Franz Gräffer
Josephinische Curiosa
Franz Gräffer

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XX. Kaiser Joseph und die Jesuiten in Oesterreich.

Schon unter Ferdinand I. hatten die Jesuiten in Österreich durch ihre Willkühr, ihre Übergriffe und Unduldsamkeit die allgemeine Erbitterung aller Confessionen gegen sich erregt. Der jesuitische Hofprediger Canisius war der Haupturheber der gräßlichsten Religionsverfolgungen, welche sehr leicht Empörungen des Volkes hätten herbeyführen können; und erwarb sich durch sein Wüthen gegen Andersgläubige den schimpflichen Beynamen der »österreichische Hund.« Franz Rodriquez, ein portugiesischer Jesuit, folgte unter Maximilian II. seinem Beyspiele. Er wußte es durch seinen Einfluß bey Hofe dahin zu bringen, daß jeder Hofprediger mit Gefängniß bestraft wurde, wenn er nicht wüthend genug von der Kanzel herab gegen die Protestanten donnerte. Unter Rudolph II. und Ferdinand II. brachten sich die Jesuiten in so üblen Ruf, daß sie von den steyrischen Ständen schon damals als »fremde, friedhässige, schädliche, landesverderbliche und unruhige Leute, welche unter dem Deckmantel der Religion sich auf Kosten des Landes zu bereichern suchen und auf nichts als gewaltsame Mittel denken,« bezeichnet wurden. Ein schauderhaftes Gemählde könnte man aus den Geschichtsbüchern der damaligen Zeit zusammenstellen, so heillos empfand Österreich und Böhmen die schreckliche Geißel dieses Ordens.

Im Jahre 1618 schrieben die Stände an den Kaiser: »daß sie, seit die scheinandächtige Jesuitensecte allhier eingeführt worden, öftere Rebellionen und Aufruhr zu gefährden hatten. Weil sie aber in Wahrheit befunden, daß die Urheber all dieses Unheils obgedachte Jesuiten seyen, die sich ganz dahin verwendeten, wie sie den römischen Stuhl befestigen und alle Königreiche und Länder unter ihre Macht und Gewalt bringen möchten, die sich zu solchem Zwecke der unerlaubtesten Mittel bedienten; die Regenten gegen einander verhetzten, unter den Ständen eines jeden Landes, sonderlich in solchen, deren Religion verschieden ist, Aufruhr und Empörung anspännen, Obrigkeiten gegen Unterthanen und Unterthanen gegen Obrigkeiten aufbrächten, auf Könige und Gesalbte des Herrn, die ihren bösen Rathschlägen nicht folgen wollten, jeden Meuchelmörder greifen ließen, Freunde wider Freunde bewaffneten; durch die Beichte alle Geheimnisse erforschten, der Gewissen aller Menschen sich bemächtigten, nach dem Beyspiele der Tempelherren ansehnliche Güter an sich brächten, allenthalben sich des politischen Regimentes anmaßten und durchgehends die Lehre einführten, daß man demjenigen, der nicht katholischer Religion sey, weder Treue noch Glauben schuldig wäre.«

Nicht minderen Antheil hatten die Jesuiten an dem unsäglichen Elende, welches als Folge des dreyßigjährigen Krieges über die betreffenden Länder hereinbrach. »In Böhmen« sagt Luzius in seiner »Jesuitengeschichte Th. IV. Kap. VI. S. 816, »waren die Jesuiten für die Einwohner nicht minder furchtbar als die kaiserlichen Kriegsheere. Sie liefen an der Spitze kaiserlicher Soldaten in Städten und Dörfern umher, überfielen die wehrlosen Leute in der Nacht, schleppten sie aus den Betten und nöthigten sie mit Stockstreichen und andern gewaltthätigen Mitteln zur Annehmung der katholischen Religion. In einem ihnen zugehörigen Dorfe, unweit Prag, ließen sie ihre Unterthanen nach vielen vergeblichen und abscheulichen Versuchen, sie zum Pabstthum zurückzubringen, durch ihre eigenen Schüler nächtlicher Weile überfallen und ausplündern.« – Wolf in seiner Geschichte der Jesuiten sagt: »Vom Galgen erbetene Verbrecher und Leute von notorischer Liederlichkeit wurden mittelst der Jesuiten in die wichtigsten Hof- und Civildienste eingeschoben. Das größte Verdienst, das man sich damahls erwerben konnte, bestund darin, wenn man mit neu erfundenen Grausamkeiten die Protestanten quälen konnte. Man durfte sicher auf Belohnung Anspruch machen, wenn man sich durch ein von den Jesuiten gebilligtes Bubenstück auszeichnete.«

