art und Weise, dieß auszuführen, haben die Potentaten keine ausschließenden Vorschriften, und der, der wie Kaiser Joseph, diese Pflicht zu seinem Hauptaugenmerk macht, handelt nach seinen Einsichten oder folget dem Rathe, den er für den besten hält. Joseph glaubte nicht, daß er auf den Thron gesetzt sey, um Andere für sich arbeiten zu lassen; er arbeitete selbst, ließ Jedermann vor sich, duldete kein Ansehen der Person, sondern schätzte die Menschen nach ihren Eigenschaften und ihrem innern Werth, nannte sich den ersten Beamten des Staats, und handelte, so weit seine Kräfte reichten, als ein solcher.

Weil ich das Glück gehabt habe, diesen Monarchen in der Nähe beobachten zu können, indem er mich stundenlang bey sich geduldet und viel mit mir gesprochen hat; so kann ich einzelne Züge von ihm mittheilen, die vielleicht manchem Leser nicht unbedeutend vorkommen werden.

Was seine Religion anbelangt; so war er ein guter katholischer Christ, der die Lehrsätze der Kirche vom Herzen glaubte, nur bisweilen die Unfehlbarkeit des Papstes in Zweifel zog, und sich eingeschlichenen Mißbräuchen kräftig widersetzte.

Als er im Jahre 1787 die bekannte Reise zu der Zusammenkunft mit Catharinen der II. unternahm und sich in Lemberg dazu vorbereitete, trat ich ein paar Tage vor seiner Abreise in sein Zimmer. »Nun, sagte er, ist mir recht wohl, daß ich mich ausgeleert habe.« Ich nahm dieses, nicht ohne Verwunderung, in anderm Verstande, aber Se. Maj. belehrten mich bald eines beßern. »Ich habe gebeichtet – ich reise so einen weiten Weg; man kann nicht wissen, was einem zustoßt (sic). Ich nehme zwar einen Geistlichen mit: ein jeder ist mir aber nicht recht zum Beichtvater. Der Feldsuperior, der mich heute Beichte gehört hat, versteht seine Sache.« – Dieser Feldsuperior war der gröbste Bauernlümmel von allen, die mir jemals vorgekommen sind. Aber er erwarb sich durch diese einzige Beichte, in der er vermuthlich sein Beichtkind sanft behandelt hatte, eines der einträglichsten Bisthümer in Ungarn.

Es war damals ein jüdischer Abenteurer aus Schlesien in Lemberg, der den Monarchen so für sich einzunehmen wußte, daß er ihm die Direction des sehr beträchtlichen Salzhandels in Galizien anvertraute. Ich meines Ortes hätte den Menschen nicht zum Pferdeknecht angenommen. Denn er hatte eine Galgenphysiognomie, war ein unerträglicher Schwätzer, und verrieth mit jeder Bewegung alle Unarten seiner Nation: Zudringlichkeit, Schelmengriffe, Trotz und Feigheit. Dieser Mensch, der im ganz eigentlichem Verstande die Hälfte seiner Tage ein Bettelbube gewesen war, und als solcher manchen jüdischen und christlichen Rippenstoß empfangen hatte, wollte nun auch einmahl, da er im Besitze von 4000 fl. jährlicher Besoldung war, und die Tantieme die auf seinen Theil 2 bis 3000 fl. jährlich betragen konnte, den Petit-Maitre machen, behängte sich mit gestickten Kleidern und Juwelen, ließ sich in Gesellschaften einführen und war ein großer Verehrer der christlichen Frauen und Jungfrauen, deren viele auch seinem Gelde hofirten. Goldschmidt war sein Name. Er war 1786 während der Fastnachtszeit in Wien, und wollte besonders in einer Redoute recht glänzen, zu welcher er sich mit einer prächtigen Maske vorbereitet hatte. Allein zwey Tage vorher überfiel ihn Rheumatismus an dem Orte, den seinem Vorfahren Jacob vor so vielen hundert Jahren ein Engel verrenkt hatte. Er konnte nicht gehen, viel weniger tanzen. Ein Barbiergeselle versprach ihn so herzustellen, daß er auf dem Balle gehen könnte, und hielt Wort. Er zog mit Schröpfköpfen die Materie an die Oberfläche. Goldschmidt konnte auf die Redoute gehen, sich in seiner Pracht zeigen, tanzte wacker u. s. w. und erwachte den andern Mittag mit neuen Schmerzen. Denn an dem Orte, wo er den Rheumatismus hatte vertreiben lassen, entstand ein Gewächs, welches von Tag zu Tag größer wurde und ihn endlich ums Leben brachte. Er war mit dem Gewächse nach Lemberg gereiset und fing an, sich seiner Auflösung zu nähern, als Kaiser Joseph nach Lemberg kam, der ihn auch sogleich besuchte, und ihn kräftig vermahnte, sich vor seiner Abfahrt taufen zu lassen. Darauf gab Goldschmidt ganz ernsthaft und aufrichtig die bündigste Versicherung, daß er es thun wolle, wenn er wieder aufkäme, wenn er aber sterben sollte, wäre nichts dabey zu profitiren. Indessen wiederhohlte doch der Kaiser sehr oft den Wunsch, daß sich doch Jemand finden möchte, der ihn zur Bekehrung berede, damit seine Seele gerettet würde.

