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Verhältnisse Hadrians während der Regierung des Trajan.
In Rom hatte Hadrian jetzt Gelegenheit genug, seinem Wissenstriebe Nahrung zu geben. Seit Nerva den Druck der Despotie vom Reich genommen hatte, war ein neues Leben erwacht. Tacitus hat dasselbe mit Jubel begrüßt.Tacit. Agricola c. 3: Nunc demum redit animus: et quamquam, primo statim beatissimi saeculi ortu, Nerva Caesar res olim dissociabiles miscuerit principatum ac libertatem . . . . Die Briefe des jüngeren Plinius an seine Freunde lehren, wie zahlreich die Männer hoher Bildung waren und wie lebhaft die wissenschaftlichen Studien in Rom betrieben wurden. Hadrian hat noch die letzten namhaften Autoren der lateinischen Literatur persönlich gekannt, welche dann den Griechen das Feld räumte, Juvenal und Martial, Statius und Silius Italicus, und dieser ist, wie es scheint, sein eigener Landsmann von Italica her gewesen. Der große Tacitus lebte, nachdem sein Schwiegervater Agricola im Jahre 93 gestorben war, wieder in Rom, mit der Ausführung seiner literarischen Arbeiten beschäftigt, und hier schrieb er im Jahre 98 seine Germania. Er erlebte wahrscheinlich noch die Tronbesteigung Hadrians, und daß dieser schon lange vorher die Bekanntschaft eines solchen Mannes gesucht hatte, ist selbstverständlich.Man setzt den Tod des Tacitus zwischen 117 und 120. Teufel, Gesch. der Röm. Liter., 5. Aufl., S. 765.
So oft Hadrian in Rom war, hat er mit geistig hervorragenden Männern verkehrt, wie Caninius Rufus, Augurinus, Spurinna, Calpurnius Piso, Sossius Senecio, und Arrius Antoninus. Er befreundete sich mit dem Geschichtschreiber Sueton und mit dem Dichter Florus. Er hörte den Redner Quintilianus, einen Spanier von Geburt, und Dio Chrysostomus, welcher, von Domitian verbannt, als Freund Nervas und dann Trajans nach Rom zurückkehrte, wo er im Jahre 117 starb. Auch den edeln Plutarch hat erkennen gelernt, als derselbe zur Zeit Domitians in Rom Vorträge hielt.
Wie alles literarisch Bedeutende zog ihn auch die Kunst an, und für sie erblühte gerade unter der Regierung Trajans ein reiches Leben. Zum Kunstenthusiasten hatte sich Hadrian schon in seiner Jugend ausgebildet und dann später an den großartigen Schöpfungen Trajans mit Leidenschaft Teil genommen. Ihre Seele war der Architect Apollodorus, ein Grieche aus Damascus. Eine Anekdote ist uns aufbewahrt, welche erzählt, daß sich Hadrian einmal in ein Gespräch dieses großen Meisters mit dem Kaiser Trajan über einen Bauplan gemischt und der Künstler ihm spöttisch gesagt habe: »Gehe du lieber Kürbisse malen, denn von diesen Sachen verstehst du nichts.«Dio, 69 4. Die Anekdote beleuchtet zu gleicher Zeit die künstlerischen Neigungen Hadrians, welcher damals Stillleben malte, sein persönliches Verhältniß zu den Bauplanen Trajans, und den Künstlerstolz Apollodors, des Bramante oder Michelangelo jener Zeit.
