Franz Gräffer
Josephinische Curiosa
Franz Gräffer

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Drittes Bändchen.

35. Szekely der Verbrecher, und Joseph der Richter.

Unter der Verwaltung des Gardeoberstlieutenants Szekely entsteht in der Hauptcassa ein Deficit von nicht weniger als Sieben und Neunzig Tausend Gulden!! Freymaurerische und alchymistische Verlockungen hatten den Unglücklichen bethört (worüber einige Andeutungen im 1. Bändchen der »Curiosa,« Seite 110). Szekely wird vor Gericht gezogen. – »Joseph hatte die Strafe des Cassendiebs, der von der zweyten Instanz zur achtjährigen Festungsarbeit verurtheilt wurde, dahin abgeändert, daß dieser Arrest nur vier Jahre dauern, der Verbrecher aber zwey Stunden auf öffentlicher Schandbühne stehen sollte. Dieses schien einem politischen Flugblättler eine Erhöhung der Strafe;« also drückt sich Wolf in seiner »Geschichte der Veränderungen unter Joseph &c.« aus.

Die in Rede stehende Flugschrift oder Broschure ist betitelt: »Freymüthige Bemerkungen über das Verbrechen und die Strafe des Garde-Obristlieutenant Szekely; von einem Freunde der Wahrheit, 1786;« Duodez. Der (ungenannte) Verfasser derselben ist J. J. Fezer, Druckereyfactor des berüchtigten Wucherer; dieser selbst der Verleger. Die giftige, verbrecherische Schmähschrift machte unerhörtes Aufsehen (macht es noch jetzt), wurde auch in den Zeitschriften des In- und des Auslandes des Breiten besprochen, in Büchern abgehandelt &c., und Joseph der Erhabene gestattete, daß sie öffentlich verkauft werden dürfe. Einiges Nähere kommt in dem Artikel: »Literarische Attentate auf den Kaiser« vor (Rautenstrauchs Schrift über Wucherer: Wie lange noch? im Ver1aufe dieses dritten Bändchens unserer »Curiosa«). Auf Wucherers Veranlassung erschien dann alsbald eine Piece, die eine Art Critik vorstellen sollte: »An den Verfasser der freymüthigen Bemerkungen &c.« Hier folge nun zuerst die famose Lästerschrift; dann aus einer Masse von Besprechungen (unter denen jene in Schlözers Staatsanzeigen zu den detaillirtesten gehören mögen) jene Notiz aus einem zu Zürich erschienenen Buche, auch die Gegenschrift betreffend.

»Seye es der Wahrheit erlaubt, heute wieder einmal unverkappt, ungeschminkt, ganz in ihrer schaudervollen Blöße zu erscheinen! – Höret, unbestechliche Richter, was ich Euch von Szekely's Verbrechen, von seiner Strafe, mit reinem unpartheiischen Munde, mit warmem Herzen sagen werde, und fället dann Euer Urtheil über mich, über Szekely, über seinen Richter.

Szekely, sobald er die bei der Gardekasse obwaltende Verwirrung und den in derselben bemerkten Abgang angezeigt hatte, wurde sogleich eingezogen, und nach, zum Schein vorläufig gemachten Untersuchungen, ein Kriegsrecht über ihn gehalten. Hiebey hat sich zwar ein baarer Abgang in der Kasse von 97000 fl. veroffenbaret; allein, da Szekely bewiesen hat, daß er sich ganz auf den verstorbenen Garde-Rechnungsführer Lakner verlassen, daß er demselben die Kasseschlüsseln auf immer anvertrauet, ja sogar, da er seine gänzliche Unwissenheit im Rechnungsgeschäft mehr als einmal ganz offenherzig einbekannt, die Rechnungen nie durchgesehen hat; so hat man ihn nicht wohl eines Kasse-Angrifs beschuldigen können, zumalen das ganze Garde-Korps die Niederträchtigkeit, und den über sein Vermögen glänzenden Aufwand des verstorbenen Rechnungsführers Lakner bestättiget hat.