Andere Klagen kamen endlich unter Maria Theresia über die Jesuiten zum Vorschein. Man hatte bisher allen Anschuldigungen der Jesuiten, ihre Verdienste entgegengestellt, welche sie sich um den allgemeinen Unterricht erwarben, aber es erhoben sich nun auch gegründete Beschwerden über den Verfall des Schulwesens, dort wo die Jesuiten den Unterricht leiteten. Auf Maria Theresiens Befehl sollte alsogleich der Cardinal von Trautson die Ursachen dieser Übelstände untersuchen, allein er starb, ehe er seinen Auftrag vollziehen konnte. Die Untersuchung wurde indessen vom Schulrath fortgesetzt und der erste Schritt gegen die Jesuiten war, daß man den Rector des Jesuiten Collegiums, welcher sich anmaßte, beständiger Präsident der Universität zu seyn, für beständig von seiner Stelle entfernte. Die Aufsicht über die Universität erhielt nun der Erzbischof Migazzi, welcher aber eben kein Feind der Jesuiten war. Er wollte mit Hülfe zweyer italienischer Jesuiten einen Verbesserungsplan an der Universität ausführen; aber die Wiener Jesuiten protestirten gegen jede untergeordnete Stellung der Ordensbrüder und so nahm man statt ihrer einen Dominikaner und einen Augustiner. Migazzi glaubte nun selbst gegen die Anmaßungen der Jesuiten noch weiter gehen zu müssen, und es wurde ihnen das Recht genommen, die Bücher zu censiren. Ein Canonicus und van Swieten wurden als Censoren angestellt. Die lateinische Grammatik des portugiesischen Jesuiten Alvarez wurde verworfen und vom Hofe erging ein strenges Verbot gegen die Werke des Tamburin, Gobat, Busenbaum und La Croix. – So sank nun das Ansehen der Jesuiten immer mehr, so daß endlich der hohe Adel seine Söhne aus dem Jesuitencollegium hinwegnahm, da man bemerkt hatte, daß diese Zöglinge vor Allen durch eine ausgelassene Lebensart, durch Atheisterey, Pelagianismus und die unsichere Moral des Probabilismus sich auszeichneten.

Migazzi ging aber noch weiter und machte in die Privilegien der Jesuiten die entschiedensten Eingriffe. Den Verfolgten war es natürlich nun darum zu thun, eine Veranlassung zur Verlästerung des Erzbischofes zu finden. Diese Gelegenheit fand sich bald, da Migazzi die wohleingerichtete Andachtsübung für Christen, welche Muratori unter dem Namen Lamindo Pritanio herausgab, seinen Diöcesanen empfahl. Alsogleich behaupteten die Jesuiten, daß in diesem Buche Irrlehren enthalten seyen und der Beichtvater der Prinzessinnen, der Jesuite Franz Lener war so frech, nicht nur selbst am Hofe darüber zu schimpfen, sondern sogar ein Exemplar dieses Buches den Erzherzoginnen wegzunehmen. Der unverschämte Pfaffe wurde zwar augenblicklich weggejagt, aber seine Ordensbrüder wußten es beym Papst Clemens XIII. dahin zu bringen daß der päpstliche Nuntius den Auftrag erhielt, den Erzbischof Migazzi zu einem gelinderen Verfahren gegen die Bedrängten zu ermahnen. Folgende, für die Geschichte der österreichischen Jesuiten wichtige Stellen, sind in dem Rechtfertigungsschreiben enthalten, welches hierauf von Migazzi an den Pabst gelangte.

