Ferdinand Gregorovius
Der Kaiser Hadrian
Ferdinand Gregorovius

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Fünftes Capitel.

Ritterstand, Senat und Princeps. Das kaiserliche Cabinet.

Die beiden bevorzugten Classen der Bürger Roms waren die Ritter und Senatoren, und auch sie hatten ihre staatliche Wichtigkeit eingebüßt.

Der römische Ritterstand war zuerst ein Bestandteil des Heers gewesen, dann der niedere Adel Roms, das Mittelglied zwischen der höchsten Aristokratie und dem Volk. Seit dem Gesetze des C. Sempronius Gracchus bildete er eine Rangclasse, welche die zu Richterämtern Befähigten in sich begriff. Ihm gehörten auch die Capitalisten und die Staatspächter an. Der Ritterstand sank in der Monarchie so tief, daß er nur durch die äußerliche Auszeichnung und die Gelegenheit, Reichtümer zu erwerben, wünschenswert erschien. Schon unter Cäsar wurde Rittern die Schmach angethan, als Histrionen freiwillig oder für Geld aufzutreten. Der römische Ritter Liberius, welcher eine von ihm selbst verfaßte Mime recitiren mußte, beklagte im Prolog die ihm auferlegte Beschimpfung.Maerobius Saturnal. II, c. 7:

Necessitas, cujus cursus transversi impetum
Voluerunt multi effugere, pauci potuerunt,
Quo me detraxit paene externis sensibus? . . .

Augustus hatte es fruchtlos versucht, den Ritterstand von unwürdigen Elementen zu reinigen. Er wollte ihn zu einer Anstalt machen, worin sich die Söhne der Vornehmen für Offizierstellen und curulische wie kaiserliche Aemter heranbilden konnten. Und gerade deshalb wurde der Ritterstand überfüllt.

Man erschlich sich den Eintritt durch Bestechung und Gunst; der gesetzmäßige Census von 400,000 Sesterzien wurde nicht festgehalten. Vergebens war die Erneuerung der Gesetze zur Aufrechthaltung der ritterlichen Würde. Denn die Kaiser selbst verliehen sie nach Laune an Freigelassene, so daß Söhne von Gladiatoren und Kupplern den goldenen Ring trugen und dieser zu einem bloßen Zeichen der Ingenuität herabsank.Friedländer II, 250. Ritter traten fort und fort als Schauspieler und Fechter auf. Unter Nero bildeten sie die kaiserliche Claque als Augustanen.

Die besseren Kaiser sind immer wieder zu den Grundsätzen des Augustus zurückgekehrt, indem sie sich bemühten, die hergebrachten Stände Roms zu erhalten, obwol der Geist der Monarchie selbst an der Tilgung aller politischen Körperschaften arbeitete, um an ihre Stelle die Rangclassen der Beamtenhierarchie zu setzen. Die mit dem Staatsroß beschenkten Ritterbürger sollten wieder eine bevorzugte Körperschaft bilden, woraus der höhere Beamtenstand hervorgehe. Noch Alexander Severus hat niemals Freigelassene in den Ritterstand erhoben, weil dieser das Seminar der Senatoren sein müsse.Ael. Lampridius, Alex. Sev. c. 19: seminarium senatorum equestrem locum esse. Es ist Hadrian gewesen, welcher die Machtstellung der Freigelassenen am Hof beseitigte und den Rittern eine neue Laufbahn eröffnete, indem er wesentlich aus ihnen seine Beamten nahm. Er machte Ritter zu Procuratoren des Fiscus und der kaiserlichen Patrimonien, der Münze, der Reichspost, der Bergwerke, der Wasserleitungen, des Getreidemarkts. Es waren meist Ritter, die er zu seinen »Freunden« und »Begleitern« oder zu seinen Secretären wählte, und sie bildeten auch seinen Staatsrat.Spart, c. 22. O. Hirschfeld, Untersuch. I, 30 f. 114 f. 169. Die Präfectur der Annona war von Augustus bis Konstantin eines der höchsten ritterlichen Aemter, und von ihr stieg man zur Präfectur Aegyptens auf. O. Hirschfeld, die Getreideverwalt., S. 46.