Man hat daher den Oberstlieutenant Szekely nur die äußerste – immer strafbare Nachlässigkeit zeugen können, woraus von selbst folgt, wie nach dem abgemessenen Verhältniß zwischen dem Verbrechen und Strafe, leztere ausfallen müsse. Das Kriegsrecht hat auch aus diesem Anbetracht, da er, um mich juridisch auszudrücken, weder confessus, noch convictus war, auf eine sechsjährige Gefangenschaft in einer Festung angetragen, und der Hofkriegsrath, dem nach der bestehenden Vorschrift dieses Kriegsrecht zum revidiren übergeben werden mußte, beging den groben Fehler, den kriegsrechtlichen Straf-Spruch zu verschärfen, und die Dauerzeit der Gefangenschaft auf acht Jahre auszudehnen; wo demselben doch unmöglich unbekannt seyn kann, daß unser Allergnädigster Monarch ohnehin gewohnt seye, die von den Gerichtsstellen über Verbrecher gefällte Urtheile immer in Gnaden zu – verstrengen. Doch hierüber will ich hinausgehen, und glauben, daß das Revisorium nach den Gesetzen und der strengen Gerechtigkeit so sprechen mußte. Ich begreife aber nicht, wie der Kaiser auf den vom Hofkriegsrath über die Untersuchung der Kasse-Veruntreuung des Szekely hat sagen können:

»Szekely ist ohne weiters zu kassiren, des Militärstandes unfähig zu erklären, und dem Zivile zur Bestrafung zu übergeben, wo er nachher in loco Delicti, nemlich in Wien, drey Täge nach einander, alle Tage zwey Stunden auf der Bühne auf dem hohen Markt, zum erspiegelnden Beispiel zu stehen hat.«

»Die ihm zuerkannte achtjährige Arreststrafe will Ich ihm aus Gnaden wegen seines Alters bis auf 4 Jahre vermindern, diese hat er in dem Zivil-Strafort Szegedin, der für Hungarn besteht, mit der gewöhnlichen Atzung, wie andere Delinquenten auszuhalten.«

Noch weniger ist es möglich, mich zu überführen, daß der Monarch auf einen neuerlichen wegen dieser so scharfen Resolution erstatteten Vortrag, wo man ihm so gründlich vorstellte, daß diese Strafe gar nicht Platz greifen könne, und sie so unverdient, als den Gesetzen und der Gerechtigkeit widersprechend ist, dennoch auf seiner ersten Entschließung hat beharren, und neuerdings so streng sprechen können. Ich will diese letzte Resolution auch von Wort zu Wort hersetzen:

»Ein jeder unrichtiger Kassebeamter kann, wie Szekely, sagen, er wüßte nicht, wo das Geld hingekommen ist, wenn er es auch gestohlen hätte. Sobald als Geld, besonders eine so ansehnliche Summe, wie diese von 97000 fl. in der Kasse sich nicht befindet, so stehet es nicht mehr dem Richter zu, ihm zu beweisen, daß er es entfremdet hat; sondern ihm steht zu, zu beweisen, daß er es nicht entwendet hat, und sobald er dieß nicht beweisen kann, so bleibt er ein Dieb. Es ist also ohne weiters der Sentenz gegen ihn, sobald er kassiret ist, folglich aufhöret, militar zu seyn, zu vollziehen, und ihm das Zettel, als untreuer Beamter anzuhängen.«

Man erlaube mir über beide diese Allerhöchste Entschließungen meine Meinungen zu sagen.

Szekely ist strafbar wegen seiner supinen Nachlässigkeit; er ist strafbar, daß er sein volles Zutrauen in einen Rechnungsführer setzte, von dem, da es das ganze Garde-Korps wußte, es ihm gewiß nicht unbekannt seyn konnte, daß er splendide lebe, und solches von seinem eigenen Vermögen zu bestreitten nicht wohl im Stande seyn möge. Es kann zwar auch seyn, daß Szekely die Unordnung bei der Garde-Kasse mag wahrgenommen und einen Defekt befürchtet haben, welches ihn vielleicht, und, da er auf die bei desselben Entdeckung zu befahren habende schändlich-entehrende Bestrafung rechnen konnte, verleitet hat, all sein Studium der Chemie zu widmen, um vielleicht durch eine glückliche Erfindung sich aus dem Labirinth und der Gefahr, die ihm drohte, herauszuhelfen.

So kindisch dieses immer bei Männern klingen mag, so ist es doch auch eine Leidenschaft, die er um so weniger bezwingen konnte, als er in selber allein Hilfe suchte und hoffte. Zu seiner Entschuldigung tritt noch bei, seine oben angezogene, von ihm einbekannte gänzliche Unwissenheit im Rechnungsgeschäft.