Kaiser Joseph war sehr geneigt, Vorschläge und Entwürfe zu Verbesserungen und überhaupt vielversprechende Neuerungen anzunehmen und anzuhören. Er faßte aber dergleichen Dinge meistens nur von der Seite der guten Folgen, die sie versprachen, überlegte nicht allezeit gründlich die Schwierigkeiten der Ausführung und dachte oft nicht daran, daß die Nationen, die er beherrschte, in Denkungsart, Sitten und Gebräuchen, in der Cultur und sogar nach ihrer physischen Beschaffenheit gar sehr von einander unterschieden sind. Er wollte Alles unter Generalregeln bringen, und dazu war es noch nicht Zeit. Er wollte z. B. ohne Rücksicht der großen Verschiedenheit in der Landesverfassung das nähmliche Urbarium in Galizien einführen, wie in Österreich, Steyermark u. s. w. warf damit die Grundherrn aus dem Besitze ihrer angeerbten Gerechtsame und Einkünfte oder wenigstens eines Theiles der letztern, und war genöthigt, bey den vielen Anstößen, die sich ihm in dem Laufe seiner neuen Einrichtungen täglich entgegenstellten, immer vieles zu widerrufen, und aufs neue abzuändern, wodurch die Güterbesitzer und Unterthanen ihre Einkünfte niemahl sicher berechnen konnten.

In dieser Epoche ließ sich ein Schmierer beygehen ein Buch über Galizien zu schreiben, welches er, Briefe über Galizien, betitelte. In dem 79. Bande der allgemeinen deutschen Bibliothek (S. 590 u. f.) findet man eine Recension dieser Broschure, die von mir geschrieben ist, und ganz unparteiische Bemerkungen über das neue System, das damals in Galizien eingeführt werden sollte, liefert.Herr von B. urtheilt gar zu ungerecht über Kratter, der ein Mann von Kopf, Kenntnissen und leichter kräftiger Feder war. Was mag ihn so bitter gestimmt haben?

Ich stand nur einige Schritte auf der Gasse in Lemberg vom Kaiser Joseph, als er mit einem polnischen Edelmann sprach, der Güter, sowohl in Galizien als in dem neu erworbenen preußischen Antheil von Pohlen besaß, und der so eben im Begriff stand, die erstern zu verkaufen und sich ganz in das Preußische zu übersiedeln. Er sprach gut Deutsch. Der Kaiser fragte ihn, warum er die preußische Regierung der österreichischen vorziehe und lieber sein Eigenthum in Galizien als jenes im Preußischen verlassen wollte? – Der Mann ließ sich drey- oder viermahl fragen, bis ihn der Kaiser aufmunterte nur frey zu reden. Da lauteten dann seine Worte also: »Der König in Preußen hat uns gleich nach der Übernahme des Landes ohne viel Schreibereyen das Fell über die Ohren gezogen, und wir wissen, woran wir sind, was wir zu zahlen haben und was uns übrig bleibt. Hiervon ist keine Abänderung weder zu hoffen, noch zu fürchten und wir können sicher darauf rechnen und unsere Einrichtung darnach machen. Hier in Galizien aber, wird heut etwas befohlen und in acht Tagen widerrufen. Wenn wir Arbeit und Kosten gehabt haben um eine Verordnung zu befolgen, so kommt ein Gegenbefehl und ein neues Gesetz, das oft dem ersten ganz widerspricht. Ein entschiedenes unangenehmes Schicksal ist nicht so peinlich als eine fortdauernde Ungewißheit.« Se. Majestät geruhten nichts hierauf zu antworten.

Bei der Bereitwilligkeit des Kaisers jeden anzuhören, der ihm etwas Nutzbares zu entdecken vorgab, mußte er seine Zeit oft ganz unbedeutenden und sogar abenteuerlichen Dingen aufopfern. Ein gewisser Baron Calisius bath sich eine Audienz aus, um Sr. Majestät eine Sache von der äußersten Wichtigkeit vorzutragen, die er denn auch mit folgenden Worten anbrachte: »Die Stadt Komorn in Ungarn hat fast alle fünf Jahre das Unglück Erdbeben bey sich zu verspüren, die ihr schon oft großen Schaden zugefügt haben und sie noch immer der größten Gefahr aussetzen und den gänzlichen Untergang drohen. Nun habe ich bemerkt, daß in Egypten niemahls Erdbeben waren, noch sind. Da sich nun Egypten vor andern Ländern in nichts unterscheidet, als daß es Pyramiden hat; so müssen Pyramiden ein sicheres Mittel gegen Erdbeben seyn.« Quod erat demonstrandum!