Auch der Senat war durch die Monarchie so tief herabgekommen, daß der Abgesandte des Pyrrhus in ihm nicht mehr eine Versammlung von Königen, sondern von Fürstendienern würde erkannt haben. Die höchste regierende und gesetzgebende Körperschaft Roms dauerte nur noch als ein politischer Begriff fort, obwol noch immer die Hoheit des römischen Volks in ihm beruhte. Denn der Senat hatte das Recht, den Princeps zu wählen; er bestätigte die Kaiser, so oft sie das Heer erhoben hatte, er gab ihren Adoptionen die Zustimmung und bewilligte ihnen die höchsten Ehrentitel. Er konnte sie rechtlich absetzen oder ihnen nach ihrem Tode die Consecration verweigern. Daher blieb der Kaiser gesetzlich immer nur das Haupt des Senats, der Erste unter Seinesgleichen.

Als Octavian im Jahre 27 seine außerordentlichen Gewalten niederlegte und den Titel Augustus erhielt, anerkannte er die Fortdauer der Rechte des Senats, mit welchem er die gesetzmäßige Herrschaft teilte. Er selbst sollte nur der höchste Beamte des souveränen Volkes, nicht sein unverantwortlicher Herrscher sein.Mommsen, R. Staatsr. II², 709 f. Es kam seither darauf an, dieser verfassungsmäßigen Stellung des alten Reichskörpers die Macht zu nehmen und die absolute Gewalt zu entwickeln. Augustus reinigte den Senat, er setzte seine Zahl auf 600 Mitglieder fest, welche mit dem nötigen Vermögen (1,200,000 Sesterzien, etwa 200,000 Mark) ausgestattet wurden. Die Würde des Senats schien demnach hergestellt zu sein, aber da diese gesetzgebende Macht von der vollziehenden ernannt worden war, hatte sie ihre Unabhängigkeit verloren.Gibbon c. 2. Die Cäsaren haben den Dualismus zwischen Princeps und Senat in einem Kampf von zwei Jahrhunderten Schritt für Schritt zu beseitigen gewußt. Tiberius erhöhte das Ansehen des Senats, um durch ihn das Volk zu beherrschen. Er nahm diesem das Recht der Gesetzgebung und die Magistratswahl und gab sie an jenen. Der Senat wurde das Tribunal für Majestätsverbrechen und die höchste Civilinstanz. Er bestätigte alle Aemter, Würden und Gesetze, kurz jeden Regierungsact, d. h. der Kaiser gab seinem eigenen Willen durch den scheinbaren des Senats die Gesetzlichkeit. Den Knechtssinn desselben hat Tiberius gründlich verachtet, und welches klägliche Werkzeug des Despotismus er geworden war, hat Tacitus gezeigt.

Caligula brachte das Recht der Wahl und Gesetzgebung wieder an die Comitien, gab dasselbe aber dem Senat zurück, weil das Volk die ihm neuerteilte Befugniß nicht mehr zu brauchen verstand. Nach der Ermordung des Wahnsinnigen faßten die Senatoren sogar den chimärischen Plan, die Republik herzustellen, aber die Garde setzte Claudius auf den Tron. Nun trat die dritte und furchtbarste Macht im Staate auf, das Heer, welches Rom in eine gesetzlose Militärdespotie zu verwandeln drohte. Das zu verhindern, ein Gleichgewicht zwischen den drei Gewalten herzustellen, war fortan die schwierigste Aufgabe der römischen Regierungskunst, und sie ist mit Hilfe des bewunderungswürdigen Rechts- und Verwaltungssystems durch die Monarchie doch nahezu gelöst worden. Von Claudius aber bis auf die Flavier galt die prätorianische Leibwache mehr als der Senat, welcher zu einem bloßen Verwaltungsrat von 200 Mitgliedern herabgesunken war.