Freilich hätte Szekely, bei dem Gefühle seines Unvermögens, nie ein Rechnungsgeschäft übernehmen sollen; aber, wenn jeder das Amt, dem er nicht gewachsen ist, niederlegen sollte, wie öde, wie ausgefegt würden sich die Kanzleien unsern Augen darstellen!! Rabener giebt derley Menschen Muth, wenn er ihnen zulispelt: wem Gott ein Amt giebt, dem giebt er auch den Verstand dazu; obwolen Szekely nie so gedacht haben würde, wenn er das traurige Ende davon vorgesehen hätte.

Endlich muß auch Szekely immer als ein ehrlicher Beamter, dem man nie einen Kasse-Angriff zutrauen konnte, bekannt gewesen seyn, da selbst ein bei der Untersuchung vorgekommenes Allerhöchstes Handschreiben der weiland Kaiserin Maria Theresia besteht, wo Sie in Szekely als einen bekannten treuen Diener so viel Vertrauen zu setzen sagt, daß es platterdings bei der Garde-Kasse keiner Gegensperr benöthiget. Dieses kann, dieses muß dem Szekely zum Behuf gereichen; man müßte nur zu den übrigen Undankbarkeiten auch noch jene hinzuthun, daß man die unvergeßliche Monarchin einer unvernünftigen Leichtgläubigkeit, und eines blinden Zutrauens in diesem Falle beschuldigen wollte; obwolen Sie bey all diesen Ihr angedichteten Gebrechen doch nicht so viel Schurken in ihrer Regierung aufweisen kann, als unser Monarch durch all seine Strenge nicht abschrecken konnte. Ein Beweis, daß der Fürst durch Liebe die Unterthanen immer mehr im Zaum halten könne, als durch Tiranney.

Um wieder zurückzukommen: obwolen dieses Handbillet der Kaiserin eigentlich ein Bürge für Szekely's Treue ist; so kann es doch kein Deckmantel seyn, worunter Fürst Esterhazy seine Nachlässigkeit verbergen will. Esterhazy ist hiedurch gar nicht entschuldigt, daß er als Garde-Kapitaine, dem diese Charge zur genauen Obsorge auf alles, was das Garde-Korps betrifft, übertragen wurde, niemals von Szekely die Rechnungen abfoderte, oder eine mehrmalige Kasse-Durchsuchung (Revision) veranlaßte. – Keineswegs fällt auch die Schuld von der Hungarisch-Siebenbürgischen Hofkanzley hinweg, die als obere Stelle nach der bestehenden Vorschrift hierauf ein wachsames Aug' hätte haben sollen; aber wer verdenkt es auch dieser Hof-Stelle, bei der Unordnung und Unrichtigkeit nach bekannten – überzeugenden Beispielen allenthalben eingerissen hat? – bey der Buchhalterey bloß dem Namen nach bestehet? – wo man von richtiger Kombinirung des Empfangs und der Ausgabe eben so richtige Begriffe als Brambilla von der Medizin hat? – Doch, ich schweife aus; ich wollte nur sagen: wenn man Nachlässigkeit an Einem bestraft, so muß man sie auch an dem Andern bestrafen; und, gleichwie Szekely durch seine wenige Bekümmerniß um das Kasse- und Rechnungswesen dem Rechnungs-Führer den Weeg zur Veruntreuung öfnete; eben so kann Szekely zu seiner nachsichtvollen Unbesorglichkeit nur durch die wenige Darobhaltung des Garde-Kapitäns und der Hungarischen Hofkanzley auf Ordnung und Richtigkeit, verleitet worden seyn.

Bei diesen Umständen, wo Szekely von seinem Verbrechen, der Kasseveruntreuung nemlich, weder überwiesen ist, noch auch solches einbekennet hat, und wo es wahrscheinlich ist, daß Lakner vielmehr ein Spizbube war, und man den Szekely nur einer Nachlässigkeit, deren Bestrafung er der Nachlässigkeit seiner Vorgesetzten, die man nicht bestraft, zu verdanken hat, beschuldigen kann; wäre es würklich Strafe genug gewesen, ihn auf eine achtjährige Festungs-Gefangenschaft zu verdammen. Ich komme daher jetzt, nachdem ich das, was man zum Behuf des Szekely über das an ihm bestrafte Verbrechen sagen konnte, gesagt habe, auf seine erlittene Strafe selbst.