Im Jahre 101 erhielt Hadrian das Amt der Quästur. Dies war ein Schritt weiter in seiner Laufbahn wie in der Gunst Trajans; denn er wurde jetzt der Person des Kaisers beigegeben, dessen Reden er vor dem Senat zu lesen hatte. Da sein spanischer Accent belacht wurde, gab er sich Mühe, ihn zu verbessern, und er brachte es bald auch in der lateinischen Sprache zur Meisterschaft.Spart, vita c. 3: cum orationem imperatoris in senatu agrestius pronuntians rissus esset, usque ad summam peritiam et facundiam Latinis operam dedit. Dio 69, 3: φύσει δὲ φιλόλογος εν εκατέρα τη̃ γλώσση. Die glückliche Jugendzeit voll Studium und Genuß endete für Hadrian in demselben Jahre 101, in welchem Trajan eine neue Periode seiner Regierung begann, die der Kriege und Eroberungen. Die Dacier, denen er den von Domitian bewilligten Tribut verweigerte, fielen in das römische Gebiet ein, und Trajan brach von Rom auf, jene Völker zu züchtigen. Hadrian begleitete ihn in diesen ersten Krieg.Comes Expeditionis Dacicae nennt ihn die Inschrift auf der athen. Basis, und sie verbindet das mit der Quästur. Zu diesem Cursus honorum Henzens Commentar, welcher die Stellung Hadrians zum Kaiser als die eines Adjutanten auffaßt, und Mommsens C. I. L. III, n. 550. Er nahm daran mit so viel Auszeichnung Teil, daß er zweimal militärische Ehrengaben erhielt.
Aus diesem siegreichen Feldzuge nach Rom im Jahre 103 zurückgekehrt, wurde er Curator der Acta des Senats, sodann im Jahre 105 Volkstribun, doch nur für wenige Monate, da er den Kaiser auch in den zweiten dacischen Krieg begleiten mußte, und hier befehligte er als Legat die erste minervische Legion.Borghesi, Oeuv. II, 202, und die athen. Inschrift. Ueber den zweit. dac. Krieg La Berge, Trajan S. 48 f. Der Feldzug endete mit der Eroberung Daciens, dessen mannhafter König Decebalus sich selber den Tod gab. Hadrian hatte seine Legion mit persönlicher Tapferkeit und Geschick geführt, und vielleicht sogar Feldherrntalente gezeigt, die man von ihm kaum erwartete.Spart, c. 3: quando quidem multa egregia ejus facta claruerunt.
Zum Zeugniß seiner Zufriedenheit schenkte ihm Trajan einen Demantring, welchen er selbst bei seiner Adoption von Nerva empfangen hatte, und diese Auszeichnung gab dem Günstlinge die erste begründete Hoffnung auf eine glänzende Zukunft.
Noch im Kriege abwesend, wurde er Prätor, und als solcher gab er nach seiner Rückkehr aus dem Donaulande im Jahre 106 dem römischen Volk Spiele auf Kosten des Kaisers, während dieser selbst seine dacischen Triumfe mit einer Verschwendung feierte, welche an die Zeiten des Domitian erinnerte. Die durch hundert drei und zwanzig Tage fortgesetzten Feste, wobei elftausend wilde Thiere gejagt wurden und zehntausend Gladiatoren in der Arena bluteten, werden Hadrian nachdenklich gemacht haben. Als Kaiser hat er dieses Beispiel nicht nachgeahmt.
Trajan ernannte ihn alsbald zum prätorischen Legaten des unteren Pannonien. Er sollte also eine große Provinz regieren und Zeugniß davon ablegen, daß er für die höchsten Aemter des Staates geeignet sei. Diese Probe fiel zur Zufriedenheit des Kaisers aus, denn Hadrian hielt die Sarmaten in Zaum, und erwarb sich durch militärische Zucht und Strenge gegen die Procuratoren solches Ansehen, daß er im Jahre 108 die Consulwürde erhielt.Mit M. Trebatius Priscus, nur als suffectus. Das Jahr 108 sichert die Inschrift der Fasti Feriar. Latinar. C. I. L. VI, 2016. Klein, Fasti Consulares.