Vespasian, ein Emporkömmling aus dem Plebejerstande, bedurfte der Unterstützung des Senats, um seiner Herrschaft Autorität zu geben. Die monarchische Partei in diesem brachte die republikanische zum Schweigen, und die berühmte Lex de imperio entschied zu Gunsten des Principats, indem sie ihm alle Macht nochmals übertrug, welche in der Republik das Volk und der Senat und dann Augustus, Tiberius und Claudius besessen hatten. Es wurde nicht einmal der Versuch gewagt, die absolute Gewalt des Fürsten durch die Feststellung der Rechte des Volkes auch in dem bescheidensten Maße zu beschränken. Die Lex Regia war die Unfähigkeitserklärung des römischen Volks, jemals wieder frei zu sein. Gleichwol hat sie als ein Autoritätsact das Ansehen des Senats gehoben, welchen. die Flavier erkenntlich blieben. Noch nach langen Jahrhunderten konnte der letzte Volkstribun der Römer, Cola di Rienzo, aus diesem Senatsdecret, welches er mißverstand, die unveräußerlichen Rechte des römischen Volkes ableiten. Vespasian brachte den Senat auf 1000 Mitglieder, indem er Männer aus allen Provinzen in ihn aufnahm, und seither wurde keiner Provinz des Reichs außer Aegypten der Zutritt versagt. Seit Domitian ernannten übrigens die Kaiser ganz einfach die Senatoren.

Die besseren unter ihnen wahrten dem Senat immer Ehre und Ansehen, weil sie erkannten, daß seine Auflösung der Monarchie die einzige verfassungsmäßige Grundlage rauben würde. Sie schlossen bei ihrer Tronbesteigung gleichsam einen Vertrag mit ihm, wie später die Päpste mit dem Cardinalscollegium. Sie betrachteten ihn als einen eigenen Staatskörper, in welchem theoretisch die Souveränität des Volkes residirte; aber dieser Staatskörper diente ihnen selbst als Werkzeug ihrer Alleingewalt.

Man erinnere sich, mit welcher Achtung Hadrian den Senat behandelte. Er entschuldigte sich, das Imperium ohne ihn angenommen zu haben, bat um seine Bestätigung, bekannte sich nur als den Vollstrecker der Verfügungen des Senats und sicherte diesem die persönliche Unverletzlichkeit zu. Er that auch nachher nichts Wichtiges ohne ihn.Spart, c. 8. Er stellte seine Würde her, indem er den Eintritt in die Curie erschwerte. Er sorgte für die standesmäßigen Einkünfte der Senatoren und erneuerte, um ihre Stellung zu wahren, das Gebot, daß kein Senator Gewerbe treiben oder Zölle pachten dürfe.Dio 69, 16. Nur von ihren Standesgenossen, nicht von Rittern, ließ er Senatoren richten. Er nahm die Angesehensten in den Kreis seiner Freunde auf und verlieh Senatoren oft die consularische Würde. Denn der Consulat war bereits auf die Dauer von zwei Monaten herabgesetzt worden, so daß jährlich zwölf und mehr Consuln, kleinere neben den beiden Eponymconsuln ernannt wurden.Unter Commodus gab es in einem Jahr sogar 25 Consuln. Dio 72, 12. Der Senat bezahlte die Gunst des Kaisers mit völliger Unterwürfigkeit. Münzen verewigten diese Eintracht beider Gewalten; auf einer Medaille steht Roma zwischen einem Senator und Hadrian, diesem die Hand reichend.Cohen II, 172. Ein berühmtes Medaillon Hadrians verzeichnet die Glückwünsche des Senats zum neuen Jahre: Hadrianus Aug. – S. P. Q. R. An. F. F. Hadriano Aug. PP. Froehner, Les Médaillons de l'Empire Romain, Paris 1878, S. 42. Sogar die Libertas publica mit Scepter und phrygischer Mütze prangt auf einer hadrianischen Münze als Theaterfigur, was sie so oft in der Welt gewesen ist.Cohen II, 316.