Vormals und auch jetzt, bey allen gesitteten Völkern pflegten die Fürsten, die von den Gerichtsstellen über Verbrecher gefällte Urtheile in Gnaden zu mildern; – bei uns ist es nunmehr zur Mode geworden, solche zu – verschärfen, vielleicht, um des entzükenden Vergnügens in vollem Maße zu genießen, daß man Beweise seines unumschränkten Despotismus ablegen könne. Armer, bedaurenswürdiger Szekely! daß es in der Kugel deines traurigen Schicksals aufgezeichnet seyn mußte, daß die Untersuchung deines Verbrechens einem wetterwendischen Monarchen eben in dem Augenblick vorgelegt werde, wo ihn vielleicht eine Fliege an der Nase nekte, und er im Zorn hierüber dein schändliches Urtheil fällte! – Unglücklicher Mann! du Opfer der Laune des Monarchen! Du grausames Opfer eines unmenschlichen, tyrannischen Herzens! Sagt, Männer von Gefühl, sagt, Männer der Gerechtigkeit! welcher Monarch kann Urtheile verstrengen? – – ein Tirann! Welcher Monarch kann die Rechte der Menschheit mit Füßen tretten? – – ein Tirann!! Welcher Monarch kann Gesetze und Gerechtigkeit verlachen? – – ein Tirann!!! Welcher Monarch kann in Kriminal-Sachen nach eigener Willkühr handeln? – – ein Tirann!!!! – – Gott! Gott! was bist du armer Mensch! schwaches Geschöpf, das dieser launigte Kopf unverschuldet im Staube tritt, daß du dich krümmest, und unter siebentausend Schmerzen von einer siebentausendköpfigen Hidra erwürget wirst?

Schreckliches, die Menschheit entehrendes Bild! und doch wahr, aus Erfahrung wahr.

Laßt mich nun wieder zurukkommen, laßt mich sagen, was das heißt, die Urtheile, welche die Untersuchungs-Kommission spricht, zu verschärfen. Entweder heißt es: ihr Richter, die ich aufgestellt habe, nach dem Gesez und der Gerechtigkeit zu richten, ihr seyd Spizbuben, ihr habt euch von eurer Pflicht entfernt, habt partheiisch gesprochen, habt mich zu hintergehen, zu belügen gesucht; – und dann kann freilich der Monarch nicht länger zusehen, er muß diese ungerechten Richter abdanken; thut er dieses nicht, so ist es ein stilles Bekenntniß, daß sie, ihrer Pflicht getreu nach den Gesezen und der Gerechtigkeit gesprochen haben; aber auch ein schmetternder Donner: Ich will euer Urtheil aus Willkühr nicht genehmigen, ich will als Herr, der Macht über Leben und Tod hat, diesen euren Sentenz verschärfen. Himmel! was für eine Sprache in dem Munde eines Monarchen, den Du uns zum Beschüzer, nicht zum Tyrann gabst! – Also ungerecht, und noch einmal ungerecht, daß Szekely's Strafe so sehr verstrenget wurde; so sehr, sage ich, denn zwo Stunden auf der Bühne stehen, ist eben so ungewöhnlich, als unerhört. Daß der Kaiser ihm von dem ihm zuerkannten achtjährigen Arrest vier Jahre wegen seines Alters nachsieht, um den schwachen, unter dem Dienst ergrauten Greisen durch das schändliche Bühnestehen desto mehr zu beugen, ist wahrlich keine Gnade; denn es ist eben so viel, als: weil du sehr schwache Füsse hast, und folglich die Leiter sehr hart hinanklettern kannst, so will ich dich statt henken, von unten auf rädern lassen. Aber ich glaube, Szekely würde nie zu der Schandbühne verdammet worden seyn, wenn er nicht Maurer, oder Rosenkreuzer gewesen wäre, denn man will sagen: der Monarch habe ganz deutlich zu erkennen gegeben, er wolle denen Kerln (Maurern) zeigen, daß ihre Protektion nichts helfe. Und nun beantworte mir jemand die Frage: Ob es nicht billig seye, daß der Monarch den Haß, den er wider eine ganze Gesellschaft gefaßt hat, an einem Mitglied derselben durch die Macht des Stärkern bezeige? – ist es nicht sehr possirlich, wenn der Bauer in der Finster zu seinem Nachbar geht, und ihm unerkannt einen Knips versezt, und dann fortlauft, und in seine Faust lacht, daß er demselben so einen Streich gespielt hat? – O Gerechtigkeit! Gerechtigkeit! spielst du denn unter uns blinde Maus! – – – – – –

Daß der Kaiser über den ersten Vortrag des Hof-Kriegs-Raths diese strenge Strafe über den Szekely verhängte, wäre noch zu entschuldigen, man könnte sie aus dem Gesichtspunkte einer Unbesonnenheit, einer Übereilung betrachten. Aber daß er auf eine neuerliche Vorstellung darauf beharrte, und aus welchem Grunde er beharrte, zeigt erstens ein hartes Herz, und zweitens ungegründetes Raisonnement.