»Schon seit vielen Jahren her waren die Studien den Jesuiten anvertraut, welche auf eine gewisse Weise ganz unbeschränkt darüber schalteten. Alles hing hierin nur bloß von ihrer Willkühr ab. Allein dieses war kein Vortheil für die Wissenschaften, indem sie sich gar nicht in dem Zustande befanden, in welchem sie verständige Leute zu sehen wünschten. Sie hatten, wie jedes menschliche Ding, das allgemeine und klägliche Schicksal, welches will, daß sich Alles seinem Untergange nähere, und schienen durchaus von der guten Straße abzuweichen, auf welche sie einst selbst von der Gesellschaft geführt wurden. Unsere durchlauchtigste Fürstinn erfuhr diesen Verfall, und wünschte nach dem großen Eifer, von welchem sie für das allgemeine Beste beseelt ist, daß den in Verfall gerathenen Künsten aufgeholfen, und dieselben nach ihrem Verdienste cultivirt werden möchten. In dieser Absicht befahl sie dem Cardinal Trautson, sowohl die Ursachen ihres Verfalls, als auch die Mittel zu ihrer Wiederherstellung aufzusuchen. Nachdem dieser Prälat kurze Zeit darauf starb, so wurde diese Commission dem höchsten Rathe, nähmlich dem Directorium, aufgetragen, und die Königinn bestätigte sowohl die Anordnungen dieses Tribunales, als auch dasjenige, was Cardinal Trautson bereits verfügt hatte. Man traf damahls, so viel mir bekannt ist, in Ansehung der Jesuiten keine andere Abänderung bei der Universität, als daß der Rector des Collegiums an derselben nicht mehr zugelassen wurde. Seit einiger Zeit hatte sich nähmlich der Rector eines solchen Postens angemaßt, und sich dessen bey den Großen des Hofes gerühmt. Allein die durchlauchtigste Fürstinn erklärte, daß die Gesetze einer solchen Anmaßung zuwider seyen.«

»Ich würde übrigens gern dem Wunsche der Jesuiten entsprochen, und mich bemühet haben, sowohl für jetzt als auch für die Zukunft dem Rector der Gesellschaft einen freyen Zutritt in die Universität zu verschaffen, allein ich bin daran durch die Macht Ihrer Majestät und durch die offenbarste Widersetzlichkeit aller Großen des Hofes abgehalten worden. Außerdem aber entdeckte ich in den Schulen der Gesellschaft viele Dinge, die ich nicht billigen konnte. Ich bemerkte sonderheitlich, daß die ersten Gesetze ihrer Stiftung darin nicht mehr befolgt, und das Directorium der Studien, welches sonst aus verschiedenen angesehenen Gliedern der Gesellschaft bestund, gänzlich aufgehoben wurde.«

»Ich komme nun auf dasjenige zu sprechen, was mich insonderheit angehet. Kaum wurde mir die Verwaltung dieser Kirche anvertraut, als sogleich meine erste Sorge dahin ging, eine solche Geistlichkeit zu bilden, wie sie die Canonen und die Erhabenheit des Amtes, zu dem sie berufen sind, erfordern. Deßwegen lenkte ich meine Aufmerksamkeit auf jene kleine Schaar Geistlicher, welche meine Vorfahren der Aufsicht der Jesuiten anzuvertrauen gewohnt waren. Ich bemerkte, daß keine Disciplin mehr unter ihnen herrschte; daß man nach und nach das Studium der heiligen Wissenschaften und die Ausübung der Kirchengebräuche vernachläßigte, und daß man weder für ihre Sitten und äußerliche Ehrbarkeit, noch für dasjenige sorgte, was ihren Körper anging. Da ich nun befürchtet, es an Beobachtung meiner Pflicht mangeln zu lassen, und da ich zugleich den Religiosen der Gesellschaft Beweise meiner Wohlgewogenheit und Freundschaft geben wollte, so ließ ich den P. Provinzial und den Rector des Hauses erinnern, daß sie das Nöthige veranstalten, die Disciplin besser befolgen lassen und dem Verderben abhelfen möchten. Ich ließ ihnen ein ganzes Jahr lang Zeit, um Alles in gehörige Ordnung zu bringen; aber ich versicherte sie zugleich, daß sie in dem Falle, wenn sie meinen Wink nicht befolgten, es nicht übel nehmen müßten, wenn ich wegen der Aufsicht über die jungen Priester andere Maßregeln ergreifen würde. Meine Winke waren vergebens; sie machten mir glänzende Versprechungen, von denen sie aber keine hielten. Ich wiederhohlte meine Ermahnungen oft. Aber anstatt mir Gehör zu geben, wendeten die Jesuiten heimlicher Weise tausend Kunstgriffe an, diejenigen Zöglinge, die ich ihnen, falls sie meinen Forderungen Genüge geleistet hätten, freywillig gelassen haben würde, mit Gewalt und wider meinen Willen zu behalten. Gleichwohl wartete ich das versprochene Jahr ab. Nachdem ich aber sah, daß die Übel, worüber ich klagte, immer fortdauerten, so gab ich die Jünglinge unter die Aufsicht zweyer Weltpriester. Die Jesuiten blieben immer erzürnt; aber meine Beharrlichkeit verdiente ihren Haß.«