So blieb die Trennung der beiden Verwaltungssphären, in welche sich Princeps und Senat seit der augustischen Konstitution geteilt hatten, bestehen; denn dieser besetzte noch immer die proconsularischen Aemter in seinen an Zahl freilich verringerten Provinzen, während auch die Commandos der Legionen in der Regel an Männer senatorischen Ranges gegeben wurden. Weil aber ein Gleichgewicht der Gewalten nicht durch eine Reichsverfassung geschaffen worden war, blieb der Fürst zügellos. Rom war, seinem Begriffe nach, auch unter den Kaisern Republik, und der vom Senat investirte Herrscher nur ihr höchster Magistrat, und doch war derselbe zugleich ein unumschränkter Despot, dessen Imperium sich weder auf das Gesetz der Erblichkeit noch überhaupt seinem Ursprunge nach auf eine Legitimität stützte, und deshalb nur durch Usurpation rechtlich war.Puchta, Institutionen I, § 86 f. Er hatte seine Person mit allen republikanischen Gewalten des Volks erfüllt, und diese waren auf Octavian nicht durch eine Lex regia übertragen worden, sondern er hatte sie allmälig mit Hilfe seiner Freunde im Senat erlangt.

Die proconsularische Gewalt auf Lebenszeit war die Grundlage des Imperium, denn sie verlieh Augustus und seinen Nachfolgern den militärischen Oberbefehl und die richterliche Hoheit auch über die Statthalter in allen Provinzen, während der Tribunat dem Fürsten die dem Volk zustehenden Rechte erteilte, und die consularische Gewalt, welche zu führen oder nicht in seinem Belieben stand, ihn über alle andern Magistrate erhob. Das alte republikanische Priestertum des Pontifex Maximus machte den Kaiser auch zum Haupt der Staatsreligion.

Das usurpatorische Wesen des Kaisertums drängte den römischen Staat immer mehr dem Byzantinismus zu. Der Kaiser zog die ganze Administration an sich. Er hatte auch das Münzrecht, da dem Senat nur die Prägung von Kupfergeld gelassen wurde. Die Reichssteuer, das Postwesen, die Wege und Straßen, die Wasserleitungen, die öffentlichen Bauten, die Alimentationen, die Annona und Verpflegung der Stadt Rom, die Spiele, all dies hing einzig vom Kaiser ab. Er bestritt die Ausgaben aus den ihm zugewiesenen öffentlichen Einkünften, wozu auch die senatorischen Provinzen herangezogen wurden. Der Fiscus verschlang das Aerarium des Senats und Volks.Für Asien, die größte Senatsprovinz, bestand ein Fiscus asiaticus, welcher von kaiserl. Procuratoren verwaltet wurde. Hirschfeld, Untersuch. I, 12.

Das Wahlrecht der Magistrate besaß der Kaiser gesetzlich nicht, nur die Consuln und die Beamten für seine Provinzen ernannte er selbst; aber sein Einfluß bestimmte die Wahl des Senats, und schon im 3. Jahrhundert, wo der Kampf mit dem Senat zu Gunsten der absoluten Monarchie entschieden war, besetzte der Kaiser alle Aemter. Aemter wurden die stärksten Hebel der Despotie; sie dienten zunächst dazu, dem Monarchen die Stadt Rom unterwürfig zu halten, dann verdrängten kaiserliche Beamte die des Volks und Senats, und das künstliche System des Hofes und seiner Ministerien verschmolz mit der Staatsverwaltung selbst.