Sobald als Geld, heißt es in der leztern Resoluzion, besonders eine so ansehnliche Summe, wie diese von sieben und neunzigtausend Gulden ist, in der Kasse sich nicht befindet, so stehet es nicht mehr dem Richter zu, ihm zu beweisen, daß er es entfremdet hat; sondern ihm steht zu, zu beweisen, daß er es nicht entfremdet hat, und sobald er dieß nicht beweisen kann, so ist und bleibt er ein Dieb.

Ich seze nun den Fall: von zweien Kassebeamten, deren jeder die Gegensperr von der Kasse hat, ist einer ein Spizbube; sucht die Schlüsseln des andern auf einen Augenblick zu Handen zu bekommen, drucket sie in Wachs, und läßt sich dann darnach die Schlüsseln von dem Schlosser verfertigen. Bei Gelegenheit öffnet er, da er nun beede Gegensperr-Schlüsseln, seine und die des andern nachgemachter, in Handen hat, die Truhen, nimmt Geld heraus, und verschließt sie wieder. Bei der monatlichen Kasserevision zeiget sich der Abgang, und beede Kasse-Beamten müssen nun dafür haften; jeder soll die Hälfte davon zahlen, und dem Spizbuben bleibt folglich noch eine Hälfte von dem Entfremdeten zu Gute. Der andere ehrliche Beamte kommt hiedurch wider sein Verschulden in Ungelegenheiten; der Kasse-Abgang ist erwiesen; er kann es nicht beweisen, daß er das Geld nicht entfremdet hat; und doch hat er es nicht entwendet, und ist folglich kein Dieb. Wie bestehet also die Richtigkeit der kaiserlichen Resoluzion? und ist es nicht klar, nicht nach den Gesezen, daß der Richter den Dolum des Verbrechers beweisen müsse, weil der Verbrecher das Gegentheil niemals anders, als durch ein plattes Nein zu beweisen im Stande ist.

Noch eine Bemerkung will ich machen. Der Kaiser befahl: man solle dem Szekely, nachdeme er kassiret ist, und folglich aufhört, militär zu seyn, auf der Bühne den Zettel anhängen: Untreuer Beamter. Auf welche listige Art suchte Er von seinem lieben Militair die Schande wegzuwälzen, und sie denen Beamten aufzubürden?

Ich will nun nichts weiters sagen, als mich über das niederträchtige Betragen des Wiener Publikums bey Vollziehung der Strafe an Szekely beklagen. Welche herrliche Augenweide war dieses jammervolle Spektakel dem gaffenden Pöbel! Da stand er nun versammelt um die Bühne, starrte ihn an, den zitternden Greisen, wie eine leblose Bildsäule, und begnügte sich nicht, ihn mit einigen Blicken zu fassen; nein! stundenlang verweilten sie, die neugierigen Wiener, um ihn her, und zürnten vielleicht noch im Herzen, wenn die Gloke die Stunde seiner Erlösung von dem Bühnestehen läutete. Ein Beweiß, wie viele Müssiggänger Wien in seinen Mauern einschließe, die ihre Zeit nicht anderst zu tödten wissen, als durch den vergnügenden Anblick eines unglücklich bestraften Verbrechers. Ein Beweiß, wie wenig die Wiener feines Gefühl und wahres Mitleiden für den Elenden haben. Ein Beweiß, daß Kaiser Joseph recht dazu gemacht ist, den Geist der Wiener, der sich immer nach neuen auffallenden Gegenständen sehnt, zu ernähren.«

Obiges also das Fezersche Pasquill; und nun, laut unserm Eingang folgende Notizen aus: »Briefe über den gegenwärtigen Zustand der Literatur und des Buchhandels in Oesterreich. 1788.« Das(anonyme) Buch ist von einem gewissen Full verfaßt, und in Zürich gedruckt; es hat 288 Seiten in gr. Octav. Der Text, welchen wir mittheilen, steht Seite 156–162; er lautet:

Da Szekely, wegen Veruntreuung der Casse, die er unter seiner Aufsicht hatte, auf der Bühne stehen mußte, so erschien bald darauf bey Wucherer die Schrift: »Freymüthige Bemerkungen über das Verbrechen und die Strafe des Garde-Oberstlieutenant Szekely.« – Wenn du die freymüthigen Bemerkungen über Aufklärung und Reformen unserer Zeit mit Bedacht lesen wirst, so wird dir nicht schwer seyn, den Verfasser dieser alle Gränzen der Ehrfurcht gegen den Monarchen überschreitenden Skarteke zu errathen. – Weimar, der diese Schrift selbst setzte, und nächtlich einige Buche für Wucherer davon abdruckte, um sie durch einen Dritten der Censur vorlegen zu lassen – dieser Weimar, der dem Monarchen versprach, etwas Besseres zu drucken, wie Schönfeld, verbesserte noch an dem Manuscript. Er setzte nach seiner eigenen Aussage zu jedem Wort, Tyrann! welches in drey nach einander folgenden Fragesätzen steht, und jedesmahl nur mit Einem Ausrufzeichen geschrieben war, nähmlich: ein Tyrann! – ein Tyrann! – ein Tyrann! – Diese Wörter so: ein Tyrann! – ein Tyrann!! – ein Tyrann!!! – Da diese Schrift in Eile gedruckt ward, so ließ der Verfasser diese Wörter so stehen, entweder weil er sie nach seiner Abschrift nicht verglich, oder auch, weil es ihm so recht war. – So gering diese Änderung ist, oder scheinen mag, so verräth es doch den dummen, boshaften Antheil, den dieser Mensch bey solchen Unternehmungen nimmt. – Mein Lieber! ist es nicht thöricht von dem Ochsen, der da in der Tenne seines Herrn drischt, und dafür täglich nichts mehr und nichts weniger, als sein Bündel Heu bekömmt, den Jochdruck über die Schranken dehnen will, die ohnehin schon gesetzt und berechnet sind, um das Mögliche aus dem Stroh herauszupressen?

Sobald die Schrift gedruckt war, ward sie durch einen Unbekannten an den hiesigen Buchhändler Hohenleithner gesendet, um sie der Censur zu übergeben. Die Censurcommission schickte dieselbe dem Monarchen, der damahls in Ungarn war, durch eine Staffete nach, um seine Resolution derwegen zu vernehmen. Der Monarch ließ sich dieselbe durch seinen Adjutanten vorlesen, und schrieb dann darauf, »daß sie öffentlich verkauft werden solle, weil sie nur seine Person anbelange – aber eine andere Schrift, (Beweis, daß Zahlheim als ein Opfer der Unwissenheit seiner Richter hingerichtet worden &c.) verbiete er, weil sie seine Richter und ihr Verfahren durchzöge,« u. s. w. – Nun war der Teufel los! – Sie wurde aller Orten und Enden angekündigt, in den ersten Tagen um 30 kr, verkauft, und nachher um 15 kr., bey welchem Preise es bey Wucherer verblieb. Alles kaufte, was nur lesen konnte; es wurden bis 6 Auflagen verschlissen. Wucherer würde noch ein paar Auflagen haben veranstalten dürfen, wenn nicht Schmidt und Steinsberg dieselbe, da kein Verleger darauf stand, nachgedruckt, und bey 4000 davon verschlissen hätten, weil sie dieselbe zu 10 und 7 kr. verkauften. Letzterer ließ eine Vignette, einen Ochsenkopf vorstellend, dazu verfertigen – er wollte den Verfasser damit bezeichnen, vergaß aber anfänglich es ausdrücklich zu benennen, und gab daher zu verschiedenen Deutungen Anlaß. – Viele, die auch den Nachdruck gekauft hatten, kauften doch wieder das Original bey Wucherer, weil sie nicht recht trauten, ob auch der Nachdruck das nähmliche enthalte, was im Original stehe.