»Ich habe ein Priesterseminar errichtet, und dieses ist die Wirkung der göttlichen Gnade. Ich würde die Aufsicht darüber den Jesuiten gegeben haben, wenn sie sich geneigt bewiesen hätten, diejenigen, die ich ihnen anvertraut hatte, nach Gebühr zu erziehen, und nach den Canonen zu unterrichten. Allein was thaten sie nicht Alles, um meine vorhergegangenen Rathschläge zu vereiteln? Was hatte ich für einen Nutzen von meiner jahrelangen Geduld? u. s. w.«

Migazzi, nachdem er jedoch Cardinal geworden war, änderte plötzlich seine Gesinnung gegen den Orden. Clemens XIII. und seine Schützlinge die Jesuiten wendeten alles an um ihn für ihr Interesse zu gewinnen, und es soll Migazzis Wunsch, vom päpstlichen Hofe Dispens zu erhalten, damit er nebst dem Erzbisthum von Wien auch noch das sehr einträgliche Bisthum Waizen in Ungarn erhalte, das Meiste zur Sinnesänderung des Cardinals beygetragen haben. Für diese Dispens verlangte Clemens von Migazzi die Auswirkung eines Verbotes gegen den Febronius in Oesterreich – ein Werk welches den Unfug der Jesuiten scharf rügte. Migazzi betrieb diese Angelegenheit auf das eifrigste, allein weder van Swieten noch die Kaiserinn waren geneigt, sein Begehren zu genehmigen. Van Swieten fragte ihn bey diesem Anlasse laconisch: Legistine librum Febronii; eminentissime princeps? – Faetor non legi, antwortete Migazzi. Sed quommodo potes damnare librum, quem non legisti? – Ego legi Febronium et dico tibi, hic liber continet multas duras veritates – Sed veritates – erwiederte van Swieten.

Migazzis Protection war nicht mächtig genug, das Schicksal des Ordens abzulenken, denn der heftigste Widersacher desselben war der – Kaiser. Dieser gab seine Gesinnungen in Bezug auf die Jesuiten in nachfolgendem Schreiben an den Herzog von Choiseul, der ihn zur Unterstützung seiner Entwürfe gegen sie aufgefordert hatte, zu erkennen.

»Für das Zutrauen danke ich Ihnen. Auf meine Unterstützung könnten Sie, wenn ich Regent wäre, Staat machen, und meinen Beyfall in Absicht der Jesuiten und des Plans zu ihrer Aufhebung haben Sie vollkommen.«

»Auf meine Mutter rechnen Sie nicht sehr; die Anhänglichkeit für diesen Orden ist in der Familie des Hauses Habsburg erblich geworden. Clemens XIV. hat selbst hievon Beweise.«

»Indeß ist Kaunitz Ihr Freund; er vermag Alles bey der Kaiserinn, hält es in Ansehung ihrer Aufhebung mit Ihnen und dem Marquis Pombal; und er ist ein Mann, der keine Sache zur Hälfte ausgeführt läßt.«

»Choiseul! ich kenne diese Leute so gut, wie irgend Einer; weiß alle ihre Entwürfe, die sie durchgesetzt, ihre Bemühungen, Finsterniß über den Erdboden zu verbreiten, und Europa vom Kap finis terrae bis an die Nordsee zu regieren und zu verwirren.«

»In Deutschland waren sie Mandarins, in Frankreich Akademiker, Hofleute und Beichtväter, in Spanien und Portugal die Grandes der Nation, und in Paraguay Könige.«