Seither galt er als wahrscheinlicher Nachfolger des kinderlosen Trajan, welcher schon damals an seine Adoption gedacht zu haben scheint.Henzen a. a. O. S. 158. Spart, c. 3. Da sein Gönner L. Licinius Sura, der Generaladjutant des Kaisers, um diese Zeit starb, so erhielt Hadrian seine Stelle. Trajan zeichnete ihn mit Beweisen des Vertrauens aus, die Augusta Plotina begünstigte ihn, mächtige Freunde, die Senatoren Sosius Papus und Platorius Nepos, der Ritter Livianus und sein ehemaliger Vormund Attianus mühten sich für seine Größe, während andre seine Neider waren, wie Celsus, Nigrinus, Palma und Lusius Quietus, berühmte Staatsmänner und Generale Trajans. Die hergebrachte Laufbahn im Civil- und Militärdienst, welche zu den Gipfeln des Staates führte, hatte Hadrian durchgemacht, im Felde sich Achtung erworben, eine Legion mit Auszeichnung geführt, eine schwierige Provinz gut verwaltet. Die Zeit, in der er sich zum Regenten ausbildete, war groß, wie der Herrscher des Reichs, sein Meister, dessen Handlungen er aus der Nähe betrachtete. Eine Menge bedeutender Männer, welche die Regierung Trajans hervorgerufen hatte, umgab ihn.
All das wüste Wesen wahnsinniger Selbstsucht, welche ehedem die Despotenlaune an die Stelle der Staatszwecke gesetzt hatte, war unter Trajan von der Strömung mächtiger politischer Leidenschaften hinweggeschwemmt worden, denn dieser Herrscher hatte die Weltgeschichte wieder in hohe Wogen gebracht. Der Römergeist ging noch einmal triumfirend über die Erde, wie zur Zeit des Julius Cäsar und Octavian. Die römische Virtus stralte von Waffenruhm über fremde Völker, aber dieser wurde doch von dem Geiste einer weisen, die Welt umfassenden Verwaltung begleitet, während die Freiheit des Bürgers erhalten blieb. Nie hatte sich die Herrschaft der Römer weiter ausgedehnt; die sarmatische Donau hatte Trajan unterjocht, das Reich des Decebalus zerstört und Dacien zur Provinz gemacht. Im Morgenlande hatte er fabelhafte Länder bis zum roten Meer erobert und als Provinz Arabia dem Reiche hinzugefügt. Gefangene Barbarenfürsten zierten wieder die römischen Triumfe. Ihre plumpen Marmorgestalten mit Angesichtern voll düsteren Trotzes erinnern noch heute in Rom an die trajanische Zeit.Im Jahre 1855 wurde die Colossalbüste des Decebalus am Forum Trajanum gefunden, sie kam ins Petersburger Museum. Froehner, La Colonne Trajane, 1865, S. 5. Tausende von Künstlern stellten die neue Herrlichkeit der Monarchie in Prachtbauten dar. Im Jahre 113 wurde die Siegessäule auf dem Forum Trajans enthüllt, das unerreichte Muster für die Nachahmung ehrgeiziger Kriegsfürsten noch in der spätesten Nachwelt.
Es ist fraglich, ob die Lorberen des Eroberers jemals die Seele Hadrians mit Eifersucht erfüllt haben. Er hatte andere Ideale. Wenn er zwischen dem Ruhme Homers und Achills hätte wählen können, so würde er den des ersten vorgezogen haben. Die Ehre, welche er eben vom Volk der Athener empfangen hatte, wird er einem Triumfe gleich geachtet haben. Denn wie angesehen Hadrian als mutmaßlicher Tronerbe schon außerhalb Rom war, und wie er sich im besondern den Griechen als Philhellene wert gemacht hatte, bewies die Thatsache, daß ihn die Stadt Athen im Jahre 112 zu ihrem Archon erwählte. Sie stellte zugleich seine Ehrenbildsäule im Dionysostheater auf. Ihr Postament mit den Inschriften in griechischer und lateinischer Sprache ist dort noch heute erhalten, und es ist diese Urkunde, welcher wir die bestimmtesten Nachrichten über die staatsmännische Laufbahn Hadrians bis zu seinem Consulat verdanken.Aus einem Fragm. der Mirabilia Phlegons c. 25 (Phlegontis Trall. Opusc. ed. Franz) geht 112 als Archontenjahr Hadrians hervor. Keil, Griech. Inschr. Philol. Suppl. II, 593. 594.