Die wichtigste Einrichtung von Magistraten, welche die Kaiser neu schufen, war die der Präfecten der Stadt und des Prätorium. Das alte republikanische Amt des Praefectus urbi, einer städtischen Behörde, welche die abwesenden Consuln vertreten durfte, hatte Augustus wieder aufgenommen und Tiberius aus ihm das kaiserliche Polizeiamt Roms gemacht. Der Stadtpräfect, unter welchem die Cohortes urbanae und der Praefectus vigilum standen, hatte Civil- und Militärgewalt, und schon seit Nero richtete er alle nicht politischen Verbrechen.Geib, Gesch. des röm. Criminalprocesses, S. 439.

Furchtbarer war seit Tiberius die Macht des Befehlshabers der prätorianischen Leibwache, welche die Stadt dauernd besetzt hielt. Unter Augustus befehligten diese Garde zwei Obersten vom Ritterstande mit rein militärischer Gewalt. Ihre Stellen vereinigte Tiberius, und dies machte den Präfecten des Prätorium zum ersten Beamten nach dem Kaiser, die Garde aber zur Gebieterin des Kaisertums. Nach Tiberius gab es wieder zwei Präfecten, von denen einer freilich den Vorrang haben mußte. Als Präfecten Hadrians sind bekannt Attianus und Sulpicius Similis, dann Q. Marcius Turbo und C. Septicius Clarus. Die Macht dieser Behörde, die bis auf Constantin im Besitze der Civil- und Criminaljurisdiction in Italien blieb, nahm erst seit Alexander Severus so große Verhältnisse an.Geib, S. 417 f. Hadrian selbst gab dem Präfecten des Prätorium eine bevorzugte Stellung im Staatsrat.

Die erste Idee eines Cabinetsministerium oder doch eines Collegium von Consularen und Senatoren, von »Freunden und Begleitern« des Fürsten, welche ihm bei seiner Rechtspflege behilflich sein sollten, stammt von Augustus her.Ueber die im kaiserl. Hause hergebrachten Amici und Comites Friedländer I, 117 f., und 190 f. der Katalog der Freunde Hadrians. Hadrian scheint dieses Consilium von Privatpersonen zu einem wirklichen Staatsrat gemacht zu haben, er hat in ihm besoldete Mitglieder und wirkliche Rechtsgelehrte angestellt, wie Julius Celsus, Salvius Julianus, Neratius Priscus und andere.Spart, c. 18, c. 22. Dio 69, 7. Die Mitglieder des Consilium bestätigte in der Regel der Senat, und dieser wurde gerade durch ihn allmälig von der Rechtspflege, welche er besaß, wie von der Regierung verdrängt. Denn der Staatsrat setzte sich an die Stelle des Senats, so daß schon zur Zeit Ulpians die senatorische Gerichtsbarkeit zu einer Sage geworden war.Geib S. 417. 419. Seit dem Ende des 2. Jahrhunderts scheint der Praefectus praetorio den Vorsitz im Consilium geführt zu haben: der Gardeoberst wurde zum Rechtsgelehrten, und Männer wie Ulpian, Papinian und Paulus konnten als wirkliche Justizminister angesehen werden.Niebuhr, R. Gesch., Jena 1845, V, 320. Ueber das Consilium Mommsen, R. Staatsrecht II, 2. 923 f.; Hirschfeld, Untersuch. I, 201; Friedländer I, 1176; Geib a. a. O.

Auch die kaiserliche Kanzelei hat Hadrian neu geordnet. Seit Augustus gab es drei große die Reichsverwaltung umfassende Palastämter, die Direction der Finanzen (a rationibus), den Secretariat (ab epistolis), und das Bureau für Bittschriften (a libellis). Diese drei Procurationen wurden im ersten Jahrhundert durch kaiserliche Freigelassene verwaltet; sie gaben ihnen deshalb einen so allmächtigen Einfluß, daß sie eigentlich das Reich regierten.