»Wäre mein Großonkel, Joseph I., nicht Kaiser geworden, so hätten wir in Deutschland vermuthlich Malagridas, Aveiros und einen Versuch des Königsmordes erleben können. Er kannte sie aber vollkommen, und als das Synedrium des Ordens seinen Beichtvater einstens im Verdacht der Redlichkeit hatte, und daß dieser Mann mehr Anhänglichkeit an den Kaiser als für den Vatican bewies, so wurde er nach Rom citirt. Er sah sein ganzes. grausames Schicksal voraus, wenn er dahin müßte, und bat den Kaiser, es zu verhindern. Umsonst war Alles, was der Monarch gethan, um diesem Schritt vorzubeugen. Selbst der Nuntius verlangte im Namen seines Hofes seine Entfernung. Aufgebracht über diesen Despotismus Roms, erklärte der Kaiser, daß, wenn dieser Priester ja unumgänglich nach Rom müßte, er nicht ohne zahlreiche Gesellschaft dahin reisen solle, und daß ihn alle Jesuiten in den österreichischen Ländern dahin begleiten müßten, von denen er keinen wieder sehen wolle. Diese in den damahligen Zeiten unerwartete und außerordentlich entschlossene Antwort des Kaisers machte die Jesuiten von ihrem Vorhaben zurück gehen.«

»So war es einst, Choiseul! ich sehe voraus, daß es anders werden muß.«

»Adieu! der Himmel erhalte Sie noch lange für Frankreich, für mich und für das Heer Ihrer Freunde!

Im Januar 1770.

Joseph.«

Als nun von mehreren Höfen zugleich die Aufhebung des Jesuitenordens begehrt wurde, leistete Maria Theresia, wie Joseph voraussagte, den größten Widerstand. Papst Clemens XIV. ließ den Wiener Hof hinsichtlich seiner Gesinnungen gegen den Orden durch den Nuntius Visconti ausforschen. Während jedoch Kaiser Joseph offen erklärte, daß er die Aufhebung aller Orden wünschte und dem heiligen Stuhle antworten ließ, daß man von seiner Seite keinen Widerstand zu gewärtigen habe, bedeutete Maria Theresia in großer Frömmigkeit und Bescheidenheit auf dieselben Anfragen: »Ich untersuche nicht, ob die Jesuiten verdient haben, was ihnen so eben in Frankreich, Spanien und Portugall widerfahren ist, denn ohne Zweifel hatten die Souveräne, welche die Unterdrückung des Ordens verfügt, das Für und Wider in ihrer Weisheit abgewogen; allein da ich sie wegen ihrer Aufführung in meinen Staaten nur loben kann, nicht minder wegen ihres Eifers und ihrer Arbeiten, so halte ich ihre Existenz für das Wohl der Religion und meiner Völker höchst wichtig und muß sie in dieser Überzeugung aufrecht erhalten und beschützen.«

Da Maria Theresia diese Erklärung in sehr bestimmtem Tone gab, so verhehlte es Visconti dem Papste nicht, daß er ihren Entschluß für unerschütterlich halte. Aber Maria Theresiens Festigkeit wurde von Innen und von Außen heftig bestürmt. Joseph und Kaunitz suchten nach Kräften unmittelbar am Hofe gegen das Vorurtheil der Kaiserinn zu wirken und alle auswärtigen Höfe, welche mit den Jesuiten unzufrieden waren, unterstützten ihre Bemühungen. Der König von Spanien, vereinigt mit den Königen von Frankreich und Portugal, suchte Maria Theresia zur Uebereinstimmung mit ihnen zu bewegen und der Marquis von Pombal gab deshalb dem Bevollmächtigten in Wien angemessene Aufträge. Der Herzog von Aiguillon, Nachfolger des in Ungnade gefallenen Choiseul, wagte es nicht, sich der Aufhebung des Jesuitenordens zu widersetzen, da er fürchtete, die Unzufriedenheit des Königs zu erregen, der die Absetzung seines Gegners zu bereuen schien. Es wurde daher der Prinz Louis von Rohan zum außerordentlichen Gesandten Frankreichs am Wienerhofe ernannt und hatte die Weisung in Übereinstimmung mit dem Gesandten Spaniens, dem Grafen von Mahoni zu handeln. Der Prinz Rohan besaß vereint mit andern Vorzügen besonders die Gabe der Überredung, allein man beschuldigte ihn, er sey dem Orden insgeheim ergeben gewesen und habe seine eigene Überzeugung der höhern Pflicht aufopfern müssen. Ein eigenhändiger Brief Carls III., dessen leidenschaftlicher Ton einen tiefen Eindruck auf Maria Theresia machte, ohne aber ihren Entschluß zu erschüttern, unterstützte die Bemühungen aller dieser Bevollmächtigten.

