Franz Gräffer
Josephinische Curiosa
Franz Gräffer

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XXI. Josephs Versuche gegen das heillose Asylrecht.

Diese blieben bis zum Jahre 1775 erfolglos, wiewohl er damals schon seit 10 Jahren Mitregent gewesen war. Man erräth den Grund dieser Fruchtlosigkeit, denn gar zu ernst oder wohl gar entschieden wollte er gegen seine Mutter in Dingen nicht auftreten, die mit ihrem mitunter nur allzustrengen religiösen Sinne verwachsen waren. Kirchen und Klöster blieben also nach wie vor die sichernden Zufluchtsorte für Verbrecher aller Art. Ein beschränkendes Patent hatte die Kaiserinn wohl 1752 erlassen; allein der empörende Mißbrauch dauerte fort. Es erschien daher i. J. 1775 ein noch mehr ausnehmendes Gesetz, und dieß gab Veranlassung zu rigorosern Erörterungen und Vorstellungen von Seite Josephs und anderer gewichtiger Freunde der Gerechtigkeit, so zwar, daß die Kaiserinn sich bewogen fand, 1776 das verderbliche Asylrecht gänzlich aufzuheben. Jenes letzte Edict aber bleibt ein äußerst merkwürdiges Document, ein wahres Curiosum zur Geschichte jener Zeit; und man mag aus selbem entnehmen, welch schweren Stand der aufgeklärte menschenfreundliche Joseph in kirchlichen und gesetzlichen Dingen gehabt habe. Diese Urkunde von so hohem Interesse ist die nachstehende:

Wir Maria Theresia &c. &c. Entbieten allen und jeden Inwohnern, und Unterthanen, was Würden, Standes, Amts und Wesens, die in Unsren gesammten Erbkönigreichen und Ländern sind, Unsre kaiserl. königl. und erzherzogliche Gnade, und geben euch gnädigst zu vernehmen:

Obschon Unsere Vorfahrer in der Regierung aus Eifer für die Religion, und aus Liebe zur Gerechtigkeit die Orte und Personen durch öffentliche Gesetze bestimmt haben, wo und bey welchen das Asylum, oder das Recht der Freystädte Platz greifen sollte; obschon Wir ferner auch selbst bereits unterm 10. May 1752 durch eine allgemeine Anordnung noch weiteres Maaß und Ziel hierin festgesetzet haben; So hat doch die Erfahrung gelehret, daß verschiedene Zweifel über die Auslegung der besagten Verordnungen entstanden, und daß in der Folge auch keine gleichförmige Beobachtung in Unseren Erblanden beygenommen worden sey.

Damit also die öffentliche Sicherheit so, wie die strafende Gerechtigkeit mit der Verehrung für gewisse Gott gewidmete Orte vereinbaret werde, haben wir Uns mit reifer Überlegung eine beständige Maaßregel nach Erforderniß der Umstände hiemit gesetzmäßig einzuführen gnädigst entschlossen, worüber alle in Unseren kaiserl. königl. Staaten sich befindende Vorsteher der heiligen christkatholischen Kirche, und alle weltliche Obrigkeiten die wachsamste Aufmerksamkeit zu dem gänzlichen Vollzuge tragen sollen.

Wir erklären und befehlen dahero

Erstens: Daß von dem Asylo oder dem Rechte der gewissen Gott geweihten Orten von den weltlichen Fürsten und Regenten verliehenen Freistätte alle hier nachstehende Verbrecher ausgeschlossen seyn, und bleiben sollen, wenn sie auch ihre Zuflucht in besagte Orte wirklich genommen hätten als:

a)  Die Schuldigen der Beleidigung der göttlichen Majestät.
b) Die Lästerer der Heiligen Gottes.
c) Die Urheber des Todschlages, so in Kirchen und Freydhöfen verübt worden.
d) Die gottesräuberischen Diebe, oder fures sacrilegi.
e) Vorsetzliche Mörder.
f) Die Straßenräuber.
g) Die zur nächtlichen Zeit die Feldfrüchte rauben oder verwüsten.
h) Die Meuchelmörder, sie mögen den Meuchelmord eines Menschen selbst verübt, oder nur dazu geholfen, oder an demselben durch einen andern vollbracht haben.
i) Die sich der Beleidigung der weltlichen Majestät schuldig machen.
k) Die einer Verschwörung oder Empörung gegen den Staat schuldig sind.
l) Die Schuldigen des Hochverraths nach allen Gattungen dieses schwersten Verbrechens.
m) Die Münzverfälscher.
n) Jene, welche das Pettschaft, oder Insiegel andere auf gefährliche Weise, und
o) Eben so diejenigen, welche den Stempel des Papieres und öffentliche Schuldscheine nachahmen.
p) Welche Menschen, Brünne, andere Wasserbehältnisse, und die Hutwaiden vergiften.
q) Die Mordbrenner, oder welche Feuer anlegen.
r) Jene, so zur Zeit einer Feuersbrunst, einer Wassernoth oder Überschwemmung, eines Schiffbruches, oder sonst in derley Drangsalen etwas diebischer Weise entwenden.
s) Die, welche öffentliche Cassen berauben oder daraus zum eigenen Gebrauche etwas verwenden, wie nicht weniger alle sonstige Diebe.
t) Die Kindesmörderinnen und jene, so eine Leibesfrucht abtreiben, wenn sie auch nur dazu geholfen haben.
u) Die Entführer einer Jungfrau.
w) Jene, so wegen dergleichen ausgenommen Lastern gerichtlich verwahrt sind, und mit Erbrechung der Kerker die Flucht nehmen.
x) Die Banquerotiers.
y) Die Betrüger der Mauth- und Zollstätte.
z) Die Ausreißer von der Militz, und endlich jene, so Diener der Obrigkeit in ihren Amtsverrichtungen tödten, oder verwunden.