Rautenstrauch, der mit Wucherer in einer Disharmonie steht, ließ in die Erlanger Realzeitung setzen, »daß eine Schrift über Szekely's Verurtheilung in Wien erschienen sey, die alle Schranken der Ehrfurcht gegen den Monarchen überschreite: Ein gewisser Mann, der den Verlag der Skarteken wider Joseph II. zu seiner einzigen Speculation mache, sey der Drucker und Verleger davon.« – Wucherer fand sich durch diese Nachricht des Erlangers betroffen; er ließ daher durch seinen Hausautor, Fezer, eine entgegengesetzte, dem Erlanger Zeitungsschreiber zusenden, nähmlich, »daß er von seinem Correspondenten wegen diesen Artikel irre geführt worden; daß sich keine Wienerpresse so weit vergessen hätte, eine Schmähschrift gegen den Monarchen zu drucken, sondern, Gott weiß, woher, an den hiesigen Kunsthändler Hohenleithner eingeschickt; und nachher, da der Verkauf dieser Schrift erlaubt worden, auch von jenem Mann, von dem es heiße, er nehme alle Skarteken gegen den Monarchen in Verlag, angekündigt worden.« – Dieses brachte Hohenleithner, der sich indessen mit Wucherer entzweyt hatte, weil er auch den Nachdruck in Commission nahm, dermaßen auf, daß er in der nächsten Wienerzeitung eine Beylage zulegte, worinn er den ganzen Hergang dieser Sache erzählt, oder durch Rautenstrauchen erzählen läßt. Da es zu viele Abschreiberey gäbe, so will ich sie dir hier gedruckter beilegen. Sie hat die Überschrift: EhrenrettungWeil ich mich noch weiter unten in diesem Briefe auf diese Zeitungsbeylage berufen werde, so will ich sie, da ich sie mit diesen Briefen in meine Hände bekam, hier von Wort zu Wort hersetzen. – A. d. H.

»Ehrenrettung

Im 54. Stück der beliebten Erlanger Realzeitung befindet sich S. 465–466 folgende Stelle:

»Über die Verurtheilung des gewesenen Garde-Oberstlieutenants Szekely ist in Wien eine mit lateinischen Lettern gedruckte Schrift erschienen, deren Inhalt alle Schranken der Ehrfurcht gegen den Monarchen überschreitet. Ein gewisser Mann, der den Verlag der Skarteken wider Joseph II. zu seiner einzigen Speculation gemacht hat, ist der Drucker und Verleger derselben.«

Dieser mir unbekannte Freund und Gönner des Erlanger Herrn Zeitungsverfassers war allerdings ein patriotisch-gesinnter, rechtschaffener Mann, weil er ihm nichts anders, als die lautere Wahrheit schrieb. Allein diese Wahrheit ward durch Vermittlung des Druckers und Verlegers dieses Schandwerkes, im 58. Stück S. 499 zu einer Lüge verunstaltet, bey der ich Endesgenannter unmöglich gleichgültig bleiben kann. Es heißt nähmlich daselbst: »Daß er von seinem Correspondenten, in Ansehung des Druckers und Verlegers dieser Schrift, irre geführt worden; daß sich keine Wienerpresse so weit vergaß, ein Pasquill gegen den Monarchen zu drucken; daß jene Piece, vielleicht von einem innländischen Verfasser geschrieben – Gott weiß woher – an den hiesigen Buch- und Kunsthändler Hohenleithner eingeschickt, und erst, nach dem der Kaiser den öffentlichen Verkauf bewilligte, auch von jenem Manne angekündigt wurde, von dem es heißt, daß er alle Skarteken gegen Kaiser Joseph II. in Verlag nehme &c.«

»Da nun auf diese Weise der Schuldige sein Vergehen auf mich, – den Unschuldigen, wälzen will, so finde ich mich nothgedrungen, den wahren Verlauf der Sache hier öffentlich bekannt zu machen.«

Ungefähr den 27. oder 28. Juny. als eben diese Schrift unter der Presse war, kam der hiesige Groß- und Buchhändler, Herr Georg Philipp Wucherer, ganz hastig zu mir und fragte: Ob ich verschwiegen seyn könnte? Er habe eine Piece, an der Alles gelegen wäre, von welcher ich die Censur besorgen möchte.« Er setzte hinzu: »Daß er mich nicht zum Mittler brauchte, wenn ihm nicht darum zu thun wäre, den Verdacht abzulehnen, daß Er den Autoren Anlaß gebe, solche Brochüren zu verfassen.«

»Ohne mir bestimmt vorher zu sagen, von was diese Broschüre handle, sendete er mir hierauf den 30. Juny, durch einen seiner Miethlinge, ein Packet franco, bey dessen Eröffnung ich 50 Stücke derselben mit einem fingirten Brief fand, des wörtlichen Inhalts:«

Mein Herr!