Da Kaiser Joseph sehnlichst wünschte, einen baldigen Erfolg der Bemühungen der vereinigten Höfe zu sehen, so stellte er seiner Mutter vor, daß ein längerer Widerstand von ihrer Seite nur geeignet wäre, das gute Einvernehmen mit den vereinigten Höfen zu stören, daß sehr leicht auch eine Kirchenspaltung daraus entstehen könne und es daher unter solchen Umständen – damit man sich keinen Vorwurf zu machen habe – in politischer und religiöser Hinsicht weise wäre, die Sache dem Gewissen und Urtheil des Papstes, der die Unterdrückung des Ordens für nothwendig halte, anheim zu stellen. Dennoch aber hätte Maria Theresia noch immer nicht nachgegeben, allein Clemens XIV. machte nun von dem ganzen Umfange seiner kirchlichen Gewalt Gebrauch, und stellte der Kaiserinn vor, daß sie durch einen so hartnäckigen Widerstand gegen die Kirche nur ihr Gewissen belaste, »denn diese sey mit der göttlichen Autorität bekleidet und halte die Schlüssel des Lebens und Todes in ihren Händen.« Dieses Argument verfehlte seine Wirkung nicht, und die tief betrübte Kaiserinn schrieb: »sie würde sich niemahls haben bestimmen lassen, die Jesuiten in ihren Staaten zu unterdrücken; da jedoch Seine Heiligkeit die Aufhebung des Ordens für nothwendig halte, so wolle sie als eine treue gehorsame Tochter der Kirche nicht länger sich widersetzen, und sey bereit, die Aufhebungsbulle vollziehen zu lassen, sobald sie erscheine.In wie ferne auch die durch Monsperger veranlaßte Mittheilung der aufgeschriebenen Beichten des kaiserl. Hofes auf der Monarchinn Entschluß eingewirkt, ist im 1. Theile angedeutet.

So ward nun endlich durch diese Erklärung das letzte Hinderniß der völligen Abschaffung des Ordens beseitigt, und der Papst erließ sonach das berühmte Dominus ac redemptor noster welches die Jesuiten in der ganzen christlichen Welt aufhob.

Welche Freude Joseph II. hierüber hatte, verlautbaret in nachfolgendem Schreiben, welches er an den Grafen von Aranda, Ambassadeur in Frankreich, ergehen ließ:

»Clemens XIV. hat sich durch die Abolition der Jesuiten einen fortdauernden Ruhm erworben. Er hat die Existenz dieser Sybillen des Apostolats von der Erde verbannt, und ihr Name wird künftig nur in der Geschichte der Streitigkeiten und des Jansenismus erwähnt werden.«

»Noch ehe sie in Deutschland bekannt geworden, war die Religion eine Glückseligkeitslehre der Völker; sie haben sie zum empörenden Bild umgeschaffen, zum Gegenstand ihres Ehrgeizes und zum Deckmantel ihrer Entwürfe herabgewürdigt.«

»Ein Institut, das die schwärmerische Einbildungskraft eines spanischen Veteranen in einer der südlichen Gegenden Europas entwarf, das eine Universal-Herrschaft über den menschlichen Geist zu erwerben gesucht, und in diesem Gesichtspuncte alles dem infalliblen Senat des Laterans unterwerfen wollte, mußte ein unseliges Geschenk für die Enkel Thuiskons seyn.«

»Das Synedrium dieser Loyoliten hatte ihren Ruhm, die Ausbreitung ihrer Größe, und die Finsterniß der übrigen Welt zum ersten Augenmerk ihrer Plane gemacht.«

»Ihre Intoleranz war Ursache, daß Deutschland das Elend eines dreyßigjährigen Krieges dulden mußte. Ihre Prinzipe haben die Heinriche von Frankreich um Leben und Krone gebracht; und sie sind Urheber des abscheulichen Edicts von Nantes geworden.«