Der Procurator a rationibus erstreckte seine Macht über das gesammte Reich, weil alle Einkünfte des Fiscus von ihm verwaltet und alle Ausgaben von ihm angewiesen wurden. Der Vorstand des Secretariats hatte die kaiserlichen Correspondenzen in ihrer ungeheuren Ausdehnung zu besorgen. An ihn liefen die Depeschen und Berichte über die Zustände im Reiche ein, und von ihm gingen die Entscheidungen des Kaisers aus. Von seinem Cabinet wurden Anfragen der Behörden und Gemeinden beantwortet, Patente an Officiere des Heers und kaiserliche Privilegien ausgefertigt. Die beiden Weltsprachen bedingten auch die Teilung dieses Cabinets in die Bureaus für lateinische und griechische Briefe. Vor Hadrian standen diese unter einer und derselben Direction und erst durch ihn wurden sie getrennt. Es lag in der Natur dieses Sekretariats und namentlich seiner griechischen Abteilung, daß es von literarisch ausgezeichneten Männern, von Rhetoren und Sophisten verwaltet wurde. Der lateinische Secretär Hadrians war zuerst Sueton, sein griechischer Avidius Heliodorus aus Syrien, ein philosophisch gebildeter Mann, welcher später in seine Ungnade fiel, dann aber unter Antoninus die Präfectur Aegyptens erhielt.Waddington, Mém, sur Ael. Aristide in Mém. de l'Inst. T. XXVI, 1867 S. 217. Der Sohn des Heliodorus war Avidius Cassius, Rebell gegen M. Aurel. Secretär Hadrians war auch L. Jul. Vestinus, G. I. G. 5900; Friedländer I, 99 f., Anh. III, 165. Ein vierter, namenloser aus einer Inschrift von Ephesus, und wahrscheinlich war es auch Celer; ibid.

Minder einflußreich war die Stellung des Dirigenten der Section für Bittschriften und Beschwerden von Privatpersonen (a libellis), welche unter Hadrian der Ritter Titus Haterius Nepos verwaltete. Die Antworten des Kaisers erfolgten als kurze Bemerkungen auf der Eingabe selbst, und solche dienten seit Hadrian als Norm für ähnliche Fälle.Hirschfeld I, 207.

Dieser Kaiser besetzte die großen Hofämter überhaupt mit Rittern. Wenn auch das Rechnungsamt (a rationibus) noch nach ihm bisweilen von Freigelassenen bekleidet werden mochte, so hatte er doch dasselbe zu einer ritterlichen Procuratur gemacht.Hirschfeld I, 201 Während vor ihm Freigelassene die wichtigsten kaiserlichen Verwaltungsämter in Händen hatten, machte er diesen Gunstverhältnissen ein Ende, indem er solchen Aemtern den persönlichen Charakter nahm und sie zu Magistraturen umschuf. Aus dem Ritterstande hat erst Hadrian einen kaiserlichen Beamtenstand gezogen und die civile Laufbahn der Procuratoren und Präfecten mit ihren Rangstufen geschaffen, welche der gesammten Verwaltung ein bureaukratisches Gepräge gab.

So bezeichnen seine Reformen eine Epoche in der Ausbildung der absoluten Monarchie. Schon Hadrian ist es gewesen, der die Grundlage für den diocletianischen und constantinischen Staat gelegt hat. Aurelius Victor konnte daher von ihm sagen, daß er die öffentlichen und höfischen Aemter in diejenige Form brachte, welche im Allgemeinen bis auf seine Zeit, das 4. Jahrhundert, fortgedauert hat.Den beginnenden Byzantinismus des Aemterwesens bezeichnet der Gedanke des Alex. Severus, die Beamtenuniform einzuführen. In animo habuit omnibus officiis genus vestium proprium dare et omnibus dignitatibus, ut a vestitu dinoscerentur, Lamprid., Al. Sever. c. 27.


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