»Die mitkommende Schrift – 50 Exemplare à 14 kr. empfangen Sie hiemit, und haben die Güte, den Verkauf zu besorgen; nach Abzug 15 Procent Rabats belieben Sie den Betrag demjenigen zuzustellen, der die Hälfte des innliegenden Papiers« (hier lag ein gleich einem Versatzzettel ausgeschnittenes Stück Papier) – »zeigen wird.«

»Ich gab aber am 1. July ein Exemplar derselben, nebst dem Brief und dem Fetzen von Papier zur Censur; am 3. July wurden mir die 50 Exemplare von der Censur abgefordert, und am 14. erhielt ich sie, mit der Nachricht, daß man sie verkaufen könne, wieder zurück.«

»Diese 50 Stück waren in einigen Minuten abgesetzt. Ich wendete mich also an den Verleger, der mir nach und nach gegen 200 Stück zukommen ließ, bis er endlich (weil ich auch den Nachdruck mit der Ochsenvignette in Commission nahm) Gelegenheit fand, die mir versprochenen 15 Procent selbst zu verdienen, wozu ohnehin schon die Anstalt getroffen war, weil diese Piece, gleich in der ersten Stunde, in allen hiesigen Caffeehäusern bekannt gemacht wurde.«

Nach ein Paar Tagen verbreitete sich das Gerücht, daß wegen den Urhebern dieser Schrift eine Untersuchung angestellt werden sollte. Ich machte es Herrn Wucherer schriftlich zu wissen, und erhielt von ihm folgende eigenhändige Antwort:

P. P.

»Ich glaube es nicht, daß eine Untersuchung vorgenommen werden wird. Inzwischen will ich Sie doch belehren, was Sie zu thun haben, falls es geschehen sollte. Sie können ja mit gutem Gewissen sagen, daß Ihnen die 50 Exemplare, ohne zu wissen von wem, zugeschickt worden seyen. Nach erhaltener Erlaubniß zum Verkaufe hätten Sie von mir erfahren, daß auch ich eine zum Verkauf hätte; und hätten also solche, wenn Sie eine gebraucht hätten, von mir holen lassen. Mit diesem werden Sie hinlänglich gerechtfertigt seyn.«

»Das Publicum wird also aus diesem wahren Vorgange überzeugt seyn, daß die im 58. Stück der Erlanger Realzeitung wegen dieser Sache eingeschaltete Nachricht, Zeile für Zeile unwahr ist; daß es dennoch eine Wienerpresse war, die sich so weit vergaß, ein Pasquill gegen den Monarchen zu drucken; daß niemand anderer, als Herr Wucherer, der es druckte, mir zuschickte, und das Geld dafür bezog, der Verleger desselben ist, und folglich ich deshalb schuldlos bin.«

»Ich bin diese öffentliche Nachricht meiner Ehre, meiner Rechtschaffenheit und meiner Unterthanspflicht schuldig, und überlasse es dem guten Gewissen des Hrn. Wucherer, durch welche Scheingründe er diese abermahlige Verwegenheit vor den Patrioten Österreichs rechtfertigen will.«

Wien, den 5. August 1786.

Lucas Hohenleitner,
Buch- und Kunsthändler, am
Kohlmarkt Nr. 1180.

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Wucherer, so rüstig er sonst mit einer Gegenantwortung aufwartet, beantwortete diese Ehrenrettung mit Stillschweigen. – Es kamen nachher einige Schriften in seinem Verlage heraus, die beweisen sollten, daß er jedes, es mag für oder wider den Monarchen geschrieben seyn, in Verlag nehme, und er als Verleger, mit dem Inhalte nichts zu thun hätte. Die erste dieser Schriften hieß: An den Verfasser der freymüthigen Bemerkungen über das Verbrechen und die Strafe des Garde-Oberstlieutenant Szekely, worin der Monarch wieder neue Hiebe bekam, anstatt den Verfasser und seine Scribeley zu beurtheilen und zurecht zu weisen – aber was helfen auch dem Verleger solche Widerlegungen? Das Publicum kauft sie nicht, und dem Verleger bleibt sein Säckel leer, – er muß absolut, und sollt' es ihm auch den Kopf kosten, solche Schriften haben, die Persiflagen gegen den Monarchen oder Staat enthalten! – Da nun aber Rautenstrauch seine volle Ladung gegen ihn abfeuerte, so wurde ihm, und auch seinen Autoren, um die Hosen herum bange, weil sie an der Unmöglichkeit von ein paar Schock Arschpöller, wovon ihnen vorher gar nichts träumte, doch zu zweifeln anfingen.


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