»Der mächtige Einfluß, den sie über die Prinzen des Hauses Habsburg hatten, ist zu sehr bekannt. – Ferdinand II. und Leopold I. sind ihre Gönner bis zum letzten Hauch ihres Lebens gewesen.«

»Die Erziehung der Jugend, Literatur, Belohnungen, Ertheilung der größten Würden im Staat, das Ohr der Könige und das Herz der Königinnen, alles war ihrer weisen Führung anvertraut.«

»Man weiß zu sehr, welchen Gebrauch sie davon gemacht, welche Plane sie ausgeführt und welche Fesseln sie den Nationen auferlegt haben.«

»Es ist mir nicht unbekannt, daß außer dem großen Clemens die Minister der bourbonischen Höfe und der Herr von Pombal an ihrer Aufhebung gearbeitet haben. – – Die Nachwelt wird einst ihren Bemühungen Gerechtigkeit widerfahren lassen, und wird ihnen in dem Tempel des Ruhms Altäre errichten.«

»Wenn ich zu irgend einem Haß fähig wäre, so müßte ich diejenige Menschengattung hassen, die einen Fenelon verfolgt, und welche die Bulla in coena Domini hervorgebracht, die so viel Verachtung für Rom erzeugt. Adieu!

Wien, im Juli 1773.

Joseph.

So sehr aber Joseph diese Maßregel des päpstlichen Stuhles billigte, so bemerkte er mit Mißvergnügen die anmaßenden Bestimmungen, nach welchen das päpstliche Breve im deutschen Reiche vollzogen werden sollte. Es hatte nähmlich Clemens XIV. das Breve durch seine Nuntien den Bischöfen mittheilen lassen, und diesen die Befugniß der auszuübenden geistlichen und weltlichen Gerichtsbarkeit über die Personen der aufgehobenen Gesellschaft eingeräumt.

Dieses war aber den kaiserlichen Vorrechten so sehr entgegen, daß der Reichshofrath sich in einem vom 6. Wintermonat 1773 erlassenen Gutachten wie folgt äußerte:

Der Gegenstand des päpstlichen Breve sey von einer solchen Beschaffenheit, daß dasselbe nicht eher an die Bischöfe hätte erlassen, noch viel weniger von diesen vollzogen werden sollen, ehe es zuvor Seiner Kaiserlichen Majestät zur Einsicht vorgelegt, und durch Dero darauf im behörigen Wege erfolgtes Placitum Regium gebilligt worden wäre. Da aber mit dessen Übergehung beydes wirklich geschehen, so sey der Reichshofrath der Meinung, daß Seine kaiserliche Majestät durch eine, auf die päpstliche Communication zu ertheilende Erklärung das von dem römischen Hofe hierin geäußerte befremdliche Betragen mit Nachdruck zu ahnden, und demselben zu erkennen zu geben hatten, was massen Allerhöchstdieselbe sich für die Zukunft die Mittheilung dergleichen Bullen und Abwartung des kaiserlichen Placiti, vor erfolgender Promulgation und Insinuation an die Bischöfe, um so unfehlbarer versehen, daß man im widrigen Falle auf deren Vollzug, ohne weiteres, ein allgemeines Verboth zu legen, bemüssiget seyn würde. Und da außerdem in der päpstlichen Bulle vom 21. Juli die bedenkliche Stelle vorkäme: Ideoque declaramus, cassatam manere penitus et extinctam, omnem atque quamcumque auctoritatem quorumlibet dictae Societatis Superiorum, tam in spiritualibus quam in temporalibus, eademque jurisdictionem et auctoritatem in Locorum Ordinarios, totaliter et omnimodo transferimus. Da doch der Papst die Autorität des Ordens nie weiter, als ad Spiritualia, unmittelbar aufheben, vielweniger aber die Jurisdiction in Temporalibus, den Bischöfen oder Ordinarien zum Nachtheil Seiner kaiserlichen Majestät sowohl, als den Landesherren im Reiche übertragen könne; so dürfte auch in obgedachter Erklärung an den römischen Hof die Bulle nicht anders, als mit ausdrücklicher Ausnahme dessen, was von dieser anmaßlichen Cassation und respectiven Translation der weltlichen Jurisdiction und Autorität in demselben enthalten ist, anzunehmen seyn. Zu gleicher Zeit wäre von kaiserlicher Majestät ein Commissionsdecret an den Reichstag zu erlassen, und dadurch nicht nur die an den päpstlichen Hof ergehende Ahndung und Ausnahme im gesammten Reiche bekannt zu machen, sondern auch eine Erinnerung an die Bischöfe dahin beyzufügen, wie Seine Majestät verhofften, daß dieselben in Zukunft auch ihres Orts von selbst den Bedacht nehmen würden, ohne allerhöchst Dero Vorwissen und Genehmigung dergleichen in den Statum publicum einschlagende Bullen nicht zu vollziehen.