Zweytens: Soll die Local-Immunität oder das Recht der Freystädte keinem andern Orte, als bloß und allein denjenigen Gott geweihten Orten eigen seyn, worin die heiligsten Sacramente ausgespendet werden, oder das hochwürdigste Gut verwahrt ist; Inmassen die Klöster, Collegia, und sonstige Wohnhäuser der Ordens und anderer geistlichen Personen, die Schulen, Spitäler und andere derley Orte sich dieser Verleihung nicht zu erfreuen haben, sondern in Ansehung des Asyli mit andern bürgerlichen, weltlichen Häusern gleich zu halten sind.

Drittens: Wollen wir gnädigst, daß bey sich ergebenden Fällen, wo Jemand in ein, wie obbenannt, Gott geweihtes Ort sich flüchtet, Folgendes beobachtet wissen:

Es soll nähmlich die betreffende weltliche Obrigkeit oder der weltliche Richter alsogleich die Aushändigung des Asylanten von dem geistlichen Vorsteher der Kirche, oder des Gotteshauses, worein jener sich geflüchtet, gehörig begehren, und diese Aushändigung hat der Kirchenvorsteher auch ohne weiterer Anfrage bey seiner geistlichen Instanz unverzüglich platterdingen ins Werk zu setzen; wo im widrigen der weltliche Richter, oder Vorsteher den Asylanten selbst aus dem Gotteshause herauszunehmen, und nur so viel zu beobachten haben wird, daß solches nach Thunlichkeit ohne besondern Aufsehen geschehe. Wenn nun

Viertens: Der Asylant in den Händen der weltlichen Obrigkeit oder des richterlichen Arms ist, hat dieser ganz allein zu erkennen, ob das Verbrechen zu einer von jenen Classen gehöre, welche hieroben von dem Rechte der Freystädte ausgeschlossen worden, oder nicht? Im ersten Falle soll der Lauf der Gerechtigkeit eben so wider den Übelthäter oder Beinzüchtigten fortgehen, als wenn derselbe niemahls in der Kirche ein Asylum gesucht hätte, wogegen in dem letzten Falle ein solcher Mensch wiederum in die nähmliche Kirche als den Ort des Asyli zurück zu stellen ist, woraus er genommen worden.

Fünftens: Gebiethen Wir allen und jeden, was Standes sie immer sind, bey der Strafe Unserer schweren Ungnade, daß Niemand sich unterstehen sollte, einen das Asylum suchenden Menschen, unter was für Vorwande es seyn mag, zu verhehlen, oder demselben fortzuhelfen; und befehlen zugleich allen Unseren Stellen, Richtern und Obrigkeiten hiemit ernstgemessen, daß in dem Falle, wo eine geistliche Person oder Gemeinde wider diese Unsere Verordnung selbst, oder durch andere etwas zu unternehmen sich beygehen ließe, dieselben nicht allein zu gänzlicher Ersetzung des etwann daraus jemand erwachsenen Schadens angehalten, sondern auch noch über dieses mit einer angemessenen Geldstrafe belegt werden solle.

Wir gebiethen demnach allen Unseren geistlich- und weltlichen Stellen, Instanzen, Ämtern, Richtern und Unterthanen, wes Standes sie nur immer seyn können, daß sie insgesammt nicht nur selbst auf genaueste Erfüllung dieser Unserer höchsten gesetzgebigen Meynung den pflichtschuldigsten Bedacht nehmen, sondern auch ihre Untergebene hierzu ernsthaft anhalten, und nichts dagegen geschehen lassen, bey Vermeidung schwerer Strafen und Unserer höchsten Ungnade.

Hieran geschieht Unser gnädigster Wille und Befehl.

Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Wien den 15. Monathstag August, im siebenzehenhundert fünf und siebenzigsten, Unserer Reiche im fünf und dreyßigsten Jahr.

Maria Theresia.

(L.S.)

Henricus Comes à Blumegen,
Regae. Bohae. Supas. st A. A. prus. Cancius.

Ad Mandatum Sacrae Caes. Regiae
Majestatis proprium.

Franz Joseph von Heinke.
       


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