K. J. Also wäre es gut, ein Paar, oder mehrere der Dinger aufzubauen?

C. Das ist eben mein allerunterthänigster Vorschlag und ich überreiche hiermit Ewr. Majestät einen Riß, wie sie können gebaut werden.

K. J. Haben Sie auch die Kosten berechnet?

C. Nein, aber ich glaube mit drey- bis viermahlhundert tausend Gulden könnte man zwey recht artige Pyramiden aufführen; etwas kleiner freylich als die egyptischen.

K. J. Hat die Stadt Komorn so viel Geld?

C. Nein, aber sie darf hoffen, daß Ew. Majestät etwas beytragen, und der Rest wäre wohl durch eine Collecte vom Lande zusammen zu bringen.

K. J. Nun, ich habe nichts dagegen, wenn ein schicklicher Platz dazu vorhanden ist, der zu sonst nichts gebraucht werden kann und Sie wollen das Werk auf Subscription unternehmen, so bauen Sie nur frisch darauf los. Ich kann mich aber über meinen Beytrag nicht eher erklären, als bis ich wenigstens Eine Pyramide völlig ausgebaut mit eigenen Augen gesehen habe. Servus.

Alles das hab' ich mit meinen Ohren auf dem Controllorgang in Wien mit angehört.

Ein anderer Projectant vom Ingenieurcorps überreichte dem Kaiser einen Plan, wie er die Gränzen seiner Länder durchaus unterminiren könnte, um sich damit gegen alle feindliche Einfälle sicher zu stellen!!!

Joseph war mißtrauisch, besonders weil er aus täglicher Erfahrung einzusehen glaubte, daß seine Mutter durch ihr Zutrauen täglich betrogen werde. Der Reichshofrathspräsident von Hagen war ein, bey aller Welt anerkannt grundehrlicher Mann. Der Kaiser sprach einst mit ihm über eine Sache die ihm Baron Hagen nach der Wahrheit entwickelte, wovon aber Joseph nichts eher glauben wollte, bis er die zum Beweise dienenden Papiere gesehen habe, welche auch sogleich herbeigeschafft wurden. Da sagte Joseph: »Mein lieber Baron Hagen. Ich habe zwar nicht an Ihrer Ehrlichkeit gezweifelt, aber ich bin so sehr daran gewöhnt, alles Gute zu bezweifeln, daß ich auch meinen eigenen Bruder, bei ähnlicher Gelegenheit, eben so behandelt haben würde, wie Sie. Die Erfahrung hat mich mißtrauisch gemacht.«

Auch hatte Joseph eine sehr geringe Meinung von der bürgerlichen Ehre, von der man aber wohl überhaupt die richtigsten Begriffe nicht auf dem Throne suchen muß. Ein gewisser Präsident wurde von einem Subalternbeamten denuncirt, und mußte, länger als ein halbes Jahr suspendirt von seinem Amte, die schärfste Untersuchung und sehr ehrenkränkende Beschuldigungen dulden. Seine Sache wurde von einer, besonders dazu niedergesetzten Commission untersucht, die den Beklagten unschuldig erklärte und dem Verläumder eine Strafe ansetzte, die ihm aber der Kaiser erließ. Als nun der gerechtfertigte Präsident auf Bestrafung des falschen Denuncianten zu seiner Genugthuung drang und den Kaiser mündlich darum bath, antwortete er: Das kann ich nicht thun, damit würde ich andere, die mir Wahrheiten entdecken können, abschrecken, und ich muß beym Antritt der Regierung alles anwenden, um die Schleichwege der Frevler zu entdecken. Oft ist auch der Angeber nicht boshaft, sondern selbst hintergangen.

Präs. Aber Ew. Maj. werden es dadurch dahin bringen, daß kein ehrlicher Mann mehr vom Anklagen sicher ist.

K. J. Der ehrliche Mann wird sich rechtfertigen und losgesprochen werden, wie Ihr eigenes Exempel bezeugt.

Präs. Es ist wahr: aber das ist doch keine Kleinigkeit, wenn ein ehrlicher Mann, so wie es mir ergangen ist, 6 Monate lang bey aller Welt in Verdacht stehen muß, ein Schelm zu seyn.

K. J. Sie sind doch nicht daran gestorben, und keiner wird daran sterben. Wer sich nichts vorzuwerfen hat, kann dazu lachen, und zufrieden seyn, daß sich seine Unschuld am Ende zeigen wird.

Präs. Ich kann schwören, daß ich bey aller meiner Unschuld und der Gerechtigkeit meiner Sache, in diesem halben Jahre Höllenangst ausgestanden habe. Nur der Gedanke, zweydeutig vor der Welt zu erscheinen, hat mir manche schlaflose Nacht verursacht.

K. J. Je nun, da müssen Sie eine verzagte Seele haben. Ich würde das ganz wohl ertragen können, und meine Gegner im Voraus auslachen, daß sie sich am Ende betrogen sehen müssen.


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