In Folge dieses Gutachtens erwartete man nun, daß der Reichstag einen Schluß fassen werde, aber verschiedene Rücksichten veranlaßten Joseph, stillzuschweigen und dem Reichstage bloß kurz anzuzeigen, daß der Jesuitenorden aufgehoben sey. An den meisten Orten ging die Vollziehung des päpstlichen Breve ruhig vor sich. Die Jesuiten waren längst vorbereitet und hatten Zeit genug gefunden, Baarschaften und wichtige Papiere bey Seite zu schaffen. Man soll aber demungeachtet in ihren Behausungen allerley Dinge gefunden haben, welche den Verdacht, welchen man gegen sie hatte, in vieler Hinsicht bestätigten. Wie unter andern Wolf erzählt, fand man in ihrem Archive zu Ingolstadt außer einigen Heften geschriebener Beichten, unter welchen auch die Beichte eines ehemahligen großen Fürsten vor seinem Tode war, ein Henkerschwerd, auf welchem die Worte stunden: Hoc ferrum centum et decem reis capita demessuit. (?) Bei Besitznehmung ihres Collegiums zu München entdeckte ein churfürstlicher Commissär durch einen besonderen Zufall ein Gewölbe mit eilf an Ketten gelegenen Leichnamen, von denen einige noch als Jesuiten mit ihrer Kleidung kenntlich waren. Die zur Rede gestellten Obern gaben sie für rasend gewordene Jesuiten aus. An demselben Orte soll man ein Cruzifix gefunden haben, welches, wenn man es küßte, den Küssenden mit einem scharfen krummen Dolch verwundete.

In Oesterreich fand jedoch die Aufhebung der Jesuiten nicht von allen Seiten den gehofften Beyfall. Viele machten es jetzt recht eigentlich zum Geschäfte, die Vorzüge derselben in das schönste Licht zu stellen, wo sie doch selbst während der Existenz des Ordens allerley Makel an selbem zu finden gewußt hatten. Migazzi stand an der Spitze jener, welche diese Strenge gegen den Orden tadelten und konnte dessen Tugenden jetzt nicht genug rühmen. »Alle die Arbeiten (der Jesuiten)« schrieb er 1773 nach Rom, »waren so wundervoll und hatten einen so glücklichen Erfolg, daß die Individuen dieser vertilgten Gesellschaft eine Menge Schäfchen, welche von den verkehrten Irrthümern des Luther, des Calvin, des Arius, der Widertäufer und den schismatischen Griechen verführt und angesteckt worden, in den Schaafstall Christi zurückführten. Um endlich Alles mit wenigen Worten zu sagen, so war das Betragen eben dieser Individuen in allen Verrichtungen, welche darauf abzielten, in Kindern, Jünglingen, Erwachsenen, Alten und Greisen, Tugend und Religion zu befördern, von einer solchen Beschaffenheit, daß sie nicht etwa durch Zufall, sondern durch ihre eigene Tugend und durch ihre ruhmwürdigen Bemühungen die Verehrung und das Zutrauen jeder Gesellschaft und jedes Standes der Menschen verdienen.«

Diese Lobsprüche müssen aber alle um so mehr verdächtig erscheinen, als der Cardinal-Erzbischof in seinem ersten Memorial an den Papst ganz eine andere Sprache führte. Das Widersprechende in seinem und der Gleichgesinnten Benehmen ließ sich jedoch recht wohl erklären durch die gerechten Besorgnisse, welche die Aufhebung des Ordens der Jesuiten bei allen Orthodoxen erregen mußte.

O – b.


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